Kurzgeschichte
... über Gott reden

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"... über Gott reden"
Veröffentlicht am 20. Februar 2018, 16 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Über mich gibt es nichts interessantes. Aber jetzt auch mit schönen bunten Bildern.
... über Gott reden

... über Gott reden

… über Gott reden!

Der Tag fing ja schon verdammt mies an. Irgendwo südlich im Vaterland braute sich ein echter Orkan zusammen, Versicherungsaktien rutschten voreilig in den Keller, und ich stieß mir beim Gang auf s Klo den kleinen Zeh an.

Doch damit nicht genug.

Es wurde wieder mal Zeit für den wöchentlichen Einkauf. Das bedeutete: Ich musste mich einigermaßen landfein

machen. Schuhe und Socken nicht vergessen, Geld einstecken, und ein ordentliches Maß an unerschütterlicher Zuversicht aufbauen. Nur für den Fall, dass mich unterwegs die schiere Panik vor dieser höllischen Verrichtung überkam.

Sachen einkaufen gehört eben nicht zu meinen favorisierten Beschäftigungen. Allein schon die Aussicht auf eine Horde Sonderangebotsgeiler Wühler und Grabscher, die sich rücksichtslos an mich ranwanzen, mir den Weg versperren, um freudig Grunzend untereinander ihren Shopping Sieg zu feiern, bringt mich schier zum Verzweifeln. Dazu noch die Schlangen vor den Kassen. Die Alten,

die ihr Kleingeld niemals finden, die jungen bärtigen Hipster, die jeden Kleinkram weltmännisch mit ihrer bescheuerten Bankkarte bezahlen müssen.

Einfach furchtbar!

Aber eben notwendig diese wöchentliche Qual.

Also mach ich mich dran.

Rein in meinen Lieblingsdiscounter. Schnell das Zeug gegriffen, dass ich gewohnheitsmäßig einkaufe, den anderen Mist in den hübsch bunten Packungen, die mit grellen Farben und abenteuerlichen Namen um Mitnahme betteln, ignoriere ich gewohnheitsmäßig. Eine zutiefst abwesende

Smartphoneglotzerin unsanft an die Seite geschoben, und Husch ans Ende einer Warteschlange.

Immer das gleiche Spiel.

Endlich bin ich dran. Eine schlecht gelaunte Aushilfskraft zerrt meinen Kram über dieses elektronische Piepdings, ich verstaue alles im Rucksack, bezahle, und verschwinde so schnell es geht.

Hinreichend erleichtert wieder in meinem Wohnblock zu sein, grüße ich die Gespenster hinter den Vorhängen und schleppe meine alten Knochen die endlose Treppe hinauf. Mache die Tür auf, trete ein. Erstmal tief durchatmen, dann ne Fluppe anzünden, husten bis mir ne Träne runter läuft. Dann muss das

ganze Zeugs verstaut werden. Kühlschranktür auf. Und rein mit dem ganzen Mist. Der Margarine, Aufschnitt, Kondensmilch, Eier, Butter, Käse, und noch Obst. Bier ist noch genug da. Ich schmeiße die sanft quietschige Tür wieder zu.

Und falle fast in Ohnmacht!

Da stehen doch glatt zwei Kerle in meinem Flur. Direkt vor der Küchentür und lächeln mich verzückt an.

„Na, leck mich doch...!“ Entfährt es mir, so ganz ohne eigenes Zutun.

Ich schaue mich nach etwas um das mir womöglich als Waffe dienen könnte. Ein alter Dosenöffner fällt mir auf, ein Kaffeelöffel, ein Aschenbecher fällt mir

in die Finger. Den könnte ich schmeißen. Allerdings machen diese zwei Typen da keinen besonders gefährlichen Eindruck. Eher das Gegenteil. Vollkommen harmlos und kein bisschen aggressiv lungern sie da rum und lächeln immer noch. Ich guck sie mir genauer an:

Schmucke Jungs sind das. Zweifellos. Sauber geschrubbt und Faltenfrei. Sicherlich billige Anzüge, aber Tadellos gepflegt. Weiße gebügelte Hemden, Fleckenfreie Krawatten. Blanke Schuhe. Und dazu dieses schier unzerstörbare Grinsen in ihren unschuldig netten Visagen. Die blauen Augen blicken ebenso unschuldig, gleichzeitig schimmert da so ein selbstgefällig

arroganter Blick unter den hübsch geschwungenen Brauen. Haare sind auch mehr als ordentlich. Kurz, sauber frisiert, und scharf gescheitelt. Kurzum: Die zwei Vögel da sehen aus wie harmlose Spendensammler, oder nervige Verkäufer von Blindenware. Allerdings lauert hinter ihrer offenen Harmlosigkeit auch ein Hauch von Gefahr, etwas enorm Hinterlistiges und Böses, so als kämen diese Musterknaben direkt aus so einer alten faschistischen Kaderschmiede, wo sie einst  saubere Herrenmenschen in Serie produzierten.

Aber sie sind nichts womit ich nicht allein fertig werde. Auch unbewaffnet.

Nur so zum Standpunkt klarmachen und

zu meinem Vergnügen schnauze ich sie erst mal tüchtig an:

„He da, ihr zwei komischen Jammerlappen! Was glaubt ihr da machen zu können? So einfach mal meine Bude entern? Euch hier breitmachen ?“

„Entschuldigen Sie,“ plappert der eine von ihnen los. „Ihre Tür stand offen, wir deuteten das als willkommene Einladung für ein Gespräch.“

„Ihr wollt ein Gespräch?“

„So ist es!“

„Na dann... erzählt mal...!“

Es folgt ein zweistimmiges Räuspern. Dann legt der eine Kerl los:

„Wir sind Mitglieder der Glaubensgemeinschaft „Hüter der ewigen

Wahrheit im Zeitalter des elektronischen Aberglaubens“, und wir wollen mit Ihnen über Gott reden!“

„Ach was...?!“ Mache ich, mäßig erstaunt. Da sind diese zwei Handelsvertreter in Sachen heiligem Irrglauben bei mir genau an der richtigen Adresse. Ich verabscheue organisierte Religion, sehe dieses ganze Konzept nur als ein Kontrollinstrument um die Reichen dieser Welt vor den Armen zu schützen. Außerdem ist dieser „Gott“ ein perfekter Sündenbock für all die maßlosen Schweinereien die sich Menschen gegenseitig antun.

Der Zweite von ihnen zeigt das auch er der Sprache mächtig ist:

„Die Zeit in der wir leben ist immens verwirrend, Bruder, mit all diesen neumodischen und gefährlichen Ablenkungen wie Online Shopping, Social Media, Dating Portalen und schmutziger Pornografie, da muss doch etwas grundlegend falsch laufen. Wir entfernen uns mit diesem Schmutz immer weiter von Gott und seinen ewigen Wahrheiten, seiner Güte und seinem tiefen Mitleid für alle Sünder.“

„Die Sünde wird unser aller Untergang sein,“ prophezeite der andere mit drohender Stimme. „Die Hölle wird sich mit Millionen armer Ungläubiger füllen... und ihre Qualen werden fürchterlich sein!“

Das musste ich erst mal fix überdenken während die Beiden Heilsbringer mich erwartungsvoll angrienten.

Ich zündete mir ne Zigarette an, nahm mir n kaltes Bier, und n wirklich tiefen Zug aus der Flasche. Rülpste zufrieden und grinste zurück.

Nun, mit Sünden kenne ich mich aus: Trunksucht, Völlerei, Unzucht und noch allerlei mehr; alles schon mal gemacht und genossen. Allerdings hab ich auch so meine Tugenden. Zum Beispiel laufe ich nicht in der Gegend rum und versuche fremde Menschen zu missionieren. Glauben ist ist ja nun Privatsache; hat auch was mit dem freien Willen zu tun.  Also war meine Antwort an die beiden

Agenten des heiligen Geistes ziemlich klar:

„Jetzt passt mal auf, ihr zwei Komiker: Gott ist nur ein Furz in den Köpfen  armer leichtgläubiger Kreaturen, die darauf hoffen das sie trotz all ihrer monströsen Verbrechen an der Umwelt und ihren Bewohnern, immer noch sicher sind das ihnen ein Platz im Paradies gesichert ist. Also machen sie einfach immer weiter mit ihren perfiden Sauereien. Sie beginnen Kriege, dealen mit Waffen, zerstören die Welt und die Wahrheit und das Wissen dieser Erde. Und das alles im Namen eines unsichtbaren unrasierten Besserwissers!“

Ich trink noch n Schluck Bier.

„Und jetzt verpisst euch. Oder ich schick euch ne echte Plage an den Hals!“

Und tatsächlich. Die beiden Händler ewiger Verdammnis und Dreifaltigkeit verschwinden so plötzlich wie sie gekommen waren. Zumindest diesen Trick haben sie drauf.

Ich rauche dann noch eine, trink noch n Schluck. Und mit der Erkenntnis meinen Platz im göttlichen Halleluja Land verschissen zu haben schicke ich ein stummes Gebet an meinen ganz persönlichen Gott.








Text: harryaltona

Cover: Pixabay

 

 

 

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Über mich gibt es nichts interessantes. Aber jetzt auch mit schönen bunten Bildern.

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tooshytowrite Elegant, wie Du Missionare zur Demission treibst!
lg
tooshytoenjoynextweeksshoppingtourwithyou
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Man muss eben die Waffen nutzen die einem gegeben sind.
Tausend Dank, tooshy!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Mensch, Harry!
Da haste ja nun wirklich verschissen ... der Platz im Paradies ist weg!
Jedenfalls für dich! Aber du magst ja sowieso kein Gedränge von folgsamen Schafen, die alles ungefragt mitmachen wie eben im Supermarkt!
Dann lass uns mal lieber in der Hölle ackern. Ich glaub ja sowieso dass der Teufel mehr Humor als der Andere hat.
Toll geschrieben!
Liebe Grüße
Peter
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Yep, verschissen hat ich schon vorher. Außerdem is mir lieber warm als wolkig. "LUUUUUJA!" Sag ich da nur.
Tausend Dank, Peter!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Unverkennbar Deine Handschrift! :-) Den beiden hast Du es aber gegeben.
Nun brauchen sie erst einmal Trost vom Herrn.
Das war Lesespaß!
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Ich hoffe sie finden den richtigen. - gibt ja heutzutage ne Meeeenge von diesen "Herren!"
Tausend Dank, Kara!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Einfach köstlich, vom ersten Satz an!
LG Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Tausend Dank, Sabine!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
Lindenblatt 
Hallo Harry,
Deine lesenswerte Geschichte habe ich mit 'göttlicher Freude' gelesen.
Sehr amüsant geschrieben. So ist es, wenn man die Wohnungstür nicht sofort hinter sich fest zudrückt, Kette davor macht und sonstwie verramelt. -zwinker-
Lieben Gruß
Linde
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Aber dann wäre mir doch glatt diese nette kleine Geschichte durch die Lappen gegangen!
Tausend Dank, Linde!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
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