Kurzgeschichte
Rückkehr der Wölfe

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"Rückkehr der Wölfe"
Veröffentlicht am 11. Februar 2018, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Andyhank
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Der Alltagslyriker Andyhank (sprich: Ändihänk), mit bürgerlichen Namen "Andreas Hanke", zeichnet und schreibt, musiziert und komponiert, bastelt, kreiert, kocht und gärtnert. Humor ist sein liebstes Steckenpferd, was nicht immer bedeutet, dass alles, was hervorgebracht wird, auch lustig sein muss. Lassen wir Leser uns bezaubern von einer Denkweise der Dichtkunst, die nicht allzu oft anzutreffen ist, lassen wir Betrachter uns anstecken von ...
Rückkehr der Wölfe

Rückkehr der Wölfe










Die Ferien sind fast vorüber. Heute soll der Bus mit den Rabauken aus dem Ferienlager zurückkommen. Die Großen haben sich hoffentlich ausgetobt und sind brav wie Lämmer. Zumindest in der Anfangszeit.


Die Kleinen hingegen tollen ausgelassen im Garten herum.

„Mittag ist gleich fertig!“, rufe ich zum geöffneten Fenster hinaus. Die Luft ist frisch und duftet nach frischem Gras und gebratener Hammelkeule. Geschälte Kartoffeln plumpsen in kaltes Wasser.


Der Rotkohl brodelt unter dem Deckel still vor sich hin. Ich wasche das Schälmesser und meine Hände. Die kleine Narbe am Gelenk des Zeigefingers weckt Erinnerungen an die Lehrzeit, wo ich mit dem Messer beim Ausschälen einer Schweinerippe abrutschte. Es schmerzte gar nicht. Nur rot lief das Blut und mischte sich mit der Farbe des Fleisches.


Dabei gab es schon Kettenschutzhandschuhe.

Doch die waren mir zu klein.

Und Gummihandschuhe trug ich ungern. Damals wie heute. Nur mein Blut schmeckte süßlich.

Unter der Küchendecke wabert die Atmosphäre. Ich öffne die Haustür, um die Luftzirkulation anzuregen. Dabei schaue ich nach meiner Rasselbande. Niemand zu sehen. Und doch fühle ich, dass einige versteckte Augen nicht nur zufällig beobachten.


„Ich krieg euch schon …“, drohe ich lachend mit erhobenem Kochlöffel. „Lass sie doch …“, brummt es aus dem Hinterzimmer heraus.

Na klar, Papa muss sich mal wieder einmischen!

„Les deine Zeitung.“, brumme ich zurück. „Gibt’s was Neues?“, frage ich uninteressiert. Gleich wird er wieder die Kursschwankungen der gekauften Aktien bezetern, deren Werte mal hoch, mal in den Keller fallen. Dann schlagen die raffgierigen Käufer wieder zu. Sind sie im Anstieg, ist die Rennerei halb so groß. Interessenkonflikt nennt man so etwas. Verstehe ich bis heute nicht. Wenn ich etwas haben will, dann ist es mir egal, wie viel es wann kostet.

Wenn ich es jetzt haben will, dann jetzt.

Wer weiß, vielleicht wird der Artikel ja morgen teurer? Auf die Werte ist auch kein Verlass mehr. Sehnsüchtig gedenke ich der Zeiten,

als die Grundnahrungsmittel gleiche Preise hatten. Egal in welchen Laden man ging, Mehl, Zucker, Butter, Milch kosteten genauso wie hüben und drüben.


Der Bus biegt um die Ecke. Papa geht zur Haltestelle, die Meute in Empfang zu nehmen. Es scheint drunter und drüber zu gehen, zumindest hat es den Anschein vom Lärmpegel her. Die Kleinen sind auch da und begrüßen die Heimkehrer lautstark. Dann rennen alle in den Garten. Taschen und Koffer bleiben im Staub liegen. Papa flucht vernehmbar und buckelt sich das Gepäck auf. Die Treppe dröhnt unter seinen schweren Schritten. Dann tappt er wieder ins Hinterzimmer. Zeitung ist wichtig!

Die Kartoffeln kochen. Den Topf mit dem Gemüse wickle ich bis zum Essen in ein Handtuch ein und verfrachte alles unter die Couchdecke. Wenn er … sich nach dem Mahl beeilt, könnte die Couch sogar noch angenehm warm sein - Hauptsache, niemand kippt den Topf um. Ich lege vorsichtshalber einen mit großen Buchstaben beschriebenen Zettel auf die Decke, auf dem steht:


Vorsicht! Gefahr!

Nicht hinsetzen vor dem Essen!

Ein kleiner Hoffnungsstrahl durchbricht meine Sorge, dass sich wirklich auch niemand hinlegt. Aber wer soll das sein?


Die Bande spielt draußen und nebenan raschelt die Zeitung. Nur ich … rumore in der Küche. Zeit für den Braten!

Schwärmerisch begieße ich das köstliche Fleisch mit dem Sud und ignoriere das begehrliche Knurren des Magens. Backofentür zu und noch etwas warten.

Jetzt kurz hinsetzen. Vielleicht auf die Couch? Doch nein – Ruhe wäre jetzt fatal, so kurz vor dem Finale. Nebenan wird eine Seite umgeblättert. Seine Stimme knurrt grummelnd. „Was gibt’s?“, rufe ich über die Schulter.

Lass ihn reden, denke ich, dann ist er beschäftigt und nimmt nicht womöglich noch das Haus auseinander. „Ach …, die Geier hier!“, geifert er bellend.

Jetzt zeigt er sicher wieder auf irgendeine Stelle im Blatt, wobei er genau weiß, dass ich gar nicht sehe, worauf.

„Immer dieses Profitstreben! Wenn sie eigentlich genug haben, wollen sie noch mehr und noch mehr und knausern an allem, was ihnen nicht heilig ist. Und das ist verdammt wenig, dammische die …!“

Da kocht wieder seine Leidenschaft.

Seine Zeit als Gewerkschaftsredner ist ihm noch immer anzumerken. „Lass sie … und fang lieber an, den Tisch zu decken, Essen ist gleich fertig.“, rufe ich besänftigend, während meine ruhigen Hände geschickt das Fleisch von den Knochen lösen und in kleine Scheiben schneiden.

Langsam muss es, mein Magen spuckt schon Gift und Galle. Ruhig, denke ich, ruhig, kriegst gleich Leckerli!


Ich gieße die Kartoffeln ab. Deckel drauf und Rotkohl holen. Die Couch blieb unberührt. Das Essen ist fertig. Der verführerische Duft treibt mir vor Rührung die Tränen in die Augen. Der Tisch ist auch schon gedeckt.


Sogar ein Blumenstrauß ziert meine Lieblingsvase und zaubert einen farbigen Tupfer inmitten all des Geschirrs und Bestecks. Ja, feini, denke ich beglückt.

Ich eile schnell ins Bad und schaue prüfend in den Spiegel. Hm, denke ich amüsiert, müsste mich mal wieder rasieren.

Aber die Frisur sitzt prima. Als ich aus dem Bad komme, kommt mir Papa entgegen und küsst mich. Anerkennung ist in seinem Blick, gepaart mit einem Hauch tierischen Temperaments, das ich an ihm liebengelernt habe, wenn es ums Essen geht.

Ich löse mich behutsam und schreite zur Tür. Zeit, das Essensglöckchen zu läuten. Als sein Bimbam die Natur durcheilt, scheint die Wildnis den Atem anzuhalten. „Paul, Carlo, Marlon, Fine, Lotte, Lisa, Kathi, Andrea, Bene, Ingerose! Essen ist fertig!”, rufe ich vernehmbar. Lautes Gekreische kündigt die hungrige Meute an.


Einer der Kleinen sucht sich an mir vorbeizumogeln. „Dir juckt wohl das Fell!“, schimpfe ich. „Erst Pfoten waschen, dann essen!“ Wie ein Clown mit den Armen wedelnd läuft er in einem Bogen an mir vorbei ins Bad, in dem die anderen Geschwister schon eifrig plätschern. Geräuschvoll und lärmend nimmt jeder seinen Platz ein. Raubtierfütterung, denke ich schmunzelnd. Der Schmaus beginnt.

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Hörbuch

Über den Autor

Andyhank
Der Alltagslyriker Andyhank (sprich: Ändihänk), mit bürgerlichen Namen "Andreas Hanke", zeichnet und schreibt, musiziert und komponiert, bastelt, kreiert, kocht und gärtnert.

Humor ist sein liebstes Steckenpferd, was nicht immer bedeutet, dass alles, was hervorgebracht wird, auch lustig sein muss.
Lassen wir Leser uns bezaubern von einer Denkweise der Dichtkunst, die nicht allzu oft anzutreffen ist, lassen wir Betrachter uns anstecken von der Phantasie und Kreativität, von den unendlichen Weiten, aus den unerschöpflichen Vorräten der Andyhankologie.
Weitere Informationen gibt es auf: www.andyhank.de und auf Instagram @knahydna

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Buhuuuh Hübsch und ansprechend das Cover, bin nur nicht weit in den Text hinein. Nicht meine Richtung überraschend aber liest sich gut oder ok soweit.
Vor langer Zeit - Antworten
Buhuuuh Hübsch und ansprechend das Cover, bin nur nicht weit in den Text hinein. Nicht meine Richtung überraschend aber liest sich gut oder ok soweit.
Vor langer Zeit - Antworten
Andyhank Dann hab ich ja Schwein gehabt.
Vor langer Zeit - Antworten
Buhuuuh *oink*
Vor langer Zeit - Antworten
AngelaFinck Sehr schöne Geschichte. Mit deinem ganzen Charme und Sinn fürs Detail.
Auf Seite 2 und 7 hab ich nur Leerseiten gesehen, aber ich nehme an, da sind Bilder, die mir nicht angezeigt werden.
Dein Cover ist ja auch wieder schön gezeichnet. Dafür hab ich leider kein Talent.
LG Angela
Vor langer Zeit - Antworten
AngelaFinck Sehr schöne Geschichte. Mit deinem ganzen Charme und Sinn fürs Detail.
Auf Seite 2 und 7 hab ich nur Leerseiten gesehen, aber ich nehme an, da sind Bilder, die mir nicht angezeigt werden.
Dein Cover ist ja auch wieder schön gezeichnet. Dafür hab ich leider kein Talent.
LG Angela
Vor langer Zeit - Antworten
Andyhank Danke, danke. Da ich die Geschichte in Kapiteln unterteilt habe, gibt es die leeren Seiten. Hat also nix mit nicht angezeigten Bildern zu tun. Das Cover war relativ einfach. Nur die Hand abgemalt und das Glöckchen dazu. Fertig. :)
Vor langer Zeit - Antworten
schnief Klasse Umsetzung!
LG Manuela
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Andyhank Danke, danke! :)
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Mia_Mondstein Mitten ins Leben - super geschrieben - ich tobte da gerne mit ;-)
Vor langer Zeit - Antworten
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