Kurzgeschichte
Wertstoff Mist

0
"Wertstoff Mist"
Veröffentlicht am 04. April 2017, 6 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Anita Guske
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

einer der auf dem Weg ist ...
Wertstoff Mist

Wertstoff Mist

Wertstoff „Mist“

Wieder hat das Frühjahr Einzug gehalten. Wieder ziehen die Kleingärtner hin zu ihrer Scholle. Wieder wird gegraben, gedüngt und bewässert. Anschließend versenkt man hoffnungsfroh die Saat im Boden. Aber vorher muss Mubo (Mutterboden) angedeckt werden und allerlei Gutes, Dünger oder Pferdemist wird untergepflügt. Die Gartenerde ist mager in der märkischen Streusandbüchse. Wie war das eigentlich früher, als noch keine Baumarktketten überall im Land

eine kundenoptimierte „Bodenergänzung“ angeboten haben und um die Kaufkraft der Kunden bulten? Das Gärtchen meiner Omi war eher winzig, weniger als 200 qm groß. Dort fand Omi all das, was ihre Küche brauchte. Möhren, Rosenkohl, Kartoffeln, Beeren und Lauch siedelten neben Küchenkräutern aller Art. Der Garten grenzte an den Schuppen. Im Schuppen war das Freifallklosett. Als Kinder fürchteten wir uns vor Spinnen und anderen Fabelwesen. Der menschliche Abfall wurde mit Kalk und Stroh ab und an abgedeckt. Ich glaube, ich musste im Herbst in den seitlichen Ausläufer der Grube steigen

und mit einer Schöpfkelle die Sammelergebnisse ausheben und verteilen. Dabei stand ich auf einem Hohlblockstein. Laub und Rasenabfall aus dem Kompost kamen hinzu und so fand selbst der letzte Mist seine sinnvolle Wiederverwendung. Keiner erinnerte sich beim Genuss der Beeren und Früchte an diese „Beigabe“. Anderer Mist kam in den 60ern auf. Mittlerweile hatten wir einen Garten am Hang außerhalb der Stadt. Dort gab es wenig Sonne und der Boden war karg. Vater meinte, er fände dort einen Ausgleich zum Bürojob. In Wahrheit traf er seinen Kollegen und Gartennachbar am Sonntag. Wir schleppten das

Flaschenbier heran und die Beiden süffelten sich ihr Pensum hinter die Binde, bis Mutti das Essen mittags hinaus buckelte. Ich wollte damals zum Tanztee, wie alle meine Kumpels und auch die Mädels. Vater überzeugte durch seine Befehlsgewalt und so dackelte das Trio - er vorn weg und die Söhne hinterdrein - am Sonntag Richtung Grundstück. Der Erzeuger im Anzug und wir mit den Werkzeugen und jeder mit einem Pappeimer voller Taubenmist. Dieser Mist war Vaters Geheimzutat zum Gießwasser, welches wir Eimer für Eimer von einer gefassten Quelle zum Garten trugen. Die Arme wurden immer länger,

aber irgendwann war jedes 200 l Fass voll. Vater empfing auch Gäste. Selbst die Großeltern kamen zum Kaffeetrinken und man saß friedlich neben der Jauchetonne, von der ein spezieller Duft zum Tisch wehte. Tante Margot wollte sich dereinst die gepflegten Hände waschen und unser Vater verwies sie an die Tonne. Noch nach Jahren hielt man sich die Bäuche, wenn diese Begebenheit erzählt wurde und der Alte nannte diese Lorke in Erinnerung an seine Zeit als Soldat in Italien „multo profumo“ - stark duftend. JFW 30.03.2017

0

Hörbuch

Über den Autor

Boris
einer der auf dem Weg ist ...

Leser-Statistik
6

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Zeige mehr Kommentare
10
0
0
Senden

151730
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung