Farbiger Dr. Luther – mein Beitrag zum Jubiläumsjahr
Ilmenau hat ein Luther – Denkmal. Direkt vis a vis der Kirche, auf dem Vorplatz.
Einheimische kennen sicher den großen Kandelaber oder den Parkplatz neben dem früheren Kaufhaus „Kinderland“.
An der Seitenfassade vom Kaufhaus war in den Fünfzigern ein Frisör. Ein paar Stufen ging es abwärts und meine Mutti hatte dort einen Termin zur Dauerwelle. Ich durfte mitkommen, saß eine Viertelstunde mit baumelnden Beinen da und langweilte mich. Zwei oder dreimal
hatte ich sicher gefragt und dann meinte Mutti, ich solle draußen spielen.
Dort war es aber auch langweilig. Kein Spielkamerad in Sicht. Echt öde.
In meinen Taschen fand ich Fettstifte, blau und rot. Zielstrebig bewegte ich mich auf das Denkmal zu, in dessen Sockel das Konterfei von Dr. Martin Luther eingelassen war. Eine schwarze Gussplakette mit seinem Kopf im Großformat. Ich stand davor und dachte nach. Warum war der Mann wohl so schwarz? Warum hing er dort und schaute in die Ferne? Meine bescheidenen Kenntnisse halfen nicht weiter und fragen war damals nicht üblich.
Also beschloss ich, ohne gesonderten
Auftrag, das Porträt zu verschönern. Mit Blau ließ ich seine Augen aufleuchten und mit Rot machte ich seine Lippen lebendig. Ein wenig Rouge rundete das Werk ab. Kann sein, dass ich zurück getreten bin, um mein kreatives Tun zu bewundern.
Schnell wurde mir klar, dass ich plötzlich nicht mehr allein war. Mehrere Bürger standen um das Denkmal und vorne drohte eine Amtsperson, ein Polizist. Er trug einen Tschako und fragte mich nach meinem Namen. Wo ich denn wohne, wer meine Eltern sind und wo diese sich momentan aufhielten. Ich gab freiwillig und ohne Zögern
Auskunft.
Sicher hat er mich zu meiner Mutti begleitet, nachdem er den Auflauf aufgelöst hatte. Kann sein, dass Mutti nicht erfreut war. Die Strafe war aber nicht heftig, denn an sie kann ich mich nicht mehr erinnern.
JFW 07.11.2016