Kurzgeschichte
Wen es interessiert - (K)ein Einzelschicksal

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"Wen es interessiert - (K)ein Einzelschicksal"
Veröffentlicht am 30. März 2017, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Nico Wohlrab, geboren 1975, Diplom-Wirtschaftsingenieur, ehemals Softwareentwickler und aufgrund eines Unfalls seit 2008 invalide. Liebt Musik, versucht sich hin und wieder in der Malerei und im Schreiben.
Wen es interessiert - (K)ein Einzelschicksal

Wen es interessiert - (K)ein Einzelschicksal






WEN ES INTERESSIERT

(K)EIN EINZELSCHICKSAL










© 2017 Nico Wohlrab




Als Suizid – fachsprachlich auch Suicidium – (von lateinisch sui „seiner [selbst]“, und caedere „[er]schlagen, töten, morden“) wird die vorsätzliche Beendigung des eigenen Lebens bezeichnet. Weitere Begriffe dafür sind Selbstmord, Selbsttötung, Mors voluntaria oder Freitod.

Die erste Erfahrung mit einem Selbstmord machte ich, als sich unser Nachbar Hermann etwas abseits von unserem Park erhängte, genau dort wo ein Bach den Park in Richtung zur Reismühle verließ. Ich muss damals um die 11 oder 12 Jahre alt gewesen sein.

Ich war stinkwütend als ich davon erfuhr, weil ich mich als Dorfkind sehr gerne dort aufhielt und spielte.


Mein Großvater mütterlicherseits lag zu dieser Zeit in Bad Liebenstein im Krankenhaus und ich erinnere mich genau, dass meine Mutter zu Opa Franz flüsterte: "Der Hermann hat sich aufgehangen" Und Opa flüsterte zurück "Am liebsten würde ich das auch machen, Gabi".


Was soll ich sagen: nicht lange nachdem Opa Franz das Krankenhaus verlassen hatte, erhängte er sich im Nachbarort auf dem Boden seines Hauses. Ich glaube niemand hat so sehr darunter gelitten, wie meine Mutti.


Meine Mutter war Kindergrippenerzieherin im Ort. Zuhause gab es häufig Streit. Ständig drohte mein Vater mit Scheidung. Vielleicht hätte Mutti es besser als Versprechen auffassen sollen.

Nach der Wende verlor meine Mutter ihre Anstellung, weil ein Stelle zu viel besetzt war und sich ihre dämliche Vorgesetzte lieber für ihre Nachbarin als für meine Mutter, die im ganzen Dorf als Erzieherin beliebt war,

entschied.

Auch zwei Jahre nach dem Tod ihres Vaters litt meine Mutter. Und jetzt verlor sie ihren geliebte Anstellung, sie ging in ihrem Beruf total auf. Nun begann Sie sich überschwänglich um den Haushalt zu kümmern.


Ab meinem 15. Lebensjahr besuchte ich ein Internat im ca. 100 Kilometer entfernten Ilmenau. Ich kam nur noch an den Wochenenden und den Ferien nach Hause.


Es ereignete sich der Tag an dem ich nach Hause kam und erfuhr, dass meine Mutter im Krankenhaus auf der Intensivstation lag, weil sie sich mit Schlaftabletten das Leben

nehmen wollte.


Sorry.. ich kann gerade nicht mehr, ich schreibe morgen weiter.

So weiter geht's, ist halt für mich immer noch sehr emotional.


Etwas später kam meine Mutter in eine Klinik. Dort hatte Sie wohl jemand Netten kennengelernt. Sie hatte das niemandem erzählt, aber als wir sie besuchten hatte ich das bereits gespürt.


Wiederum ein paar Wochen später hatte sie an einem Wochenende das erste Mal Ausgang und durfte nach Hause. Es war an einem Samstag, da kam ich nach Hause und

ging in das Kinderzimmer und setzte mich auf das Bett. Ich konnte kaum glauben, was geschah. Mutti lag im Schlafzimmer im Bett und mein Vater rastete total aus, er beschimpfte Sie aufs schrecklichste. "Wag es ja nicht zu geh'n," In einer enormen Lautstärke. "Die Kinder bleiben bei mir". Beleidigungen und sonstwas.

Der Typ steigerte sich immer mehr hinein. Was soll das? Meine Mutter kam das erste Mal nach Hause während ihrer Behandlung wegen des Selbstmordversuchs - und sie war glücklich, wegen eines anderen Mannes. Aber egal was Geschehen war in dieser Situation kann man nicht so mit einem Menschen umgehen, der gerade einen Suizidversuch hinter sich hatte.

Ich ging zum Schlafzimmer und ging hinein. Als mein Vater bemerkte, dass ich die ganze Zeit da war und alles mit anhörte, fielen ihm fast die Augen aus. Ich setzte mich zu meiner Mutter auf das Bett und drückte ihre Hand. Sie schaute mich mit ihren wunderschönen großen verweinten Augen an. "Nico, ich habe da jemanden kennengelernt, den ich sehr mag." Früher hätte ich definitiv Panik bekommen, wenn die Familie drohte zu zerreißen. Aber ich habe mich so sehr für meine Mutti gefreut - einfach nur, weil sie glücklich war.


Am Tag darauf öffnete ich bei meinen Großeltern, bei denen ich seitmeinem 15. Lebensjahr lebte, die Tür: "Nico, die Mutti ist

tot."

Ich habe schon oft versucht, das alles in Worte zu fassen: die Gefühle, die Wut, die Ohnmacht. Das ist absolut unmöglich.

Nur soviel, meine Mutter erhängte sich zur Mittagszeit auf dem Dachboden meines Elternhauses. Es war Sommeranfang und mein Vater und mein 8-jähriger Bruder waren zu der Zeit im Nachbardorf, wo der neue Lebensgefährte der Mutter meiner Mutter zum Essen einlud. Ich war 16 und meine Mutter gerade mal 20 Jahre und einen Tag älter.




Wird fortgesetzt...

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Über den Autor

niwoh
Nico Wohlrab, geboren 1975, Diplom-Wirtschaftsingenieur, ehemals Softwareentwickler und aufgrund eines Unfalls seit 2008 invalide. Liebt Musik, versucht sich hin und wieder in der Malerei und im Schreiben.

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sugarlady Meine Güte, da hab ich jetzt Gänsehaut bekommen.
Jeder Mensch, hat gerade einmal ein Leben, deshalb sollte man es pflegen.
Mutiger Schritt, wenn Leute so etwas machen.
Wäre nix für mich, zum Glück!
Gerade ältere Menschen, haben eine Depression, die nicht so einfach geht.
L.G. Andrea
Vor langer Zeit - Antworten
Felix Eine berührende Geschichte. Man...
Vor langer Zeit - Antworten
strandgigant Ein spannendes Thema. In unserem Leben dreht es sich ja darum, die Pole vom Leben und Sterben in Einklang zu bringen, einen tief persönlich gefärbten Einklang. Ich habe den Text gerne gelesen, bis zum Satz, Du müsstest nun abbrechen. Aus diesem Satz schlussfolgere ich, dass Du Autobiografisch schreibst. Du beginnst mit der lexikalen Erläuterung des Wortes Suizid und auf der fünften Seite beginnst Du eher sachlich, beobachtend, scheinbar ohne Wertung, das finde ich gut, doch dann, als es um Deine Mutter geht, wirst Du klar parteiisch und persönlich, das kenne ich vom eigenen Schreiben auch, da wo es weh tut, werden wir parteiisch, bewertend, zynisch etc.
Darüber sollte man sich im Klaren sein. Wie willst Du schreiben? Autobiografisch? Als Beobachter mit Abstand, der versucht das Geschehene zu dokumentieren? Oder auch deutlich parteiisch und selbstmitleidig, vielleicht als Akt der Bewältigung, dieser traumatischen Erlebnisse? Oder alles auf einmal?
Die Frage, warum einem Menschen dieses Thema so massiv begegnet finde ich interessant auch mit Blick auf die eigenen Erlebnisse, Unfälle etc. Ich hoffe, ich bin nicht unhöflich oder übergriffig. Mich interessieren Lebensgeschichten und die Fragen dahinter. Mir ist das Thema in meinem Leben auch begegnet.
Wenn ich als Leser im Text keine klare Haltung des Autors erkennen kann, keine Absicht, nur ein Sammelsurium an scheinbar Erinnertem, wird es aus meiner Sicht langweilig und so ist es auch keine Kurzgeschichte sondern ein autobiografischer Text.

Besten Gruß
DA
Vor langer Zeit - Antworten
Darkjuls Wenn Menschen entscheiden, ihrem Leben ein Ende zu bereiten, ist das für uns Zurückbleibende meist schwer nachzuvollziehen und zu fassen. Wir fühlen uns hilflos und verlassen. Haben wir den Hilferuf überhört oder die Zeichen übersehen? Schuldgefühle plagen uns. Doch es ist und war nicht unsere Entscheidung und sollte respektiert werden als die ihre. Die Unsicherheit bleibt, mit der wir zu leben lernen müssen.
Ein Thema über das viel mehr nachgedacht werden sollte, finde ich. Haben wir nicht das Recht, unserem Leben selbst ein Ende zu setzen? Herzlichst Marina
Vor langer Zeit - Antworten
Carina Ein schweres Thema an das Du mit Mut herangehst. Das Buch lässt sich gut Lesen. Doch was ich vermisse ist der "Rote Faden". Ich hätte gern weiter gelesen doch das ende kam Prompt. Man kann nun sagen; klar bei so einem Emotionalen Thema. Ich Denke die Geschichte eignet sich prima als Buch mit mehren Kapiteln. Sollte es eine Kurzgeschichte sein die für sich alleine Steht, dann ist sie nicht ganz "Rund" da eine kleine Ein und Aus Leitung fehlt. Dennoch nicht ist das Buch nicht schlecht.
Ich wünsche Dir weiterhin viel Freude am Schreiben.
Gruß Carina
Vor langer Zeit - Antworten
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