Kurzgeschichte
Leichengeflüster

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"Wenn die Toten noch ein Wort zu sagen haben"
Veröffentlicht am 19. September 2017, 22 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Eine 16jährige zeichnerin die versucht ein Buch zu schreiben
Wenn die Toten noch ein Wort zu sagen haben

Leichengeflüster

Missverständnisse

,,Mieses Dreckstsück!“. Die flache Hand schoss so schnell auf ihn zu, dass er sich dem Schlag unmöglich hätte entziehen können. Sein Kopf wirbelt zur Seite, die Wangen vibrierten unter der Wucht des Aufpralls. Schützend hob er die Hände vor das Gesicht. ,,Verdammt nochmal, was hast du...“: Der zweite Hieb traf ihn in die Seite. Der dritte in den Magen. Vom Schmerz überwältigt krümmte er sich zusammen, seine Stimme ertrinkt in stöhendes Würgen. Diese ungeheure Kraft hätte er seiner Frau niemals zugetraut. Ebenso wenig die enorme Agression mit der sie gegen ihn vorging. Dabei hatte er doch

nur... ,,Das werde ich dir niemals verzeihen, das du es mit dieser Schlampe treiben wolltest!“. Ein tritt in den Bauchraum. ,,Verdammter Hurensohn!“. Er sank zusammen und krachte hörbar auf die Knie. Etwas seltsam schmeckendes sammelte sich in seinen Mund. Er spuckte es aus, Blut vermischte sich mit dem schäumendem Speichel. ,,Hätte ich doch bloß auf meine Schwester gehört, dich jämmerliches Arschloch niemals zu heiraten!“. Er spürte seine Rippen knacken, als sich ihr Absatz mit schwung in seiner Seite wieder fand. Er heulte erbärmlich auf. Tränen quollen ihm aus den Augen, ließen sein Umfeld zu einem brennenden Schleier gerinnen. ,,Ich hasse dich, du mieses Stück scheiße!“. Etwas

hartes drosch über Marco´s Schädel. ,,Hör auf! Ich kann das erklären!“. Die Hand schützend vor´s Gesicht, wuchtete er sich mit der anderen mühsam nach oben. ,,Deine Erklärung kannst du dir sparen! Ich habe genug gesehen!“. Die Stimme hysterisch, das Gesicht wutgerötet. ,,Ich hasse dich!“. Er hörte noch das schrille Pfeifen des auf ihn zu rauschende Kantholz, bevor es ihm mit einem fürchterlichen knacken das Nasenbein brach. Vor Schmerz brüllend taummelte Marco zurück, die Werkbank im Rücken. Blut strömte ihm über beide Nasenlöcher, sammelte sich am Kinn, von wo aus es zu Boden tropfte. Wenn ich nicht sofort etwas unternehme, nimmt das ganze noch ein schlechtes Ende.

,,Hör auf! Du bist ja Wahnsinnig!“ ,,Ich mach dich fertig!“ ,,Du bist verrückt!“ ,,Du hast es nicht anders verdient!“ Das Kantholz prallte gegen die Schläfe, der Schädel wurde in den Nacken geschleudert. Schrilles Pfeifen schien das Trommelfell zu zerreißen. Sie ist zum äußersten entschlossen! Sie wird sich mit Worten nicht beruhigen lassen! Sie wird solange weiter machen, bis... Seine Hände durchsuchten das durcheinander auf der Werkbank. Schrauben, Drähte, Plastikbehälter, nichts womit man.....Der Zimmermannshammer! Wie durch ein Wunde

fügte sich der Holzgriff in Marco´s Handfläche. Die Spitzen waren gefährlich scharf. Aber ich kann doch nicht....,,Scheißkerl!“ Das Kantholz krachte gegen seine Kniescheibe. Ein gleißender Schmerz jagte hinauf bis zur Hüfte. Das Bein verlor seine Standfestigkeit, sein Gewicht zog ihn hinab. Wütend krallte er sich mit der Hand an einer Ecke der Werkbank fest, während die andere den Griff des Hammers fest umschlossen hielt. Verschwommen sah er das Holz über Lauras Kopf erhoben. Blut klebte an den splitterigen Holzfasern. Sein Blut! Noch ein Treffer und ich bin geliefert! Laura fauchte, Speichelreste glitzerten in ihren Mundwinkeln. ,,NEIN!“ Wie ein Diskuswerfer schwang er das Werkzeug um seinen Körper.

Ich muss auf die Schulter zielen! Mit einem ungeheurem Schmerz versagte ihm die Feinmotorik. Unkontrolliert flog der Hammer durch die Luft, bis er mit einem dumpfen knacken in Lauras Schädel krachte. Der Stahlkopf versank in einer tief klaffenden Wunde, verkeilte sich darin und wurde ihm aus der Hand gezerrt, als die Wucht des Aufpralls Laura einmal um die eigene Achse schleuderte. Blut spritzte ihm ins Gesicht, Haarbüschel stoben sich auf. Laura brachte nur ein klägliches Wimmern von sich, die Augen weit aufgerissen, die Finger gespreizt. Das Kantholz fiel zu Boden. Für einen Moment hielt sie in ihrer Bewegung inne. Nur die schwere Goldkette, zu der Marco ihr einmal einen simplen Anhänger geschenkt hatte,

schwirrte empor. Dann fiel seine Frau in sich zusammen. Marco starrte sie ungläubig an. Ihre Augen blickten gebrochen ins Leere. Ich-ich habe sie umgebracht. Verdammt nochmal, ich habe sie umgebracht! ,,Das kann nicht sein.“ Marco ging neben ihr in die Hocke, während sich ein brennendes Eisen in die geprellte Kniescheibe zu bohren schien. ,,Das kann nicht sein!“. Sein Finger berührte den Hammergriff, doch die Hand zuckte zurück, als hätte er einen Stromschlag bekommen. Marcos Körper begann unkontrolliert zu zucken. ,,Laura! Laura, bitte sag etwas!“ Seine zitternden Finger tasteten nach der Halsschlagader. Nichts. Die eben noch vor Wut brüllende Furie blieb ruhig. ,,Laura!! Wach auf, Laura!!“ Er hörte die Worte

aus seinem Mund, ohne zu begreifen, sie wissentlich formuliert, noch gesprochen zu haben. ,,Laura! Bitte, es tut mir leid! Ich wollte nicht..“ Seine Stimme versagte, ging in ein klägliches Geheul über. Der, aus dem Schädel ragende, Hammer bläute ihm unwiderlegbar ein, dass jegliche Hilfe zu spät kam. Ich habe sie erschlagen! ,,Gott, was hab ich getan!?“ Die Lippen bebten, Tränen brannten in den Augen. ,,Warum hast du mich nicht einfach ausreden lassen!?“ Sie hatte ihn dabei beobachtet, wie er einer Prostituierten mit Feuer aushelfen wollte. Wozu er zuerst hatte die Geldbörse herausziehen müssen, um an das Feuerzeug zu gelangen. In diesem Moment hatten sich ihre Blicke getroffen, und er hatte, völlig

verschreckt, das Portemonnaie zurück in die Hosentasche geschoben. Sie hat die Situation völlig missverstanden! Worauf sie, ohne eine Erklärung zu zulassen, fortgelaufen war. Bis sie mich hier im Werkraum ohne Vorwarnung angriff. ,,Du hast mir ja praktisch keine andere Wahl gelassen!“ Der weinerliche Vorwurf hallte von den kahlen Wänden wieder. Selbst aus dem Tod heraus,schien Laura ihn zu verabscheuen. Ihr bleiches Gesicht war zu einer verzerrten Fratze verzogen. Blutflecken zerstörten ihr bildhübsches Gesicht. Ein Haarbüschel klebte unterhalb des Ohres. ,,Scheiße! Was mach ich denn-“ Bumm, bumm, bumm. Dumpfe Schläge hieben gegen die Tür. Marco fuhr erschrocken zusammen. Bumm, bumm. Die Nachbarn

müssen irgendetwas mitbekommen haben! ,,Was mach ich den jetzt?“ Er sah sich um. Wenn ich die Tür nicht ganz öffne, bleibt die Leiche im verborgenen. Gott, eine Leiche. Laura war jetzt eine Leiche... Bumm, bumm... ,,Hallo Marco! Alles in Ordnung da drinnen?!“ Carla. Die Alte wohnte über ihm, hatte aber ständig einen Grund im Keller irgendetwas zu suchen. ,,Augenblick, Carla! Ich komme sofort!“ Wenigstens hat sie Anstand nicht gleich hinein zu platzen. Er wuchtete sich, den aufkommenden Schmerzensschrei unterdrückend, mühsam hoch. Sein Schädel pochte, das Gesicht fühlt sich zerschmettert an und die Kniescheibe mochte in tausend

Teile zerborsten sein. Die Zähne zusammen beißend schob er sich zur Tür. Sie knarrte, als er sie aufzog und durch den Spalt blickte. ,,Marcos was...Um Himmels Willen, was ist den mit dir passiert!?“ Carla starrte ihn aus weit aufgerissen Augen heraus an. Im Bruchteil einer Sekunde wich die komplette Farbe aus ihrem Gesicht. Die Kinnlade klappte herunter und wollte sich nicht wieder schließen lassen. Ihre Arme fielen schlaff vom Körper herab. ,,Das verdammte Regal ist runtergefallen.“ Marco deutete mit dem Daumen hinweg Richtung Werkraum. ,,Ist mir direkt auf den Schädel geknallt. Hätte wohl doch größere Dübel nehmen sollen.“ ,,Du siehst ja schlimm aus.“ Sie tippte mit dem Zeigefinger behutsam gegen seine Nase.

,,Halb so wild.“ Er versuchte, die Situation mit einem gequältem Lächeln runter zu spielen. ,,Das heilt wieder!“ ,,Du musst zum Arzt. Marco, wirklich. Du hast dir bestimmt die Nase gebrochen!“ Sie reckte den Kopf etwas vor, als könne sie dadurch den Zustand der Nase besser beurteilen. ,,Unsinn!“ Im selben Moment verspürte er den Schlag des Kantholzes ein weiteres Mal. Übelkeit stieg in ihm auf. Vor seinem geistigen Auge sah er den Hammer sich in Lauras Schädel graben. Ich muss die Alte abwimmeln! ,,Marco, Carla ist immer sehr nett zu uns gewesen. Es ist unfair wenn du sie als Alte bezeichnest!“ Das war doch Lauras Stimme. Marco schrak zusammen. ,,Das kann nicht sein!“ Carla hob eine Augenbraue. ,,Was

kann nicht sein, Marco? Wovon redest du?“ ,,Was?“ Ein kalter Schauer jagte ihm den Rücken hoch. ,,Du hast gesagt: Das kann nicht sein...“ Sie legte den Kopf schief. ,,Was kann nicht sein?“

Stimmen

,,Das...Ich...Ich meine, das wäre nicht nötig gewesen. Das mit dem Regal meine ich." ,,Hast du Kopfschmerzen, Marco?"

Sie denkt, wenn ich das Regal auf den Kopf bekommen habe, könnte der Schlag einen Verwirrungszustand ausgelöst haben. ,,Nein, mir geht es gut. Wirklich! Wirst du mich entschuldigen? Ich.." Er deutet mit dem Kopf hinter sich. ,,Ich wollte das Durcheinander noch beseitigen, und...und das Regal wieder anbringen. Dieses Mal nehme ich bestimmt stärke Dübel..." Das versuchte Lächeln misslang. Carla musterte ihn aufmerksam. Ihre ohnehin schon faltige

Stirn runzelte sich, aus der pure Besorgnis sprach. ,,Ist Laura auch hier?"

Die Frage traf Marco wie ein Schlag.

,,Ich bin hier, Carla! Bitte hilf mir!"

Marco prustete. ,,Oh nein, nein, nein..."

,,Was?"

,,Sie..sie ist nicht hier. Sie ist oben."

..Ich werde mal nach ihr sehen".

Marco rutschte das Herz in die Hose. ,,Ohh nein, das ist nicht nötig. Überhaupt nicht nötig!" Das heftige Kopfschütteln ließ seinen Schädel beinahe zerbersten. ,,Sie wollte sich ein wenig hinlegen, weil-"

,,Warum lügst du Carla an, Marco? Das ich jetzt hier liege, habe ich nur dir zu verdanken!" Das bilde ich mir nur

ein...Bestimmt! Meine Phantasie geht mit mir durch. ,,Weil?"

,,Was?"

,,Warum wollte Laura sich hinlegen? Fühlt sie sich nicht gut?"

Sie warf Marco einen skeptischen Blick zu. ,,Ja. Ich meine, nein. Sie meinte, soetwas wie eine Erkältung zu bekommen. Normal bei dem Wetter was wir in den letzten Tagen hatten..."

,,Ein Grund mehr nach ihr zu sehen. Das arme Ding kann einen heißen Tee bestimmt gut gebrauchen. Mal sehen, was ich ihr gutes tun kann."

,,Siehst du Marco, wie rührend sie sich um mich kümmernd. Ganz im gegensatz zu dir!"

Ich werde noch verrückt!

Ohne weiter auf Marco einzugehen, dreht sich die Alte um, und verschwand die Treppe hinauf. Es ist sinnlos, sie von ihrem Vorhaben abzuhalten. Was wird sie tun, wenn keiner öffnet...?

Marco schob die Tür ins Schloss. Das überalaute knacken des Riegels kam ihm wie ein Gewehrschuss vor. Erschöpft lehnte er sich gegen die Tür. Jetzt erst spürte er, schweißgebadet zu sein. Die kühle Kellerluft verstärkt das Gefühl des fröstelns. Laura lag nach wie vor leblos am Boden, den Hammer aus dem Schädel ragend. Um ihren Hinterkopf hatte sich eine weitläufige Blutlache gebildet. Lag sie gerade eben auch schon so? Es fehlte

die Erinnerung. Kann sein...Alles war so fürchterlich schnell passiert. Der Schlag, der verschluckte Schrei, der anschließende Niedergang. Alle 10 Sekunden ein gespeichertes Bild. Marco schritt auf den Leichnahm zu, betrachtete Lauras verzerrtes Gesicht. Er beugte sich ein wenig vor, worauf seine Schulter einen Schatten auf sie warf. Was ihren Gesichtsausdruck plötzlich veränderte.

Jetzt schien sie zu lächeln. Ein Grinsen, was ihn verhöhnen wollte. Nur konnte sie das nicht. Sie war tot. Und die Stimme die ich gehört habe? ,,Hast du vorhin geredet?" In dem Moment, als die Worte verklungen, wusste er um die Irrsinnigkeit seiner Frage.

Laura war tot.

Eine Leiche.

Seine Frau war eine Leiche.

Wie konnte ich so blöd sein, und ihr eine Frage stellen? Ich bin völlig übergeschnappt! Der Körper musste entsorgt werden. Versteckt. Er konnte sich nicht vorstellen, das Disaster glaubwürdig erklären zu können. Aus Notwehr gehandelt zu haben, wegen eines blöden Missverständnisses. Wer würde ihm glauben, wenn er begreiflich machen wollte, die ach so liebenswerte Laura hatte versucht ihn umzubringen?

Aber wohin mit ihr?


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saiko
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Kornblume Starker Tobak von dem ich mich erstmal erholen muss. Treffend geschilderter Hass, brutal umgesetzt ,könnte genauso passiert sein. Das Ende bleibt für mich offen, trotz Deiner Titelvorgabe "Leichengeflüster".
Für eine 16 -jährige bemerkenswert umgesetzt.Hoffe für Dich , nur der Phantasie entsprungen und nicht selbst erlebt.
Bleibe weiter neugierig auf deine Texte ,die Kornblume
Vor langer Zeit - Antworten
HipHipHurra Wow - sehr plastisch geschildert, da merkt man die Zeichnerin. Außerdem finde ich die Idee zum Auslöser des "Zweikampfes" und das Leichengeflüster am Schluss raffiniert !
Bin sehr gespannt, was noch von Dir kommt,
Olaf
Vor langer Zeit - Antworten
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