Klapptext
Das Kaiserreich Cantons im Jahr 735 der Herrschaft des Hauses Ordeal :
Das einst stabile und prosperierende Reich wird von Zwietracht zerrissen. Kaiser Caius Ordeal hat seine eigenen Erben hinschlachten lassen und das Land so in einen blutigen Bürgerkrieg gestürzt. Machthungrige Adelige und Fürsten lauern nur darauf, dass der alte Monarch stirbt und der Kampf um den Thron beginnen kann. Währenddessen durchwandern Kriegstruppen der Ordeal-Dynastie das Land um die schwindende
Ordnung aufrecht zu erhalten und jeden Befehl Herrn auszuführen. Städte und Provinzen brennen im Feuer von Rebellion und Vergeltung.
Vara steht als eine der letzten Bastionen inmitten der Zerstörung, ein Ort des Lernens und Denkens, der mit seinen Universitäten noch an die besseren Zeiten des Imperiums erinnert. Obwohl Erik Flemming sich als brillanter Heiler erwies, stießen seine zuweilen sehr unkonventionellen Methoden bei den Gelehrten der Stadt nur auf Ablehnung. Als dann auch noch Gerüche die Runde machen, das er sein Wissen den Körpern der Toten entrissen habe, wird er schließlich von der Universität Varas
verstoßen. Ohne Zukunft und ohne jede Hoffnung je offiziell den Titel eines Arztes zu tragen, ist der so brillante wie exzentrische junge Mann scheinbar in der Stadt gestrandet.
Doch als eine Fremde auftaucht, überschlagen sich die Ereignisse. Vara versinkt im Zorn eines wahnsinnigen Kaisers und Erik findet sich bald auf der Flucht wieder, gejagt von den Männern der Ordeal und begleitet von einer Frau, die mehr als nur ein Geheimnis mit sich trägt. Geheimnisse, die das weitere Schicksal der Welt und auch Eriks Zukunft bestimmen werden.
Gefangen als Spielfigur in einem Spiel der Unsterblichen, verstrickt er sich
immer tiefer in einem Netz aus Geheimnissen und Lügen, die ihn schließlich zur einzigen Hoffnung für das gebeutelte Land führen. Dem letzten noch lebenden Erben des verrückt gewordenen Kaisers. Doch langsam beginnt er zu verstehen, dass hinter Caius Wahnsinn mehr liegt als je jemand vermutet hätte…
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Kapitel 7
Erik blinzelte ins trübe Sonnenlicht und musste die Augen sofort wieder schließen. Langsam ließ er den Kopf zurück auf die Tischplatte sinken, von der er ihn grade erst gehoben hatte. Sein Schädel fühlte sich an, als wollte er zerspringen. Eine Weile lag er einfach nur so da und wartete darauf, dass die schmerzen nachließen. Das kühle, glatte Holz an seiner Stirn tat zumindest etwas, das tiefe Dröhnen zu dämpfen. Erst dann öffnete er die Augen erneut und sah sich um, möglichst, ohne den Kopf dabei schnell zu
bewegen.
Sonnenlicht sickerte durch ein Fenster hinter ihm und gedämpfter Lärm drang durch die milchigen Scheiben des Gasthauses. Es war also bereits helllichter Tag…. Dutzende von Tischen und Stühlen, auf denen noch leere Gläser und Flaschen standen, machten den Großteil der Inneneinrichtung aus. Der Dielenboden knarrte, als Erik sich aufrichtete und an sich herab sah. Sofort wurde ihm wieder schwindlig und er sackte zurück, während das Fass auf dem er saß gefährlich schwankte. Götter, was war gestern eigentlich passiert? Langsam griff er nach oben auf seinen Kopf, als ihm schließlich klar wurde, dass der
ungewohnte Druck, der darauf lastete, nicht nur von seinem Kater kam. Unsicher betrachtete er den verschlissenen Filzhut den er mit einem Mal in den Händen hielt. Ihm gehörte das Stück sicher nicht…
Er setzte sich vorsichtig ganz auf. Noch in der Bewegung merkte er wie etwas aus den Taschen seines Mantels rutschte und auch aus den Falten seiner Kleidung. Klirrende Münzen schlugen auf dem Boden auf und glitzerten Silbern und Gold in der Morgensonne. Wo kamen die den her? Erik betrachtete sich eines der Geldstücke, das noch in seinen überquellenden Taschen geblieben war, genauer. Das war massives Gold mit
einem in Silber gehaltenen Drachen darauf… Das Wappen der Kaiserfamilie.
Erik ließ die Münze wieder in seine Tasche wandern und sah sich nun in die andere Richtung um. Größtenteils bot sich ihm das gleiche Bild wie zuvor. Gläser und Flaschen und Scherben und Tische… Ein paar Säulen stützten eine abgesenkte Decke unter der sich ein einfacherer Tresen befand. Lediglich ein einziger Mann mit hellrotem Bart und Haaren in der gleichen Farbe saß daran und polierte die noch heilen Gläser. Als er Erik bemerkte, war dieser sich nicht sicher, ob er wegen der Sauferei hier besser weglaufen sollte oder nicht. Doch der Fremde, bei dem es sich wohl um
den Wirt handeln musste, machte keine Anstalten aufzustehen.
,, Auch endlich wach ?“ , fragte er stattdessen und klang dabei alles andere als unfreundlich.
,, Es scheint so…“ Er rieb sich den Kopf und rutschte von dem Fass auf die Füße. ,, Ihr könnt mir nicht zufällig verraten ob ihr euch noch an einen Wolf in meiner Begleitung erinnert ? Schwarzes Fell , guckt ziemlich bösartig, versteht keinen Spaß?“
,, Der einzige Gejarn an den ich mich gestern Abend erinnere hat definitiv Spaß verstanden. Und er hat meine halbe Kundschaft unter den Tisch getrunken. Euch übrigens eingeschlossen. Wenn ich
mir seinen Namen nur merken könnte. Irgendwas wie Cyrken… Cyarkan….“
,, Cyrus.“ , verbesserte Erik den Mann rasch, der ihm darauf nur einen verwirrten Blick schenkte.
,, Ich bin mir ziemlich sicher das genau das nicht sein Name war.“
,, Solange er mir auf die Nerven geht ist er es.“ Erik stützte erneut einen Moment den Kopf in die Hände. ,, Ihr hättet nicht zufällig ein Glas Wasser für mich ? Oder könntet mir verraten, wo sich Cyrus jetzt befindet?“
,, Beides.“ , meinte der Mann, ehe er Wasser aus einem Fass hinter der Theke schöpfte und in ein Glas füllte. ,, Wobei ich euch eigentlich nur das weiter
trinken empfehlen kann, wenn ich ihr wäre.“
,, Ich muss euch für das alles irgendwie bezahlen.“ Er winkte in Richtung des verwüsteten Schankraums. Erik graute schon bei dem Gedanken, doch der Wirt lachte lediglich.
,, Ich klaube mir meine Bezahlung später vom Boden auf. Ich glaube da liegt genug um das ganze Gebäude neu aufzubauen, wenn ich will.“
,, Nächste Frage… ihr könnt mir nicht auch verraten, wo das ganze Geld herkommt ?“ Erik brauchte nur in seine Tasche greifen um einen Stapel Silber und Goldmünzen zu Tage zu fördern. Das war ein kleines Vermögen… Wenn er
ein paar Abstriche machte, konnte er ein halbes Jahr lang davon leben… Erik stürzte das Wasser in einem Zug runter. Immerhin fühlte sich seine Zunge jetzt nicht mehr an wie Sandpapier, das dröhnen in seinem Schädel jedoch wurde kaum besser.
,, Ich glaube ihr solltet einfach öfter spielen. Keine Ahnung wie ihr das gemacht habt, aber außer euch ist schätze ich gestern jeder hier Ärmer nach Hause gegangen. Na ja und euer Wolffreund, auch wenn das kein Geld war.“
,, Guter Mann ich bin immer noch… furchtbar betrunken fürchte ich. Ich kann grade wirklich keine Rätsel
verstehen. Also wo ist er jetzt?“
Der Wirt zuckte mit den Schultern deutete jedoch auf einen Aufgang im hinteren Teil des Schankraums, der wohl zu den Gästezimmern führte. Erik zögerte nicht lange, sondern stieg schlicht die knarzenden Stufen hinauf. Oben gab es einen kurzen Flur, der zu mehreren Zimmern hin abzweigte. Ein verstaubter Teppich bedeckte den Boden und Licht fiel durch ein schmutziges kleines Fenster herein, das sich hoch oben in der Wand gegenüber der Treppe befand. Die meisten Türen standen offen und gewährten einen Blick in die schlicht eingerichteten Räume. Die Betten waren einfache, mit Stroh
gefüllte Lage und die Möbel, sofern es überhaupt welche gab, aus ungeschliffenem, groben Holz gefertigt.
Lediglich eine Tür ganz am Ende des Ganges war geschlossen, als Erik davor trat. Ohne zu zögern klopfte er an und wartete kurz, ob sich etwas rührte. Tatsächlich meinte er kurz eine leise Stimme und das Rascheln von Stroh zu vernehmen. Oder waren es zwei? Vielleicht hatte sich der Wirt am Ende auch geirrt und der Wolf war längst irgendwo anders? Vielleicht hatte er sich auch endlich entschieden zu seinem Clan zurück zu kehren. Nicht dass es Erik stören würde aber… Götter, er würde den Mann doch vermissen, wenn
er ehrlich war.
Erneut regte sich irgendetwas hinter der Tür. ,, Cyrus ?“ Erik hatte genug. Noch einmal pochte er mit der Faust gegen das Holz der Tür, dann streckte er die Hand nach dem Griff aus. Abgeschlossen. Der Knauf ließ sich in keine Richtung drehen und dagegen zu drücken brachte genau so wenig etwas.
,, Erik ?“ Endlich Antwortete ihm jemand. Der junge Mann seufzte und lehne sich neben die Tür gegen die Holzwand.
,, Irgendeinen besonderen Grund, warum du dich einschließt ? Falls du Angst wegen der Zeche hast, die habe ich bezahlt. Und ich bin mir sicher, das war
viel zu viel, aber nachdem wir den halben Schankraum zerlegt haben…“ Wieder raschelte etwas und diesmal war Erik sich sogar ganz sicher eine zweite Stimme zu hören. ,, Hörst du mir eigentlich überhaupt zu ?“ Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis der Gejarn sich zeigte. Ungeduldig stippte Erik im Takt mit dem Fuß gegen die Holzwand und überlegte einen Moment, ob er es riskieren sollte noch eine Pfeife anzuzünden. Seine Kopfschmerzen hatten mittlerweile immerhin etwas nachgelassen und wurden langsam durch ein zunehmendes Hungergefühl ersetzt. Endlich jedoch, wurde die Tür geöffnet und ein Sichtlich gehetzt wirkender
Cyrus stürzte auf den Flur. Bevor Erik ihn noch Fragen konnte, was vor sich ging, hatte er die Tür auch schon wieder zugezogen und lehnte sich dagegen. Es war nicht immer leicht zu sagen, was der Gejarn dachte oder was in ihm vorging, aber in diesem Augenblick stand ihm die Aufregung geradezu ins Gesicht geschrieben. Und noch etwas anderes. Erik wusste nicht zu sagen was, aber wäre der Mann ein Mensch gewesen, sein Kopf wäre vermutlich hoch rot angelaufen. Langsam wurde Erik klar, was der Wirt gemeint hatte und ein dünnes Grinsen breitete sich auf seinen Zügen aus.
,, Mir scheint langsam findest du doch
gefallen an den Gebräuchen der Menschen.“ Falls der Wolf den Wink mit dem Zaunpfahl verstand, so zeigte er es zumindest nicht. Oder vielleicht wollte er es auch einfach nicht, was Erik für wahrscheinlicher hielt. ,, Der Wirt meinte du hast genug für deinen halben Clan getrunken?“
,, Es schmeckt furchtbar aber… Geister es macht Spaß.“ Ein unsicheres Grinsen trat auf die Züge des Gejarn...,, Du hättest mich nur vorwarnen können, das ich mich am nächsten Morgen wie erschlagen
,, Ich schätze mal, daran ist nicht nur der Alkohol schuld...“ Erik sprach zwar mehr mit sich selbst, aber der Gejarn
konnte ihn natürlich unmöglich überhören.
,, Was soll das denn heißen ?“
,, Gar nichts.“ , gab Erik mit einem unschuldigen Grinsen zurück, bevor er an dem Gejarn vorbei trat und die Tür aufzog. Er erhaschte einen kurzen Blick auf blonde Haare und nackte Haut. Weiter kam er zwar nicht, bevor ihm ein Stroh gefülltes Kissen ins Gesicht flog und Cyrus ihn unsanft wieder zurückzog, trotzdem lachte er lauthals. Nun das war definitiv keine Gejarn gewesen. ,, Aber ich glaube ich habe recht.“
Er grinste immer noch als er sich wieder zu Cyrus umdrehte. Der Wolf lehnte, den Blick gesenkt und die Arme vor der
Brust verschränkt an der Wand.
,, Was auch immer in deinem Kopf vorgeht, ich will es nicht hören.“ Lange jedoch schien auch Cyrus die einsetzende Stille nicht zu ertragen. Irgendwann fing er an leise zu lachen und Erik stimmte schließlich lauthals mit ein, bis ein genervtes ,, Kannst du deinem Freund sagen ich versuche noch zu schlafen.“ Sie beide wieder zum Schweigen brachte.
,, Können wir bitte nicht weiter darüber reden ?“ Der Wolf
,, Nur unter einer Bedingung. Sagt mir nur nie wieder dass du von Menschen nichts halten würdest. Also, willst du ich noch verabschieden, oder können wir
dann?“
Der Wolf zögerte kurz. ,, Ich glaube… ich finde sie wieder.“ , meinte er schließlich , bevor sie sich auf den Weg aus dem Gasthaus hinaus machten. Unten im Schankraum war nach wie vor alles verlassen. Selbst der Wirt war nirgends zu sehen. Rauch hing in der Luft und einen Moment fragte sich Erik ob der Mann grade vielleicht etwas zu Essen in einer angrenzenden Küche zubereitete. Das käme jetzt grade recht um die letzten Spuren des vergangenen Abends abzuschütteln.
,, Du riechst das auch, oder ?“ Cyrus Tonfall jedoch brachte ihn rasch von dieser Vorstellung ab. Angespannt und
misstrauisch.
,, Stimmt etwas nicht ?“ Aber jetzt wo es der Wolf einmal erwähnt hatte… der Rauch war nicht das einzige merkwürdige. Auf den Straßen draußen waren die Geräusche lauter geworden, Menschen riefen durcheinander, manche schrien… Soweit war das nichts Ungewöhnliches für Vara, aber die Panik in ihren Stimmen war schwer zu überhören. Irgendwo wieherte ein Pferd … Und da war noch etwas anderes, kaum wahrnehmbares. Eriks Füße kribbelten, als wären sie Eingeschlafen oder, als würde der Boden darunter vibrieren. Doch um sie herum stand scheinbar alles
still.
Er und Cyrus hatten den gleichen Gedanken. ,, Nach draußen !“
Ohne zu zögern folgte der Wolf ihm, während Erik die Türen aufstieß und ins Freie trat. Der Geruch nach brennendem Holz war hier nur stärker und graue Wolken quollen aus dem westlichen Teil der Stadt gen Himmel. Oder dort wo der Himmel sein sollte… Der Gedanke, dass es sich um einen schlichten Brand handeln könnte, löste sich sofort in Wohlgefallen auf, als Erik nach oben sah. Über ihnen war der Himmel noch zu sehen, blau und klar. Wärmend stand die Sonne über ihnen und ließ alles in grellem Licht erstrahlen, machte die
Farben überdeutlich klar, beinahe unnatürlich. Doch weiter im Westen, dort wo die Rauchsäulen aufstiegen, hatte sich ein gewaltiger, dunkler Schatten vor das blau geschoben. Ein Schatten, der trotz seiner Größe Mitten in der Luft zu schweben schien und langsam in ihre Richtung über die Statt hinweg glitt… Von unten erinnerte die Struktur aus großen, silbernen Brücken und schwebenden Inseln an ein großes, falsch proportioniertes Spinnennetz. Weißer Marmorbauten, Glas und Gold blitzen darauf in der Sonne und im Zentrum des ganzen schwebte die größte der Inseln. Selbst die kleinsten waren leicht so groß, wie Varas
Universitätshügel. Doch das Ungetüm in ihrer Mitte würde Vara gänzlich in Schatten tauchen, wenn es die Stadt überquerte und sollte es herabstürzen, würde von der Stadt wohl nichts bleiben als Trümmer unter geborstenem Gestein. Erik wich langsam zurück. Er wusste, was er hier vor sich hatte, auch wenn er nie in seinem Leben geglaubt hätte, sie einmal aus solcher Nähe zu sehen. Die fliegende Stadt war hier… Und hinter ihr, im Westen, dort wo die Stadt brannte, schien sich ein Wasserfall aus Feuer aus dem Himmel zu ergießen….