Fantasy & Horror
Life Game - Kapitel 9 (überarbeitet) - Die Formation

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"Life Game - Kapitel 9 (überarbeitet) - Die Formation"
Veröffentlicht am 06. Dezember 2017, 32 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
© Umschlag Bildmaterial: giulianocoman - Fotolia.com
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Über den Autor:

Danke, dass Du mein Buch liest. Mein Debüt, Life Game, unterliegt leider noch immer meiner Überarbeitung. Beruflich ziemlich eingespannt, bleibt zu wenig Zeit, diesem spannenden Hobby nachzugehen. Ideen für neue Stories stehen Schlange und warten nur noch darauf, in Worte gefasst zu werden. Ich danke allen die weiterhin kritisch aber neugierig meinen Geschichten treu bleiben. C. G.
Life Game - Kapitel 9 (überarbeitet) - Die Formation

Life Game - Kapitel 9 (überarbeitet) - Die Formation

9. Push it baby

Ungläubig blicke ich über meine Schulter. Aus dem Heck wachsen stumpfglänzende Schienen, während mich die Kapsel immer weiter von der Klippe wegträgt. In meinem Kopf blitzen gleichzeitig Trillionen von Impulsen und Gedanken. Was passiert hier gerade? In was für eine absurde Scheisse bin ich hier reingeraten? Habe ich nun endgültig dafür gesorgt, dass ich als erster von allen sterben werde? Konzentriere dich Ben, du musst jetzt einfach akzeptieren, dass du von den anderen getrennt wurdest. Ich atme tief durch und lasse mich auf die Situation ein. Mein Körper

entspannt sich ein wenig in dem spartanischen, kleinen Sitz vor den winzigen Armaturen und leuchtenden Lichtern. Mein Blick wandert von links nach rechts und dann wieder zurück über die Anzeigen vor mir. Ich kann mit keiner einzigen Anzeige etwas anfangen.


Frust steigt in mir auf. Langsam, aus der Mitte meines emotionalen Zentrums. Es quillt an die Oberfläche, wie klebrige, zähe Lava sich durch die unterirdischen Kanäle bis hinauf in den Krater drängt. Statt Funken und Asche zu versprühen explodiere ich in einem Schreikrampf. Ich schreie so laut und kraftvoll, bis die Stimmbänder zu brennen beginnen, bis sich nur noch ein kratziges Fauchen anstelle

einer festen Stimme aus meinem Mund quält. Das hat befreit. Schwer atmend schaue ich mich erneut in meinem fahrenden Käfig um. In der Hoffnung, nun etwas zu sehen, was meine Panik eventuell vorher ausgeblendet hat, untersuche ich erneut das reduzierte Innenleben. Aber auch jetzt, mit rauen und schmerzenden Stimmbändern, bietet die Kanzel keine neuen Erkenntnisse. Ich muss husten, weil mein Rachen nun gewaltig kratzt. Ein gebogener Stahlrahmen bildet das Grundgerüst der Kugel. In diesem sind Armaturen und ein Sitz eingefügt.


Die Armaturen beinhalten kleine, eingelassene Anzeigen mit Symbolen auf beweglichen

Drehmechanismen und winzige Zeiger, welche sich frei im Kreis bewegen können. Das einzige Instrument, welches ich irgendwie zuordnen kann, ist etwas, was wie ein Kugelkompass aussieht. Allerdings kann ich die darauf abgebildeten Symbole und Einheiten nicht entziffern. Es ist sinnlos. Ich kann hier im Moment nichts ausrichten und muss mich meinem Schicksal ergeben. Mein Blick löst sich von den Anzeigen und schweift hinaus auf das mich umgebende Wasser. Ich nutze die Zeit und denke nach. Was hätte ich unternehmen können, wäre ich auf der Klippe geblieben? Das wäre auch keine wirklich gute Option gewesen. Dort gibt es nichts, was uns weitergeholfen hätte. Wir

sind in alle Richtung ausgeschwärmt, und nicht einziger ist mit hilfreichen Informationen zurückgekehrt. Ich bleibe dabei, die Gondel zu erkunden erscheint mir auch jetzt noch als die einzig logisch, sinnvolle Handlung. Sicher, ich hätte warten können, bis sich jemand zu mir auf die Plattform gesellt hätte. Wir hätten die Kapsel zu zweit bewerten und erkunden können. Wäre das Ergebnis ein anderes gewesen? Vielleicht wäre ich jetzt nicht alleine. Aber das glaube ich auch nicht. „Ich passe ja grad mal alleine hier rein, ein anderer wäre entweder noch beim Start, schlimmstenfalls direkt nach dem Start aus der Gondel gefallen“, sage ich tatsächlich laut zu mir selbst. Letzteres würde

auch bedeuten, dass dieser jemand ins Wasser gefallen wäre. Soweit ich gesehen habe, gibt es keinen Weg aus dem Wasser wieder rauf auf die Klippe. Ich bin fest davon überzeugt, dass dies die einzige Möglichkeit ist, einen Schritt voranzukommen. Hier bewegt sich zumindest etwas. Ob es in die richtige Richtung geht, werde ich ja unweigerlich herausfinden. So entspannt, wie ich gerne wäre, bin ich beileibe nicht. Der nackte Schweiß läuft mir in Strömen den Rücken hinab. Ich blicke nochmal über meine Schulter zurück. Kann ich noch irgendetwas tun, außer hier sitzen zu bleiben und die Fahrt zu genießen?

Die Gesichter der auf der Klippe Verbleibenden sind kreideweiß. Sie stechen vor dem grünen, belaubten Hintergrund aus Bäumen und Büschen, wie kleine Farbspritzer hervor. Vor meinem inneren Auge stelle ich mir diese Szene in einem Actioncomic vor. Dann wäre über den Köpfen in der typischen Cartoon-Schrift wohl „Was zum Teufel…..?“ zu lesen. Sie sind ebenso hilflos, wie ich. Sie können nichts unternehmen, außer weiterhin zuzusehen, wie ich mit zunehmender Geschwindigkeit auf den Rohrschienen raus auf das Meer beschleunige. Die Entfernung zwischen uns wächst rasant an, und ich kann die anderen bereits nicht mehr erkennen.

Entgegen meines inneren Dranges, den Blick an der Klippe zu halten, ihn nicht von meinen Weggefährten zu wegzunehmen, drehe ich mich langsam wieder in die Kabine hinein. Meine Sicht wird von dem vor mir liegenden Schienensystem und dem Meer eingenommen. Ich konzentriere mich auf das, was auf mich zukommt. Ich atme tief und schwer durch. Das hilft mir, meinen Kopf von einer Situation auf eine andere umzustellen. Es fühlt sich für mich dann an, als ob mit dem schweren Ausatmen, das alte Thema aus meinem Kopf geblasen wird; Raum für Neues geschaffen wird. Nach dem vielen Durcheinander mit der Gruppe und der Action auf der Klippe, ist es

nun ungewöhnlich still um mich herum. Ich schließe meine Augen und versuche meine Gedanken zu sammeln. Da ist aber nicht viel. Ein paar wirre Bilder und Ideen, welche nicht besonders hilfreich sind. Da ich keine Vorstellung davon habe, wohin ich fahre, und was mich am Ende der Schienen erwartet, habe ich keine Ansätze, die es wert sind, ihnen zu folgen. Also öffne ich die Augen wieder und stelle überrascht fest, dass die Armaturen mittlerweile lebhaft zu arbeiten begonnen haben.

Kryptische Embleme und Zeichen werden auf der hölzernen Oberfläche angezeigt, sagen mir aber nichts. Sie leuchten aus dem Holz heraus, so als wäre nur eine sehr dünne Furnierschicht über ein Display gelegt. Diese

Zeichen erinnern mich an eine Mischung aus Symbolen, welche ich aus Herr der Ringe, Predator und anderen Science Fiction Filmen kenne. Bin ich in einer Filmkulisse gelandet? Alles wirkt so surreal, wie ein Filmset. Ich richte meinen Blick nach vorne auf die vor mir liegenden Schienen. Es ist noch immer nicht möglich zu erkennen, wo sie hinführen. Nicht von hier aus. Im Moment führen sie auf den Horizont zu. Mich beschleicht eine intensive Beklemmung, während die Kugelgondel immer noch weiter beschleunigt. Das Ding rast über die Schienen und ich bin absolut handlungsunfähig. Ich könnte rausspringen, aber dann hätte ich das nächste Problem.

Kein Land in Sicht, keine Schwimmhilfe und nur Gott weiß, was sich in diesen Gewässern alles herumtreibt. Beruhigend ist indes, dass das Schienensystem solide und stabil zu sein scheint. Es wackelt nicht und die Gondel schlägt nicht aus. Sie wird fest durch das Rohrschienensystem geführt. Wenn es Loopings gäbe, könnte ich mich wie in einer skurrilen Achterbahn fühlen. Das Schienensystem hebt und senkt sich jedoch nur leicht und erzeugt dabei dieses ganz besondere Kribbeln im Magen, wie es nur im freien Fall oder bei extremer kurzer Beschleunigung vorkommt. Ich merke, wie meine Anspannung langsam nachlässt, und ich die Situation immer mehr annehme, wie sie ist.

„Was ist denn das?“, flüstere ich unbewusst laut in die Kanzel. Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich alleine hier bin und gerade mit niemand anderem als mir selbst spreche. Menschen machen das, um sich nicht alleine fühlen zu müssen. Anderen hilft es, Situationen mit sich zu diskutieren, eine erschwindelte, zweite Meinung einzuholen. Es wirkt beruhigend, es vermittelt das Gefühl, dass man die Wahl hätte. Mit zusammengekniffenen Augen glaube ich am Horizont etwas über der Wasseroberfläche zu erkennen. Die Wasserlinie flimmert und es wirkt, als würde ich etwas aus dem Wasser

heben. Berge? Nein, eher Hügel. Es könnten aber auch einfach Wolken sein, was immer es ist, ist einfach noch sehr weit weg. Mir stockt für einen Moment der Atem, als mir noch eine Möglichkeit in den Sinn kommt. Mit zunehmender Sorge rutsche ich bis an die Kante des Sitzes vor und versuche angestrengt mehr am Horizont zu erkennen. Ich bin so unruhig, dass ich mich sogar vom Sitz erhebe, und meine Gesicht beinahe an die Frontscheibe presse. Wahrhaftig, das ist eine riesige Welle, die geradewegs auf mich zuhält. Durch die unglaubliche Geschwindigkeit der Gondel, nähern wir uns der Erscheinung rasant und mit jedem Meter ich lasse vorsichtig wieder Hoffnung in mir

aufkeimen. „Ist das doch Land?“ In meiner Hoffnung sinke ich wieder in den Sitz und berühre mit meiner Hand dabei den Hebel an der linken Seite des Sitzes. Den hatte ich vollkommen vergessen. Im Grunde ist es nicht mehr als eine Eisenstange, mit einem durch einen Federmechanismus verbundenen Drücker am vorderen Ende. Das Metall fühlt sich abgegriffen und kalt an. Wozu auch immer dieses Ding gut sein sollte, es erinnert mich an eine alte Handbremse, so wie man sie in frühen Automodellen, oder bei Pferdekutschen eingesetzt hatte. Warum gibt es eine Bremse aber kein Lenkrad? Noch während ich diese Frage denke, beantworte ich sie mir selbst. Es gibt nichts, wo ich

hinlenken könnte. Die Schienen bestimmen die Richtung. Dann habe ich die entwarnende Bestätigung, es ist tatsächlich Land voraus. Erleichterung stellt sich noch nicht ein, schließlich weiß ich nicht, ob ich dort die Gondel verlassen kann. Und Gott weiß, was dort auf mich warten mag. Wie lange fahre ich jetzt schon? Wie weit mag das jetzt gewesen sein? Ich versuche in Gedanken immer noch einen Weg zurück zu den anderen zu finden. Die Entfernung, welche dabei überwunden werden müsste, ist dabei sehr wichtig. Ich kann aber beide Fragen nicht beantworten, ich kann sie nicht einmal schätzen. Ob die anderen überhaupt

noch auf der Klippe stehen? Wo sollten sie denn sonst hin? Der Spiegel als Durchgang ist weg, wir haben keinen Weg fort von diesem Ort gefunden. Nur diese Gondel, und in der sitze ich jetzt. Wieder denke ich an mein Handy, und überlege, ob es Sinn gemacht hätte, es einzuschalten und Bilder zu machen oder die Zeit zu stoppen. Zu spät mein Junge. der Zug ist sprichwörtlich abgefahren. Die ereignislose Zeit in der Kapsel hat mich etwas zur Ruhe kommen lassen. Mit jeder Sekunde nähern wir uns diesem Flecken Land, wie ein Flugzeug im Landeanflug. „Bitte klappen Sie die Tische vor ihnen ein und stellen sie die Rückenlehne wieder aufrecht“. Dienstreisen habe ich immer

sehr gerne unternommen, jeder Flug, jede Fahrt habe ich genossen, wie ein kleines Abenteuer. Nun sitze ich in einem Abenteuer und genieße die Reise mit keiner Faser meines Körpers. Hätte ich Fasern, würde diese elektrisiert weit von mir abstehen. Mein Blick konzentriert sich nur noch auf den Verlauf der Schienen. Wo führen diese auf das Land? Wo kann ich dort aussteigen oder abspringen? Ich stehe wieder, ohne bewusst wahrgenommen zu haben, aufgestanden zu sein. Das Meer um mich herum habe ich ausgeblendet, alles was zählt, ist das Land vor mir. Erfreulicherweise scheint es nicht mit einer steilen Klippe zu beginnen, sondern erhebt sich sanft aus einer flachen

Landzunge. Während also die Gondel in unverminderter Geschwindigkeit die Trennlinie von Wasser und Gestein überfliegt, frage ich mich, ob es wohl eine Art Gondelstation gibt oder ob ich irgendwo einfach bremsen und aussteigen kann. Als ob die Gondel meine Gedanken gelesen hätte, verlangsamt sich die Fahrt, während ich über kleine Inselfelsen geführt werde. Sie stehen wie warnend ausgestreckte Finger im tiefblauen Wasser. Die Schönheit dieses Anblickes überwältigt mich beinahe. Durch das kristallklare Wasser kann man den Grund sozusagen in High Definition erkennen. Ich sehe, wie das tiefe Gewässer immer flacher wird, wie die unter dem Meeresspiegel

liegenden Felsen nach oben wachsen, und schlussendlich durch die feine Wasserlinie brechen. Alles wirkt auf komische Weise sehr vertraut und irgendwie doch nicht. Der Übergang zwischen Wasser und Land sieht leicht sumpfig aus. Viele kleine und trübe Pfützen, welche alle mit hochstehenden, grünen Büscheln gesäumt sind. Aus der Entfernung möchte ich meinen, dass es sich dabei um eine Art Gras handelt. Es steht in schlanken, langen Blättern senkrecht in die Höhe. Ab der Hälfte färbt es sich rot. Es erinnert mich an Japanisches Blutgras. Das Gras wird immer dichter, dadurch breitet sich vor mir ein Blutroter Teppich aus. Die Landzunge erhebt sich sanft über die

Wasserlinie, und bietet nicht besonders viel hochgewachsene Vegetation. Die Gondel schleicht mittlerweile über die Schienen, sodass ich immer mehr Details erkennen kann. Alles wirkt saftig und frisch. Das Rot und Grün leuchtet hell auf und verleiht der Szene etwas Magisches. Ich richte meinen Blick wieder nach vorne, denn die Schienen senken sich Richtung Boden und auf einen Wald zu. Die Landschaft ist atemberaubend schön. Gäbe es ein Paradies aus meiner Fantasie, ich würde es genau so beschreiben. Allerdings, gäbe es dort die kleine Hütte am Waldrand nicht, auf welche die Schienen schnurstracks zulaufen. Ein einfacher Bretterverschlag mit einem

Satteldach baut sich vor mir auf. Auf der mir zugewandten Seite klafft eine Öffnung, die exakt auf die Form und die Abmessungen der Gondel ausgerichtet zu sein scheint. Neugierig und sehr aufgeregt lasse ich mich, mit der Gondel von der Hütte verschlucken. Im Inneren ist es stockdunkel. Wie das Maul eines knochigen Monsters mit langen, glatten Zähnen, verschluckt die Öffnung die Gondel. Das Innere der Hütte ist stockdunkel und auf einen Schlag fühle ich mich wieder schutzlos und verwundbar. Unsicherheit und Angst ergreifen von mir Besitz, während meine Muskeln erneut von einem krampfartigen Schmerz heimgesucht werden. Ich atme tief, möchte gewappnet sein gegen alles, was kommen mag. Nichts soll mich

erschrecken können. Meditativ versuche ich, die Verkrampfung in mir aufzulösen. Die Gondel bremst selbstständig bis zum völligen Stillstand. Jetzt steht sie bewegungslos da, und die Armaturen sind gerade vor meinen Augen erloschen. Die Gondel steht still, als wäre die Reise über die Schienen gerade eben nie geschehen. ‚Piep‘ ‚Piep Piep‘ ‚Piep‘ Warum haben wir ausgerechnet hier gehalten? Ich habe nichts angefasst; keine Knöpfe gedrückt. Die Maschine ist also entweder programmiert, oder jemand steuert diese Kapsel fern. Das würde wiederum

bedeuten, dass mich jemand aktiv beobachtet. Mein Kopf füllt sich binnen Sekunden mit unerträglich vielen Gedanken und Fragen. Ich dränge sie alle zurück und versuche mich erstmal in meiner Situation zu orientieren. Die Schienen enden hier auch nicht in der Hütte. Sie führen auf der andere Seite der Hütte auf dieselbe Weise hinaus, wie sie vorne reinführen. Der Ausgang ist allerdings mit mannshohem Gras und struppigen, trockenen Sträuchern zugewachsen. Alles erinnert stark an einen Horrorfilm, denn es dringt auch kaum Licht durch diese Öffnung in die Hütte. Die hineinführende Öffnung ist noch durch den hinteren Teil der Gondel versperrt. Ich komme wieder auf meine ursprüngliche

Frage zurück. „Warum halten wir ausgerechnet hier? Wieso fährt die Gondel nicht weiter?“, denn offensichtlich führt das Schienennetz hinter der Hütte weiter, wohin auch immer. Oder kommt dort nur noch ein kleiner Wendeplatz? Das kann ich von hier nicht sehen. Ich beschließe, dass diese Frage im Moment auch keine besondere Rolle spielt und stelle sie hinten an. Für den Moment scheint eine Weiterfahrt für mich nicht geplant zu sein. Ungelenk und misstrauisch arbeite ich mich Stück für Stück aus der Gondel hinaus. Ich stehe jetzt wieder auf festem, aus Holzlatten gezimmertem Boden, und strecke mich wohltuend in alle Richtungen. Meine Augen gewöhnen sich

langsam an das diffuse Licht in der Hütte, und als erstes fällt mir ein kleines Podest mit einem roten Knopf auf. Er erinnert mich an die Pilzförmigen Drücker, mit welchen in Notfällen eine Maschine angehalten werden kann. Knallrot leuchtend, sitzen diese Drücker in der Regel auf einem gelben Kasten. Hier sitz er direkt in der Armatur des Podests. Unter dem Knopf sind zwölf Linien in das Obermaterial des Podestes geritzt oder graviert oder sonst wie eingearbeitet. Mit gebührendem Abstand, aber gesunder Neugier, betrachte ich die Linien, und nähere mich Stück für Stück. Mit jedem Schritt kann ich die Details besser sehen. Die Linien sind in der Tat keine Beschädigung, sie wirken eher

wie ein fester Bestandteil dieses Apparates. Vorsichtig und sehr behutsam fahre ich mit meinen Fingern die erste Linie entlang. Ich muss Dinge immer erst anfassen, um vollständig zufrieden mit einer Untersuchung zu sein. Ein Horror für jeden, der mir etwas zeigen möchte. Ich habe meine Finger schneller daran, als er reagieren und ich denken kann. Die Linie fühlt sich glatt und natürlich an. Wie altes, bereits hundertfach über die Jahre berührtes Holz. Ein Türgriff oder die Treppenstufen in Almhütten blitzen vor meinem inneren Auge auf. Mein Finger fährt die Linie von einem Ende zum anderen entlang. Plötzlich leuchtet sie hell Türkis auf, und der rote Pilz am Podest beginnt in kurzen Abständen aufzublitzen. Ich mache

erschrocken einen Satz zurück, und stoße mir dabei den Ellenbogen an der Hüttenwand. „Scheiße, was ist das denn jetzt schon wieder?“ Mein erster Gedanke ist, dass die Gondel gleich wieder losfährt. Instinktiv drehe ich mich ihr zu. Ich wäge ab, ob ich schnell wieder einsteigen, oder lieber stehen bleiben sollte. Es gibt nur zwei Optionen zur Auswahl.


Es gibt aber auch zwei Optionen, was danach passieren kann. Die Gondel fährt wie ein Shuttle zurück zu den anderen. Oder aber, sie fährt weiter und bringt noch mehr Distanz zwischen mich und den Rest der Gruppe. In meinen Gedanken gefangen, verharre ich einige Momente regungslos, und wechsle den Blick zwischen Gondel und Podest immer

wieder hin und her. Ich höre die Gondel. Verhöhnt sie mich, oder warnt sie mich? ‚Piep‘ ‚Piep Piep‘ ‚Piep‘ Verdammt, ich kann mich nicht entscheiden. Dann schält sich ermüdend langsam eine Entscheidung aus Nebel in meinem Kopf. Selbst wenn ich mit der Gondel wieder zurückkehre, dann haben wir nichts gewonnen. Es passt nur eine Person hinein, und auf der Klippe gibt es nichts, wo wir hinkönnen. Warum also sollte ich zurück fahren? „Push it, Baby“, sage ich lauter, als eigentlich beabsichtigt, und aus einem Impuls der

Unvernunft heraus schlage ich mit meiner Faust auf den roten Schalter. In bester Jeopardy-Manier rufe ich: „Die beschissene Antwort lautet: Was kann verdammt nochmal schon passieren?“ ‚Piep‘ ‚Piep Piep‘ ‚Tack‘ Verblüfft sehe ich, wie die Kanzel ohne mich in die Richtung zurückschießt, aus der ich vor wenigen Minuten gekommen bin. Das Entsetzen steigt ganz langsam in mir hoch, kriecht aus den Tiefen meiner Eingeweide, durch die Poren auf meiner Haut an die Oberfläche und setzt ihren Würgegriff an meine Kehle. Mir wird nämlich gerade immer mehr bewusst, dass hier mein einziges

Fortbewegungsmittel, meine letzte Möglichkeit wieder zu den anderen zu gelangen, mich gerade verlassen hat.

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Gillegan
Danke, dass Du mein Buch liest.

Mein Debüt, Life Game, unterliegt leider noch immer meiner Überarbeitung. Beruflich ziemlich eingespannt, bleibt zu wenig Zeit, diesem spannenden Hobby nachzugehen. Ideen für neue Stories stehen Schlange und warten nur noch darauf, in Worte gefasst zu werden.

Ich danke allen die weiterhin kritisch aber neugierig meinen Geschichten treu bleiben.

C. G.

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