Eine dunkle Gestalt lief durch die tiefe Nacht, blieb geduckt hinter einer Häuserwand stehen, so still das man sie kaum bemerkte. Sie beobachtete die näherkommenden Personen mit einem gierigen Blick. Das Einzige, was sie verraten könnte war die kalkweiße Haut, kalt wie Eis und hart wie Stein, doch niemand sah sie, wie sie sich hinter der Häuserwand versteckte und nur auf die Personen lauerte. Sie hatte Durst und sie hielt es nicht mehr aus, ihre Kehle brannte und ihre Augen waren tief rot gefärbt. Normalerweise, wenn sie keinen Durst hatte, waren sie viel heller, aber in letzter Zeit hatte sie nicht die Zeit gehabt auf die Jagd zu gehen.
Noch ein paar Sekunden – dann würde sie sich ohne große Probleme auf eine junge Frau schmeißen, in ihren Hals beißen und sie aussaugen, bis sie ebenso bleich war, wie sie selbst, bis ihr Herz aufhörte zu schlagen, so wie ihr Eigenes.
Drei – Zwei – Eins – Los!
Gerade kam die junge Frau, das Opfer, um die Ecke als ihre Mörderin hervorsprang, so schnell, dass ein menschliches Auge es gar nicht registrieren konnte und stürzte sich auf sie. Die junge Frau fiel ohne große Mühe zu Boden, wehrte sich nicht, denn sie hatte ohnehin keine Chance. Die Vampirin beugte sich über ihren Hals, kam immer näher und bohrte sich dann mit den Fangzähnen in ihren Hals. Das warme Blut floss sofort über ihre Zunge, die brennende Kehle hinunter. Sie machte innerliche Freudensprünge, ihr ausgehungerter Körper erwachte langsam wieder zum Leben. Über die Jahre, in denen sie nun schon ein Vampir war, hatte sie alle Skrupel gegenüber dem Töten abgelegt, denn sie musste es machen – es führte kein Weg daran vorbei, dessen war sie sich bewusst, und doch hatte sie so lange nach einer anderen Möglichkeit gesucht ihren Durst zu stillen. Ihre Suche war, wie erwartet, erfolglos geblieben und so machte sie sich in unregelmäßigen Abständen in verlassenen Teilen der Stadt auf die Suche nach Beute. Sie versuchte, so wenig wie möglich zu jagen, aber das bereitete ihrem Körper größere Probleme als erwartet.
Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie wieder von der Frau abließ. Ihr Körper fiel schlaff zu Boden und blieb dort ebenso reglos liegen. Die Vampirin stellte sich wieder auf die Füße und blieb einige Augenblicke stehen, den Blick starr auf ihr Opfer gerichtet. Ganz klar, sie empfand immer noch Mitleid für alle ihre Opfer. Als sie sich wieder gefangen hatte drehte sie sich weg und schritt ruhig durch die Nacht, als wäre nichts gewesen. Sie würde wahrscheinlich wieder die ganze Nacht durch die Stadt laufen, ohne irgendein Ziel. Solche Nächste langweilten sie, doch sie konnte ja nicht mehr schlafen, seitdem sie ein Vampir war. Aber sie musste sich über Tag auch nicht in einen Sarg sperren – war bloß ein Mythos und sie lachte immer wieder darüber, wenn sie es las, in einem ihrer vielen Bücher, die sie zu Hause hortete.
Sie blieb, an eine feuchte Häuserwand gelehnt stehen und sah gen Himmel, ihr Blick blieb an einem der hohen Häuser heften. Wie sie die Fassaden der Häuser hasste – nein, hassen war das falsch Wort...sie langweilten sie! Sie wollte endlich etwas Neues sehen...sie wollte umher reisen, so wie es viele ihrer Artgenossen gemacht hatten. Was soll man sonst schon mit der Ewigkeit anfangen? Es ist nicht gerade ein schönes Gefühl, zu wissen, dass man ewig leben wird – so gut, wie nichts kann einen starken Vampir töten. Kein Kruzifix, kein Knoblauch und auch kein Pfosten ins Herz!
Mit einer riesigen Entschlossenheit schlug sie den Weg zu ihrem zu Hause ein. Sie achtete gar nicht auf den Weg, sie kannte ihn auswendig! Doch irgendwann blieb sie stehen und drehte sich einmal um ihre eigene Achse, etwas beunruhigte sie – etwas war anders als sonst, als in den tausend Nächsten, in denen sie schon umher gelaufen war in London. Sie ging weiter, viel schneller als vorher, fast schon zu schnell!
Als sie um die Ecke ging war dieses komische Gefühl verflogen und sie ging vollkommen ruhig weiter nach Hause. Aber ihre Gedanken kreisten nur um dieses Gefühl – sie konnte sich auf ihre Sinne und auf ihr Gefühl verlassen – da musste also etwas gewesen sein....aber was?
Wenige Minuten später öffnete sie die Tür zu ihrer Wohnung – nein, es war ein einzelnes Zimmer. Sie setzte sich auf ein edles schwarzes Sofa und streckte die Füße von sich. Sie dachte angestrengt nach – wann hatte sie das letzte Mal dieses Gefühl gehabt? Auf einmal fiel es ihr wie Schuppen aus den Haaren ein – ein unbekannter Vampir hatte sich ganz in ihrer Nähe befunden! Warum war sie nicht früher darauf gekommen? So zerstreut hatte sie doch gar nicht sein können – oder doch? Musste wohl so gewesen sein...
Ihr ganzer Körper zitterte – sie hatte wenig Erfahrung mit anderen Vampiren – sehr wenig!
Als sie ihre Gedanken aus ihrem Kopf verbannte hörte sie ein festes Klopfen von der Tür aus. Sie stand blitzschnell auf und ging zur Tür. Dort hielt sie einen Moment lang Inne – dann zog sie den Riegel zurück und öffnete die Tür. Ein Mann stand vor ihrer Tür – sie kannte ihn nicht, hatte ihn noch nie gesehen. Was wollte er von ihr?
„Miss?“, fragte er. Sie ging einen Schritt zur Seite und ließ ihn eintreten – von ihm ging keine Gefahr aus, das wusste sie. Der Mann setzte sich auf ihr Sofa, sein Blick heftete auf ihr.
„Womit kann ich dienen?“, fragte sie.
„Ich sah Sie eben auf der Straße und ich möchte Sie bitten, das Haus um so eine späte Stunde nicht mehr zu verlassen.“, sagte er mit ernster Miene.
„Wieso, wenn ich fragen darf?“. Fragte sie mit verwirrter Miene.
„Wir fanden wieder eine Frauenleiche, nur ein paar Straßen von hier entfernt!“, erklärte er, nun war sein Blick traurig und die braunen Augen blickten ins Leere.
„Ich hörte davon....“, sagte sie mit leiser Stimme, „aber, warum kommen sie vorbei?“
„Ich bin der neue Polizist, der in den Zeitungen angepriesen wurde...“, erklärte er mit belegter Stimme.
„Ich werde mich an ihre Bitte halten.“, sagte sie und stand auf, um den Polizist zur Tür zu bringen.
„Danke – denn ich denke, dass der Mörder nur die schönsten Frauen aussucht und Sie sind, wenn ich das sagen darf, eine überaus hübsche Frau.“, sagte er und in sein Gesicht stieg die Röte. Wenn er wüsste, wie sehr er sie damit um den Verstand brachte...sie riss sich jedoch zusammen und begleitete den Mann zur Tür, der jedoch noch nicht gehen wollte.
„Wissen Sie, das heutige Opfer...sie war meine Frau...war wahrscheinlich gerade auf dem Weg nach Hause...ich hätte sie dazu bringen sollen zu Hause zu bleiben....“, sagte er, während er gegen den Türrahmen lehnte.
„Das tut mir Leid mit ihrer Frau....mein Beileid.“, sagte sie. Wenn der wüsste, dachte sie sich noch, ehe er sich umdrehte und die Treppen hinunter ging. Kurz bevor sie die Tür schloss hörte sie noch ein Schluchzen des Mannes...die knallte die Tür regelrecht zu und setzte sich mit steifer Miene auf das Sofa. Sie hatte es zu weit getrieben...oder?
Konnte sie das wissen? Theoretisch schon, aber sie hatte sich einfach nicht die Mühe gemacht. Warum die Frau, des neuen Polizisten? So weit sie es in Erinnerung hatte, hatte er zwei Kinder. Der Arme, dachte sie.
Als sie wieder einmal die Gedanken aus ihrem Kopf verbannte bemerkte sie, dass der Morgen bereits graute. Sie stand auf und machte die Kerze aus, die auf dem Tisch stand. Sie benötigte sie eigentlich gar nicht, aber des menschlichen Verhaltens wegen hatte sie immer eine Kerze angezündet, wenn sie die Nacht in ihrer kleinen Kammer verbrachte.
„Caprice?“, tönte es aus nicht allzu großer Entfernung. Sie riss die Augen auf und sah zum Fenster, dass den Hinterhof zeigte. Ein Mann stand vor ihrem Fenster und klopfte gegen Dieses.
„Jaro!“, sagte sie und ging zum Fenster, öffnete es und trat bei Seite um Jaro eintreten zu lassen. Er schwang elegant ein Bein durch das Fenster und warf etwas auf den Boden, ehe das andere Bein folgte und er in dem Zimmer stand. Er überragte Caprice um gut zehn Zentimeter, sodass sie zu ihm aufsah.
„Was ist das?“, fragte sie, während sie sich bückte und etwas hochhob.
„Tageszeitung!“, sagte Jaro bloß und riss sie ihr aus der Hand, dann schlug er die erste Seite auf und hielt sie ihr unter die Nase.
„Was soll das, Caprice?“, fragte er und in seiner Stimme lag blanke Wut.
„Ich weiß nicht...“, gab sein kleinlaut zurück und sah zu Boden.
„Die Frau des neuen Polizisten hast du getötet!“, sagte er laut.
„Ich weiß! Er war gestern Abend noch hier und sagte mir, dass ich zu so später Stunde das Haus nicht mehr verlassen soll!“, gab sie ebenfalls etwas lauter zurück.
Jaro schien zu überlegen, dann brachte er nur ein zustimmendes „Hmm.“, hervor. Er legte die Zeitung auf dem kleinen Tisch ab, auf dem auf die Kerze stand und setzte sich dann auf das Sofa. Caprice seufzte und setzte sich neben ihn.
„Wir müssen so langsam hier weg....“, sagte er beiläufig, als wäre es das einfachste der Welt mal einfach gerade sein zu Hause zu verlassen.
„Nicht wir, Jaro. Ich muss hier weg!“, sagte sie entschlossen.
„A....alleine???“, fragte er ungläubig nach.
„Ja...ich kann auf mich aufpassen...das weißt du....“, sagte sie nachdenklich. Caprice wusste genau, das er sie nicht so einfach gehen lassen würde, er würde versuchen, sie dazu zu überreden hier zu bleiben, aber sie war sich ganz sicher, dass sie dieses Mal – nur dieses eine Mal, ihren Willen, ihren Wunsch durchsetzen würde. Sie musste sich so langsam von Jaro trennen, sie musste ihre eigenen Wege gehen, ihre Träume verwirklichen! Mit Jaro könnte sie das nicht...er war regelrecht von ihr besessen.
„Wo willst du hin, Caprice?“, fragte er traurig.
„Ich weiß es noch nicht so genau.“, sagte sie und zuckte mit den Schultern.
„Bitte, Caprice, du musst hier bleiben, du musst bei mir bleiben...ohne dich...“, Caprice unterbrach ihn.
„Nein, Jaro. Ich MUSS hier weg. Irgendwann werden sie Verdacht schöpfen und dann bin ich endgültig geliefert. Außerdem bin ich nicht deine Shellan! Du brauchst mich nicht mehr...geh wieder deine eigenen Wege, so, wie du es gemacht hast, bevor ich kam.“, erklärte Caprice in einem so ruhigen Ton.
„Du bist so entschlossen...da kann ich dich wohl nicht hindern London zu verlassen. Wann wirst zu weg sein?“, fragte er.
„Bald, Jaro, bald!“, sagte sie belehrend.
„Okay...aber meld' dich, sobald du wieder hier bist...!“, sagte er und mit diesen Worten stand er auf und verließ das Zimmer auf dem gleichen Wege, wie er es betreten hatte. Caprice stand langsam auf und schloss das Fenster wieder, dann nahm sie sich eine Tasche und packte alle wichtigen Sachen ein, die sie besaß, so, als wäre sie auf der Flucht, und so ähnlich war es ja auch. Ein anderer Vampir – ein unbekannter Vampir, befand sich in London und er hatte sie bereits bemerkt, also war es höchste Zeit sich aus dem Staub zu machen. Nachdem Caprice alles gepackt hatte zog sie ihren Mantel über und verließ eilig ihre Wohnung. Sie glitt so elegant und ruhig die Treppen hinunter, dass es gar keiner hören konnte, und schon befand sie sich auf der Straße. Sie hielt schnell eine Dotschke (Pferdekutsche) an und ließ sich zum Hafen fahren, wo sie mit einem Schiff nach Amerika übersetzen wollte. Amerika – ja, da wollte sie hin! Der Fahrer sah sie zwar erst komisch an, fuhr dann jedoch los. Das, in Amerika würde nicht ihr erster Neuanfang sein. Sie hatte bereits einmal in England neu angefangen, als sie als junger Vampir von Italien nach England kam.
Es dauerte eine kleine Ewigkeit bis die Kutsche am Hafen angekommen war. Caprice bedankte sich rasch und trat mit ihrer Tasche in der Hand auf das harte Kopfsteinpflaster.
Überall liefen Menschen hektisch umher und mittendrin sie. Es kostete sie Überwindung sich in so eine Menschenmenge zu wagen, aber sie hatte ja gestern erst getrunken. Sie nahm ihre Tasche etwas fester und ging festen Schrittes zu dem Schiff, dass wohl bald ablegen würde. Caprice ging über die Brücke und befand mich schließlich im Inneren des Schiffs. Sie sah sich um und erkannte, dass sie sich in einer Art Empfangshalle befand. Caprice ging ein paar Schritte und stand an dem Tresen der Rezeption, dort wies man ihr ein Zimmer zu, das sie auch gleich darauf bezog. Es war wirklich mickrig. Ein kleines Bett, ein Nachttisch, eine Kommode und in einem abgetrennten Raum ein Badezimmer. Für einen normalen Menschen, dachte Caprice, war es vielleicht ein wenig zu klein, aber sie benötigte das Alles ja fast gar nicht. Das Bett – in ihrer Gegenwart war es vollkommen unnötig...
Sie setzte sich auf ein kleines Sofa, das außerdem auch noch im Raum stand und dachte darüber nach, wie sie die Reise mit dem Schiff überstehen sollte, wenn sie wieder Durst bekam. Hätte sie sich nicht früher darüber Gedanken machen können? Jetzt war es zu spät – ein Rucken und man spürte die Bewegungen des Schiffes auf den Wellen. Jedenfalls konnte Caprice es spüren – ihre Sinne waren viel ausgeprägter als die eines Menschen, und so nahm sie jedes kleinste Geräusch, jede noch so kleine Bewegung war. Ihr Weg in ein neues Leben begann jetzt und sie war glücklich London hinter sich zu lassen. Sie hatte es so lange gesehen, Tag und Nacht und der neue Vampir, ja er machte ihr im wahrsten Sinne des Wortes Angst, auch wenn es lächerlich war!
Nicii Re: Am Anfang - Zitat: (Original von Edlistrate am 24.01.2009 - 14:19 Uhr) dachte ich noch: voll das Klische, aber DANN .... Das muß man sich einmal vorstellen, ein Vampir, der erst die Lebensgewohnheiten seiner Opfer studiert, damit er weiß, um wen es nicht so schade ist. Ob diesen Untoten das Blut von Lebensmüden auf die Zeit gut bekäme? *gänsehaut* LG .... Gerlinde Hey danke für dein Kommi :) und natürlich fürs lesen :) LG Nici |
Edlistrate Am Anfang - dachte ich noch: voll das Klische, aber DANN .... Das muß man sich einmal vorstellen, ein Vampir, der erst die Lebensgewohnheiten seiner Opfer studiert, damit er weiß, um wen es nicht so schade ist. Ob diesen Untoten das Blut von Lebensmüden auf die Zeit gut bekäme? *gänsehaut* LG .... Gerlinde |