Ich habe schon öfters über Betrüger berichtet, nämlich in
„Der Betrüger – Teil1+2“( Böttcher)
„Der Münzfälscher“ (Bradmore)
„Nun denn“ (Bourassa ).
Diesmal wollte ich eine Frau heraus picken. Und ich wurde fündig! Ich fand „Therese“ Humbert.
Die Story ist so unglaublich, dass ich mir eine gewisse Zeit dafür genommen habe. Zwangsläufig wurde das Projekt doch größer, als dass ich es in einem Band unterbringen wollte. So entstanden zwei Bände, die bebildert sind.
Im übrigen gibt es eine Verfilmung, Bücher und auch eine Doku über die "Grande Therese". Ich denke, dass ich es soweit aufgearbeitet und komprimiert habe, dass es für jeden unterhaltsam ist.
Also, gute Unterhaltung!
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Therese wurde in einem kleinen Dorf in der Nähe von Toulouse geboren. Sie hieß damals Therese Daurignac. Das war 1856. Die Verhältnisse waren ungeordnet und ärmlich.
(Aussonne Eingang zum Dorf)
Das Bauernmädchen verfügte aber über eine
blühende Phantasie. Fünf Geschwister hatte sie und es reichte hinten und vorne nicht. Als 14 Jährige scharte sie die Dorfkinder um sich und erzählte. Die Geschichten waren wirklich gut und man hing an ihren Lippen. Da wurde unter Anderem von adeliger Herkunft schwadroniert. Ihr wirklicher Vater sei eigentlich ein Maquis, Comte d’Aurignac, der ihr das gesamte Erbe für den Zeitpunkt der Volljährigkeit überschrieben habe. Das dürfe nur niemand wissen. Schon damals überredete sie die Mädchen ihren Schmuck zusammen zu legen, damit Therese gebührend ausschraffiert war (Sie sahen ihre kleinen Schmuckstücke nie wieder, nehme ich an). Diese Märchen unterhielten nicht nur die Kinder, sondern sogar die Erwachsenen hörten sich diesen höheren Blödsinn von Schlössern und
Erbschaften an. Ab und an halfen sie mit Geld aus. Es half aber alles nichts, die Kinderreiche Familie war pleite. Es half auch nichts zu verkünden, dass sie sich mit einem reichen Schiffseigner aus Bordeaux verloben würde. Den Bauernhof, den Grund, hatte nun ein Konkursverwalter abzuwickeln. Keine dankbare Aufgabe, denn es waren natürlich mehr Gläubiger vorhanden, als der mickrige Besitz her gab. Vor den Gläubigern, die auch Therese fleißig angesammelt hatte, floh die Familie nach Toulouse. Unter dem Motto: Je veux, j'aurai (Was ich will bekomme ich), startete sie nun eine beispiellose Kariere. Wie sie es nun schaffte diesen neuen, einen Kontakt aufzubauen, das bleibt wohl im
Dunkel. Sie hatte bestimmt ein überkandideltes Selbstbewusstsein, wie es teilweise heutigen Teenies zueigen ist. Jedenfalls machte sie Bekanntschaft mit Frederic Humbert. Er war einer betuchten Familie angehörig und der Sohn des Bürgermeisters von Toulouse. Vielleicht war es geliehenes Outfit und ihre Angabe, die zum Ziel führten. Ein Zeitgenosse bemerkte, dass sie „log, wie ein Vogel singt.“ Sie hatte es jedenfalls geschafft sich in elitäre Kreise einzuschleichen. Im Endergebnis heiratete Frederic Humbert die gute Therese. Für uns ist es ziemlich unverständlich, weil Therese einfach unscheinbar war, eigentlich sogar hässlich. Das ist nicht nur aus unserer heutigen Sicht, sie war auch damals nicht unbedingt das, was man unter einem Schönheitsideal verstand. Die Hochzeit
fand 1887 statt. Therese war damals schnuckelige 31 Jahre alt. Ihr Galan Frederic war eine Memme, um es profan auszudrücken. Introvertiert, unscheinbar und schüchtern, war er ein wunderbares Opfer für unsere selbstbewusste Matrone. Man muss außerdem bedenken, dass sie etwas lispelte und außer ihrer völlig überzogenen Selbsteinschätzung nicht viel zu bieten hatte, außer einem nicht unbeträchtlichen Übergewicht. Ihr Geschwätz über ihren zukünftigen Reichtum, ein reines Hirngespinst, glaubte wohl anfänglich der Humbert Clan.
Ich persönlich glaube dieser offiziellen Version nicht!
Die hoch angesehene Familie Humbert mag vielleicht in Wirklichkeit gewisse finanzielle
Probleme gehabt haben und Frederic, der Unscheinbare, hatte wohl keinen Ehrgeiz, keinen Fleiß und keine Lust eine eigene Karriere zu starten. Wohl aber erkannte seine kriminelle Energie welchen Rohdiamant er da für seine Zwecke an der Hand hatte.
Im nachhinein betrachtet und auf Grund meiner Recherchen, halte ich Frederic für den eigentlichen Drahtzieher der kommenden Ereignisse. Irgendwann muss der Familie also aufgegangen sein, dass es sich um ein reines Phantasie-Hirngespinst handelte, denn was nun kam, das war viel zu durchkonstruiert, als dass es nur der Phantasie der guten Therese entsprungen wäre. Vorher nämlich waren die Lügen weitschweifig, widersprachen sich und wirkten von vornherein
schon abenteuerlich. Wenn man schon in die Vollen griff, dann aber richtig. Und so entstand eine unglaubliche Geschichte.
Am Tag vor seinem Tod 1877 hätte der unglaublich reiche, amerikanische Milliardär Robert Henry Crawford Therese zur Universalerbin eingesetzt. In Nizza soll es gewesen sein. Sie hätte ihm nämlich einmal das Leben gerettet. Die Höhe der Erbschaft betrüge 100 Millionen Francs. Dazu wurde ein gefälschtes Testament vorgelegt. Der alte Humbert wusste, wie so etwas auszusehen hatte, war er doch in Amtsgeschäften bewandert. [Ich gebe nur einen Annäherungswert zu heute an. Das waren 200 Mio. €, oder anders
ausgedrückt: damals entsprachen 10.000 Fr. ca. 2,9 kg Feingold]. Na gut, dann könnte die liebe Therese ja aus dem Vollen schöpfen, sollte man meinen. Da gäbe es aber einen klitzekleinen Haken, wurde seufzend ergänzt. Hier half ein zweites Testament desselben Datums und natürlich genauso falsch. Da erben eben auch andere Verwandte etwas von diesem enormen Kuchen, nämlich die Neffen des Moguls. Wegen den erfundenen Verwandten, die Gebrüder Crawford, des erfundenen Robert Crawford, gäbe es nun wegen dem zweiten, ebenfalls gefälschten Testament, einen Erbrechtsstreit. Ein bisschen muss noch nachgelegt werden.
Diese ominösen Brüder trabten aus dem Reich der Fantasie schnurstracks in die Wirklichkeit. Ich darf vorstellen: Die Brüder Daurignac, Emile und Romain, die Brüder von Theresa. Sie übernahmen diese Theaterrolle offensichtlich gerne. Sie bemühten sich ihre Sprache anzupassen, wie Amerikaner zu klingen, die einen französischen Akzent haben. Da sie selbst in ihrem Leben nie einem Amerikaner begegnet sind, geschweige denn überhaupt jemals amerikanischen Boden betreten haben, muss es schauderhaft geklungen haben. Wäre ein Amerikaner irgendwo greifbar gewesen, wären sie sofort aufgeflogen. Auch auf eine erfundene Vita, eine Geschichte von Beruf, Wohnort, etc. verzichteten sie. Sie hielten solche Feinheiten für nicht nötig.
Theresa dachte weiter. Nach einer gewissen Zeit würde man misstrauisch werden, denn schließlich wird jeder Rechtsstreit irgendwann beigelegt. Die Story sollte aber länger halten. Wir müssen diese Erbschaft noch an eine Bedingung knüpfen, meinte sie 1884. Es entstand also ein neues Dokument: Die Erbschaft wird nur ausgezahlt gegen das Eheversprechen einer gewissen Maria. Heiratet Maria, dann wird das Füllhorn ausgeschüttet. Es muss also eine Maria her, die einen der Crawford Brüder heiraten muss. Dieses Schauspielengagement übernahm die jüngere Schwester von Therese.
Dazu gehört natürlich auch noch eine Abfindung von 6 Mio. France. Wenn nun die Heirat unter Dach und Fach wäre, würden die Crawford
Brüder um den möglichen, restlichen Anspruch von 94 Millionen nicht weiter herum nudeln.
(Tochter Maria, Frederic, Therese)
Mit der Auszahlung der besagten sechs Millionen France wäre die Sache vom Tisch und Therese könnte endlich an das immense Vermögen heran. Mit Hilfe des politischen Einflusses, wurden diese Testamente und Urkunden nie angezweifelt und der „Handel“ begann zu blühen. Damit die juristischen Streitigkeiten endlich vom Tisch wären, müsse man eben vorrübergehend Geld leihen. Das Aktienpaket von 100 Millionen wäre natürlich echt und befände sich in einem bombastischen Tresor. Der Tresor war greifbar. Er stand auch da, aber Therese war so voll von Ehrlichkeit, dass sie ohne den gewonnenen Prozess gegen die Brüder des verstorbenen Crawford diesen unter keinen Umständen öffnen
konnte. Dieser Tresorinhalt war sozusagen die Kreditabsicherung. Therese ließ also einen klassischen Scheinprozess mit zusätzlicher Prozessverschleppung führen. Eine Praxis, die wir heutzutage praktisch täglich bei Wirtschaftskriminalität beobachten können. Der Schwindel war auf lange Zeit angelegt, weil sich die Maria ja endlos weigern konnte einen der angeblichen Crawford Brüder zu heiraten. Die Sache funktionierte, und wie! Als Erstes sorgte der Vati Humbert dafür, dass sich ein Geldgeber fand, damit Therese und ihr Mann gebührlich untergebracht werden konnten. So zogen die Humberts um Therese in die äußerst noble Pariser Avenue de Grande Armee.
(Therese)
Es war eher ein Palast. Der Rest ergab sich von selbst. In der prächtigen Residenz der Humberts fanden
sich nun Premierminister und Generäle ein, der Polizeipräsident, der oberste Staatsanwalt und der Vorsitzende der Anwaltskammer, Erzbischöfe, Botschafter, Bankiers und so weiter und so fort. Da gehörten Spekulanten genauso dazu, wie Großbankiers. Ihre Gästelisten wurden sogar in den Morgenausgaben der Tageszeitungen veröffentlicht. Ein Armutszeugnis, wer nicht dazu gehörte. So tummelte sich die Hautevolee im Dunstkreis der Humberts, die immer reicher wurden, weil sie alle durch benötigte, „vorübergehende“ Kredite geschröpft hatten. So wie heute, umschwirrten sie die Reichen, die Angeber, die Banker wie Motten das Licht, in dessen Strahl Therese in ihrer Rolle aufging.
Aus Theresas jugendlichen Märchenstunden wurde Wirklichkeit. Sie trug unglaublich teuren Schmuck, ließ bei den angesagtesten Couturiers fertigen und war bald durch ihre extravaganten Hüte bekannt. Sie hatte nicht einen Palast, nein Paläste. Der Onkel Humbert wurde durch ihre Unterstützung in Geld zum Justizminister, der indirekt dafür sorgte, dass juristisch die Angelegenheit nicht endgültig erledigt werden konnte.
Zu ihren Freunden und Geschäftspartnern gehörten drei Präsidenten, fünf Premierministern, der Chef des Pariser Gerichts und der Chef der Pariser Polizei. Sie bekamen immer Ehrenplätze bei ihren pompösen Einladungen, um die sich die gesamte Hautevolee riss. Sie trug mehr Diamanten, als man für möglich hielt
(Therese auf ihrem Höhepunkt, Kleid mit Diamanten besetzt)
20 Jahre lang zog sich dieser Betrug hin. Das muss man sich mal vorstellen!
Aber irgendwann wurden die vielen Kreditgeber lästig. Um nun eine weitere Zuspitzung zu vermeiden, griff man zur Gewalt. Einige Kreditgeber, Besitzer kleiner Banken waren so nett in ihrer Verzweiflung Selbstmord zu begehen, andere wurden schlichterdings ermordet, falls sie zu gefährlich geworden wären. Diese etwas unschöne Aufgabe übernahm Bruder Romain gerne. Er war für seinen Frauenverschleiß bekannt und offensichtlich einfach ein Gewalttäter. Er verprügelte die Aufsässigen, bis sie klein beigaben und einige soll er ermordet haben. Das wurde jedoch nie geahndet.
Die Sache steuerte allmählich einem Desaster entgegen.
welpenweste Massenhaft! Günter |