Kurzgeschichte
Laudatio für Jemand - Autoren-Challenge 15

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"Laudatio für Jemand - Autoren-Challenge 15"
Veröffentlicht am 24. Dezember 2016, 20 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Andrea Minutillo
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich - eindeutig rot - freiheitsliebend - in mir drin schon mal unsicher, beinahe verklemmt - nach außen der Fels in der Brandung - die Person, auf die man sich verlassen kann - auch mal anlehnen, kein Problem - ein dunkles samtiges Rot also - richtig viel Farbe - dicke Haufen davon auf der Leinwand - Struktur - Kunstschule Zürich - zahlreiche Ausstellungen in der Region - flippig - flapsig - bunt in mir drin - auch mal ...
Laudatio für Jemand - Autoren-Challenge 15

Laudatio für Jemand - Autoren-Challenge 15

Laudatio für Jemand

Vorab … Um alle Missverständnisse auszuräumen: Diese Geschichte hat keinen autobiografischen Hintergrund. Soll heißen: Alles kreative Freiheit Erdacht Geschaffen aus Phantasie Oder schlicht gesagt: Alles erstunken und erlogen.


Eine Laudatio für Jemand ...

„Ich, als Galeristin möchte Sie, wertes Publikum, hier und heute, herzlich begrüßen. Weil es mir angemessen erschien, habe ich niemand geringeren eingeladen, als Herrn Dr. Dr. Lubawitz, um die Laudatio für unseren Künstler zu halten. Wer könnte das besser, als dieser Meister der Worte, dieser Experte auf den Pfaden der Kunst. Deswegen reiche ich auch ohne große Umschweife das Wort an ihn weiter.“

Der kleine Mann, in Tracking-Weste und kariertem Holzfällerhemd, wippt sportlich auf seinen Fußspitzen. Nimmt noch schnell einen kleinen Schluck Selters, dann räuspert er sich: „Herzlich Willkommen, meine Damen und Herren, liebe Kunstverliebte, liebe kritische Betrachter und natürlich auch liebe Leute von der Presse. Mir wurde die ehrenvolle Aufgabe zuteil, unseren Herrn Jemand, der hiesigen


Kunstwelt vorzustellen. Sicher haben Sie bereits einen flüchtigen Blick auf die Arbeiten geworfen … Nun … Ich gestehe, der Zugang zu diesen Exponaten war nicht wirklich eben.

Anders ausgedrückt, der Künstler möchte erreichen, dass wir uns Zeit nehmen. Das habe ich getan. Ich habe mir die Zeit genommen. Viel Zeit. Eben so viel, wie es nötig war.


Nötig war, dahinter zu sehen.

Dahinter zu steigen, was er uns mitteilen möchte. Der Herr Jemand. Herr Jemand. Synonym für eine beliebige Person. Jeder von uns könnte das sein. Nur seine Vertrautesten werden ihn unter uns erkennen.“ Gemurmel. Alle blicken sich um. Suchen Herr Jemand. Doch keiner weiß wirklich, wer Herr Jemand ist, wie Herr Jemand aussieht.

„Ich hatte ein anregendes Gespräch mit unserem Herrn Jemand. Ein wirklich charismatischer, sympathischer, wenn auch zurückhaltender Herr Jemand. Ich weiß gar nicht mehr, ob nur ich geredet hatte …“, Herr Dr. Dr. Lubowitz streicht sich seinen Schnauzer lang. Verhaltenes Gelächter im Publikum.



„Kann schon sein … trägt aber hier und jetzt nicht ernsthaft zu einer guten Laudatio bei. Er hat mich gebeten, nicht allzu sehr auf seine Person einzugehen, ihm liegt seine Kunst am Herzen. Schwerpunkt der Laudatio soll also die Kunstbetrachtung sein. Er möchte weniger gern betrachtet werden. Ihm ist wichtig, dass seine Kunst einen angemessenen Bekanntheitsgrad erreicht. Sein selbstgestecktes Ziel ist, dass jeder Gast heute mit einem Exponat diese Galerie


verlässt. Sei es auch nur ein Katalog oder eine Postkarte. Der Erlös – das werden Sie alle bereits gelesen haben – geht in die Förderung junger Künstler, die uns dann wiederum mit ähnlich ansprechenden Arbeiten das Leben bereichern werden. Stellt sich die Frage: Wollen wir das?“ Spitze Lacher aus den Reihen. „Wollen Sie das?

Ich deutete es ja bereits an: Ich habe mich intensivst mit dieser Ausstellung beschäftigt. Und ja, ich will das. Ich kann natürlich nur für mich sprechen, aber ich halte das für eine wirklich außerordentlich gute Sache. Nehmen wir sie auseinander – die Kunst. Die Kunst, gesehen zu werden. Überlegen Sie einmal: Würde ihr Blick gefangen werden? Gefangen von dieser Kunst? Wurde Ihr Blick gefangen von dem Plakat, welches auf diese Vernissage aufmerksam


machte? Ich erzähle Ihnen von meiner ersten Reaktion: Es hat mich zurückgerissen! So, als hätte es mich am Nacken gepackt, am Schlafittchen sozusagen! Ich hatte einen Schritt zurück gemacht und es angestarrt. Dieses Plakat. Bestimmt habe ich sogar den Kopf geschüttelt. Ich dachte mir: Kann das wirklich wahr sein? Das KANN doch nicht sein!

Aber! Ich habe es gesehen! Und es hat mich gefangen! Und auch nicht mehr losgelassen. Ich dachte nur, was denkt sich ein Künstler, wenn er so etwas erschafft? Ich habe ihn gefragt: Und er war genauso ratlos, wie ich. Er sagte zu mir, er verstehe so vieles nicht. Er verstehe nicht, warum alle Menschen wie Zwanzigjährige aussehen müssen. Er verstehe nicht, warum wir Nahrung vernichten, während andere nichts zu beißen


haben. Er verstehe nicht, warum wir uns so viele unnütze Dinge von Kindersklaven anfertigen lassen. Er verstehe nicht, warum wir so viel kaufen, obwohl wir doch alles haben. Und wenn wir dann kaufen wollen, nichtmal einen anständigen Preis dafür bezahlen möchten. Er verstehe einfach diese betrügerische Welt nicht. In der Gifte verarbeitet werden, um

Produkte günstiger auf den Markt werfen zu können. Denn! Wenn die Verbraucher erstmal vergiftet sind, werden sie vielleicht nicht mehr einkaufen können … Er verstehe nicht, wie man Tiere quälen kann, um sie danach angemessen auszunutzen. Er verstehe nicht, warum Männer ihre Frauen schlagen. Warum sie Kinder zeugen, um diese auch noch zu schlagen. Er verstehe nicht, warum Betten für Hilfesuchende angezündet werden.

Er verstehe nicht, was grölende Mengen aufstehen lässt. Ist es wirklich nur die Angst, etwas weggenommen zu bekommen, was man sowieso schon auf den Tellerrand geschoben hat? Er verstehe nicht, warum x-beliebige Menschen umgebracht werden. Einfach so … Er verstehe diesen unbändigen Hass nicht. Er verstehe nicht, wie so viel Leid und Elend auf dieser sehr reichen Welt möglich ist. Er verstehe einfach die Menschen und ihre


Meinungen nicht. Ich sagte zu ihm, ich hatte nach seinen Bildern zu dieser Ausstellung gefragt. Und er zuckte nur mit den Schultern und meinte, er hätte doch alles gesagt. Und nun entlasse ich Sie und fordere Sie auf, mit offenen Herzen nicht nur durch diese Ausstellung zu gehen. Nehmen Sie den kritischen Blick mit nach draußen. Ziel des Künstlers ist es, unsere Augen zu weiten und


unsere Herzen erblühen zu lassen. Selten stand so ein reiner Mensch vor mir, wie unser Herr Jemand. Mit diesen Worten verabschiede ich mich. Vielen Dank für Ihr aufmerksames Zuhören und erkläre diese Ausstellung für eröffnet. Ich wünsche Ihnen viel Freude an diesem Gesamtwerk.“







Herr Dr. Dr. Lubowitz verneigt sich vor der Kunst und den Gästen und zwinkert in die Menge. Niemand weiß so genau, ob es Herr Jemand ist, dem sein kesser Gruß gilt.

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Hörbuch

Über den Autor

Frettschen
Ich
- eindeutig rot
- freiheitsliebend
- in mir drin schon mal unsicher, beinahe verklemmt
- nach außen der Fels in der Brandung
- die Person, auf die man sich verlassen kann
- auch mal anlehnen, kein Problem
- ein dunkles samtiges Rot also
- richtig viel Farbe - dicke Haufen davon auf der Leinwand
- Struktur
- Kunstschule Zürich
- zahlreiche Ausstellungen in der Region
- flippig - flapsig - bunt in mir drin
- auch mal nachdenklich
- manchmal introvertiert
- stets auf der Suche nach Neuem
- in meinem Bereich versteht sich
- Sternzeichen Löwe
- Querdenker und Rebell
- reiße mir die guten Seiten des Alltags unter die Nägel
- manchmal erwische ich auch die weniger Guten,
doch die schüttele ich hastig ab

ich liebe:
- einsame Orte
- den Wind
- das Geklapper der Taue an den Masten
- ob an Fahnen oder Booten, ist mir egal
- die Ruhe im Wald
- der Schutz eines Baumes - wenn man sich darauf einlässt
- das Eintauchen in die Arbeit an der Staffelei
- wenn`s gelingt
- das sichere und untrügliche Gefühl,
etwas Besonderes entstehen zu lassen
- das Spielen mit unserer Sprache
- gutes Essen
- ein unerwartetes Lächeln
- Musik - alle Richtungen
- am besten schön laut
- Tanzen
- Ausdruck
- Profil
...

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abschuetze Sau-gute Idee, die Rede einen Mann vom Fach tätigen zu lassen, der den Leuten Honig ums Maul schmiert und dem seine eigenen Worte wie Öl runter gehen. Und ja, er hat sich mit der Kunst und den Künstler eingehend beschäftigt und scheint weder das eine noch das andere zu verstehen. Ich für meinen Teil verstehe den Künstler, dem unsere Welt so gar nicht gefällt. Mit seinen "hingelutschten" Bildern zieht er den richtigen Leuten, die da meinen etwas von Kunst zu verstehen, das Geld aus den Taschen. Tja wer's hat. Ist schon klug gesagt, jeder nehme sich so viel Zeit, wie er braucht, um so ein Bild zu verstehen. Ehrlich mal, wer gibt sich denn die Blöße. Natürlich versteht ein jeder, was uns der Künstler sagen will und zahlt.
Fazit: Ziel erreicht ... beide. Der Maler und du :)

LG von Antje
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Gut beobachtet, liebe Antje
und mit ein bisschen Glück macht unser Herr Jemand auch nen echten Reibach! Schließlich ist die zahlungskräftige Elite versammelt und niemand will den anderen in irgend etwas nachstehen ... eventuell ... ;)
Vor langer Zeit - Antworten
LightningDream Thema verfehlt hin oder her. Ich finde Deinen Text total klasse. Deinen Dr. Dr. Lubowitz hatte ich direkt bildlich vor mir und auf die Idee, den Maler unerkannt für das Publikum zu lassen, muss man erst mal kommen. Du hast vor allem für all das, was Herr Jemand anprangert meinen dicken Daumen, liebes Frettschen. Schade, dass ich dir nur ein Herzchen dafür geben kann.
Liebe Grüße
Martina
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Manches Mal scheint es ein Geniestreich zu sein, das Thema zu verfehlen ... ;)
Vor langer Zeit - Antworten
Shehera Wow, die Gäste waren sicher alle ergriffen nach dieser Rede....ganz ganz hervorragend. Thema gänzlich verfehlt, würde ich auch nciht sagen... ich weiß gar nicht, ob es feste Regeln gibt, wie die Rede für eine Vernissage stattzufinden hat. Gerade im Bereich Kunst ist doch so gut wie alles erlaubt. :))
Ich finde deinen Text ganz hervorragend!!

Liebe Grüße
Shehera
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Vielen Dank, liebe Shehera :D
Ich freu mich, dass dir meine Zeilen gefallen haben. Und ja, ich denke ebenfalls, dass in der Kunst die Grenzen weit gesteckt sind. Trotzdem gibt es diese ollen Benimmregeln - - - mit wichtige Leute zuerst nennen und so ...
Doch am Thema vorbei, weil mein Künstler ja ein durchweg sympatischer Geselle ist und nicht wie gefordert, der Kaktus, den es zu umarmen gilt.
Denke ich mir so ... ;)
Vor langer Zeit - Antworten
Shehera Naja gut, ich seh das jetzt nicht ganz so streng *lach* :))
Vor langer Zeit - Antworten
Kornblume Hallo Frettschen,
am Thema vorbeigerauscht würde ich nicht sagen, du hast meiner Ansicht nach versucht der Aufgabenstellung durchaus gerecht zu werden in dem du Dir als Galeristin mit Herrn Dr.Dr. Lubawitz kompetente Unterstützung von außen geholt hast. Er, als wortgewandter Sprecher, ist bei Presse ,Funk und Fernsehen über jeden Zweifel erhaben und die Kritiker vor Ort (meist nur Laien, mit wenig oder gar keiner künstlerischen Vorbildung) werden niedig gehalten. Das ist sehr geschickt eingefädelt ,denn damit hast du all Jenen, die nur wegen der schlagzeilenträchtigen Vorgeschichte zur Vernissage gekommen sind, den Wind aus den Segeln genommen. Ich bin mir ziemlich sicher es waren nicht wenige. Das Herr Dr Dr. Lubawitz den "Herrn Jemand" so nett und geheimnisvoll in den Mittelpunkt setzt, wird nachträglich für Schlagzeilen sorgen und verkauffördernd Einfluss nehmen.Die Rede, zwar sehr emotional, aber doch sehr allgemein gehalten ist zweitranging. Die meisten Besucher werden nach 5 Minuten gar nicht mehr richtig zu hören, denn sie überschlagen schon die Summe, die sie ausgeben wollen und trachten danach, möglichst viele Bilder zu ergattern, um dann bei Häppchen und bei Sekt stundenlang miteinander zu plaudern oder wenn Du Pech hast, Dich in die Mangel zu nehmen.
Glaub mir ich weiß wovon ich schreibe.
Solltest Du jemals eine Vernissage eröffnen, darfst Du auf keinen Fall vergessen, als erstes die Honorationen in der richtigen Reihenfolge zu begrüßen. Sie werden es Dir sonst schwer übelnehmen und Dich bei der Verteilung von Fördergelden jahrelang vergessen.
In diesem Sinne, "Danke das Du mitgemacht und Dich der Thematik gestellt hast", sagt die Kornblume.
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Wenn es mal so kommen sollte, dann komme ich auf jeden Fall auf dich zu und holen mir deinen Rat ein :)
Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar :))
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Hm, jetzt habe ich beim Klecks schon geschrieben: Schwierig, schwierig. Jetzt füge ich bei dir, liebes Frettschen, noch ein drittes schwierig dazu. Ich frage mich nämlich schon die ganze Zeit, warum es so vehement vermieden wird, sich dem Konflikt zu stellen und die Konfrontation auszuhalten. Du hast mit (der) Menschlichkeit versucht, dem Künstler ein neues sympathisches Gesicht zu geben. All das, was du geschrieben hast, das nehme ich DIR, dem Frettschen zu 100% ab, aber nicht dem Herrn Jemand!!
Was mir jedoch hier, so wie bei vielen anderen Büchern von dir, sehr gut gefällt, das ist Dein lebendiger und dadurch sehr kurzweiliger Schreibstil!
Liebe Grüße, Merle
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