SO SCHÖN KANN CHARITY SEIN
Schauplatz ist ein Hotel das in den siebziger Jahren sicherlich eine gewisse Klasse hatte. Leider ist bis heute nicht viel davon übrig geblieben. Trotzdem hat sich eine erstaunlich große Menge an Schaulustigen, Fotografen und Schnorrern versammelt. Denn dieser Event verspricht einen einmaligen Hauch von High - Society, very wichtigen
Personen und Glamour. Heißer Gesprächsstoff für mindestens drei Friseurbesuche!
Veranstalter dieses Charity - Events sind ein neues trendiges Lifestyle - Magazin und eine Stiftung, die seit ihrer Gründung als Steuersparmodell, einen mehr als anrüchigen Ruf genießt. Als Gastgeber hat man einen fetten dauerbezechten Partyveranstalter angeheuert. Dieser Kerl, bewaffnet mit einer Wodkaflasche und fiesem Mundgeruch, bearbeitet gerade eine Horde Gehirnamputierter Türsteher die ihn mit großen Augen und offenen Mäulern anglotzen. Die Mutanten nicken, heben ihre verwachsenen Daumen. Der
Party - Mensch scheint zufrieden und torkelt von dannen.
Vor dem Eingang liegt tatsächlich ein roter Teppich: Zwölf Meter Billig - Auslegware. Günstig erstanden in einem Baumarkt der kurz vor der Insolvenz dahinsiecht.
Und wundersamerweise tummeln sich sogar ein paar merkwürdige Gestalten auf diesem improvisierten Walk of Wichtigkeit. Allerdings keine wirklich bekannten und beliebten Filmstars, Musiker oder innovative Künstler. Eher armselige D, und E Prominenz, die man höchstens aus billigen Klatschblättern und idiotischen Fernsehsendungen kennt. Sofern man sich für derlei bescheuerten
Firlefanz interessiert.
Egal.
Die Fotografen machen ihren Job. Fotografieren was das Zeug hält. Klick. Klick. Klick. Ein paar verirrte Promi - Gaffer johlen und kreischen als wenn sie den Leibhaftigen vor Augen hätten. Allerdings würden sie es wohl kaum bemerken, so versessen abwesend starren sie auf ihre kleinen iPhone - Bildschirme. Ein Kerl mit reichlich Gel im Haar auf der Birne und in einem billigen blauen Anzug verteilt Handküsse und eine Handvoll Autogrammkarten an die kleine Schar Gläubige.
Dann wird der Saal geöffnet.
Alles strömt herein. Gratisdrinks werden
abgegriffen. Das Buffet schamlos geplündert. Dann ist Zeit für das Wesentliche.
Anlass für diesen “Mega - Event” sollte eigentlich etwas Wohltätiges sein. Mit Tombola. Spenden sammeln. Für hungernde Kinder. Arbeitslose Analphabeten. Einsame Delfine. Oder vernachlässigte Haustiere von Drogenkranken Pornodarstellern.
Das wird nicht so wirklich klar.
Ist auch egal.
Denn in erster Linie geht es hier um die anwesenden Darsteller/innen und ihre Beschäftigungsverhältnisse, denn hauptsächlich sind hier Stellenlose Parasiten der bunten
Unterhaltungsbranche am Werk. Wenn sie jedoch ernsthaft gefragt werden was ihr derzeitiges Metier ist, würden alle so ziemlich das selbe sagen: Moderatorin. Schmuckdesignerin. Modell oder Nachwuchs - Teilzeit - Schauspielerin.
Von wegen. Man muss sich nur einmal umschauen. Da wird taxiert, berechnet, abgewogen. Lohnt sich der Aufwand? Die Investition in neue Brüste, Lippen, Wangen, Hintern? Alles wird sorgsam begutachtet.
Meist von den anwesenden Herren. Von denen nur wenige anwesend sind. Der Rest sind die weiblichen Entsprechungen ihrer männlichen Gattung: Inneneinrichter - Schwuchteln. Friseur -
Schwuchteln und Heiratsplaner - Tunten. Alle in sichtbar schön bunte Outfits gehüllt. Ein Fest für jeden Sehbehinderten!
Die Kerle, meist etwas ältere Semester mit Solarium gegerbter Lederhaut, Goldkettchen und verätzten Nasenscheidewänden, bleiben unter sich. Halten Ausschau nach willigen Opfern. Denn allesamt sind es ehemalige Agenten, Manager, Produzenten und Programmchefs. Natürlich noch mit besten Kontakten in die Branche. Diese Leute bewerten sich selbst als äußerst wichtig, begehrenswert und nützlich. Türöffner eben. Mit diesen Eigenschaften lässt sich auf solch öden
Events eigentlich immer ein solider Fick abstauben. Ganz unverbindlich natürlich.
Ich schlendere durch den Saal, ebenfalls ganz unverbindlich, so von Gruppe zu Gruppe und halte Augen und Ohren offen. Zeitgleich ist am anderen Ende ein Kamerateam unterwegs, komplett mit Licht und Ton und einer aufdringlichen blond gefärbten Sprechpuppe vorneweg. Bereitwillig drängen sich die Schamlosen vor die Kameralinse um die dämlich - dreisten Fragen dieser selbst ernannten Promiexpertin brav zu beantworten. Denn zu genau diesem fragwürdigen Zweck sind sie ja alle hier versammelt. Das ist ihr Lebensunterhalt, - und Inhalt. Sie existieren ja eigentlich nur in dieser
bunten Boulevard - Scheinwelt, inklusive magerem Blödel - Image und dem Verlust jedweder Würde.
Ich lausche, schnappe Gesprächsfetzen auf:
“… und die Kim hat sich letzte Woche das Arschloch bleichen lassen! Hat sie mir selber erzählt.”
“hat die auch nötig, die kleine Schlampe, sooft die schon einen hinten drin hatte…!”
“Gibt so einige die würden auch wirklich alles machen!”
Es folgt ein Kicherchor wie von debilen dreizehnjährigen Backfischen, das beinahe die verkleisterte pergamentene Gesichtshaut reißen lässt.
Da gebe ich dieser fies aussehenden Botox - Fratze sogar recht. Man muss sich nur umschauen:
Echt gruselige Masken stehen im Raum rum; verschminkt, verwüstet, von unzähligen Operationen verunstaltet: Feiste Lippen, Wangen, Augen. Einfach furchterregend und widerwärtig. Riesige Silicon - Brüste, Hintern. Das einzig kleine an diesen Schreckgestalten muss ihr Hirn sein, dass ständig damit beschäftigt scheint sich einzureden, dass alle Welt sie für ansehnlich hält.
Ich marschiere weiter.
Vorbei an den Toiletten.
Hier herrscht reges Treiben. Ein Rein und Raus. Drinnen wird wohl gekokst
was das Zeug hält. Nun, ganz vernünftig, ist gut gegen den Hunger und die nagenden Zweifel am Menschsein, denke ich mir.
Ich trinke mein Wasser aus und gehe, ganz unbemerkt, hinaus in die junge Nacht. Ich sehne mich nach meinem leeren Bett, obwohl mir jetzt schon Bange ist vor den Alpträumen die mich sicher heimsuchen werden.
Text: harryaltona 2017
Cover: Pixabay