Kurzgeschichte
Schöne neue Welt

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"harryaltona wird endlich smart"
Veröffentlicht am 21. März 2017, 16 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Elena Okhremenko - Fotolia.com
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Über den Autor:

Über mich gibt es nichts interessantes. Aber jetzt auch mit schönen bunten Bildern.
harryaltona wird endlich smart

Schöne neue Welt

SCHÖNE NEUE WELT

HARRYALTONA WIRD ENDLICH SMART

Ich habe mich ja lange gewehrt, bewusst und hartnäckig. Nicht mit mir, hab ich jedem gesagt der es hören wollte, und jedem der es nicht wollte. Brauch ich nicht, war stets mein Hauptargument wenn mich wieder einmal jemand mit meiner rückständigen Einstellung gegenüber dieser erschreckend fantastischen Technik aufzog.

Das meinte ich überaus ehrlich und mit dem nötigen Ernst.

Denn ich bin in dieser Beziehung ein durchaus altmodischer Mensch. Mit Vorliebe höre ich Musik direkt aus meinem Hi - Fi, ohne MP3 - Downloads oder ähnlichem Quatsch. Ich lese ausschließlich “echte” Bücher, keine E -

Books. Ich liebe es nun mal die Sachen in Händen zu halten, sie zu fühlen, zu riechen.

Und vor nicht allzu langer Zeit schrieb ich meine Texte noch auf einer antiken elektrischen Schreibmaschine. Zugegeben, das war etwas mühsam, die Zeit raste dahin beim durchsehen und korrigieren, die Produktion zog sich hin. Aber ich liebte den Stakkato - Sound dieser fabelhaften Maschine.

Ich bin nun mal altmodisch.

Jahrelang besaß ich noch nicht mal ein Telefon. Wozu auch? Ich war ständig unterwegs und wenn jemand etwas von mir wollte, dann sprach man mich eben an. Ansonsten gab es ja noch jede Menge

Telefonzellen, so für den Notfall und um sich mal mit Leuten von Auswärts zu verabreden. Das reichte. Ich musste ja nicht rund um die Uhr erreichbar sein.

Doch nach reiflicher Überlegung, Monatelangem Zögern und der von Freunden schwungvoll geschürten Angst den Kommunikationsanschluss zu verpassen besorgte ich mir so einen Zauberkasten. Mit Zubehör.

Schön sah das aus da auf meinem Schreibtisch. So richtig professionell. Viel anzufangen wusste ich erst mal nicht mit diesem Gerät. Es hätte auch n Bügeleisen sein können. Doch mit unerschütterlicher Geduld, einem Handbuch und lästerlichen Flüchen

schaffte ich mir so einigermaßen die Grundlagen drauf. Und schon bald musste ich feststellen, dass mir das schreiben mit diesem High - Tech - Wunderkasten viel einfacher von der Hand ging, und erheblich schneller.

Doch noch lange nicht hatte ich das ganze Potenzial dieses Wunderwerks menschlichen Erfindungsdrangs gänzlich ausgeschöpft. Ich war immer noch Offline!

Also noch mehr überlegen, nachdenken, abwägen. Pro und Contra. Das war wirklich schwer. Tausende Male fragte ich mich nach dem Nutzen dieser Teufelsmaschine. Die Nachteile schienen klar zu überwiegen: Alle möglichen

ekligen Würmer warteten im virtuellen Reich nur darauf meine schöne Maschine zu infizieren. Dazu noch Trojaner, Phishing - Zeugs, Datenklau, Identitätsraub, die lückenlose Abschöpfung meiner Onlinesuche. Und dann natürlich Werbung, Werbung, Werbung…

Doch auch hier lauerte Hilfe für den zaghaften User. Jede Menge Schutzsoftware, Sicherheitsprogramme, Verschleierung. Das hörte sich doch recht hilfreich an, dachte ich mir, also probier das mal. Sei kein rückständiger Feigling.

Also suchte ich mir einen günstigen Dienstanbieter für das virtuelle

Schattenreich und ging Online.

Das war mal was!

Eine ganz neue Welt tat sich da auf! Informationen noch und noch. Fantastische Bilder, Texte, Personen. Das war schon ganz schön neu und aufregend und faszinierend. Aber auch zutiefst verstörend. Was da so alles auf mich einprasselte: offensichtlich dämliche Meinungsmache, Verschwörungstheorien, offenkundige Falschmeldungen, rechte Hetze, Faschistenscheiß und platte Parolen. Das gleiche von der linken Seite. Kaum noch zu unterscheiden. Und immer wieder kamen mir Pornoseiten in die Quere, ungefragt und unerwünscht. Was sollte

das? Und obendrein noch jede Menge wahnsinnige Angebote: Todsichere Penisverlängerung! Allzeit willige Frauen und Männer für unaussprechliche Sauereien. Was sollte ich damit? Das verstand ich im ersten Moment nicht so wirklich. Doch mit der Zeit wurde mir klar, dass diese wunderbare virtuelle Welt doch nur einem Zweck diente: Kommerz! Kaufen, - und verkaufen. Dinge, Meinungen, Gerüchte, Weltanschauungen, Philosophien, einfach alles. Nur eine Frage des Preises.

Enttäuschung machte sich bei mir breit.

Da hatte man das Wissen der Welt beisammen und praktisch vor Augen. Und was macht man? Du, Ich, und die

anderen?

Genau, wir vertrödeln unsere Zeit mit niedlichen Katzenvideos, dem herzhaften beschimpfen unserer Mitmenschen in asozialen Netzwerken, wir prophezeien, wir missionieren, wir glauben und glauben zu wissen…

Natürlich birgt dieser Zauberkasten auch eine Fülle an Nützlichem. Man muss nur lernen damit umzugehen, das Wichtige vom Unnützen zu trennen. Doch vielen fällt gerade dies am schwersten. Ich ertappe mich ja selbst gelegentlich dabei. Zumindest arrangiere ich mich mit meinen Unzulänglichkeiten im virtuellen Hexenreich.

Doch damit nicht genug. Nach kurzer

Zeit tauchten diese Smart - Phones auf; diese kleinen flachen Alleskönner, mit denen man nicht nur telefonieren kann, nein, alles was man vorher mit einem Rechner erledigen musste konnte man jetzt bequem an allen möglichen Orten erledigen. Quasi im Spaziergang, immer und überall, ständig Online. Dauerpräsenz.

Das war mir dann doch etwas zuviel. Zudem ich mich erst vor kurzer Zeit mit einem Handy angefreundet hatte.

Brauch ich nicht, sagte ich jedem Smart - Phone Besitzer unter meinen Freunden. Und ich hielt mich lange Zeit daran. Es störte mich nicht mal wenn ein Rudel Grundschüler an der Bushaltestelle mich

herzhaft auslachten wenn sie mich mit meinem ollen Sprechdings sahen. Ich bin eben ein bisschen altmodisch. Und ich glaube auch nicht an sorgsam geplanten Werbekampagnen der Hersteller, dass man ohne so ein Ding überhaupt nicht mehr als lebensfähig, - und tüchtig galt. Ich lebte trotzdem. Und ich gab mein Geld nicht denjenigen, die so ein Gerät bei den kleinen Chinamännern, - und Frauen billig herstellen ließen und hierzulande überteuert verkauften. Ob da nun n Apfel drauf ist oder nicht.

Doch auch dieses letzte Aufbäumen gegen die fortschreitende Technologie hat nun ein Ende. Ich bin ein Umkipper. Denn als mir letztes Weihnachten eine

gute und liebe Freundin so ein Ding schenkte, hätte ich auch Nein sagen können. Danke, aber nee! Hab ich aber nicht. Also ganz allein meine Schuld, wenn ich mich dabei ertappe, wie ich wie ein verdammter Volltrottel über einen winzigen Bildschirm wische, nach links, rechts, oben und unten. Smart - Phone - Tourette! Ich lese, schreibe, setze Zeichen. Bin Fotograf, gleichzeitig Darsteller. Bin in Kontakt mit der ganzen Welt, jede Stunde, jede Minute. Ich bin jetzt einer von den Smart - People., selbst die fiesen kleinen Grundschüler halten die Klappe. Und wenn ihr mir nicht glaubt, dann könnt ihr mich anrufen oder ne Nachricht schicken. Hier

ist meine Nummer: 015* - ******. Oder nee, lieber doch nicht!







Text: harryaltona

 


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Über mich gibt es nichts interessantes. Aber jetzt auch mit schönen bunten Bildern.

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tooshytowrite Och... zu viele Sternchen in Deiner Nummer, snief!
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona "Die Nacht hat viele Sterne... und zwei davon sind wir... Liedtext. Kann man auch schön finden.
Tausend Dank, tooshy!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
Willie Die Zeiten ändern sich und ich danke zurück an die Zeit, als ich meine Manuskripte noch mit der Hand schrieb. Das ging ja noch, aber dann die Korrekturen einarbeiten, war harte Arbeit; denn Rechtschreibprogramme gab es damals genauso wenig, wie das Internet. Schreibmaschinen waren in der DDR schwer zu haben, aber ich bekam eine und das Schreiben vereinfachte sich, aber die hässlichen Korrekturen blieben.
Wer diese verdammte Tippel -Tappel- Tour mitgemacht hat – weiß die heutige Technik zu schätzen, aber Briefe (und es sind nicht viel) schreibe ich immer noch mit Hand….
LG
Sweder
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Ich auch. Bin mal gespannt wann die Kinderchen das verlernen.
Tausend Dank, Sweder.
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Willkommen im Club, mein Lieber. Erstaunlich, dass du so lange durchgehalten hast (falls die Geschichte einen realen Hintergrund hat) ;o)
Wieder einmal eine vergnügliche Geschichte
meint
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Aber klar mit dem realen Hintergrund. Und ich blick da immer noch nich durch.Tausend Dank, Angie!!!
LG::: HARRYALTONA
Vor langer Zeit - Antworten
Marita Ich freue mich für dich, dass du jetzt auch mit dabei bist (grins, grins). Aber, wenn man ehrlich ist, sich wehren gegen das Neue kann man schon, aber wie lange, ohne den Anschluss zu verpassen?! Aufjedenfall, ist es eine sehr amüsante Geschichte! Und zu den Techniklegastenikern zähle ich mich auch, aber man muss trotzdem dabei bleiben.
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Ach ja, man muss sich ja nicht komplett darauf einlassen. Zum Glück haben die Dinger n Knopf zum abschalten.
Tausend Dank, Marita!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Das Eingeständnis einer lässlichen Sünde ... :-))
Ich hoffe, dass meine Kinder mir nicht eines Tages ein ´smartes` Geschenk machen, denn ich bin auch altmodisc!h ... und bleibe es auch.
Das war wieder Schmunzellektüre, lieber Harry.
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Tausend Dank, Kara!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
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