Kurzgeschichte
Ein JAhr voller Glückseligkeit

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"Zuerst kam die Scheidung und dann kam er"
Veröffentlicht am 24. November 2017, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Zuerst kam die Scheidung und dann kam er

Ein JAhr voller Glückseligkeit

Titel

Nach einer kraftraubenden Scheidung, schwor ich mir, mich nie wieder zu verlieben. Ein paar Jahre lief alles glatt. Doch dann… Am letzten Arbeitstag des Jahres gingen ein paar Kollegen und ich feiern. Es war ein gutes Jahr gewesen. Das Unternehmen, indem ich seit einigen Jahren beschäftigt bin, hatte saftige Gewinne erzielt. So viel, wie nie zuvor. Und unser Arbeitgeber ließ uns dabei teilhaben. Er zahlte uns nicht nur einen kräftigen Bonus, sondern gab uns allen auch eine ordentliche Lohnerhöhung. Angefangen von seiner Sekretärin, bis

ganz hinunter zu unserer Putzfee. Dafür bedankten wir uns, indem wir ihn intern zum besten Arbeitgeber auszeichneten. Dieser Job, war das einzig gute, an meiner Scheidung. Ohne die Trennung, wäre ich immer noch in der Reifenfabrik und würde Seite an Seite mit ihm arbeiten. Mich hatte es nie gestört, mit meinem Mann in der Selben Firma zu arbeiten. Es hatte seine Vorteile. Wir verließen morgens gemeinsam das Haus und hatten den Gleichen Arbeitsweg. Daher brauchten wir kein zweites Auto. Wenn einer von uns krank wurde, gab der andere beim Arbeitgeber Bescheid und gab gleichzeitig den Krankenschein ab. Es war ja nicht so, das wir stets und

ständig aufeinander hingen. Die Reifenfabrik war riesig und wir arbeiteten meist in getrennten Abteilungen. So richtig gesehen hatten wir uns daher nur in den Pausen. Dennoch, so hatte er es mir gesagt, war es ihm zu viel. Er wollte und konnte nicht mehr mit mir zusammen in einer Firma arbeiten. Während der Scheidung fand ich heraus, das er mit einer anderen was am Laufen hatte. Vor versammelter Mannschaft hatte ich ihm eine Szene gemacht. Dies und meine sinkende Arbeitsleistung brachten mir die Kündigung. Anfangs war ich frustriert und wütend. Doch bei näherer Betrachtung erkannte ich die Vorteile.

Ich würde ihm nicht mehr über den Weg laufen. Ihn zu sehen, hatte jedes Mal geschmerzt. Gerade von ihm hatte ich es nicht gedacht. So kann man sich irren. Auf der Feier traf ich dann ihn. Er stand einfach nur da und starrte mich an. Irgendwann trat ich auf ihn zu und sprach ihn an. Mein Gang war schon leicht schwankend gewesen und meine Aussprache feucht. Ich wusste, das ich eigentlich schon genug hatte und das mich jeder weitere Schluck dazu bringen konnte, etwas zu tun, was mir am nächsten Morgen peinlich sein würde. Und so war es dann auch. Während ich an seinen Tisch lief, leerte ich mein Glas auf Ex und bestellte mir

auf der Stelle ein Neues. „Hi, ich bin Sandra.“, stellte ich mich vor. Dabei hauchte ich mehr meinen Namen, als das ich ihn aussprach. „Hendrik.“, antwortete er unbeholfen. „Ich habe bemerkt, das du mich die ganze Zeit anstarrst.“, sagte ich und öffnete dabei unbewusst den obersten Knopf meiner Bluse. Für einen winzigen Moment wanderte sein Blick in meinen Ausschnitt. Dann schaute er mir wieder ins Gesicht. „Lass uns tanzen.“, sagte ich. Obwohl keine Musik lief und auch keine Tanzfläche vorhanden war, umschlang ich seine Hüften, riss ihn an mich und rieb mein Becken an seines. Wenige

Sekunden später klebten meine Lippen auf seinen. Was danach kam, weiß ich nur durch Erzählung. Was ich aber noch ganz genau in Erinnerung habe, ist der Morgen danach. Schrecklich, wenn man in einer fremden Wohnung aufwacht und den Geruch von Kotze einatmet. Das ich nicht in meinem Bett geschlafen hatte, bemerkte ich erst, als ich meinen Kopf aus dem Eimer nahm. Schlimmer, als in einem fremden Bett aufzuwachen, ist, nicht zu wissen, wo man sich befindet und wie man hingekommen ist. Und noch schlimmer ist, wenn plötzlich ein Gesicht vor einem auftaucht, welches man noch nie zuvor gesehen hat. Am Schlimmsten ist, wenn

dieses Gesicht einen auch noch voll fies anschreit. „Na, Kotzliesl? Endlich wach? Scheiße, wenn man säuft und nicht merkt, wann man genug hat. Dank dir stinkt die ganze Bude nach Kotze.“ Hätte ich mich nicht so schwach gefühlt, hätte ich ihm die Stirn geboten. Andererseits hatte er ja recht. Wenn ich schon gemerkt hatte, das jeder weitere Schluck mich in Peinlichkeiten verstrickt, warum hatte ich dann nicht aufgehört? „Hendrik ist arbeiten. Er meinte, ich soll mich um dich kümmern.“ Der Typ sprach immer noch betont laut. So extrem laut, das ich das Gefühl hatte,

mein Schädel platzt gleich. Ich hasste ihn dafür und ich bereute, das ich es am Abend zuvor so sehr übertrieben hatte. Im Laufe der nächsten Stunden wurde er etwas weicher und gesprächiger. Er gestand mir, das er einige Erfahrungen mit alkoholisierten Frauen gemacht hatte und deshalb nicht gut auf sie zu sprechen war. Ich sagte ihm, das ich selbst nicht verstand, warum ich weiter getrunken hatte, nachdem ich gespürt hatte, das ich genug habe. Hendrik kam nicht wieder. Ob ich nur bei ihm geschlafen, oder gar mit ihm geschlafen habe, weiß ich nicht. Zu gern hätte ich ihn gefragt, aber ich sah ihn nie wieder. Wir haben nie erfahren, wohin er

ging und warum er nicht wiederkam. So kam es, das sein ehemaliger Mitbewohner und ich zusammen kamen. Klingt seltsam, ich weiß. Verstanden hatte wir es beide nicht. Ich hatte noch eine Nacht bei ihm verbracht, weil es mir am Abend immer noch nicht gut ging und am Tag darauf, als ich wieder bei mir war, musste ich die ganze Zeit an ihn denken, weswegen ich einen Tag später wieder vor seiner Tür stand. Ich kann nicht sagen, das ich es bereue, schließlich war es eine sehr schöne Zeit. Doch hätte ich gewusst, wie es um ihn stand, hätte ich mich nie und nimmer auf ihn eingelassen. Es tut verdammt weh. Mehr, als meine

Scheidung damals. Seine Familie versteht nur zum Teil, warum ich nicht zu seiner Beerdigung gegangen bin. Immer wieder drängt sie mich, sein Grab zu besuchen und mich von ihm zu verabschieden. Ich weiß, das sie recht haben. Dennoch fehlt mir die Kraft dazu. Manchmal wache ich nachts auf und habe das Gefühl, als wäre alles nur ein schrecklicher Alptraum gewesen. Ich schaue auf seine Seite und sehe ihn dort liegen. Meine Hand will ihn berühren, doch greift ins Leere. Es ist kein Alptraum, sondern wahr. Er wird nie wieder neben mir liegen. Nie wieder werde ich seine Wärme spüren. Ein Jahr und schon vorbei. Warum nur? Was habe

ich getan? Meine Tränen sind noch nicht versiegt. Immer wieder steigen sie herauf und rufen seinen Namen. So laut, das es wehtut. Es war nur ein Jahr. Ein einziges verdammtes Jahr. Doch darin lag so viel Liebe und Glück, das ich es immer noch spüren kann. Dieses eine Jahr, war das Beste und Schönste, das ich je erlebt habe und wahrscheinlich noch erleben werde. Um nichts in der Welt würde ich dieses Jahr missen wollen. Traurig nur, das es so schnell zu ende ging. Diese Leere, in meinem Herzen, zieht mich runter. Ich kann mich kaum konzentrieren. Mein Arbeitgeber behält

mich nur aus Kulanz. Aber ich weiß, das er sich das nicht viel länger mit ansehen wird. So schwer es mir auch fällt, ich kann nicht riskieren, meinen Job zu verlieren. Außerdem, so richtig tot ist jemand erst dann, wenn niemand mehr an ihn denkt. Ich werde immer an ihn denken. An ihn und unser gemeinsames Jahr.

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