Journalismus & Glosse
Der Fälscher

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"Ein Fälscher kommt zu Ruhm"
Veröffentlicht am 02. August 2017, 16 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
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Über den Autor:

Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten. Hoffentlich glückt es. Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren. Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert. Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.
Ein Fälscher kommt zu Ruhm

Der Fälscher

Vorbemerkung

Historisch betrachtet, gibt es hinsichtlich dieses Betrugs mehrere Versionen. Ich habe mich für meine entschieden. Insofern ist es eben nicht 100 prozentig verbürgt. Der Betrug soll sich aber wirklich so ähnlich ereignet haben.


Gute Unterhaltung!




Copyright: G.v.Tetzeli Cover: G.v.Tetzeli www.welpenweste.de

Der Fälscher

Im Jahre 1488 kam ein gewisser Michelangelo di Lodovico Buonarroti Simoni mit 13 Jahren in die Fresken-Werkstatt des Domenico Ghirlandaio. Fresken gingen ja noch, aber auch die Malerei begeisterte den Jungen nicht vollends. Er begeisterte sich mehr an der Bildhauerei.

Da kam ihm der Zufall zu Hilfe. Der Mäzen, nebenbei der Herrscher über Florenz, Lorenzo (der Prächtige) Medici erkundigte sich bei Ghirlandaio. Wer seien denn seine besten beiden Schüler.

Es waren Michelangelo und Francesco Granacci. Diese beiden durften nun die humanistische Akademie, eine Stiftung des

Herrschers, besuchen.

Also lernte der 15 jährige Michelangelo die Gedankengänge der Philosophen und die berühmter Schriftsteller. Das war zwar nicht ganz nach dem Geschmack des jungen Künstlers, aber das Hauptproblem eines Studierenden, auch wenn er ein Stipendium bekam, war die Versorgung. Studenten haben nie viel Geld. So hämmerte Michelangelo an seinen ersten Figuren, um sie zu verkaufen. Besonders war tatsächlich ein offizieller Auftrag von Medici persönlich, nämlich das Fresko „Schlacht der Zentauren“ (1491-1492). Man mochte es drehen und wenden, Geld für das Leben war äußerst knapp. Immerhin war diese Schule höchst elitär und so lernte der junge Mann auch

einflussreiche Persönlichkeiten kennen. Teilweise arbeitete er auch mit dem Bildhauer Bertoldo di Giovanni zusammen.


Jedenfalls, als der begnadete Künstler 17 Jahre alt war, da gab es Ärger. Er prügelte sich mit Pietro Torrigiano, der ihm sauber die Nase einschlug. Eine Entstellung, die ihn zeitlebens begleitete. Man schrieb das Jahr 1487. 1492 starb sein Gönner Lorenzo der Prächtige. Und bald darauf gärte es in Florenz und Michelangelo sah Unheil kommen und setzte sich mit zwei Begleitern wohlweislich nach Bologna ab.

Dem radikalen Mönch Savonarola waren Nacktfiguren total zuwider und die dreckigen

Macher sollten auch nicht davon kommen.

Erst gegen Ende 1494 kehrte Michelangelo zurück. Allerdings blieben nun offizielle Aufträge der Stadt aus. Wie sich den Lebensunterhalt verdienen? Zum Glück kannte er Lorenzo di Pierfrancesco de 'Medici, der nicht nur Superreich war, er beschäftigte ihn auch. So gab er zwei kleine Statuen in Auftrag. Ein Kind, das Johannes den Täufer in jungen Jahren darstellen sollte, und den schlafender Cupidos (Amor). Wir kennen es aus heutiger Zeit. Reiche wissen, wie Geld zu machen ist.

Michelangelo erschien also vor dem Gönner

und präsentierte seinen Schlafenden Jüngling. Zugegen war auch Baldassarre del Milanese, ein Kunsthändler, der sich auf teure Antiquitäten spezialisiert hatte.

Sie prüften das gute Stück.

„Wohl getan“, schmeichelte Pierfrancesco. Auch Baldassarre war begeistert. Wann die Begegnung statt fand, ist nicht genau zu datieren. Meiner Meinung nach muss es im Frühjahr 1495 gewesen sein. Michelangelo war 20 Jahre alt.

Folgender Vorschlag wurde auf den Tisch gelegt. "Wir beschädigen die Skulptur etwas, dann täuschen wir vor, sie stamme aus dem Altertum." Der Händler war begeistert und versicherte, dass da richtig Kohle zu machen

sei. Er hätte auch schon einen äußerst zahlkräftigen Abnehmer im Auge. Pierfrancesco de Medici, der Magnat lächelte, Michelangelo wirkte zerknautscht. Da wurde dem Künstler ein Angebot unterbreitet, das er nicht ausschlagen konnte. „Der Erlös des Gewinns für diese außerordentliche Antiquität wird geteilt“, zwinkerte der Medici.

Was sollte da ein Künstler antworten, der von der Hand in den Mund leben musste. Er willigte ein. „Was meinst du, wie viel Erlös herauszuschlagen ist?“ Baldasarre überlegte.

„Bei der Qualität, da kommt was zusammen. Ich denke, 100 Florentiner Dukaten sollten drin sein“, schätzte Baltassarre.

Der Händler wusste, dass der Kunstkenner

Pierfrancesco nicht mit einem zu niedrigen Preis abzuspeisen war. „Gut“, sprach der Mäzen, „60 für mich und 60 Goldflorin für den Meister.“ (eine sehr stattliche Summe!) So geschah es. Der Händler zahlte vorab aus.

Damit war das Geschäft für Michelangelo erledigt, der endlich Bares in der Hand hatte.

Der Mäzen hatte auch seinen Schnitt gemacht und der Händler musste nun nur noch das wertvolle, angeblich antike Stück an den Mann bringen.

Da die Arbeit so hervorragend war, hatte del Milanese auch schon eine Idee von welchem antiken Meister das Kleinod gefertigt sein könnte. Er kam auf die Idee, dass die Plastik

dem Praxiteles zuordnen sei, einem der bedeutendsten Bildhauer der Antike (390 v.Chr. – ca. 320 v.Chr.). Vor allem aber winkte ordentlicher Gewinn! Man musste es nur so anstellen, dass es glaubhaft herüber kam.

Als erstes wurde der Marmor mit Asche behandelt, ein Stück angebrochen, dann begab sich del Milanes nach Rom. In einem Weinberg wurde der Cupido verbuddelt, vielleicht wurden ihm noch ein paar Kratzer beigebracht. Das Erdreich wurde begossen und nach einem halben Jahr, da gab es eine unglaubliche Überraschung. Ein Arbeiter hätte im Weinberg eine uralte Skulptur gefunden. Der Händler Baldassarre stürzte zu Raffaele

Sansoni Galeoti Riario, dem einflussreichen Kardinal, der für gute Kunst ein Vermögen ausgab. Er erzählte ihm von dem unglaublichen Glücksfund. Kardinal Riario war begeistert, vor allem, weil er nachforschte und feststellte, dass die Skulptur tatsächlich im Weinberg gefunden worden war. So zahlte er unglaubliche 200 Goldflorin für das Meisterwerk des Praxiteles. Baldassarre war glücklich einen so guten Schnitt gemacht zu haben. Lange konnte er sich allerdings nicht daran erfreuen.

Riario hatte „große Ohren“ und so erfuhr er, dass es den begabten Michelangelo gab, der zwei Figuren geschaffen hatte. Eine davon sähe so aus wie die neulich erworbene von

Praxiteles. Leider hat es Konsequenzen einen solch mächtigen Mann über das Ohr hauen zu wollen.

Baldassarre musste das Geld wieder zurückzahlen. Die 80 cm lange Figur behielt der Kardinal. Außerdem gehe ich davon aus, dass er dem Kunstmäzen künftig jedes Objekt nur zum halben Preis anzubieten hatte. Dem in Geld schwimmenden Pierfrancesco de Medici konnte Riario nichts anhaben, aber den Michelangelo, den wollte er sich vorknöpfen.

So zitierte Riario den Künstler zu sich. (1496) Zerknirscht gab Michelangelo zu den Cupido erschaffen zu haben. Doch zu seiner Überraschung durfte Michelangelo das Geld

behalten und bekam sogar den nächsten Auftrag.

Riario erkannte das ungewöhnliche Genie. Es gipfelte in einem Großauftrag (1497 erste Skizzen). Und was für einen! Die Pieta, denn man nimmt an, dass er bereits im Jahr 1498 damit begann. Ohne der Wertschätzung durch Riario hätte er diese Auftragsarbeit wahrscheinlich nicht erhalten (offiziell beauftragt 1497 durch Kardinal Jean Bilhères de Lagraulas, Vertragsschluss 27.08.1498).

Ein Betrug machte also den relativ unbekannten Künstler berühmt. Damit ist eigentlich die Geschichte unseres Fälschers zu Ende.

Fragt sich nun, was aus dem Cupido geworden ist. Der Knabe hätte sich angeblich auf einer Löwenhaut geräkelt mit Herkuleskeule. Dazu eine ausgelöschte Fackel, den Bogen und den Köcher neben sich Der berüchtigte Caesare Borgia soll es der Isabella d'Este geschenkt haben, wahrscheinlich um 1499. Die hatte sich jahrelang geweigert das Stück selbst zu erwerben, weil es eben eine „Fälschung“ wäre. Ca. 1630 kaufte Charles I (der englische König Karl I.) das Gesamtvolut der Sammlungen der Gonzaga auf. Die Schätze wurden nach England verschifft, darunter

auch der Cupido, die Amorette von Michelangelo.

Es gibt die Behauptung, dass das Schatzschiff gesunken sei. Dafür finde ich aber zu wenige Anhaltspunkte. Für wesentlich wahrscheinlicher halte ich, dass die Figur bei dem großen Brand im Palast Whitehalls 1698 zerstört wurde.


Die Fälschung, die heute unbezahlbar wäre, ist für immer entfleucht.

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