Biografien & Erinnerungen
NATURAL BORN BIERTRINKER

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"Die einzig glaubhafte Biografie HarryAltona ´s"
Veröffentlicht am 19. Dezember 2016, 74 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

Über mich gibt es nichts interessantes. Aber jetzt auch mit schönen bunten Bildern.
Die einzig glaubhafte Biografie HarryAltona ´s

NATURAL BORN BIERTRINKER

NATURAL BORN BIERTRINKER






Den allerersten Schluck

trank ich heimlich

aus dem Glas meines Vaters bei seiner Geburtstagsfeier zum 32zigsten.

Es schäumte lustig

und schmeckte recht bitter, das meiste schoss mir gleich wieder aus meiner Nase raus.


Alle lachten.

Der allererste Schluck

war also eine eher peinliche Erfahrung

und eine ekelhaft schmeckende Widerwärtigkeit. Zum Glück sollte ich schon bald

die bis dahin verborgene Wirkung

dieses wundersamen Getränks erleben.

Dieser perlende Zaubertrank

verwandelte meinen ansonsten

sanften und langweiligen Vater

an diesem Abend, - unter Zuhilfenahme mehrerer Flaschen Original Brauereiabfüllungen in einen ausgelassenen witzigen

und schwankenden Vollidioten, der

mit Berserker - Stimme

unanständige Lieder grölte, schrecklich

laut rülpste und ein paar sehr schmutzige

Witze zum Besten gab.

- Ein richtiger Entertainer!

Dieser wunderbare Trunk

hatte offensichtlich etwas!

- etwas Starkes und Magisches

und unglaublich bizarres.

Unbemerkt genehmigte ich mir

noch einen tüchtigen Schluck,

direkt aus der Pulle. Und diesmal schluckte ich es runter, spürte

wie dieses blonde Elixier

meinen Gaumen kitzelte...

Mit jedem Schluck schmeckte

es besser und besser:

mit jedem Schluck fühlte ich mich stärker und seltsam schwerelos werden, wie ein Astronaut taumelte mein Blut durch meine zehnjährigen Zellen.

Ich rülpste, laut wie ein Esel.

Ich lachte schallend, scheinbar grundlos wie ein Schwachsinniger.

Mir wurde schwindelig, alles drehte sich in die falsche Richtung, und ich

war fasziniert, fand es einfach

herrlich. Ich war besoffen.

Und ich fand es einfach grandios.


Ich war ein Natural born Biertrinker!


Meinen ersten echten Katzenjammer

steckte ich weg

wie ein alter erfahrener Kneipenbummler. Ich blieb im Bett, verweigerte

hartnäckig jedwede Nahrungsaufnahme

und positionierte meinen pochenden Schädel in einer vorteilhaften Seitenlage und kotzte herzhaft wenn mir danach war in einen bereitgestellten Eimer.

Ich hatte es ohne Zweifel übertrieben. Nun musste ich den Preis

dafür bezahlen. - Eine Lebenswahrheit die mir nicht ganz neu war.

Ich wurde älter.


Das Ende meiner Schulzeit

näherte sich. Ein Umstand, den ich

mehr als herbeisehnte.

Unter meinen Mitschülern

galt ich als arroganter Sonderling,

ein verachtenswerter Freak, der sich

nie an irgendwelchen Gesprächen

oder gemeinschaftlichen Aktivitäten beteiligte. - Der typische Außenseiter!

Dabei war ich nur extrem schüchtern!

Ein zutiefst ängstlicher Bursche

mit Pickeln auf der Stirn, der eingezwängt in einem verschwitzten Nyltest - Hemd, tausend Tode starb wenn man ihm zu nahe kam.


Zum Glück hatte ich eine wirksame Waffe.

Gelegentlich zottelte ich in der großen Pause an einen Kiosk, kippte zwei Halbe

von dem köstlichen Gerstensaft und

vertraute darauf, dass das meine unsägliche Angst etwas abfederte. - Was es auch tat.

Allerdings machte diese kleine Dröhnung

mich nicht sonderlich gesprächiger

oder umgänglicher, geschweige denn immun gegen die kleinen Gemeinheiten

meiner so genannten Klassenkameraden.

Es sorgte nur dafür das diese kleinen wutverzerrten Gesichter, diese

aggressiven Gesten und

die mehr als abfälligen Sprüche

über meine schiere Existenz

etwas erträglicher wurden.


Die formidablen Produkte deutscher Braukunst

hatten also keinen geringen Anteil daran,

dass ich zum Schluss ein eher durchschnittliches Zeugnis bekam. Ich sagte nur: Leckt mich!

- Und betrank mich gründlich.


Dann begann der Ernst des Lebens,

wie es mein Vater zu nennen pflegte.

Ich heuerte in einer schmutzigen

und stinkenden Werkstatt an, um

den ehrbaren, dennoch schlecht bezahlten, Beruf des Schlossers zu erlernen.


Für eine akademische Karriere,

wie von meinen Eltern erträumt

und für mich vorgesehen, war

ich denkbar ungeeignet.

Mir fehlte es deutlich an Grips,

ich war faul

und besaß keinerlei Ehrgeiz.

Also stand ich jeden verdammten Morgen

um sieben Uhr meinem Meister gegenüber,

einem bescheuerten kleinen Mistkerl

mit roter Riesennase,

der mich mit leidenschaftlicher Inbrunst anschnauzte und zu nichtsnutzigen

Strafarbeiten verurteilte. Dieser Vertreter urdeutscher Tugenden

war nur in angemessen alkoholisiertem Zustand

zu ertragen. - Ertragen musste ich zusätzlich

die kleinen gemeinen Streiche, die mir

die Gesellen dauernd spielten.

Das festschrauben meiner klobigen Sicherheitsstiefel auf der Werkbank, war nur ein

mäßiges Beispiel ihres Einfallsreichtums.

Mit der Sekretärin des Hauses, einer drallen Blondine um die dreißig, freundete ich mich

ein wenig an. Sie hatte so eine

ungezwungene, lockere Herzlichkeit, die mich meine

quälende Schüchternheit etwas vergessen ließ. Außerdem war sie mächtig geil.

Sie befreite mich

mit einer Flasche Kirschlikör

und einem Kasten Bier

von meiner Unschuld.

Ein Vorgang, an den ich mit Furcht

und lächerlichem Stolz zurückdenke.

Nach drei Jahren langweiligem Lernen und Sklavenarbeit für einen Hungerlohn, durchfeierten Wochenenden

und öden Tagen der Nüchternheit,

erhielt ich einen Gesellenbrief.

- Mit durchschnittlichen Noten.

Nun kamen mit fordernden Rufen die keinen Widerspruch duldeten, die Verteidiger des Vaterlandes

und verlangten das ich bei ihrem dreckigen Spiel mitmachen musste.

Sie steckten uns in lustige Klamotten

die zwei Nummern zu groß waren, dann stellten sie uns in Reih und Glied auf und nannten uns Panzergrenadiere. Obwohl wir nicht darum gebeten hatten.

Die ganze Geschichte entpuppte sich

nach kurzer Zeit als lächerliches Schmierentheater, als entwürdigendes Puppenspiel

mit denkbar ungeeigneten Darstellern.

Im Ernstfall wären wir alle

schneller tot gewesen,

als ich eine Flasche Bier austrinken konnte.


Dieser grässlich verlogene Zirkus

ging mir gewaltig auf die Nerven.

Das ewig sinnlose Geschrei, das

unterwürfige Gezappel vor stupid grinsenden Vorgesetzten. Dieser verordnete Patriotismus, gepaart mit menschlicher Doofheit

trieb mich geradewegs noch tiefer

in die betäubenden Arme

des hochprozentigen Vergessens.

Ich fing so richtig das Saufen an!

Wodka musste es sein, Weinbrand, Whiskey, Doppelkorn und Gin kippte ich wahllos

an den Wochenenden in mich rein. Doch

nichts schien meinen wütenden Durst

zu stillen.

Der Schnaps machte mich nur aggressiv

und ich bezog mehr Prügel als John Wayne in all seinen bescheuerten Filmen.

Der scharfe Schnaps zerfeilte mir die Sinne.

Meist erwachte ich nach einem lockeren Besäufnis

an mir völlig unbekannten Orten.

- Unglücklicherweise nackt, meine

voll gepissten Klamotten geschmackvoll

arrangiert auf fremden Hecken und Gartenzäunen eines unschuldigen Vorgartens.


Der Schnaps schoss mir in die Eier.

Beizeiten erwachte ich auf den schmuddeligen

Laken einer 52 - jährigen Weinsäuferin, die mit ihren fleckigen dürren Armen auf mich einschlug

weil ich keinen mehr Hoch kriegte.

Der Schnaps sprengte haufenweise Gehirnzellen.

Ich hielt wildfremden Leuten wüste Vorträge

über üble Verschwörungen der Regierung

die versuchte uns mit Hilfe radioaktiv verseuchter Leberwurst und gepanschtem Apfelkorn in willenlose Zombies zu verwandeln.

Der Schnaps katapultierte mich ins Delirium.

Ich hörte böse Stimmen in der Nacht

die unverfroren meinen Namen brüllten,

ich sah schrecklich verstörende Kreaturen

hinter Bäumen hervor springen um mich

zu fressen. Ich fühlte das GRAUEN unter meinem Bett.


SCHLUSS!

Ich zog die Notbremse. Ich hatte etwas gesehen und erlebt das nicht gerade

erbaulich war

für einen 19 - jährigen Burschen der glaubte

das Leben hätte noch ein As im Ärmel für ihn. Ich hatte endgültig genug vom Schnaps.


Es hatte mir sowieso nie richtig geschmeckt. Ich bin ein Natural born Biertrinker.

Nach fünfzehn Monaten in der Gewalt

von Blöden und unfähigen Uniformierten

war ich endlich wieder frei.

Allerdings bestand diese Freiheit darin

so zu leben wie all die anderen Hirnlosen.

Man machte einen Job, der einen

nicht wirklich befriedigte,

man hielt die Schnauze, konsumierte,

und passte sich an.

Man musste Steuern zahlen. Steuern,

mit denen uns clevere Polit - Banditen halbherzig zu versichern versuchten,

das alles in Ordnung wäre, dass sie

alles im Griff hätten.

Doch nichts war in Ordnung!

Die Arbeitslosen standen Schlange

für einen miesen unterbezahlten Job,

jedes Jahr gesellten sich eine halbe Million Neue zu ihnen. Nur um sich gegenseitig heftig zu bekriegen

auf der Suche nach dem schlechtesten

Job der Welt.

Obdachlose verrotteten unter zugigen Brücken, während abgewichste Aktionäre jeden steigenden Kurs an der Börse mit Champagner und minderjährigen Nutten feierten.

Nicht mit mir!

Mit diesem für die Bonzen

so vortrefflich eingerichteten Land war ich für ´s Erste fertig.

Von meinem Entlassungsgeld kaufte ich mir ein Ticket nach London. Da war so eine Sache am Laufen die sich Punk - Rock nannte. ANARCHIE! REVOLUTION! NO FUTURE!

Archaische Typen mit bunt gefärbten Haaren und einem intakten sozialen Gewissen, Typen die dem allmächtig scheinendem Establishment furchtlos den Mittelfinger zeigten. Typen

die der Hoffnung auf eine bessere Welt

ins Gesicht spuckten: Typen

in Nietenbeschlagenen Lederjacken

die offensichtlich den Durchblick hatten und der Soundtrack dazu

kickte einem direkt da hin

wo es richtig war.

Da musste ich dabei sein. Ich schiffte mich ein.

In London fand ich in einem besetzten Haus in Brixton eine durchgelegene

Matratze zum Pennen, eine junge Ausreißerin aus Amsterdam

die dieselbe mit mir teilte

und den kurzen höllischen Kick harter Drogen.

Ich schmiss bunte Pillen ein,

ich schnupfte Kokain,

ich spritzte mir Heroin in die Venen.

Ich lief auf Meeeeeega - Hochtouren. Selbstmörderisch. Durchgeknallt durch

die lauten Nächte in den Clubs.

The Clash im Heroin - Flash; Discharge

grollten wie Koks durch meine DNA;

The Gang of Four, mit roter Fahne

und glasigen Augen...


Maggie, die kleine Amsterdamerin,

machte Ernst. Überdosis am grauen kalten Morgen.

Ich fand sie erst nach zwei Tagen, zusammengekrümmt, auf der nach Pisse stinkenden Matratze. Ich sah

das grausige Lächeln des Todes

in ihren stumpfen uralten Augen.

Ich rief nach Hilfe,

ich rief die Bullen,

und machte schlagartig Schluss mit den Drogen...

Schluss mit England!

Was nicht ganz so einfach war.

Nach einem Jahr mit diversen Verhaftungen wegen Ruhestörung, Ladendiebstahl, Landfriedensbruch

und illegalem Drogenbesitz, nach

den für immer Verwundeten und Toten

verließ ich endgültig England.

Mit frischen Narben

die mir für immer blieben

und einem Kopf voller unbestimmter Sehnsucht trampte ich Richtung Frankreich.

In Paris stand ich staunend

unter dem Eiffelturm, trank

französisches Dosenbier,

das wie bleihaltige Brause schmeckte

und mir furchtbare Blähungen einbrachte.

Der Eiffelturm gefiel mir.

Ansonsten erschien mir Paris

wie eine piekfeine Ruine

- geschminkt und frisiert... Aufgehübscht

für romantisch veranlagte Ruheständler

die diesem gelackten Leichenschauhaus

auf den Leim gegangen waren. Paris

lockte wie eine alte geschmückte Hure

die gutgläubigen Gutverdiener aus aller Welt. Ein Mekka für Mega - Reiche.

Es fiel mir hier sauschwer, zwischen all diesem Zuckerbäcker - Hokuspokus mich angemessen zu betrinken.

In der Zwischenzeit klaute ich Essen

und Kleidung und einen Schlafsack

für die kalten Nächte.

Und ich klaute Bücher.

Ich las Célines "Reise ans Ende der Nacht" eingetütet in meinem neuen Schlafsack unter einer zugigen Brücke.

Ich las die Sachen von Villon... Rimbaud... Ich las die Klassiker.

Lesen hatte mir schon immer

große Freude bereitet, hatte mich

vor dem alltäglichen Wahnsinn bewahrt.

Lesen war einfach guuuuut!

Beim Klauen war ich ungeschickt

wie ein verzagter Heiliger.

Ich wurde wieder mal erwischt.

Die Besitzerin einer winzigen Buchhandlung

im Marais beobachtete mich

als ich ein abgegriffenes Exemplar von Artaud

unter mein löchriges Hemd schob.


Sie hielt mich an und fest. Sie schimpfte fürchterlich. Sie verfluchte meinen kleinen diebischen Arsch.

Sie verfluchte den bescheuerten Artaud.

Sie schrie. Sie lief ganz rot an.

Ich entschuldigte mich. Ich versuchte

sie zu beruhigen. Ich erklärte ihr

in meinem holprigen Französisch

mein erbärmlich leeres Leben. Ich gab ihr zu verstehen, dass ich harmlos war...

ein bisschen doof vielleicht,

und nicht wirklich kriminell.

Sie beruhigte sich langsam.

Ihre Birne war ganz rot und

ihre Brille ganz beschlagen, beim Versuch sie zu putzen

fiel sie ihr aus den Händen.

Ich hob sie auf, lächelte

mein unschuldigstes Lächeln und reichte ihr die Brille.

Die Gläser waren heil. Die Frau lächelte zurück.

Ihr Name war Yvonne und sie lud mich ein auf ein paar Tage

bei ihr zu wohnen.

Yvonne war nicht mehr die jüngste,

ihr schwarzes Haar wurde ansehnlich

grau und niedliche Fältchen gruben sich

in ihre Haut. Besonders um die Augen.

Sie schnaufte beim Treppensteigen. hoch zu ihrer Bude,

direkt überm Buchladen.

Ich schmiss währenddessen

den kleinen Haushalt.

Und trotz ihres Alters

steckte sie noch voller Träume, Sehnsüchte, Begehrlichkeiten

und putziger sexueller Gelüste...

Die ich mehr oder weniger

zu befriedigen versuchte. Ich

besorgte es ihr von vorn, aber

noch lieber hatte sie es von hinten,

drinnen und draußen, und einmal

Nachts in der Metro. Ich fuhr voll drauf ab. Sie glaubte nun etwas gefunden zu haben nachdem sie unendlich lange gesucht hatte.

Das war aber noch nicht alles!

Spanien war ihr großer Traum!

Ihr magischer Ort, wo sich alles

Sehnen und Begehren erfüllen würde.

Sie war noch nie dort gewesen.

Ich hatte nichts gegen Spanien

- auch nichts dafür.

Also beschloss sie

das wir im nächsten Sommer hin fahren würden. In ihrem sonnengelben Renault R4.

Es wird dir gefallen, sagte sie, diese

unsagbar herrliche Landschaft, das Klima, der Sonnenschein, und diese unsagbar

herrlichen Menschen, du wirst es lieben, Chérrie!

Herrlich staubig waren die Straßen und die Sonne brannte herrlich heiß vom ewig blauen Himmel.

Herrliche Menschen sahen wir keine. Und das Bier in Spanien schmeckte herrlich schal. Wir fuhren Richtung Barcelona.

Nach einer Woche sonniger Liebe

und sexgeladener Nächte

an einsamen Stränden; nach kleinen

belanglosen Streitereien

und einer versehentlichen Ohrfeige

beschloss Yvonne das es wohl besser sei mit einem 17 - jährigen dürren spanischen Tankwart ihre Reise fortzusetzen.

Ich hatte mir dergleichen schon gedacht, als sie diesen öligen Typen

der unser Auto volltankte, anschmachtete. Sein Name lautete Miguel, und obendrein vermietete er uns noch ein schimmeliges Zimmer für die Nacht.

Um eine lehrreiche Erfahrung reicher

und einem zuverlässigen Transportmittel ärmer entschied ich mich für das naheliegende:

Ich blieb einfach da.

Ich sah mich um, checkte die Lage und wog Optionen ab.

Der Zufall half,

ich fand umgehend einen Job.

Georg, genannt Schorsch, ein alkoholkranker Österreicher

der eine kleine Marina

Plus Werkstatt sein Eigen nannte

stellt mich als Mechaniker ein.

Zusätzlich nötigte er mich zur Anmietung einer runtergekommenen

Finca die natürlich ihm gehörte.

Ich handelte ihn bei der Miete

runter, und zog ein.

Die Arbeit war leicht. Das schwierigste

an der Sache war, die Kunden zu belügen. Diese Leute schleppten andauernd allerhand wundersame Gerätschaften an, absonderliche

Maschinen und obskure Vorrichtungen

die nicht nach ihren Vorstellungen funktionierten.


Diesen Kerlen machte man tüchtig was vor. Man seifte sie ein; man machte ihnen ordentlich was vor und ließ sie geschickt im Unklaren

über den Schaden; man flüsterte etwas von Lieferschwierigkeiten spezieller Ersatzteile, extravaganter Schmierstoffe und Werkzeugen.

Man machte leise Hoffnung auf die restlose Wiederherstellung ihres Gerümpels

in den nächsten arbeitsreichen Wochen.

Es war ganz einfach.

Diese Leutchen waren geduldig.

Die ewige Sonne und die allgegenwärtige Armut hatten jeden Funken Tatendrang

aus ihnen raus gebrannt.

Niemand beschwerte sich jemals

wenn ich tagelang unter einem schattigen

Olivenbaum döste, die Werke von Henry Miller las

und lauwarmes Importbier trank.

Das Leben war irgendwie gut und einfach, an Yvonne dachte ich nur selten.

Es hätte ewig so weitergehen können.

Natürlich tat es das nicht.

Eines Nachts verstarb der Österreicher

an den Folgen einer skurrilen Kneipenschlägerei bei der es um ausstehende Schulden, eine Frau sowie blödsinnigen Stolz ging. Schorsch hinterließ insgesamt eine schmutzige

Werkstatt, eine baufällige Finca, einen Haufen Schulden, drei angeschmuddelte Unterhosen, einen mäßig trauernden Angestellten und letztlich

eine weinende Ehefrau, deren Tränen

schneller trockneten als der Schweiß

auf ihrer Stirn, der sich gebildet hatte

als sie umgehend alles verramschte

was mal ihrem geliebten Schorsch gehört hatte und nach Amerika verduftet.

Ich war mal wieder angeschmiert.


Arbeitslos, wenig erstaunt und gehörig frustriert fragte ich mich was denn nun werden sollte

mit dem Rest meines Lebens? Ich hatte

Heimweh. Und ich vermisste das deutsche Bier. Ich wollte nach Hause!

Ich packte meine Siebensachen

in einen alten Seesack.

Es war erstaunlich wenig.

Ich kratzte mein ergaunertes Geld

aus dem Versteck hinter einer kaputten Fliese. Ich sagte Adios zu allen die ich kannte und kaufte mir ein Ticket für die Bahn.

Und schon plagte mich eine vage Angst

vor der Heimkehr.

Was würde ich vorfinden? Wer

würde sich an mich erinnern?

Ich besorgte mir Dosenbier

so viel ich tragen konnte, gegen

diese leise zweifelnde Stimme in mir

und die unzweifelhafte Langeweile

einer 48 - Stündigen - Bahnfahrt.

Es ging schneller als ich dachte.

Hamburg, meine Heimatstadt, wirkte auf den zweiten Blick

wie ein altes krankes Weib: Schrecklich grau, Trostlos und abgründig hässlich.

Es regnete.

Ich fuhr mit der S - Bahn in mein altes Viertel und war verblüfft wie klein und eng jetzt alles auf mich wirkte. Meine

wunderbar abenteuerliche Kinderwelt

war wohl für immer verschwunden.

Ich hörte mich um, suchte nach Leuten, deren Namen ich längst vergessen glaubte, die mir aber augenblicklich wieder einfielen. Ich fand Niemanden mehr.

Mein Vater war schon vor Jahren am Krebs gestorben; Meine Mutter lebte jetzt in einem Pflegeheim.

Ich besuchte sie.

Sie verbrachte die Tage

die ihr noch blieben

mit dem Fernsehen, Schlafen

und kleinen gemeinen Streitereien

mit anderen alten Schachteln,

bei denen sie kräftig

auf die Böden spuckte.

- Sie schien recht zufrieden .

Das Essen ist gut hier, sagte sie,

heute gab es Birnen, Bohnen und Speck. Ich glaubte nicht

das sie mich wirklich erkannt hatte, versprach aber, dass ich bald wiederkommen würde

und machte das ich da weg kam.

Ich nahm die S - Bahn, fuhr ziellos durch die Gegend, überlegte

was denn nun werden sollte

mit meinem Leben

und allem anderen.


Ich landete in einem Vorort.

Schmucke Villen schmiegten sich heimelig in den hübsch - grünen Hang

der bis knapp an den Elbstrand reichte.

Die reinste Idylle. Das war nichts für mich. - Ich ging weiter.

Die Gegend wurde zusehends mieser:

Fabrikhallen, Parkplätze, baumlose Brachflächen, Stacheldraht markierte Grenzen!

Zutritt verboten!

Verwitterte Wohnhäuser gruben sich

mit letzter Kraft in den letzten bewohnbaren Grund. Backsteinrot, staubbedeckt wie alte Bettler.

Ich entdeckte ein Schild hinter einem

von Fliegenscheiße bedeckten Fenster:

Zimmer zu vermieten!

Ich klopfte an die Tür.

Ein richtiger Schrat öffnete die Pforte,

ein blasses verhutzeltes Wesen, gekrümmt wie ein Angelhaken. Uralt und abgenutzt, mit löchrigen Puschen an den Füssen, verfilzte graue Haare verbargen seine Birne und den Großteil seines faltigen Gesichts. Er roch stark nach altem Fisch und Tabak. Ich deutete mit dem Finger auf Das Schild in seinem Fenster, und er bedeutete mir

mit seiner gelben gichtigen Kralle

ihm zu folgen. Er schien kein Mann

großer Worte zu sein.

Das gefiel mir. Ich ging ihm nach.

Die Bude die er mir anbot, schwebte direkt unterm Dach. Ein Raum. Plus

einer winzigen Kombüse, in der

ein verbeulter Gasherd und ein

rostiger Kühlschrank auf einen neuen

Besitzer warteten; ein hölzernes Regal

mit einem leeren Senfglas, eine Plastikgabel und Spinnweben in den Ecken rundeten

die Einrichtung ab. dazu gab es

fließend kaltes Wasser.

In der Stube ein ausgeleiertes Sofa,

das in den vierziger Jahren sicher mal

modern war. Ein Schrank, ein Tisch, ein Stuhl aus demselben Jahrhundert, alles

lieblos drapiert auf einem Fleckenvollen Teppich. Dieses trostlose Ensemble

innenarchitektonischer Grausamkeit

wurde umspannt von der wohl schrecklichsten Blümchentapete

im gesamten Universum, die je ein bekloppter Designstudent im Drogenrausch ersonnen hatte.

Eine echte Horror - Bude!

- Mit Gemeinschaftsklo im Treppenhaus.


250 Mark im Monat, flüsterte der Schrat. Ich zählte ihm eine Monatsmiete

in die zittrige Hand und er händigte mir einen angerosteten Schlüssel aus

und brummte: Herzlich Willkommen!

Ich war eingezogen.

Ich schloss die Tür, zog

meine Kleider aus und legte mich

auf diese altersschwache Couch.

Ein überwältigend fauler und saurer Geruch kroch mir brutal in die Nase und verätzte für alle Zeiten meine Schleimhäute.


Es war dieser einmalige Geruch

unzähliger alter Männer

die wussten, das sie alles verloren hatten und das all ihre Träume

nur Illusionen blieben.

Ich schlief ein...

Und träumte wie schon so oft

von diesem bösen schwarzen Tier

das tief unter meiner Haut lebt und mich unentwegt mit Angst und Schrecken quält.

Dieses schwarze Tier fraß unermüdlich

an den faserigen Enden meiner DNA, und wühlte wütend nach verdaubaren Resten in den ausgeblichenen Zellen

im morschen Treppenhaus meiner kranken Seele. Dieses Tier meldete sich regelmäßig immer dann wenn ich glaubte es besiegt zu haben, dieses Tier machte dann seine ekligen Faxen

und lachte laut über meine nutzlosen Versuche es für immer los zu werden. Dieses unmenschliche Tier war allgegenwärtig, manchmal unkenntlich verkleidet, aber stets bereit seinem Wirtskörper einen tüchtigen Tritt

in den Arsch zu versetzen.

Dieses Tier hat einen Namen, und

dieser Name ist BEGIERDE! Und

ich ahnte, dass ich es nie besiegen würde.


Schweißgebadet wachte ich auf. Ich brauchte ein Bier... eine Waffe! Und zwar sofort!

Zitternd wie ein krankes Vöglein

durchwühlte ich meine verbliebenen Habseligkeiten fand eine letzte Dose warm gewordenem Vergessens und stürzte es runter.

Etwas beruhigt und leidlich betäubt

erwartete ich den Sonnenaufgang

der vorübergehend den hässlichen Dämon vertrieb.

Nach wenigen Tagen

in denen ich herausfand,

dass es wesentlich zeitsparender

und unbedingt hygienischer war zum pinkeln den Küchenausguss statt das stinkende Gemeinschaftsklo zu benutzen; und in denen ich meine neuen

Nachbarn kennengelernt hatte, und feststellte das sie allesamt nur großmäulige Heuchler

und windschiefe Möchtegernrevoluzzer waren die ich umgehend abgrundtief verachtete. Außerdem musste ich betrübt zur Kenntnis nehmen

das sich meine Barschaft rapidamente gegen Null entwickelte.


 Es musste etwas geschehen.

Ich musste mir einen Job suchen.

Schnell stellte sich heraus

das die Zeiten für Jobsuchende mehr als schlecht waren.

Millionen meiner Sorte waren auf der

Jagd nach wenigen offenen Stellen.

Ich tätigte ein paar Telefonate

mit mürrisch - arroganten Personalchefs die mir hämisch mitteilten

das sie für Leute wie mich

keinerlei Verwendung hätten.

Ich steckte die Sache umgehend auf

und meldete mich Arbeitslos.

Was gar nicht mal die schlechteste Idee war!

Mir gefiel es bis Mittag

im Bett zu liegen, den Tag

damit zu begrüßen, mir mit schläfriger Hand einen runterzuholen, um danach

Bier zu trinken bis zum Abend.

Allerdings brachte diese Gestaltung

meiner Tagesfreizeit schnell einen gravierenden Nachteil zum Vorschein:


LANGEWEILE!

Ein Zustand der unaufhaltsam

meine Sinne lähmte, mich regelrecht gefrieren ließ im Bewusstsein meiner allmächtigen Nutzlosigkeit.

An einem himmlisch lauen Sommerabend

den ich halb betrunken und mit einer

zerfledderten Taschenbuchausgabe

von Charles Bukowski ´s Gedichten verbrachte, kam mir die scheinbar rettende Antwort

auf alle Probleme die mein Leben so

quälte, und die einen Mann schier wahnsinnig machen konnte: Das kann ich doch auch!

Ja genau, ein Busch schreiben! Schreiben konnte schließlich jeder

- zumindest die Mehrheit der Menschen die ich kannte und die nicht mit dem

verfassen von billigen Schmonzetten

bei schmierigen Boulevard - Blättchen

ihr dreckiges Geld verdienten.

Zusätzlich hielt ich mich durchaus

für belesen, kreativ und Fantasievoll;

blickte auf ein Erlebnisreiches Leben zurück das mindestens Stoff für einen Bestseller bot.


 Also, warum sollte ich das

nicht versuchen?

Gleich am nächsten Morgen

zog ich frisch gebadet, rasiert

und stocknüchtern los, um mir

die nötigen Utensilien für eine

immens erfolgreiche Literatenkarriere

zu beschaffen.


Bei einem gierigen Pfandleiher erstand ich meine erste Schreibmaschine.

- Ein graues Ungetüm mit geradezu

neuem Farbband. In einem Kaufhaus

nahe der Innenstadt kaufte ich

frisches weißes Papier, und klaute

vorsichtshalber noch eine Flasche Tipp - Ex. Eine extra große!

Es konnte losgehen.

Gut sah das schon aus: Diese graue

kompakte Maschine aus stabil wirkendem Plastik, das jungfräuliche Papier, eine halb geleerte Dose Bier links daneben, rechts ein Aschenbecher, Tabak und Blättchen... ein rotes Einwegfeuerzeug.


Es konnte endlich losgehen.

Es ging nicht!

Stundenlang grübelte ich

über dem ersten Wort, trank Bier, pisste und rauchte und zermarterte meine taube Birne nach dem

wirklich wahren Wort.

Dem ultimativ richtig wahrem Wort!

Das war nicht so einfach. Schließlich

hatte ich einen gewissen Anspruch.

Schlechte Bücher gab es mehr als genug. Also warum noch ein weiteres produzieren?

Nein! Ich forschte weiter nach DEM Wort, nach dem absolut wunderbarsten Satz, der meine zukünftigen Leser mit sanftem, liebevollem Zwang dazu trieb immer weiter meinen

magischen Zeilen zu folgen.

Ich wollte Sätze die Mauern zum Einsturz brachten, Sätze so klar und wahrhaftig wie eine auf ewig gemeißelte Botschaft aus göttlichen Händen.

Langsam ging es voran.

Mitten in der Nacht, zwischen

Haifischträumen und Lachmöwenschlaf

hatte ich den ersten halbwegs lesbaren Satz produziert. Ich schaute ihn lange an. Ich las ihn

laut vor. Dreimal hintereinander.

Er wurde nicht besser. Er war ein Nichtssagender schwammiger Bastard ohne Tiefenschärfe;

eine altmodisch geschraubte Absonderlichkeit

- mit zu vielen Adjektiven.

Ich schmiss es weg.


Diese Sache stellte sich also als nicht

so einfach heraus, besonders wenn man

gewisse Ansprüche stellte. Was hatte ich mir nur dabei gedacht?

Acht Stunden meines nicht mehr ganz soooooo frischen Lebens hatte ich verspielt für einen unüberlegten Anfall blöder Selbstüberschätzung

und kindlichem Geltungsdrang. Das war nicht leicht wegzustecken.

Doch trotz dieser momentanen Unzufriedenheit hatte es mir doch einen Höllenspaß bereitet,

ein echtes Vergnügen, an der Erschaffung ulkiger Wörter teilzuhaben die sich aus lauter Bequemlichkeit weigerten zusammen zu passen.


Die jetzige Sinnlosigkeit meines Treibens würde sich in schiere Magie verwandeln, sobald ich den Trick beherrschte, das absolut richtige Wort an das vorhandene zu setzen. Ich entschloss mich dranzubleiben.

Und ich blieb dran.

Im Verlauf etlicher Nächte

lernte ich langsam die Worte zu zähmen,

sie auf meine Seite zu ziehen und zu zwingen. Das war harte Arbeit. Arbeit, bei der mir zur Stärkung nur mein Schweiß und meine Tränen dienten. Aber ich war bereit mit dem Teufel einen Pakt einzugehen, oder Engel zu vergewaltigen, wenn es mir dabei half

dieses mythische Handwerk zu beherrschen.


Ich war besessen, behext von den Möglichkeiten die sich auftaten; dieses erschaffen ganzer Welten.

Zwangsläufig beschränkten sich

meine sozialen Kontakte auf ein

absolutes Minimum. Ich ging

nur noch vor die Tür

um Bier zu kaufen, frisches Papier

und notwendige Lebensmittel.

Was mir gerade Recht war. Denn

schließlich hatte ich die schlimmsten Seiten meiner Mitmenschen erlebt, Die Enttäuschung war groß und saß tief. Ich konnte leicht auf ihren Anblick verzichten.

Von Zeit zu Zeit belästigte mich

das Arbeitsamt mit frechen Forderungen meinen nutzlosen Kadaver

zu ihnen zu schleppen, Zwecks einer

oberflächlichen Überprüfung

ob ich es noch wert wäre

von ihnen unterstützt zu werden.

Also wackelte ich Pflichtbewusst

und leidlich müde alle drei Monate hin

zu dem zuständigen Mann, um ihm meine wirklich ernst gemeinten Bemühungen meiner Jobsuche nachzuweisen. Der Mann wirkte bei jedem meiner Besuche

etwas grauer, runzliger und verstaubter. Ein Zustand den ich seiner tugendhaften Tapferkeit im Umgang mit unwilligen Sozialschmarotzern wie mir zuschrieb.


Ich hatte sogar

etwas Mitleid mit ihm. Aber nur solange, bis er mir in seinem verschrobenen Amtsdeutsch viel Glück bei meiner Suche nach einem adäquaten Arbeitsplatz wünschte, und mich

für weitere drei Monate

einer relativen Freiheit überließ.

Ich sagte ihm nicht das ich da schon was gefunden hatte.

Schwarzarbeit war nicht erst seit gestern eine Straftat. Natürlich nur für Leute meiner Klasse, die versuchten halbwegs über die Runden zu kommen, und dem allmächtigen Staat und seinen korrupten Institutionen die Einnahmen vorzuenthalten.

Ein enorm dreistes Verhalten, dass man nur Politikern, Konzernchefs und

asozialen Profiteuren die großzügige Parteispenden lockermachten durchgehen ließ.


Jedenfalls verdiente ich nebenbei

etwas Geld indem ich anderer Leute

Rasen mähte, Zäune erneuerte und

frische Blumen in ihre kahlen, toten Gärten steckte. Vorzugsweise an Wochenenden.


Eine recht anspruchslose Tätigkeit, bei

der Zeit zum Träumen blieb. Den Job

hatte mir ein selbstloser Bekannter

aus der Anakonda - Bar verschafft.


Die Anakonda - Bar befand sich exakt sechs nüchterne Gehminuten entfernt von meiner Alptraumbude und dämmerte im Zustand zunehmender Verwahrlosung

dem endgültigen Ende entgegen.

Der Schuppen stand der geplanten Zusammenführung zweier Profit versprechender Grundstücke im Weg. Deren Eigentümer mit rastlosem Eifer daran arbeitete dem trotzigen Wirt das Leben zur Hölle zu machen und ihn in absehbarer Zeit zum Verkauf oder endgültigen Aufgabe zu nötigen.

Hermann, der Besitzer, Betreiber und

einzige Barkeeper, hatte sich bisher mit heldenhafter Ignoranz und

ausdauernder Starrsinnigkeit geweigert

seinen Platz zu räumen. Wusste aber insgeheim

das sein kleines Schiff der Trunkenheit

dem unwiderruflichen Untergang geweiht war. In Folge dessen vermied er gewissenhaft jedwede Instandhaltung seiner Bruchbude, die mehr als notdürftig zusammengehalten wurde von rostigen Nägeln, Draht, einer dicken Schicht blassgrüner Farbe und getrockneter Vogelscheiße.

Im inneren dieser heimeligen Kaschemme sah es nicht besser aus:

Fleckige Zeitungsseiten

die als Tapete herhielten, lösten sich in langen Wellen von der windschiefen Wand. Das Mobiliar,

zwei Tische, vier Stühle, sechs Barhocker, ächzte

und wimmerte bedrohlich unter dem unachtsamen Gebrauch angesoffener Grobmotoriker. Der einzige schmückende Anblick bestand seit nun mehr guten dreißig Jahren aus

eingestaubten Plastikblumen in rostigen Blechvasen, deren einst kräftige Farben

mit der Zeit komplett verblasst waren.

- Und es stank!


Dieses letzte Habitat durstiger

Säuferseelen stank schlimmer als das widerwärtige Loch das ich bewohnte.

Aber das Bier dort war billig

und an den Gestank hatte man sich schnell gewöhnt. Und es half

das die Stimmung Nacht um Nacht explodierte, einem unsichtbaren furiosen Finale entgegen.

Dem unweigerlichen Ende aller Dinge und der Gewissheit das Nichts mehr

so sein wird wie es einmal war.


Endzeitstimmung.

In diesen düsteren Nächten

zwischen promillebedingter Trauer

und echter Depression

brachte ich manchmal meine Gedichte

zum Vortrag. Erntete meist Unverständnis, offene Ablehnung, Spott, und tief empfundene Abscheu, die bisweilen in zaghaften Handgreiflichkeiten endeten. Nur Hermann schienen die Sachen die ich vorlas zu gefallen, und er spendierte mir das ein oder andere Bier. Was die

anderen Saufnasen eifersüchtig und neidisch machte wie eine Horde Klatschreporter.

Mittlerweile schickte ich

die Produkte meines Schaffens

an kleine Verlage

quer durch die Republik.

Das Ergebnis war niederschmetternd. Niemand interessierte sich

für all die schönen Worte

die ich mir unter finsteren Qualen abgerungen hatte. Nach

wochenlangem Warten erreichten mich phrasenreiche Absagen, die mich in nie erreichte Tiefen der Frustration tauchten.

Ich soff mehr

als jemals zuvor.

Mehr und mehr

fühlte ich mich

wie ein Gefangener

meiner unerfüllten Sehnsüchte,

die immer noch unscharf und verwaschen in mir lauerten; Sehnsüchte

die nichts zu tun hatten mit den kümmerlichen Begehrlichkeiten

der beherrschten Klasse:

Dem neuen Oversize - Fernseher, einer tugendhaften Ehefrau, 2,4 Kindern, Angeberauto, einer stillen Geliebten,

fünf Urlaube im Jahr, lahmen Party ´s, einem beachtenswerten Job

mit ansehnlichem Gehalt

und einer Versicherung

die wirklich alles abdeckt -

außer der Erkenntnis

das man um sein Leben

betrogen wurde.

Meine Vergangenheit zeigte sich

immer klarer als lächerlicher Schundroman,

meine Gegenwart als Tragödie, geprägt

von immerwährender Armut, und

demütigender Zurückweisung,

an den Rändern verkohlt von

verletztem Stolz und Eitelkeit.

Die Zukunft eine bizarre Nebelwand,

angefüllt mit ungeheuren Schrecken.

Ich trinke und schreibe immer noch,

allein in einem kleinen Zimmer, und

ich bin mir absolut sicher das nichts davon das Leben ändert, diesen Planeten rettet, oder ein schmerzfreies Dasein verspricht. Aber es vertreibt auf recht

angenehme Weise

das Warten auf den Erlösung versprechenden Tod.


Bis dahin zahle ich den Preis für all meine Sehnsüchte, wie fast alle von uns.










Text: harryaltona

Cover:harryaltona

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HarryAltona
Über mich gibt es nichts interessantes. Aber jetzt auch mit schönen bunten Bildern.

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tooshytowrite "Die Zukunft eine bizarre Nebelwand..."
*leerschluck* Wenn ich die Gegenwart so angenehm wie möglich gestalte oder genieße, die Vergangenheit weder zu verdrängen noch zu verklären versuche - die ferne Zukunft erträum ich mir vom FEINSTEN, ätsch.
Die bunten Bilder sind übrigens wirklich schön und auch interessant. LG tooshytowrite
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Kann ja jeder mit machen was er mag, mit dieser Zukunft. Träume sind n fabelhafter Antrieb um über den Tag zu kommen.
Tausend Dank, tooshy!!!
lg... hattyaltona
Vor langer Zeit - Antworten
Willie Einiges war mir von deinem Lebensweg noch Erinnerung. Ich frage mich nach dem Lesen deines Buches, wie wäre mein Lebensweg wohl verlaufen, wenn ich nicht in der DDR praktisch eingesperrt gewesen wäre. Vielleicht ähnlich wie der deine...
Das alte Jahr verabschiedet sich und ich wünsche dir alles Gute für das neue...
LG
Sweder
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Ja, kann sein. Ist aber leider ziemlich müssig sich über die Vergangenheit und ihre möglicherweise verpassten Chancen den Kopp zu verbiegen. Jeder muss eben sein Leben leben, bis zum Ende.
Tausend Dank, Sweder!!!!
lg... und ein hoffentlich besseres Jahr für uns alle. harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
sugarlady Na ja ok, es ist ein trauriger Hintergrund dabei, trotzdem gut gemacht.
So ist leider die negative Seite des Lebens.
Die Reichen, schaffen es immer wieder hochzukommen.
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Wichtig ist ja nur was man am Ende daraus macht. Die negative Seite des Lebens hat ja auch ihre Reize.
Tausend Dank, Andrea!!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
sugarlady Lieber Harry,
auch diesmal hab ich mich wieder prima amüsiert.
Auch an Dich ganz liebe Weihnachtsgrüße
Andrea.
Vor langer Zeit - Antworten
DoktorSeltsam Noch etwas, weil ich gerade das Ende gelesen habe: Wenn es eine göttliche Gerechtigkeit auf Erden geben sollte und der Eine oder Andere demnach unerwartet erkennen würde, dass niemand besser mit Worten jonglieren kann als ihr sehr ergebener und leicht vom Branntwein beduselter Dok ("Bring mir den Rum, Darby M'Graw!"), dann, das verspreche ich bei der unbestrittenen Heiligkeit des Exil-Tibeters, der meine Hosen reinigt, werde ich dafür sorgen, dass Harry Altona literarische Gerechtigkeit widerfährt! Halt durch, Harry, ich bin das, was die Kinder von Thomas Mann vermutlich einen Zauberer genannt hätten.

Liebe Grüße

Katia Mann
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Das ist aber nett von dir.
Tausend Dank, Doc!!! Oder Katia.
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
DoktorSeltsam Harry, Harry, Harry: Vierundsiebzig Seiten, und ich musst schon nach gerade mal fünfen eine Lachpause einlegen. Ich hab noch nicht alles lesen können, aber ich bin sicher, ich werde es lieben! Weißt du, wer das gesagt hat: "Oh Tristano, immer auf der Suche nach einem Satz, der mehr sagt, als du weißt, und dabei liegt die Flasche die ganze Zeit in deiner Hand wie ein Schlüssel."

Kleiner Tipp: Was mag die Horen, diese altgriechischen Arschgeigen veranlasst haben, in einer Nacht im Juli 1987 den LKW gewinnen zu lassen und nicht, wie es doch unbestritten richtig gewesen wäre, den unsterblichen, gleichwohl nun toten Jörg Fauser!

Liebe Grüße

Dok

PS: Tu mir die Liebe, wie es bei Kempowski heißt, und mach diesen komischen Strich zwischen "Altona" und "s" weg. Den machen nur die english people, und die sind doof! (Brexit, Trump etc.)

D.
Vor langer Zeit - Antworten
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