Kurzgeschichte
Der Ficus

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"Der Ficus"
Veröffentlicht am 31. Oktober 2017, 6 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich schreibe schon sehr lange, auch wenn das früher mehr sporadisch war. Es geht meistens um die nostalgische Prosa: Kurzgeschichten, Erzählungen, kleine Dialoge usw. Es hat angefangen, wie Edelsteine sammeln: es war als ob ich etwas sehr Schönes entdeckt habe und es war in mir drin. Und ich musste es rauslassen: aufschreiben. Sich genau zu erinnern ist etwas sehr Kostbares. Etwas verarbeiten, akzeptieren, ist wie eine direkter Kontakt zur ...
Der Ficus

Der Ficus

Der Ficus

In der Schulzeit war das der Spitzname von meinem älteren Bruder. Weil er sich im Internat hinter einem alten Ficus  versteckt hat. Da waren die Kinder schnell auf Spitznamen aus, ein paar  Mal Verstecken hat schon gereicht.

Die älteste Pflanze bei uns zu Hause ist auch ein Ficus. Er kam zu uns, wie anderen Leuten die Tiere zulaufen. Ich habe ihn vor ca. zehn elf  Jahren im Garten einer meiner Freundin entdeckt. Sein Zustand war die letzte Station vor der Biotonne. Die Freundin hat ihn schon aus dem Haus geschafft und so lag er fast vertrocknet unter der Hecke.

Ich war damals arbeitslos (gleich extrem

sparsam und immer auf der Suche nach neuen Sparmöglichkeiten) und beschloss ihn aufzupäppeln. Habe ihn gegossen, gedüngt, umgetopft und im Wohnzimmer platziert.

So sonderlich habe ich auf ihm nicht geachtet. Aber nach einer Weile sah die Pflanze wieder gesund aus und entwickelte sich prächtig. Jedes Jahr musste ich den Ficus in einen größeren Blumentopf umpflanzen und einen schönen weißen glänzenden Keramikübertopf bekam er auch noch dazu.

Kurzum, ich war richtig stolz auf meine Leistung. Weil bei der Freundin in der Ehe es nicht so richtig lief, hatte ich mir

noch eingebildet, dass der Ficus wegen der harmonischen Familienatmosphäre sich bei uns so gut eingelebt hat.

Nur eins war nicht rund: Der Ficus wuchs und gedieh, war aber krumm. Und alle meine zahlreiche Versuche ihn aufzurichten schlugen fehl, kein Stock konnte ihn grade halten. Im Endeffekt habe ich das als Tatsache akzeptiert und mag ihn auch krumm und freue mich, wenn ich ihm draußen im Sommer eine warme Dusche verpassen kann.

Meinem  Sohn und meiner Schwiegertochter habe ich neulich auch einen Ficus geschenkt, den habe ich gekauft, noch bevor ich überhaupt auf die Idee dieser Geschichte gekommen

bin.

Jetzt liegt der Ficus bei denen auf dem Balkon: vertrocknet, mit einem einzigen verbliebenen Blatt. Die  Beiden sind glücklich verheiratet. Daher  lasse ich jetzt die These, dass das Eheleben irgendwelchen Einfluss auf die Pflanzen hat, fallen. Und traue mich zu behaupten, dass es nicht immer  in der Menschenhand ist, ob die Pflanzen gedeihen oder zugrunde gehen. Dafür wüssten Biologen bestimmt tausend Gründen, aber auch sie sind manchmal ratlos.

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Über den Autor

Marita
Ich schreibe schon sehr lange, auch wenn das früher mehr sporadisch war. Es geht meistens um die nostalgische Prosa: Kurzgeschichten, Erzählungen, kleine Dialoge usw. Es hat angefangen, wie Edelsteine sammeln: es war als ob ich etwas sehr Schönes entdeckt habe und es war in mir drin. Und ich musste es rauslassen: aufschreiben. Sich genau zu erinnern ist etwas sehr Kostbares. Etwas verarbeiten, akzeptieren, ist wie eine direkter Kontakt zur eigenen Seele. Das ich die Edelsteine zu verabeiten lernen muss, dass verstehe ich. Aber diese Art von Arbeit macht mir Spaß!

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