Journalismus & Glosse
Suffrage - Das Frauenwahlrecht

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"Für die Gleichberechtigung! Weltfrauentag"
Veröffentlicht am 07. März 2017, 22 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten. Hoffentlich glückt es. Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren. Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert. Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.
Für die Gleichberechtigung! Weltfrauentag

Suffrage - Das Frauenwahlrecht

Vorbemerkung

Suffrage heißt übersetzt:

Wahlrecht.

Diese Recherche stellte ich aus aktuellem Anlass ein. Am 8.3.2023 ist internationaler Weltfrauentag.

Hier gehe ich nur auf einen Aspekt ein, nämlichen den entscheidenden Schritt, dass Frauen genauso wählen dürfen, wie Männer. Das war nicht immer selbstverständlich.


Dass Frauen auch in unserer Gesellschaft benachteiligt werden, ist eine Tatsache.

Ich habe allgemeine Widerlichkeiten gegen Frauen weltweit (Beschneidungen, Steinigung

u.ä.) hier heraus gelassen, weil es sonst den angesprochenen Fokus zu sehr ausweiten würde.

Aber auch diese hier erzählten Ereignisse zeigen auf, wie sehr sich die Männergesellschaft ins Abseits zu stellen wusste.

Es gibt heute in der Welt glücklicher Weise kaum noch Länder, die den Frauen das Wahlrecht verweigern.


In Buthan hat jede Familie nur eine Stimme, also das Familienoberhaupt, natürlich männlich.

Brunai kennt kein Frauenwahlrecht!


In Saudi Arabien dürfen Frauen nicht wählen.

Sie dürfen normaler Weise auch keinen Führerschein machen, weil sie die Wüste gefährden würden, äh? (wie sich da wohl Frau Merkel macht?).

Seit 2015 dürfen Frauen auf kommunaler Ebene ihre Stimme abgeben (Papierkorb?)


Im Vatikanstaat ist für Frauengeschwätz natürlich kein Platz, geschweige denn eine Wahlberechtigung!


Das Wahlrecht, der erste Schritt zur Gleichberechtigung, musste aber schwer erkämpft werden.

In Deutschland werden Frauen im Job noch immer nicht gleichwertig bezahlt und belegen überproportional Teilzeitarbeit und schlecht

bezahlte Tätigkeiten.

(gut bebildert und aus aktuellem Anlass neu eingestellt 07.03.2023)



Copyright: G.v.Tetzeli

Cover: G.v.Tetzeli



Suffrage

Am 4.Juni 1913 war sämtliche Hautevolee versammelt. Es begann das hochdotierte Pferderennen in Surrey, England. Das Traditionelle Derby in Epsom. Epsom ist heute ein Vorort von London. Es findet immer noch am ersten Mittwoch im Juni statt.

Jawohl, selbst der König war damals dabei (Georg V.). Ein Auflauf, wie bei einem Formel eins Rennen heutzutage.

Sehen und gesehen werden dürfte ähnlich gewesen sein, wie noch heute das Ereignis in Ascot, ebenfalls ein Pferderennen, bei dem sich die Queen sehen lässt.


Kurz und gut, auch der König hatte ein tolles

Pferd gemeldet. Es ging los. Eine Strecke von ca. 2423 Metern waren zu absolvieren, also vier Runden.


(Jean Luis Theodore Gericault (1821), Epsom)

Die Führenden bogen gerade zum letzten Mal in die sogenannte Tattham-Kurve ein, als sich eine Frau unter die Absperrung hindurch

schlängelte.

Es war Emily Davison, 41 Jahre alt. Mit ihrem Schirm in der Hand stellte sie sich den Pferden entgegen. Sie blieb einfach mitten im Geläuf stehen. Der heranstürmende Gaul hatte keine Chance auszuweichen. Es war ausgerechnet das Pferd des Königs. Der Hengst hieß Ammer.

Das Pferd war in vollem Lauf in sie hinein gerannt. Ein spitzer Aufschrei: „Suffrage“, dann brach ihr Schädel.

Im Torf blieb der gestürzte Jockey liegen. Das königliche Pferd Ammer hatte sich überschlagen. Was für ein Pech!

Georg V. hatte mit seinem Pferd gute Aussicht auf einen der Plätze gehabt.

(Zufällige Momentaufnahme "The Guardian". Links: Emily Davison; der gestürzte Jockey Herbert Jones und Ammer)


So erkundigte sich der König am Tag darauf, wie es dem Pferd denn ginge.

Gottlob wohlauf!

Höflicher Weise wurde sich auch noch kurz

nach dem Befinden des Jockeys erkundigt, der diesen betrüblichen Zwischenfall mit nur leichten Blessuren überstanden hatte.

Was natürlich keinen der noblen Herren interessierte, war das Schicksal von Emily Davison. Ihr Aufschrei „Wahlrecht“ selbstverständlich auch nicht. Am 8.Juni 1913, also erst vier Tage später, verstarb sie an ihren schweren, inneren Verletzungen und an ihrem Schädelbruch.


Tausende begleiteten ihren Sarg bis zur Bahnstation. Von dort wurde sie in die Heimatstadt ihrer Familie gebracht, nämlich nach Morpeth in Northumberland.


100 Jahre später wird ihr als Märtyrerin gedacht. Beim Epsom Derby wurde an der Tattham-Corner eine Tafel zu Ihrem Gedenken aufgestellt. Auch ihr Grabstein ziert eine Aufschrift: Deeds, not words (Taten, nicht Worte). Einige zweifeln daran, dass sie Selbstmord begehen wollte.

Sie hätte vielleicht nur eine Fahne anheften wollen. Sie hätte außerdem eine Rückfahrkarte besessen.

Dass sie ihr Leben riskierte, muss ihr aber bewusst gewesen sein.

(Jockey Herbert Jones)

Auch wird erörtert, warum Ammer nicht nach seinem Instinkt wenigstens versucht hätte

auszuweichen. Hatte der Jockey vielleicht absichtlich darauf zugehalten?


Wie dem auch sei, Emily Davison war eine Kämpferin für das Frauenwahlrecht gewesen und nicht zimperlich in ihren Mitteln. Worum ging es eigentlich?

In England galt die Frau nichts. Ja, man konnte die holde Weiblichkeit heiraten, wenn sie zum Beispiel viel Geld in die Ehe brachte.

Nur Männer waren erbberechtigt und nur der Besitz Grund und Boden sorgte für die Möglichkeit der politischen Betätigung. Und über jegliche Geldmittel bestimmte der Herr im Haus. Männersache eben.

Und so gab es Frauen, die auch für Ihre öffentlichen Rechte kämpften. Das war circa

zwischen 1903 und 1928. Da sie vor allem für ihre Wahlrechte eintraten, nannte man sie schlicht aus dem Wort suffrage (Wahlrecht) heraus - Suffragetten. Je mehr das Etablisment sie ignorierte, sie als Spinner-Chicksen verachtete, desto mehr radikalisierten sie sich. Sie schlugen Schaufenster ein und machten mit ungewöhnlichen Aktionen auf sich aufmerksam. Unter der Führung von Emmeline Pankhurst hatten sie sich unter der WSPU formiert (Women's Social and Political Union), die sich längst nicht mehr nur damit zufrieden gaben mit ein paar Plakaten zu winken. Zudem mobilisierte Pankhurst bis zu einer halben Million Frauen für Demonstrationen. Jetzt waren es nicht mehr

nur irre Weiber. Die Behörden griffen ein, weil man sie inzwischen als Bedrohung wahr nahm.

(Emily Davison, Sie wurde mehrfach verhaftet und auch Zwangsernährt).


Am sogenannten „black Friday“ (18.11.1910) knüppelten Polizisten die Frauen zusammen.

Es gab sogar Schwerverletzte. Außerdem wurden die Aufrührerinnen immer öfters eingesperrt.


(Emily Wilding Davison, 1872 in Blackheath, London geboren, war seit 1906 Anhängerin der WSPU). Acht mal landete sie im Gefängnis. Und dort

trat sie in den Hungerstreik, wie auch schon die Pankhurst und viele andere Gesinnungsgenossinen. Sie wurden durch einen Nasenschlauch zwangsernährt. Bilder über diese Tortur tauchten auf. Das gefiel wiederum der Bevölkerung nicht mehr.

(Zwangsernährung)

Die Leute waren schockiert.

Jedenfalls hatte Davison Einiges hinter sich.


Sie war hochbegabt gewesen und schloss ihr Studium in Biologie, Chemie und Literatur in Oxford mit Auszeichnung ab. Theoretisch, denn der akademische Grad war Frauen verwehrt. Ab 1909 fiel sie richtig auf.

Im März wollte sie Premierminister Asquith eine Petition zum Frauenwahlrecht überreichen. Daher folgte ein Monat Gefängnis wegen öffentlicher Ruhestörung. Zwei Monate bekam sie, weil sie die Kutsche von Kanzler David Lloyd George mit Steinen bewarf. Bei der Volkszählung gelangt ihr ein Clou. Sie versteckte sich in einem Schrank im Palace of Westminster. Dann gabt sie

wahrheitsgemäß an, dass ihr Wohnort das „House of Commons“ sei. Dort hatte sie sich ja zum Zeitpunkt der Volkszählung aufgehalten.

Sie hatte Scheiben eingeschlagen und Briefkästen angezündet. Wieder im Gefängnis, verbarrikadierte sie sich in ihrer Zelle. Niemand sollte sie Zwangsernähren. Die perfide Praxis war ursprünglich so gewesen, dass man die störrischen Suffragetten hungern ließ, bis sie zusammenbrachen. Dann ließ man sie frei. Hatten sie sich wieder erholt, wurden sie wieder eingekerkert, usw.

Dieses Gesetz gab es nicht mehr, aber erst nach Protesten aus der Bevölkerung. Also steckte ein Wächter einen Schlauch oben durch die Türklappe und ließ die Zelle mit

Wasser volllaufen. Emily konnte gerade noch gerettet werden. Erneut in Haft, stürzt sich Emily Davison von einer Gefängnis-Galerie, um gegen die unmenschlichen Haftbedingungen der Suffragetten zu protestieren. Sie überlebte, allerdings mit schweren Rückenverletzungen.

Noch vor dem tragischen Rennen hatte sie einer Freundin anvertraut, dass erst ein Menschenopfer vielleicht die Herren aus der Lethargie reißen könnte. Die Führerin der WSPU, die Emmeline Pankhurst schmetterte eine Rede im November 1913, also 4 Monate nach dem Tod von Emily: “Freiheit oder Tod“.

Darin meinte sie, dass es nicht mehr um das

Wahlrecht ginge, sondern um einen Bürgerkrieg der Frauen.

Am 19. Februar 1913 explodierte ein Sprengsatz am neugebauten Haus des Schatzkanzlers und späteren Premierministers David Lloyd George.


Der erste Weltkrieg kam dazwischen und die Pankhurst reagierte nicht so, wie gedacht. Sie organisierte sogar die WSPU zur Unterstützung der Kriegsproduktion durch die Frauen. Endlich im Jahr 1918 erreichten die Frauen in England das eingeschränkte Wahlrecht (ab 30 Jahren und mit Grundbesitzrecht).

Erst 1928 wurde das allgemeine Wahlrecht in England eingeführt.

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welpenweste
Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten.
Hoffentlich glückt es.
Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren.
Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert.

Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.

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baesta Nun wird es bei uns aber langsam auch übertrieben, wenn ich unsere "Schönheiten" im Parlament so reden höre, nur damit die Frauenquote erfüllt wird. Das ist schon wieder das andere Extrem. Es geht nicht mehr nach Fähigkeiten, sondern nur noch danach, welchem Geschlecht man angehört.
Bald werden wir nur noch von Quoten regiert ???? (Ironie aus).
LG Bärbel
Vergangenes Jahr - Antworten
welpenweste Einerseits hast Du Recht, andererseits ist doch die Frage wie sich außer Begabung Fähigkeiten entwickeln können. Ist es nicht so, dass bei der sich bietenden Möglichkeiten zur Entwicklung Frauen vor größeren Schwierigkeiten stehen als Männer? Werden ihnen auf dem Weg zum Erfolg nicht einige Bretter mehr vor die Füße geworfen?
Die sogenannte Frauenquote halte ich, so wie Du, für nicht weiterführend, um nicht zu sagen als Quatsch. Vielmehr müsste sich bei Förderung und Entwicklung endlich Gleichberechtigung einstellen.
Danke für's Lesen. Gruß Günter
Vergangenes Jahr - Antworten
Bleistift 
"Suffrage - Das Frauenwahlrecht..."
Starke Historie, auch gern noch einmal gelesen...
Beste Grüße zu Dir, Günter... ...smile*
Louis :-)
Vergangenes Jahr - Antworten
welpenweste Hallo lieber Wiederholungstäter, freut mich sehr, Herzlich Günter
Vergangenes Jahr - Antworten
sugarlady Ehrlich gesagt, man merkt nicht einmal, dass es einen Frauentag gibt. Auch nicht in Geschäften oder sonstwo. Es muss sich einiges ändern, damit man als Frau mehr geachtet wird.
Gut informiert gefühlt, habe ich mich bei deinem Buch.
Andrea
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
Hallo Günter,
wieder einmal ein bereits allseits bekanntes Thema versiert auf das Wesentliche komprimiert, um gezielt zur Kernaussage (hier das Frauenwahlrecht) hinzuführen. Zuerst wunderte ich mich, warum Du dieses heute so selbstverständliche Rechtsgut aufgewärmt hast, bis ich zufällig darauf stieß, dass wir auf den Weltfrauentag hinsteuern. Da erinnert man/frau sich zu Recht gerne an diesen langen und aufopfernden Kampf der Suffragetten, sich diese Selbstverständlichkeit zu erobern.

Liebe Grüße und gute Nacht,
Friedemann

PS: Manchmal schießt man/frau allerdings über das Ziel hinaus: Vor einigen Jahren gab es eine Wahl zur wichtigsten Erfindung der Deutschen in den letzten 1000 Jahren (oder so ähnlich), die zu Recht Gutenberg mit seinem Buchdruck gewann. Zuvor jedoch schlugen einige Ministerinnen und in deren Schlepptau noch viele andere prominente Frauen das Frauenwahlrecht als wichtigste Erfindung vor; worauf sich unwillkürlich meine Haare sträubten, da ich beruflich viel mit Erfindungen und Patenten zu tun hatte. Demnach erfüllte nämlich das Frauenwahlrecht keine einzige der 3 Voraussetzungen für eine Erfindung (Neuheit, erfinderische Tätigkeit und gewerbliche Anwendbarkeit). Patentfähig wäre allenfalls das allgemeine Wahlrecht gewesen, die Einengung auf das Frauenwahlrecht ist dann lediglich eine Zutat ohne jegliches erfinderisches Zutun. Wenn gewählt wird, sollte man/frau halt wissen, um was es geht (würde ein Haarspalter sagen).
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Zweifelsohne schießen die Damen oft über das Ziel hinaus. Und Emanzen ist es vor allem wichtig in der zwischenmenschlichen Beziehung den Ton angeben zu wollen, während bei dem Thema gleicher Lohn sich relativ wenig bewegt.
Günter
Vor langer Zeit - Antworten
CHM3663 Herzlichen Dank dafür, dass Du diesen mutigen, tollen Vorkämpferinnen für unsere Rechte ein so eindrucksvolles, geschichtlich fundiertes und wunderbar unterhaltsam zu lesendes Denkmal gesetzt hast!
Ich wünschte nur, das, wofür sie gekämpft haben, würde endlich überall auf der Welt umgesetzt! Imagine...
Dankeschön und liebe Grüße,
Chrissie
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift 
"Suffrage - Das Frauenwahlrecht...
Das hast Du super recherchiert und in der Tat
auch wahrlich prima niedergeschrieben...
Ein Teil in dem Fernseh-Mehrteiler : "Downton Abbey..."
beschäftigt sich genau mit dem Thema jener Sofragetten,
die in merry old England um das Frauenwahlrecht kämpften...
...gerne gelesen... :-)
LG
Louis :-)
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Old, steif, crazy. Die Engländer!
Das Rennen findet, wie gesagt noch heute statt.
51 Jahre später ist ein Premierminister eine Frau:
Margaret Thatcher, die "eiserne Lady"
Vor langer Zeit - Antworten
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