Wortvorgabe: verwerfen, Fangfrage, Biber
Der Biber
„Wolltest du Opa nicht deine Schularbeit zeigen?“
Ha! Wie ich diese Fangfragen hasse. Es war alles so schnell gegangen, der ganze Aufbruch.
Ich wollte während der Fahrt für die nächste Prüfung Geschichte lernen, hatte aber vergessen, das Schularbeitsheft herauszunehmen.
„Du hast deine Schultasche doch deswegen mitgenommen.“
„Nein, ich wollte Geschichte büffeln.“
„Aber du willst sicher wissen, was Opa zum Thema <Biber> zu sagen hat?“
Zwecklos. Gefangen. Meinen Plan, meinen ersten Fünfer vor den Großeltern zu verheimlichen, konnte ich also verwerfen. Statt dessen holte ich kleinlaut das Heft aus der Schultasche.
„Biber und andere heimische Nagetier“ lautete die Überschrift der letzten Schularbeit.
Ich hatte geschrieben: „Biber sind Nagetiere, die in Bächen leben. Aber ich kenne einen anderen, weit interessanteren Biber. Nämlich Justin Bieber. Und der ist auch viel bekannter. Allerdings schreibt er sich mit langem
„ie“, ....“ Dann folgte die ausführliche Beschreibung des kanadischen Popsängers und Songwriters.
Das Ganze hatte die Lehrerin einfach mit einem Rotstift durchgestrichen und „Themenverfehlung“ darunter geschrieben.
Ich hielt Opa also etwas verhalten mein Heft hin. Vielleicht war er ja gar nicht neugierig darauf. Er nahm es aber... und ich hielt den Atem an.
Doch statt „Oh je“ oder ähnlichem doofen Zeug brach er in schallendes Gelächter aus.
„Der Biber, diesmal mit kurzem i“ lachte Opa noch immer „ist ein sehr interessantes Tier. Am Nachmittag
spazieren wir in die Au. dann reden wir weiter.“
Beim Spaziergang in die Au zeigte mir mein Großvater zwei Bäume.
„Die hat ein Biber gefällt. Siehst du, wie sie rundherum bis zur Mitte hin abgenagt sind? Das nennt man Sanduhrtechnik. Ein Biber schafft es, in einer einzigen Nacht einen bis zu 50 Zentimeter dicken Baum zu fällen.“
„Ein einziger?“ fragte ich „und warum nachts?“
Der Biber ist nachtaktiv. Er ist sehr kräftig, ist er doch das zweitgrößte Nagetier auf Erden. Obwohl er Pflanzenfresser ist, kann er bis zu 18 Kilogramm schwer werden.“
„Aber wozu fällt er die Bäume?“
„Er verzehrt davon die Rinde. Das Holz aber benötigt er für seine Bauten, den Biberbau und die Dämme.
Sein Bau, die Biberburg, kann ganz schön groß und weiträumig sein. Sie liegt immer im trockenen Erdbereich des Ufers, der Zugang aber ist immer unter Wasser.“
ich war fasziniert, was Opa alles erzählte und hätte gern dieses Tier gesehen.
„Dieses Glück hat man selten“, meinte der alte Mann, „daher ist es auch mühsam für einen Jäger, so viele Tiere zu jagen, dass sich aus seinem Fell eine Mütze machen lässt.“
„Sei Fell wird verarbeitet?“
„Ja, es ist ein besonders schöner dichter Pelz. Befinden sich bei einem Menschen ca. 6 Haare auf einem Quadratmillimeter, so sind es bei einem Biber ca. 230.
Schon im Mittelalter wurden Jacken, Hüte, sowie Mützen aus seinem Pelz gefertigt. Ich habe zu Hause eine Mütze aus Biberfell, die schenk ich dir.“
Als wir abends wieder im Auto saßen und nach Hause fuhren, lag die Mütze auf meinem Schoß. Ich strich über die feinen Haare und dachte: Wenn wir die Schularbeit erst morgen schreiben würden, dann stünde bestimmt nicht Themenverfehlung unter meiner Arbeit sondern eine EINS: