Klapptext
Das Kaiserreich Cantons im Jahr 735 der Herrschaft des Hauses Ordeal :
Das einst stabile und prosperierende Reich wird von Zwietracht zerrissen. Kaiser Caius Ordeal hat seine eigenen Erben hinschlachten lassen und das Land so in einen blutigen Bürgerkrieg gestürzt. Machthungrige Adelige und Fürsten lauern nur darauf, dass der alte Monarch stirbt und der Kampf um den Thron beginnen kann. Währenddessen durchwandern Kriegstruppen der Ordeal-Dynastie das Land um die schwindende Ordnung aufrecht zu erhalten und jeden
Befehl Herrn auszuführen. Städte und Provinzen brennen im Feuer von Rebellion und Vergeltung.
Vara steht als eine der letzten Bastionen inmitten der Zerstörung, ein Ort des Lernens und Denkens, der mit seinen Universitäten noch an die besseren Zeiten des Imperiums erinnert. Obwohl Erik Flemming sich als brillanter Heiler erwies, stießen seine zuweilen sehr unkonventionellen Methoden bei den Gelehrten der Stadt nur auf Ablehnung. Als dann auch noch Gerüche die Runde machen, das er sein Wissen den Körpern der Toten entrissen habe, wird er schließlich von der Universität Varas verstoßen. Ohne Zukunft und ohne jede
Hoffnung je offiziell den Titel eines Arztes zu tragen, ist der so brillante wie exzentrische junge Mann scheinbar in der Stadt gestrandet.
Doch als eine Fremde auftaucht, überschlagen sich die Ereignisse. Vara versinkt im Zorn eines wahnsinnigen Kaisers und Erik findet sich bald auf der Flucht wieder, gejagt von den Männern der Ordeal und begleitet von einer Frau, die mehr als nur ein Geheimnis mit sich trägt. Geheimnisse, die das weitere Schicksal der Welt und auch Eriks Zukunft bestimmen werden.
Gefangen als Spielfigur in einem Spiel der Unsterblichen, verstrickt er sich immer tiefer in einem Netz aus
Geheimnissen und Lügen, die ihn schließlich zur einzigen Hoffnung für das gebeutelte Land führen. Dem letzten noch lebenden Erben des verrückt gewordenen Kaisers. Doch langsam beginnt er zu verstehen, dass hinter Caius Wahnsinn mehr liegt als je jemand vermutet hätte…
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Kapitel 9
Im Vergleich zu den prunkvollen Universitätsgebäuden wirkte die Villa des Patriziers von Vara fast unscheinbar. Es war größer, als die meisten anderen Gebäude in der Stadt, aber nicht dekadent und auch die großen Gärten, die das zweistöckige Haus umgaben, waren zwar gepflegt aber keine offene Zuschaustellung von Macht. Ein schmiedeeiserner Zaun etwa doppelt so hoch wie eine ausgewachsene Person umlief das gesamte Gelände. Erik warf immer wieder eilige Blicke durch das Gatter, während er und Cyrus sich
beeilten, das Anwesen zu passieren. Flammen schlugen aus dem einst mit grauem Schiefer bedeckten Dach und tauchten die Welt um sie herum in rötliches, flackerndes Licht. Er konnte die Hitze der Flammen selbst hier spüren und einen Moment fragte er sich, ob Patrizier Gavion dem Feuer entkommen war oder nun irgendwo unter den Trümmern des Daches begraben lag. Wie so viele andere… Zwei tote Stadtwächter lagen am Haupttor des Anwesens in ihrem eigenen Blut.
Erik beeilte sich an den Toten vorbei zu kommen. Bis zu seinem eigenen Haus und damit hoffentlich einem möglichen Fluchtweg, wäre es jetzt nicht mehr
weit. Rauch und Asche trieben mit dem vom Feuer angeheizten Wind durch die Luft und machten das Atmen schwer. Schwarzer Dunst quoll aus den Seitengassen hinaus auf die große Straße, die das Patrizieranwesen umlief. Wie viel von Vara mittlerweile vom Feuer verschlungen worden war, konnte er nur abschätzen, doch die fliegende Stadt verdunkelte noch immer den Himmel über ihnen , so dass das wenige Licht, das durch die Aschewolken drang, zusätzlich gedämpft wurde.
Erik hatte das große Eingangstor bereits fast passiert, als plötzlich die Türen der Villa aufflogen. Funken und Ruß stoben daraus hervor und hüllten die vier
Gestalten, die ins freie Stürzten einen Moment ein. Eriks Herz schlug bis zum Hals, als er schwarzen Stahl durch die Asche hindurch schimmern sah. Einen Moment stand er wie erstarrt da. Bis zu den Häusern schafften sie es niemals ohne gesehen zu werden und hier standen sie fast völlig offen. Schließlich war es Cyrus, der ihn schlicht mit sich zu Boden riss, so dass sie direkt an dem niedrigen Fundament kauerten, das den Zaun stützte. Erik versuchte seinen Fall noch mit den Händen zu bremsen, was nur dazu führte, das er sich die Haut aufschürfte. Immerhin war er geistesgegenwärtig genug keinen Laut von sich zu geben und drückte sich
stattdessen näher an den Stein. Cyrus ihm gegenüber tat das gleiche und legte einen Finger auf die Lippen.
Erik wagte es einen Moment nicht, aufzusehen oder zur Kante des Tores zu robben. Stattdessen lauschte er ob sich etwas rührte, auf das Klirren von Stahl oder Worte oder auch nur lauten Atem, der sich näherte. Erst als alles eine eile ruhig blieb wagte er es vorsichtig über die Kante ihre dürftigen Verstecks hinweg zu spähen.
Vier Männer standen im Aufgang zur Villa, deren westliche Fassade soeben krachend in sich zusammen fiel. Funken stoben auf und rieselten auf die drei stehenden und den einen knienden Mann
herab. Am Boden kniete Agrippa Gavion. Erik erkannte den goldenen Ornat und den Umfang des Mannes sofort.
,, Ihr habt uns angelogen. Sie war nicht im Haus.“, stellte einer seiner drei Wächter fest. Zwei waren Prätorianer, einer im schlichten schwarz, der andere mit einem weißen Umhang und einem kristallinen Speer in der Hand. Erik erkannte ihn als den Kommandanten von zuvor wieder auch wenn er jetzt den Helm trug und scheinbar ungeduldig Auf und an ging.
,, Macht endlich Schluss.“ , verlangte er mit einer Stimme, die kaum Wiederrede
duldete.
Der dritte Mann, der, der zuvor gesprochen hatte, trug keine Rüstung, sondern war in tiefschwarze Roben gehüllt. Doch auch auf seiner Brust und auf dem Umhang prangte der silberne Drache der Ordeal. Und sein Anblick machte Erik mehr Angst als der, der zwei anderen Männer zusammen. Auch bei dem vermummten Mann handelte es sich um einen Prätorianer. Aber er war kein Krieger wie die anderen… Nein. Die neben den schwer gerüsteten Männern so kümmerlich und eingefallen wirkende Gestalt war ein Zauberer im Dienste des Kaisers. Das Erbe des alten Volkes war nur in wenigen Menschen
noch lebendig und weniger wussten wirklich mit dieser Gabe umzugehen. Doch in einem Magier war die Blutlinie der Alten noch lebendig und mit ihr die Macht über die diese verfügte… Erneut duckte Erik sich weg, als der Mann langsam an dem Patrizier vorbei trat.
,, Sie ?“ Gavion schien verwirrt, während er mit den Händen in seinen Taschen wühlte. Die zwei Prätorianer kamen einen Schritt näher, doch der kaiserliche Zauberer gab ihnen ein Zeichen zurück zu bleiben. ,, Ich dachte ihr seid deshalb hier ? Nehmt es von mir aus… ich weiß nicht was ihr sonst wollen würdet. Aber lasst meine Stadt und meine Leute in
Frieden.“
Erik musste dem Patrizier zumindest soweit Respekt zollen, dass seine Stimme nicht zitterte, als er seine Leute verteidigte. Langsam zog der Mann die Hände aus den Taschen und hob etwas hoch, das aussah, wie eine Spielfigur. Ein Narr. Eine kleine Marmorstatuete für Königsstein…. Erik runzelte die Stirn und auch die drei Männer des Kaisers wirkten alles andere als begeistert.
,, Was will ich mit irgendeinem Tand, verratet ihr mir das ?“ Der Magier schlug dem Patrizier die Staute aus der Hand, die daraufhin mit einem Klirren auf dem Pflaster landete. Die Überreste
landeten nur wenige Schritte von Eriks Versteck entfernt. Was einst der Kopf der kleinen Statuette gewesen war, war nur noch ein scharfkantiges Bruchstück aus geborstenem Marmor. Doch im inneren schien etwas zu glitzern, etwas Gelbes. Erik kam es vor wie ein Kristall, dessen einzelne Spitze dem vorstehenden Bruchstück folgte. Er warf einen Blick zurück zu den vier Gestalten auf dem Platz, die ihn nach wie vor nicht beachteten. Das hieß bis auf Gavion. Einen Moment schien er direkt in Eriks Richtung zu sehen, während dieser die Hand nach der kaputten Figur ausstreckte. Und dann nickte er. Ein wissendes Nicken aber auch eines mit
einer stummen bitte. Nimm es. Seine Finger schlossen sich um den Marmor. Erik zog die Statue zu sich heran und ließ sie in seiner Manteltasche verschwinden.
Auf dem Platz jedoch, nahmen di Dinge mittlerweile eine Wendung. Der Magier, der Gavion die Statue aus der Hand geschlagen hatte, gab den zwei Prätorianern ein Zeichen. Der Mann im schwarzen Umhang trat dem Patrizier in den Rücken, so dass er gänzlich zu Boden stürzte… Und der Kommandant hob den Speer. Erik sah das Kristall glitzern und hörte den Luftzug, als die Waffe herabsauste, den Hals des Patriziers durchbohrte und die Knochen
des Genicks brach. Die Spitze trat an der Kehle wieder aus und bohrte sich mit einem hörbaren Donnerschlag in den Boden. Blitze zuckten über den Stein und lösten sich wieder auf, als der Prätorianer den Speer schließlich aus dem Körper zog. Doch noch lebte der Patrizier anscheinend. Blut gurgelte mit jedem angestrengten Atemzug in seiner Kehle, während der Prätorianer erneut die Waffe hob. Erik sprang auf ohne darüber nachzudenken und Cyrus tat es ihm schließlich mit einem leisen Fluch gleich.
,, Du legst es wirklich darauf an das ich meine Schuld begleiche.“ , rief ihm der Gejarn hinterher. Entdeckt waren sie
jetzt sowieso. Der Prätorianer hielt in der Bewegung inne, während er sich langsam zu ihnen umdrehte. Sein Gefährte tat es ihm gleich. Nur der Magier stand auf einmal wie erstarrt da und gab einen erstickten Laut von sich. Dann stolperte er langsam Rückwärts, während sich ein Blutfleck auf seiner Brust ausbreitete. Ein Blutfleck in dessen Zentrum kalter Stahl glitzerte. Das Messer, das ihn in den Rücken getroffen hatte, hatte den schmächtigen Körper des Hexers glatt durchdrungen. Als die zwei Prätorianer sich wieder zu ihm umdrehten, sackte er langsam in sich zusammen. Noch ehe sie ganz verstanden hatten, was vor sich ging, segelte eine
zweite Klinge heran und traf die dünne Lücke zwischen Helm und Halsberge des Prätorianers im schwarzen Umhang. Mit einem röcheln ging der Mann zu Boden, während ihr letzter stehender Gegner langsam Rückwärts ging und dabei den Speer hob. Ein drittes Messer blitzte auf, so schnell der Erik erst gar nicht verstand, was da an ihm vorbei segelte. Der Prätorianer jedoch rammte nur den Speer in den Boden. Licht stieg um ihn herum auf und formte scheinbar eine hauchdünne Kuppel, die schimmerte, wie eine Seifenblase. Das Messer prallte davon ab, als wäre es auf massiven Fels getroffen. Magie, dachte Erik und ein ehrfürchtiger Schauer überlief ihm. Was
hier grade geschehen war, war Zauberei. Und auch wenn der Magier tot war, die Waffe die der Prätorianer führte musste offenbar ebenfalls über ihre ganz eigenen Kräfte verfügen. Dieser riss den Speer aus der Erde und kam nun langsam auf Erik und Cyrus zu. Doch Augen hatte er dabei nur für die Rauchverhangenen Straßen hinter ihnen.
Eine einzelne Gestalt löste sich aus dem dunklen Nebel und trat langsam ins Licht. Sie schien Erik selber im ersten Moment aus Nebel zu bestehen. Dünne Fäden davon schienen ihr zu Folgen und sie zu umschweben, troff scheinbar wie Wasser aus ihrer Kleidung… und ihrem Fell, das genau den gleichen Farbton wie
die Aschewolken hatte. Dunkelgrau und mit helleren Sprenkeln und Streifen durchsetzt. Eine Gejarn… Eine Löwin wenn er sich nicht täuschte, so ungewöhnlich sie auch aussah. Selbst ihre Kleidung war grau und bestand aus einem von einem Seil gehaltenen Rock und einem formlosen Überwurf. Doch so schlicht diese Kleidung auf den ersten Blick wirkte, fehlte es der Fremden nicht an Eleganz. Sie ging vollkommen sicher, ohne zu zögern und mit großen Schritten. Ihre Augen, die ebenfalls die Farbe von Nebel hatten, blieben dabei die ganze Zeit auf den Prätorianer fixiert. Erik schien es, als würde die Luft einen Moment kälter, als sie an ihm
und Cyrus vorbei trat, als wären sie nicht einmal da. In einer Hand hielt die Erscheinung einen simplen Kampfstab aus hellem Holz und an einem Gurt um ihre Hüften schimmerten noch zwei weitere Messer neben den Schlaufen für die, die sie bereits geworfen hatte.
Auch der Prätorianer schien nur noch Augen für die Fremde zu haben, doch anstatt sie sofort zu attackieren, blieb er stehen und stützte sich auf den Speer in seiner Hand. Selbst der Ausdruck in seinen Augen schien sich geändert zu haben, als er den Helm abnahm. Das Gesicht das darunter zum Vorschein kam, gehörte tatsächlich dem Hauptmann, den Erik zuvor gesehen hatte. Nur wirkten
seine Züge nicht mehr ernst und… geradezu tot. Nein . Neugier, Angst, Zorn, Bedauern, all dies schien in einer einzigen Sekunde auf dem Gesicht des Prätorianers aufzublitzen. Die Züge der Gejarn hingegen blieben angespannt und kalt. Jedoch nur, bis sie wenige Schritte entfernt von ihm stehen blieb.
,, Ich wusste du würdest kommen.“ , meinte der Prätorianer. Erik jedoch kam es einen Moment vor, als würde jemand völlig anderes Sprechen. Seine Worte kamen langsam, belegt, als müsste er sich auf jedes einzelne davon konzentrieren. Seine Stimme klang sogar anders, wie Erik erstaunt feststellte. Auch wenn ab und an noch der strenge
Ton des Prätorianers zu hören war, das hier vor ihm hätte genauso gut auch eine völlig andere Person sein können. Als wäre der Mann vor ihnen kaum mehr als eine Hülle gewesen… Erik wusste selber nicht woher dieser Gedanke kam, aber er schien ihm passend. Ja… eine Hülle. Eine, in der jetzt irgendein anderes Ding steckte und sich mit der fremden Gejarn aus dem Nebel unterhielt.
Wusstest du es, oder hattest du es nur gehofft?“ Die Stimme der Gejarn klang spöttisch, aber nicht auf eine bösartige Weise. Mehr so, als würde sie einen alten Freund begrüßen. Und doch hielten ihre Hände den Kampfstab umklammert. Und doch lagen zwei der Begleiter des
Prätorianers tot am Boden… Ihre Stimme gab Erik nicht mehr Aufschluss über sie, als alles andere. Sie klang ein wenig rauchig, was Anbetracht dessen, das sie durch die brennenden Straßen gelaufen sein musste, kaum verwunderlich war, doch er hätte nicht einmal zu sagen gewusst, wie alt diese Frau wohl war. Alles an ihr wirkte irgendwie Zeitlos. Sie ging grade und hoch aufgerichtet, das war aber auch alles, was auf irgendetwas schließen ließ. Und noch immer standen sie und der Prätorianer sich regungslos gegenüber, jener ein mildes Lächeln auf den Lippen, die Fremde nach wie vor ernst und
unnachgiebig.
,, Du musst auch gewusst haben, das ich dich erwarte.“ Der Mann in seiner schwarzen Rüstung schüttelte langsam den Kopf. ,, Und doch bist du einfach gekommen…“
,, Nein. Wenn du mich wirklich erwartet hättest wärst du mir persönlich gegenüber getreten. Wir kennen uns beide viel zu gut…“
,, Wie wahr Mhari… wie wahr. Es ändert leider nichts daran, das nur einer von uns seinen Weg fortsetzen wird, nicht?“ Das traurige Lächeln verschwand vom Gesicht des Prätorianers. ,, Es tut mir
leid.“