Liebe Familie! - Eine ironische Kritik
Liebe Familie (Name wird noch eingefügt)!
Anlässlich meiner Jugendweihe, die am 25.05.2008 stattfinden wird, möchte ich mit euch ein wenig feiern.
Wir werden am Samstag/Sonntag dem 25./24.5. in Finsterwalde vorfeiern, damit der wöchentliche Arbeitsstress die Feier nicht beeinflusst. :)
Wenn das Wetter auch mitspielt könnt ihr euch auf Uwe’s Spezialität, den Räucherfisch, freuen. :)
Damit wir wissen wie viel Fisch gekauft werden muss, würden wir uns freuen, wenn ihr uns Bescheid gebt, ob ihr zu diesem Zeitpunkt kommen könnt.
Ganz liebe Grüße von mir und meiner Familie
Marie
Nachwort des Verfassers:
Ich kann keine Einladungen schreiben. Der erste Teil wirkt so förmlich und der zweite versucht witzig zu sein.
Ich hatte daran gedacht noch irgendein Zitat einzufügen, aber dann müsste die ganze Einladung förmlich sein. Und wenn ich förmlich schreibe, dann kann ich nicht so gut formulieren, aber wenn ich unförmlich schreibe, dann ist das irgendwie unpassend für die Familie. Nur passt das Förmliche nicht so zu mir. Ach, man!
Achso, ich wollte mich noch nicht auf das Datum festlegen, weil ich finde, wenn man am Sonntag feiert macht sich das schlecht, weil dann ja alle zeitig nach Hause müssen wegen dem langen Anfahrtsweg. Im Übrigen wäre es mir eigentlich egal, ob wir vorfeiern, aber das kann ich ja nicht entscheiden.
Warum schmeißen wir eigentlich nicht einfach mal so 'ne Gartenparty? Warum braucht man immer einen Anlass? Ich meine, wenn es unbedingt nötig wäre, könnte man ja auch einen anderen Anlass nehmen, z.B. die Pflanzung eines neuen Baums oder so ähnlich (wenn wir denn vielleicht mal einen neuen Baum pflanzen – wahlweise einen neuen Busch oder Strauch, oder was weiß denn ich.)
Ich meine das so: Im Grunde kommt doch die Verwandtschaft eigentlich nur um der Verwandtschaft Willen – und vielleicht wegen des Essens noch. Aber eigentlich kommen sie doch nicht wegen mir. Nur als Vorwand wegen mir. Das hat doch Oma auch so ähnlich gesagt. Eigentlich feiern doch alle nur, weil sie sich mal wieder sehen wollen und sich mal wieder treffen wollen. Nur wenn aber alle nur deswegen kommen, brauchen wir doch nicht wegen meiner Jugendweihe zu feiern. Zu meinem Geburtstag könnten wir auch feiern. Von selbst würde keiner kommen, aber das liegt ja daran, dass wir dazu keinen einladen. Würden wir sie zu meinem Geburtstag einladen wäre es doch ziemlich das gleiche.
Die Feiern laufen doch eh fast immer gleich ab – okay, nicht wenn es Kindergeburtstage sind – aber selbst dann gibt es zwei bis drei große Mahlzeiten und zum Schluss schließen sich die Jüngeren und die Älteren in Gruppen zusammen, männlich und weiblich meist getrennt, und quatschen „bei einem guten Tropfen“, wenn man’s so will. Nur ganz selten sitzen diese Gruppen gemischt. Und meistens sitze ich recht unglücklich daneben und werde entweder ausgefragt, oder habe keine Ahnung wovon denn alle grade erzählen. Und da ich keinen Alkohol trinke, kann ich mich auch nicht damit beschäftigen, ab und zu an dem Glas zu nippen, welches ich dann vielleicht in der Hand halten würde.
Was trinke ich eigentlich die ganze Zeit? Wahrscheinlich Saft. Ich glaube sogar, dass ich oft gar nichts trinke, nur höflich - und selbstverständlich auch dankend - ablehne; ich weiß selbst nicht warum. Normalerweise steht Laugengebäck oder ähnlich leckeres Zeug auf dem Tisch. Das ist natürlich äußerst positiv, weil ich mich dann alle 5-10 Minuten damit beschäftigen kann, unauffällig so ein Teil zu nehmen – vielleicht auch mal 2 oder 3, aber nie mehr – und es dann so langsam wie möglich verzehren kann. Das „so langsam wie möglich verzehren“ hat einen entscheidenden Grund. Ich versuche die 5-10 Minuten möglichst gut und gleichmäßig auszufüllen. Man bedenke, eine Laugenbrezel isst man normalerweise in einer halben Minute. Höchstens. Ich habe aber 5-10 Minuten auszufüllen, bis ich mir das nächste Stück Zeitvertreib aus der Schale nehmen kann. Mir ist klar, dass alle, die das hier lesen, sich fragen werden, warum ich nicht einfach mehr als 2 oder 3 Gebäckstücke aus der Schale entnehme. Das hat auch einen Grund. Es wäre eindeutig zu auffällig. Denn wenn man nicht aufpasst merkt jemand, dass du die Teile isst und findet das aus unerfindlichen Gründen entweder total absurd oder extrem witzig. Was ich wiederum als absolut unverständlich empfinde. Und wenn man dann nicht ganz schnell die Kurve kratzt und fast entschuldigend ein „Ich muss mal schnell auf die Toilette.“ oder so ähnlich in die Runde wirft, und zwar im richtigen Moment und lieber zu früh als zu spät – obwohl ich sagen muss, dass ein „zu früh“ auch nicht gut ist, weil es eindeutig zu auffällig ist – dann kriegt es die gesamte Gruppe mit, zu der es einen gerade verschlagen hat und zeigt eine der beiden möglichen Reaktionen, die auch die aufmerksame Person zur Auswahl hat. Das wird meist extrem peinlich und möglicherweise hat man danach nicht mehr die Chance an so ein gutes, salziges Stück Zeitvertreib heranzukommen. Das wiederum ist äußerst ärgerlich, weil man seinen einzigen Zeitvertreib so schluderig ausgeführt hat (Ich meine das Essen und unauffällige Beschaffen von Salzgebäck oder Chips), dass man jetzt auf dem Trockenen sitzt, was Möglichkeiten an Beschäftigung betrifft.
Weil wir natürlich in solchen Situationen oft zu sehr praktischen Menschen werden – zumindest sollte man das meinen; immerhin heißt es doch: „Not macht erfinderisch.“ – möchten wir möglichst einfach Unterhaltung. Und was fällt uns bei dem Wort Unterhaltung ein? Richtig, Unterhaltungsmedien. Die sind ja bekanntlich sehr praktisch, aber ich muss vor ihnen warnen, denn aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Unterhaltungsmedien äußerst tückisch sind. Sie wirken nämlich nur mit einem Vollmaß an Unterhaltung – wie sie es ja sollen, und zwar zu jeder Zeit – wenn man eigentlich viel zu viel und eindeutig besseres zu tun hat, als auf sie zurückzugreifen. Weil, wenn man nichts zu tun hat, verstärken sie die Langeweile nur noch mehr, weil hinterhältigerweise gerade in diesem Moment rein gar nichts interessant erscheint. Nun ja, aber das kann man ja auf solch einer "Fete" recht schnell vergessen – auch ein Merkmal äußerster Tätigkeitssuche – und verspürt seltsamerweise den Wunsch fernzusehen. Und hilfreicherweise verhilft uns unser Gehirn auch zu einer netten Übersicht an Fernsehprogrammen, die – und das wissen wir dank eines Blickes auf die Uhr – gerade in diesem Moment laufen, und die, so scheint es zumindest, genau etwas „für uns wären“. Vielleicht diese eine Komödie, man muss doch auch mal lachen können, oder dieser Film – wie hieß er gleich? – den man schon mal gesehen hat und den man so toll fand? Ja, das wäre jetzt genau das Richtige. Ein Blick zum Fernseher (dieser steht selbstverständlich im Raum, denn die ganze Familie, oder zumindest zwei der 3-4 Gruppen, hat sich in das Wohnzimmer gezwängt) beweist einem mit brutaler Realität das Gegenteil. Der Fernseher ist belagert, beziehungsweise er wird beschützt oder abgesperrt oder so ähnlich. Denn es ist einfach kein Quäntchen Platz mehr vor dem Bildschirm. Kein Zentimeter. Außerdem hat man keine Ahnung wie das Teil zu bedienen ist. Man ist noch frustrierter. Gerade will man sich aus lauter Frust noch ein Salzgebäck erschleichen, da fällt es einem ein. Die Salzgebäcke kann man ja jetzt nicht mehr nehmen. Nicht möglich. Ach ja, wie schön, denkt man sich, und freut sich über seine nichtvorhandene Selbstironie.
Nun ja, wir werden doch nicht verzweifeln. Flüstern wir uns gedanklich zu – und merken im nächsten Moment, dass wir mit uns selbst geredet haben. Schlimme Sache. Aber die Stimme hat ja Recht. Der Fernseher ist ja nicht das einzige Unterhaltungsmedium. Er ist nur einer in der Heerschar der vielen tollen Medien, die uns das Leben versüßen sollen. (In unserem Kopf sehen wir viele elektronische Geräte über einen Platz wuseln.) Wie wär’s mit dem iPod? Wir versuchen uns zu erinnern, wo wir ihn zu letzt hatten. Ach, richtig! Die kleine, grüne Tasche! Da muss er sein. Vor Langeweile komplett verwirrt greifen wir hinter uns. Keine Tasche! Oh mein Gott, hab ich sie verloren?!? Achso... Nein, hab ich nicht. Sie hängt bei meiner Jacke in der Gardarobe.
Wir murmeln eine Entschuldigung, an die wir uns im nächsten Moment nicht mehr erinnern. Egal. Jetzt kommt die nächste Herausforderung. Wir müssen uns den langen Weg durch das Wohnzimmer drängeln, denn, wie es der Zufall will, saßen wir mal wieder nicht an der Tür. Bloß nichts umwerfen jetzt! Irgendjemand findet es irgendwie beredenswert, dass wir schon wieder hier durch wollen. Egal. Weiter zum iPod! Okay! Wir sind an der Tür und konnten uns auch heldenhaft bis zur Garderobe durchkämpfen, sehr zum Missvergnügen der anderen Familienmitglieder. Naja, was solls. Wir stehen vor der Garderobe und können es kaum glauben. Weder die grüne Tasche noch die Jacke sind zu sehen. So ein Mist. Alle haben nämlich ihre Jacken über meine gehängt. Nicht, dass wir was dagegen haben, wenn man seine Sachen aufhängt. Aber man könnte sie ja vielleicht auf die 5 vorhandenen Haken aufteilen, und das zum Wohle des Hakens, der unter den geballten 20 Kilogramm feuchter Jacken verdächtige, ächzende Geräusche von sich gibt. Nein, alles kein Problem, ermutigen wir uns. Wir beschließen unserer Familie nahe zu bringen, dass es mehr als einen Haken gibt. Also, freundlich wie wir ja so sind, hängen wir Jacke für Jacke ab und verteilen sie auf die übrigen 4 Haken. Sehr schön. Mission erfüllt. Die grüne Tasche tragen wir fast wie eine Trophäe. Es ist ja immerhin ein hart erkämpftes Stück.
Wieder bei unserer heutigen Gruppe angekommen, suchen wir unseren vorherigen Platz. Oh, wie schön. Es gibt ihn nicht mehr. Die Gruppe hat sich ausgebreitet und damit meinem Platz verschlungen. Gut auch kein Problem; wir setzen uns einfach dorthin, wo wir stehen. Irgendjemand hat was gefragt. Ein universelles „mhhhh“ fliegt zu dem Neugierigen und lässt ihn sein Gespräch mit dem Nachbarn wieder aufnehmen. War das jetzt zu unfreundlich? ... ... ...