Kurzgeschichte
Fabuls Erinnerungssplitter - Battle 63 Rand

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"Fabuls Erinnerungssplitter - Battle 63 Rand"
Veröffentlicht am 26. September 2017, 18 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Smileus - Fotolia.com
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Über den Autor:

Ich erinnere mich noch gerne meiner allerersten Zeilen - ein Schulgedicht: Der Winter ist ein Bösewicht, die Bäume tragen Schneegewicht, die Stämme sind kahl und so schwarz wie ein Pfahl, die Felder sind weiß und auf dem See liegt Eis. In den seither vergangenen Jahrzehnten hat sich mein Schreibstil sicher geändert - ist erwachsen geworden -, aber die Freude am Schreiben ist ungetrübt.
Fabuls Erinnerungssplitter - Battle 63 Rand

Fabuls Erinnerungssplitter - Battle 63 Rand

Battle-Vorgaben


Engelszungen Meerjungfrau Rätselhaft Troll Regenbogen Lichtgestalten Bezaubernd Seepferdchen Herzrasen Waldlichtung Sternschnuppe Sonnenaufgang

Erinnerungssplitter

Fabul verschloss seine Kammer sorgfältig. Ihm war erst wohl, wenn der Riegel hörbar in die Falle schnappte. Einzig das altersschwache Relais der staubigen Deckenbeleuchtung des Hausflurs klapperte unentwegt und unüberhörbar durch die Tür. Nur manchmal, wenn er gut gelaunt war, spielte er vorher an seiner Tür gern den erfolgreichen Einbrecher, einen windigen Dieb oder den attraktiven Mann für besondere Gelegenheiten. Am liebsten aber mimte er den Schnüffler mit Schlapphut, ehe die Tür hinter ihm zufiel. Dann kehrten verloren geglaubte Gefühle zurück; sie zauberten ein Grinsen in sein Gesicht. Das Publikum, wirre

Lichtgestalten, hoffnungslose Mäuse und gelangweilte Kakerlaken, applaudierte lautlos.

Er seufzte. Im trüben Licht begehrten auf dem dunklen Schrank in große Koffer gequetschte Kostüme auf, die ihm mahnend seinen bitteren Abgang vor Augen hielten. Stapel hinfälliger Textbücher und vergilbte Fotoalben türmten sich in jeder Ecke neben fein säuberlich sortierten Ausgaben der kritischen Journaille, die er aus nostalgischen Motiven aufgehoben hatte. Schon oft hatte er sie aussortieren wollen. Er hockte sich hin, zog einen ersten Ordner aus dem Regal und begann darin zu blättern. Dabei blieb sein Blick immer wieder an dem einen oder anderen bebilderten Artikel hängen. Er legte die Blätter wieder zurück. Er konnte nicht loslassen, da blieben die

Erinnerungen, wo sie abgelegt worden waren. »Nach dem Applaus, hast du das Klatschen genossen, das Pfeifen, Bravogejubel und Gejohle, dass man dich nochmal vor den Vorhang hole. Bezaubernde Engelszungen, Händeschütteln aus dem Mittelpunkt, rundum in Erfolg getunkt. Ein Umtrunk noch im Ehrenrund, jeder will mit dir den Bund. Und danach gehst du heim allein, und weißt, du wirst weiter einsam sein. Aber viere haben nachgedacht, und für die hast du’s gemacht«, fiel ihm spontan wieder ein. Und seine Schultern strafften sich für einen Moment, ehe er wieder in sich zusammenfiel. »Was sollen Ideale auf der Rampe, die hinter den Kulissen nicht gelebt werden?«, hatte er oft seine Kollegen gefragt. Sie hatten verständnislos mit

den Schultern gezuckt. Was habe ich damit zu tun, las er in ihren Augen. Sie nahmen unter höhnischem Gelächter seinen Platz auf der Bühne ein. Und ihm war nicht mehr geblieben, als enttäuscht seinen Hut zu nehmen. Er tröstete sich. »Die Rollen sind nicht meine. Und ernähren tun sie nicht. Nicht die Partie, nicht den Akteur«, wetterte er. Mit gelegentlichen Jobs hatte er sich über Wasser gehalten; spielte Theater, das nicht seines war. Manchmal fragte er sich, ob seine Vorstellung vom Leben als solches nicht ein Fehler war. Deprimiert hängte er den schäbigen Mantel zu dem breitkrempigen Hut. Ein paar kräftige Züge vom das Bewusstsein veränderndenden Tabak verriegelten die müden Augen. Das böse Erwachen verschob

sich, für den Augenblick. Er erinnerte sich an jedes Detail dieses peinlichen Spiels, das nicht mal eines letzten Vorhanges würdig war. Fast meinte er, als unbeteiligter Zuschauer durch die nachtschwarzen Fenster der Wirtschaft auf die hellerleuchtete Bühne zu blicken. Eine Farce, tragikomisch im besten Sinne. »Ach, sieh mal einer an! Wen haben wir hier? Mit dir haben wir noch eine Rechnung offen!« Erschrocken blickte er in das feiste Gesicht eines breitschultrigen Stiernackens. Grobe Hände drückten ihn von hinten auf seinem Stuhl zusammen, ehe sie ihn auf den Boden fegten. »Ich … ich … ich …«, stammelte er mit schmerzverzehrtem Gesicht, während er sich aufrappelte. Der Kleiderschrank schob einen

Stuhl lautstark zurecht. Mit einer ausgreifenden Handbewegung fegte der andere eine Vase mit Trockenblumen vom Tisch. Der größere Kleiderschrank zerrte ihn mit harter Hand auf den bereitgestellten Stuhl zurück. »Du bist ein kleiner Wicht, ein Nichts! Das Spiel ist aus, dein letzter Vorhang längst eingemottet. Du kannst nichts, du bist nichts und du wirst nichts! Nicht in diesem Leben!« Was wollten sie von ihm? Die Umklammerung seines Kragens tat sein übriges, dass Fabul noch weniger Luft bekam.

»Wir haben deine Pamphlete gelesen«, kam es gespielt freundlich vom Stiernacken hinter ihm. »Doch Schrott dulden wir nicht! Hast du das verstanden? Oder müssen wir dich lehren, wie es läuft? Wenn ich das lese! So ein

Geschwafel kann man nicht lesen! Wer will das wissen?« »Damit, damit geht das nicht!« Der Stiernacken gegenüber tippte ihm bezeichnend mit dem Zeigefinger auf die Brust, ehe er einen Stapel Papier auf den Tisch knallte. Nachdrücklich schob er sie ihm hin. »Das will keiner lesen!« »Nebenbei – wir haben uns erlaubt, auch in deinem Schreibtisch nachzusehen: Da ist nichts, rein gar nichts, was die Welt interessiert«, raunte der andere ihm ins Ohr. Der Atem stank Übelkeit erregend.

»Du verstehst, dass wir das löschen müssen, Fabul? Auf Nimmerwiedersehen. Du armer Leuchter – Mit dir ist kein Staat zu machen.«

»Na ja, nicht ganz«, kam es vom Gegenüber.

»Sie haben sich die Schenkel platt gekloppt, als dir das Licht ausging«, wand der Kleine ein. »Aber das reicht eben nicht. Dein Geschreibsel ist nicht mehr als das Gejaule eines waidwunden Kasperls! Schreib, was sich verkaufen lässt! Einfache, leicht verdauliche Kost für Millionen. Dann bist du ein gemachter Mann und wir machen Kasse. Verstehst du?« »Die Tantiemen bessern auch deinen bescheidenen Speiseplan auf. Darum geht es dir doch, oder?« Ehe Fabul antworten konnte, fuhr der Stiernacken seinem Kumpan an. »Ach was! Es muss gekauft werden! Und das geht, wenn es gelesen werden will. Am besten von allen.«

»Perfekt ist nur, was Gewinne bringt,

Alter!« »Das musst du grad sagen! Hast du meine Bilanzen gesehen? Mit mir ist zu rechnen.« »Mit mir ist jedes Buch ein Selbstläufer.« »Ich habe die besseren Verbindungen«, höhnte der Ältere. Sein Stiernacken leuchtete gefährlich rot über dem engen Kragen. »Wenn die Verpackung stimmt, ist der Rest ist Nebensache.« Für den Moment schien Fabul aus ihrer Schusslinie zu sein. Sogar sein Nacken atmete befreit auf. Er grinste. Wenn die zwei sich streiten, habe ich vielleicht die Chance, mit heiler Haut davonzukommen.

Da griff der Jüngere ihn wieder fest am Nacken, dass er kaum noch Luft bekam.

»He, Fabul, kannst du was schreiben? So

was, was alle lesen wollen? Und ich meine a-l-l-e!«, fragte der eine Troll auf einmal.

»Für wen? Was?« Er erwiderte den Blick, der sich in den seinen bohrte, wie ein heißes Messer gefrorene Butter zerschnitt. »Für mich, natürlich!« Der Typ kam ihm gefährlich nahe, dass er eine Ladung vom penetranten Gestank abbekam, der aus dem offenen Schlund quoll. »Nein! Für mich soll er schreiben! Aber du musst auch können wollen. Wollen! Verstehst du?« Wie lange konnte er das Spiel noch mitmachen? Sein Kragen wurde wieder ein Stück enger. Er glaubte zu ersticken. Ob von dem üblen Gestank oder der schwindenden Luft, wusste er nicht. Wenn ich ihnen in die

Fratze kotze, habe ich es schnell hinter mir, mahnte er sich still.

»Das erledigt sich gerade, Ihr Blödmänner!« Seine Schuhe büßten die Makellosigkeit ein, als sein Inneres gallebitter nach außen drängte ...

Er röchelte verkrampft. Bleiern lasteten die Lider auf seinen getrübten Augen, die nur diffuse Konturen einfingen. Was war geschehen? Wo war er überhaupt? Sein Zeitgefühl segelte auf unheimlichen Schatten dahin. Er stöhnte krächzend wie ein Kapaun. Die Finger verkrampften sich schmerzerfüllt. Sein letzter, staubiger Atemzug legte sich wie ein wollener Unterrock auf die morgengraue Gasse. »Das fehlt grad noch! Hier kannst du doch

nicht liegen bleiben.« Eine alte Dame rüttelte ihn. Sie half ihm aufzustehen. »Was hast du hier verloren?« Seine Knochen schmerzten, auch sein Kiefer. Herzrasen hinderte ihn, befreit aufzuatmen. Die Frage ist, was ist noch ganz, kam ihm in den Sinn. »Verloren habe ich hier an sich nichts, außer vielleicht meine Zähne ...« »Lass mal sehen.« Sie sah ihm ins Gesicht, während er brav den Mund öffnete. »Vermisst du welche?« »Nicht direkt. Aber man weiß ja nie. Mich haben zwei Kleiderschränke neu sortiert.« »Und offensichtlich hier auf der Waldlichtung entsorgt«, fügte die Alte belustigt hinzu. »Sie hätten dich ebenso zu den Meerjungfrauen geben können.«

»Hätte ich Sie da auch getroffen?« »Nein, wohl eher nicht, ich kann nicht schwimmen. Wie heißt du? Ich bin Martha.« Sie lächelte. »Ich bin Fabul, ein Bühnenkünstler mit Diplom, aber denkwürdigem Abgang. Weiter als zum theatralischen Seepferdchen habe ich es nicht gebracht.« »Das freut mich. Das mit dem Kennenlernen«, fügte sie schnell hinzu, als sie seinen Blick bemerkte. »Theaterleute haben was – für mich.« »Und was, wenn ich fragen darf?« »Stimme zu den Worten. Kost und Logis kann ich dir anbieten, mein Freund. Eine Hand wäscht die andere. Wie wäre es mit Kaffee?« »Schwarz wie die Nacht, auch wenn die letzte

nicht gerade erfreulich war.«

Mit einem überraschten Blick zum nicht mehr nachtschwarzen Himmel, entdeckte er eine Sternschnuppe, die kaum verglüht, einem Regenbogen Platz im Sonnenaufgang machte.

Rätselhaft! Er überlegte, was er der alten Dame wohl für diese Geschichte geben musste. »Du sollst lesen, einfach nur lesen«, kam ungefragt die Antwort.


Mit schweißnassem Schlafanzug fand ich mich mitten in der eisigen Januarnacht reglos vor dem Kleiderschrank wieder.

Es dauerte eine ganze Weile, bis ich erkannte: Die rechte Körperhälfte war im Bett geblieben

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Hörbuch

Über den Autor

KatharinaK
Ich erinnere mich noch gerne meiner allerersten Zeilen - ein Schulgedicht:
Der Winter ist ein Bösewicht,
die Bäume tragen Schneegewicht,
die Stämme sind kahl
und so schwarz wie ein Pfahl,
die Felder sind weiß
und auf dem See liegt Eis.
In den seither vergangenen Jahrzehnten hat sich mein Schreibstil sicher geändert - ist erwachsen geworden -, aber die Freude am Schreiben ist ungetrübt.

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matzetino Ganz großes Kino. Fesselnde Geschichte, sehr gerne gelesen liebe Katharina.

Ganz liebe Grüße
Martina
Vor langer Zeit - Antworten
mohan1948 Eine atemberaubende Geschichte
liebe Grüße
Hannelore
Vor langer Zeit - Antworten
KatharinaK Das hoffe ich doch. Aber Weiteratmen nicht vergessen.
Liebe Grüße,
Katharina
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift 
"Fabuls Erinnerungssplitter..."
Was für eine Theaterluft... ..smile*
...und wieder einmal mehr hast Du mich mit einer tollen Geschichte
von Dir richtiggehend begeistert. Herrlich eloquent geschrieben,
was sich für mich besonders auch mit den Worten widerspiegelt,
"...das will keiner lesen..." »He, Fabul, kannst du was schreiben? So
was, was alle lesen wollen? Und ich meine a-l-l-e!«...
Dabei weiß man doch,
es allen recht zu tun, ist eine Kunst, die keiner kann... ..smile*
GGlG zu Dir ins Magyarische
Louis :-)
Vor langer Zeit - Antworten
KatharinaK Danke, Louis. Daraus wird noch was "Anständiges". Für Dein Wohlwollen ganz lieben Dank.
Hier scheint die Sonne, noch ...
Liebe Grüße,
Katharina
Vor langer Zeit - Antworten
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