Kurzgeschichte
Blödmann

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"Das Leben verteilt so manche Niete. Aber lustig ist s trotzdem"
Veröffentlicht am 21. Mai 2017, 16 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Über mich gibt es nichts interessantes. Aber jetzt auch mit schönen bunten Bildern.
Das Leben verteilt so manche Niete. Aber lustig ist s trotzdem

Blödmann

BLÖDMANN

Ja genau ey, kenn ich. Schon oft gehört. Blödmann, Vollidiot, Trottel, Blödian, Dumpfbacke, Vollpfosten, Dösbaddel, Dummkopf, Eierkopf und Blödbirne. Schon alles mehr als einmal gehört, ey. Genau mit diesen bösen Worten hat man mich schon immer gerufen. Und ey, kann sein dass das sogar stimmt, denn so manchmal fühl ich mich nich gerade wie n echter Schlaukopp. Ey genau, is auch kein Wunder wenn man sich so meine Kleinkinderjahre mal anguckt.

Die beiden Großen, die ich aus keinem

bestimmten Grund Ma und Pa nannte, und die immer um mich rum waren, die waren nich so besonders nett oder aufmerksam oder lieb zu mir. Anstatt sich um mich zu kümmern hockten sie meist auf einer fleckigen zerlumpten und stinkenden Couch und stachen sich gegenseitig lange Nadeln in die Haut. Sie hatten immer so Dinger dafür genommen, hohle durchsichtige Röhren die mit einer komischen Flüssigkeit gefüllt waren. Diese komische Flüssigkeit hatten sie vorher aus einem heißen Löffel gezogen wo sie vorher so komisches Pulver rein getan hatten. Nachdem sie sich gegenseitig mit den Nadeln gestochen hatten fielen ihnen meistens die Augen

zu und sie um. Schien sie echt müde zu machen dieses merkwürdige Pulver. Dann waren sie immer wie gar nich da. Ich konnte rufen, schreien, weinen und Brüllen. Nichts davon hat sie dann wach gemacht.

Also hab ich dann einfach meinen Mund gehalten und immer weiter in den Kasten mit den bunten Bildern geguckt. Das war gut. Da war niemals Niemand müde. Da wurde gelacht und geklatscht und lustige Worte geredet. Das machte mir echt Spaß. Ab und zu wachte einer von den Großen wieder auf, stach sich erneut mit der Nadel und wurde dann böse, weil dann nichts mehr von dem komischen Pulver da war. Dann wurde herum

gebrüllt und sich gezankt und gestritten, bis sie dann meistens gemeinsam weggegangen sind. Wohin weiß ich nicht. Denn niemals nie haben sie mich mitgenommen: haben mich immer da sitzen lassen vor dem Bunte Bilder Kasten wo so lustig war. Manchmal bin ich dann wohl einfach eingeschlafen. Aber wenn ich dann wieder wach wurde, waren die Beiden meistens wieder da. Mit frischem Traumpulver, Milch und Brei für mich, und dann hatten sie meist ganz glänzend gierige Augen und ich wusste das sie gleich wieder die Nadel in sich reintun würden.

Das ging eine ganz schön lange Zeit so. Keine Ahnung wie lange genau. Ich

konnte ja nicht zählen. Aber mittlerweile trank ich keine Milch mehr und aß auch keinen Brei mehr. Jetzt verschlang ich gekochte Eier, Toastbrot und so etwas das aussah und schmeckte wie gebackenes Klebezeugs aus dem man Straßen macht. Das kannte ich, denn ich war ja mal draußen vor der Tür mit meiner Ma. Sie war echt nett an diesem Tag, erklärte mir Dinge und Sachen die ich sah. Ganz neue Worte lernte ich da kennen. Und das waren ziemlich komische Worte, nich so Wörter die sie immer im Bunte Bilder Kasten sagten. Aber auch aus dem Kasten lernte ich viele Worte. Und ich lernte die Namen der Sendungen kennen die ich sah.

Sesamstraße nannte sich eine, Sportschau eine andere, aber am allerbesten gefiel mir die Sendung mit der Maus. Da musste ich immer laut lachen. Das gefiel mir. Denn ansonsten gab es wenig zum Lachen in meinem zarten Leben. Eigentlich gab es nur das Schlafen, Essen, in den Kasten gucken und meine Windel wechseln. Das war so nich voll super zum Lachen. Ey, genau.

Und dann war ich eines Tages allein. Das heißt nicht so richtig allein, denn die beiden Großen waren ja noch da, bewegten sich aber nicht mehr, oder sprachen mit mir. Sie nannten mich noch nicht mal Döskopp oder Blödmann. Sie zuckten noch nicht mal wenn die dicken

Fliegen auf ihren Gesichtern herumliefen. Das einzige was mir nach Tagen auffiel, war das sie anfingen zu stinken. Ziemlich stark sogar. Richtig unerträglich, so dass ich mich nicht mehr ins Zimmer traute. Ich blieb dann in meinem Bett, schlief lange und träumte viel, meistens von Ernie und Bert, dem Krümelmonster, Bibo und Oskar.

Und dann eines Tages, mitten in der Nacht, gab es einen großen Radau, viel Geschrei und Getöse. Helles Licht überall, und eine Menge fremder Menschen tauchten plötzlich an meinem Bettchen auf. Sie redeten viel und durcheinander und einer von ihnen sprach in so ein Sprechgerät. Ey, genau,

so ein Apparat wo so eine unsichtbare Stimme raus tun kommt. Das fand ich echt unheimlich und musste weinen. Dann tauchte eine echt dicke Frau auf, sie beugte sich über meine zuckende Gestalt. Sie machte Mmmmmh, Mmmmmh mit ihrem Mund und ihre speckige Hand patschte über meine Haare, ey genau.

Die dicke Frau hat mich dann mitgenommen. Wir fuhren zusammen in einem Automobil, quer durch die ganze Stadt und über viele viele Straßen. Die dicke Frau redete ziemlich viel das ich nicht richtig verstand. Es war nicht so wie im Bunte Bilder Kasten, viel zu schwer und zu laut. Außerdem roch sie

stark nach Zwiebeln, ey genau. Das mochte ich nicht so gern.

Sie brachte mich dann in ein anderes Haus, einem ziemlich großen mit vielen Zimmern und vielen Menschen, ey. Großen und Kleinen und auch welche in meiner Größe. Diese Menschen waren alle nicht sehr nett zu mir, ey. Denn da fing es an das alle mich Blödmann und so nannten. Ich vermisste die Sesamstraße, denn dort nannte man niemanden Blödmann, oder so. Ey, genau. Und ich fragte mich dauernd warum die Menschen hier nicht so sein konnten wie in der Sesamstraße, wo echt keiner nicht nett zu anderen war.

Zum Glück blieb ich nicht sehr lange

dort bei den furchtbaren Leuten und ohne den Bunte Bilder Kasten. Eines einsamen Regentages kam ein ziemlich alter Mann in einem schwarzen Anzug mit weißem Kragen um mich anzusehen, ey genau. Und obwohl ich bestimmt nicht aus dem Bunte Bilder Kasten kam, schien er mich sehr nett zu finden, ey. Nett fand ich ihn auch, obwohl er schon ordentlich alt und dick und ohne Haare war.

Er sei ein Gottesmann hatte er gesagt. Und weil das der Wunsch Gottes sei, müsste er mich nun mitnehmen. Also ging ich mit ihm mit, nachdem alle gesagt hatten das ich das tun solle, ey. Genau, ich ging dann zu dem Gottesmann

sein großes Haus. Dort war es wirklich groß, hoch und kalt und voller komischer Sachen, wie so ein alter dünner Mann mit Dornen auf dem Kopf und voller Blut der an so einem komischen Kreuz rumhing, ey. Das ist der Herr Jesus, hat mir der Mann Gottes erklärt, und ich hab Hallo zu dem gesagt, außerdem hat mir der Gottesmann noch echt viel mehr erzählt. Aber das habe ich schon wieder vergessen.

Ich bekam auch eine Arbeit bei dem Gottesmann, ey genau, ne voll Wichtige Arbeit, wie er gesagt hat. Ich musste die großen Glocken die ganz hoch oben hingen läuten. Genau. Das war aber eine ganz schön schwere Arbeit. Und ziemlich

manchmal hab ich sie vergessen zu machen, denn mittlerweile hatte ich ja auch mein eigenes kleines Zimmer mit einem Fernseher drinnen wo ich immer gern rein gucke, ey. Fernseher, genau, so nennt man den Bunte Bilder Kasten in echt. Hat mir der Gottesmann erklärt. Genau, denn der weiß echt ne Menge nützlicher Worte. Nur manchmal ist er nicht so nett. Nämlich immer dann wenn ich vergessen hab die großen Glocken zu läuten. Das ist nämlich ne echt wichtige Arbeit, ey. Und dann muss ich immer zu ihm gehen und der Gottesmann schimpft dann mit mir. Das finde ich nun nicht wirklich nett von ihm. Auch das er mir dabei immer die Hosen auszieht um

meinen Pimmel anzufassen, ey. Auch das find ich nich gerade nett. Das fühlt sich fremd und überhaupt nicht gut und irgendwie falsch an. Das hab ich dem Gottesmann auch mal gesagt. Doch da wurde er so richtig ärgerlich, ey, ganz ernst und so wie feierlich hat er mir dann erklärt, dass das in echt der Wille Gottes sei, und das wir Blödmänner nicht das Recht dazu haben Gottes Wille anzuzweifeln, genau. Und dabei hat er immer mit seinem dicken Finger hoch in die Luft gezeigt, ey, ganz hoch. Ich hab dann auch da hoch gesehen, doch da war überhaupt niemand, kein Gott und sonst auch keiner, nicht mal einer aus der Sesamstraße, denn den hätte ich ja

bestimmt erkannt, ey genau.

So, und jetzt muss ich mal wieder die großen Glocken läuten, denn ich will ja nicht schon wieder geschimpft werden, ey, so mit den Hosen unten, genau. Das versteht ihr doch bestimmt.






Text: harryaltona

Cover: Pixabay

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KaraList Hier hast Du aber voll in die Milieukiste gegriffen, Harry. Die frühe Kindheit eines bedauernswerten Jungen, abseits eines geordneten sozialen Umfelds und fehlender liebender Fürsorge. Eine fiktive Geschichte wie ich unten gelesen habe, die leider jeden Tag Realistät sein könnte.
Gelungen!
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Leider ist so. Aber auch die weniger krassen realen Lebensläufe sind allemal gut für ein lebenslängliches Trauma.
Tausend Dank, Kara!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
strandgigant Moin!

Rot blüht der Mohn...
...nun nicht mehr...
...manches Schicksal erscheint dann doch härter als andere und doch, irgendwie lässt mich der gut getroffene Umstand nicht los, dass die Elternteile zur gleichen Zeit starben...da muss der Mohn wirklich stark geblüht haben um dann schnell zu verwelken...reich ist das Leben, voll Kummer und Freud!!!

Danke für Deinen Text. Gerne gelesen.

detlef
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Tausend Dank, detlef!!!
Treffender Kommentar.
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift 
"Blödmann..."
Schöne, echt bitterböse Satire...
Ich bin wieder einmal mehr absolut
begeistert von der enormen Treffsicherheit
deiner so kraftvoll abgefeuerten Spitzen
auf diese beschissene Gesellschaft,
in der so etwas und noch viel,
viel mehr möglich ist... ...smile*
Den "Blödmann..." von daher echt gerne gelesen... ...smile*
LG
Louis :-)
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Tausend Dank, Louis.
Die Zukunft wird zeigen was noch alles möglich wird. Zum Glück muss ich das nicht mehr erleben. Die Gnade des Alters...
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
Newcomer Ey Mann Harry, Deine Klasse-Geschichte kann einem schon die Tränen in die Augen kommen lassen! Bei der Erziehung von Kindern kann man so viel falsch machen, und die Folgen sind kaum zu "reparieren!"
Liebe Grüße von Marko
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Stimmt genau. Denn wenn ich mir heutzutage so manche Jugendliche ansehe, dann muss ich mich unweigerlich fragen: Was ist da denn wohl fals gelaufen. Schade Schade.
Tausend Dank, Marko!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
Newcomer Oh, ich danke Dir, Harry für Deine nachdenklich stimmende Geschichte und die Coins!
Das Erschreckende ist doch, dass es immer mehr solcher Menschen gibt bei denen eine Menge schief gelaufen ist! )))
LG, Marko
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Leider wahr.
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
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