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Die Sultanin - Eine feministische Erzählung aus der tausendundzweiten Nacht

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"#WirSchreibenDemokratie"
Veröffentlicht am 30. September 2017, 12 Seiten
Kategorie Sonstiges
© Umschlag Bildmaterial: Kirill Kedrinski - Fotolia.com
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ryek Darkener ist seit einiger Zeit in virtuellen Welten unterwegs. In das Schreiben eingestiegen ist er mit zwei erfundenen autobiografischen Romanen sowie einer Kurzgeschichte aus dem 'EVE Online' Universum. Mittlerweile schreibt und veröffentlicht er eigene Geschichten, die vor allem in der Science-Fiction und Mystery angesiedelt sind.
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Die Sultanin - Eine feministische Erzählung aus der tausendundzweiten Nacht

Kurzes Vorwort

Ich weiß nicht, wer sich noch an mich erinnert. Hier in diesem Forum hat mein Internet-Auftritt als Schriftsteller begonnen. Hier habe ich die ersten über Fan-Fiction Geschichten hinausgehende Texte veröffentlicht. Und auch wenn ich nicht mehr sehr häufig zu Gast bin, ist heute eine gute Gelegenheit, einen kurzen Text, den ich auf meinem Blog veröffentlicht habe, auch hier zum Besten zu geben.


Aus Gründen.

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Die Sultanin


Es war einmal eine Frau, der hatte der Allmächtige Schönheit und Klugheit in die Wiege gelegt. Schon im zarten Alter von zwölf Jahren umgarnte und eroberte sie den Sultan des Landes, gebar ihm mit fünfzehn einen Sohn und ermordete den Sultan an ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag – dem Tag, an dem sie volljährig wurde. Sie trat an seine Stelle, denn es gab im ganzen Reich niemanden, der ihre Macht und Weisheit in Frage stellte. Noch an selbigem Tage erließ sie ein Dekret:



„Ihr bringt mir, jeden Tag, zehn der schönsten Männer des Landes. Ich werde sie in meinem Harem halten, zu meiner alleinigen Lust und Freude. Denn einer Herrscherin wie mir steht an den Schätzen des Landes naturgemäß der meinem Range entsprechende Anteil zu.“

Und so geschah es. Die Scherginnen der Sultanin schwärmten aus, um neben der Tätigkeit des Steuereintreibens den Wunsch der Herrin nach süßem Fleisch zu befriedigen. So ging es Jahr für Jahr. Die Sultanin

war zufrieden, und da sie weise herrschte, blühte das Land auf. Doch eines Tages nahm die Großwesirin sie zur Seite und sprach: „Größte und Schönste. Es gibt in unserem Reiche eine Sache, um deren Behandlung ich dich dringend bitte. Dein Harem ist gefüllt mit tausenden von Männern. Die meisten von ihnen kennst du nicht einmal mit Namen, und mit den wenigsten hast du eine gemeinsame Nacht verbracht. Draußen, vor den Toren deines Palastes, leidet das Volk unter dem Mangel, den dein Dekret verursacht. Es sind kaum noch arbeitsfähige Männer vorhanden, und viele Familien müssen sich einen Zeuger teilen, was oft zu

Verbindungen innerhalb von Verwandschaften führt. Unser Volk wird schwächer, von Jahr zu Jahr. Es gibt kaum noch männliche Dichter und Denker. Immer mehr der Untertanen verlassen sich darauf, dass du in deiner Weisheit aus dem Palast heraus die Dinge des Landes bis ins Kleinste hinein regelst. Deine Bediensteten haben immer mehr damit zu tun, die Unzufriedenen im Zaum zu halten. Die Zahl deiner Wächterinnen und Verwalterinnen wächst und wächst. Kaum noch ein Untertan weiß, wie man eine Decke webt oder ein Brot backt. Sie sitzen in ihren Häusern oder auf der Straße und warten auf deine

Segnungen.“ Diese Worte erzürnten die Herrscherin. „Willst du damit sagen, dass ich mehr nehme, als mir zusteht?“, fuhr sie die Großwesirin an. „Das zu behaupten steht mir nicht zu“, war die Antwort. „Doch ich muss dich, gemäß der Aufgabe, die du mir zugewiesen hast, darauf hinweisen, dass es in absehbarer Zeit niemanden mehr geben wird, der in deinem Reich einer produktiven Tätigkeit nachgehen wird. Weil es sich nicht lohnt. Dass dein Volk verarmt, vergreist und ausstirbt, da immer weniger Kinder geboren werden. Auch die von unserem Reichtum angezogenen Menschen werden das nicht

ändern, da sie in deinem Reich nach deinen Regeln leben. Ich bitte dich inständig, mit deiner ganzen Weisheit und zusammen mit den fähigsten Beraterinnen eine Lösung für dieses dringende Problem zu finden.“ Die Sultanin war immer noch erzürnt, doch da ihr die Großwesirin lange gute Dienste erwiesen hatte, wollte sie sie nicht einfach wegschicken. „Ich werde es bedenken und beraten“, gab sie zur Antwort. „Aber so lange ich keine Entscheidung getroffen habe, bleibt alles, wie es ist.“ Die Großwesirin verneigte sich stumm und

ging. Ab hier verliert sich die Geschichte im Nebel der Zeit. Es ist nicht überliefert, was anschließend geschah. Es gibt zwei sich widersprechende Auffassungen über das Ende der Geschichte: – Die Sultanin berief den Großen Rat ein, ließ sich die Welt erklären und kam zu dem Schluss, dass sie zumindest den Teil ihres Harems, den sie niemals benötigen würde, dem Volk zurückgeben sollte. Darüber hinaus ließ sie Lehrer kommen, die ihrem Volk wieder beibrachten, selbst über ihr Schicksal zu entscheiden. Sie starb geehrt und in

hohem Alter als letzte Sultanin des Reiches. – Die Großwesirin wurde entlassen und zum Tode verurteilt. Der Sohn der Großwesirin, der vor den Augen der Sultanin verborgen worden war, nutzte seine Schönheit, um sich in den Harem der Sultanin bringen zu lassen. Zusammen mit anderen Haremsbewohnern stürmte er eines Nachts die Gemächer der Sultanin und brachte sie um. Es setzte sich an ihren Platz und ließ alle Männer des Harems töten, die ihm nicht gefolgt waren. Nach einer Generation zerfiel sein Reich, sein Volk verstreute sich in alle Winde.


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RyekDarkener
Ryek Darkener ist seit einiger Zeit in virtuellen Welten unterwegs. In das Schreiben eingestiegen ist er mit zwei erfundenen autobiografischen Romanen sowie einer Kurzgeschichte aus dem 'EVE Online' Universum. Mittlerweile schreibt und veröffentlicht er eigene Geschichten, die vor allem in der Science-Fiction und Mystery angesiedelt sind.

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