Fantasy & Horror
Und der Himmel färbte sich schwarz - Kapitel 5

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"Sie kamen plötzlich und sie kamen in Scharen. Und der Himmel färbte sich schwarz."
Veröffentlicht am 30. Oktober 2016, 24 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Schülerin, sechszehn Jahre alt, Hobbyautorin. Ich begeistere mich gerne für Musik und Film, häufig so sehr, dass es anderen um mich herum zu viel wird. Ich liebe das Erfinden und Aufschreiben von Geschichten sowie die Schrift selbst. Wenn ich schreibe, kann ich alles um mich herum vergessen und in meine eigenen Welten eintauchen.
Sie kamen plötzlich und sie kamen in Scharen. Und der Himmel färbte sich schwarz.

Und der Himmel färbte sich schwarz - Kapitel 5

Ich will nicht sterben

Als ich wieder aufwache, spüre ich Stoff unter meinen Händen. Ich taste ein wenig nach dem Untergrund und stelle fest, dass er gleich wieder endet. Das Sofa … Es ist kalt, doch ich spüre ein vertrautes Kratzen in meinem Gesicht. Es ist dunkel, auch nachdem ich die Augen öffne, und ich hebe die Hand, um die Decke ein wenig nach unten zu schieben. Das ist nicht meine Decke, das ist eine Sofadecke … Das Sofa … Ich bin verwirrt, heillos verwirrt. Ich setze mich auf, mir ist schwindlig. In meinen Ohren hallt eine unheimliche

Stimme nach, kratzig und … offen gesagt vollkommen irre, wie ein verrückter Kobold, aufgedreht und wahnsinnig. Dass es kein Traum gewesen ist, ist mir klar. Solche Träume habe ich nie. Außerdem fühle ich mich, als hätte ich diese Situation schon einmal erlebt und irgendwie habe ich nicht einmal Angst. Nur ein ungutes Gefühl pulsiert in meiner Bauchgegend. „Er ist wach …“ Diese Stimme. Ich versteife mich. Meine Hand krallt sich in die Decke. Es ist immer noch dunkel, aber in der nachtblauen Dunkelheit kann ich deutlich einen noch dunkleren Schatten

erkennen, mit Flügeln und einem schmalen Kopf, einen ebenso dürren Körper, ein schauriger Anblick. Die Decke … warum die Decke? Ich bin verwirrt. „Hast du … hast du mir die Decke gegeben?“, frage ich mit heiserer Stimme. Dann, plötzlich, ein Gesicht, direkt vor mir, und ich schrecke zurück. „Er ist blau angelaufen“, erklärt das Monster mir und klingt dabei fast wie ein kleines Kind. Ein gruseliges kleines Kind, eines, das mit einem Küchenmesser den Familienhund tötet. „Kühles Fleisch ist gut, sehr gut, aber frieren soll es nicht, nein …“ Die Fratze entfernt sich wieder.

Ich atme tief durch. Ich lebe. Immer noch. Ich weiß nicht, warum, aber es ist mir egal, solange es so bleibt. Aber … die Frage nach dem wie lange steht leider immer noch im Raum. Vorsichtig, sehr langsam, schäle ich mich aus der Decke, stelle meine Füße auf den Boden. Ich kann den Blick der Bestie spüren, aber er ist nicht missbilligend, vielmehr interessiert. Ich komme mir vor wie ein seltenes Insekt, das ganz genau studiert wird. Aber mein Gefängnis verlassen darf ich nicht. Das ist mir sehr deutlich klargemacht worden. Allein der Gedanke,

dass ich bei einem Fluchtversuch von nun an jederzeit erneut betäubt werden kann, lässt mich alle Überlegungen dahingehend sofort verwerfen. Außerdem kann ich nie wissen, wann es für mich tödlich enden wird. Und ich will nicht sterben. „Kann er gehen? Kann er?“, fragt die Kreatur und kommt näher zu mir heran. Noch während ich aufstehe, frage ich mich, wie ich diese Frage zu verstehen habe, und noch während ich aufstehe, spüre ich, wie der Schwindel mich vereinnahmt, eine heftige Übelkeit überkommt mich, doch mein Magen ist leer, so schrecklich leer. Mein dusteres Umfeld verschwimmt und ich spüre, dass

ich falle, schwarze Punkte tanzen vor meinen Augen. Ich höre einen Knall. „Er kann es nicht“, vernehme ich anschließend eine beinahe enttäuschte Stimme. Im nächsten Augenblick beginnt meine Stirn heftig zu pochen, ich bin ungebremst auf den Couchtisch geknallt, als mein Kreislauf sich ohne große Vorwarnungen von mir verabschiedet hat. Jetzt pumpt mein Herz wieder Blut in meinen Kopf, jetzt, wo ich halb auf dem Boden liege, und jetzt spüre ich auch die Schmerzen nur allzu deutlich. Ich werde ohne besonders viel Vorsicht auf die Couch zurückgezerrt.

„Er soll nicht sterben“, sagt das Monster und deckt mich kompromisslos wieder zu, einschließlich meines Gesichtes, die Wolle kratzt. „Sein Blut soll sich nicht zersetzen.“ Ich ziehe die Decke wieder zurück. „Du willst also mein Blut?“, frage ich. Das Monster starrt nur auf mich herab, ein lebendig gewordener, wahrhaftiger Albtraum. Es blinzelt nicht ein einziges Mal, wie mir jetzt auffällt, immer nur starren mich diese seelenlosen, gelben Augen an. Ich weiß nicht mal, ob es überhaupt Augenlider hat, mit denen es blinzeln könnte. Und ich glaube, dass es keine Lust hat, auf Fragen zu antworten,

deren Antworten offensichtlich sind, denn es scheint mich einfach zu ignorieren. „Wenn du mein Blut willst“, sage ich nun und ziehe die Decke enger um mich, weil sie das einzige ist, das die winterliche Kälte noch ein wenig von mir fernhalten kann, „dann musst du schon was dafür tun. Glaubst du etwa, Menschen würden einfach so Blut nachproduzieren, wenn du sie nur eine Weile in Ruhe lässt und sie warm einpackst?“ „So heißt es“, antwortet die Bestie mir zischend, doch es klingt nicht einmal bösartig. Vielmehr, als hätte sie einen Sprachfehler, der ihr eine klare

Aussprache nicht möglich macht. Ich schnaube. „Menschen sind doch kein Buffet, das immer wieder umsonst aufgefüllt wird“, sage ich. „Auch wir brauchen Nahrung, so wie ihr, und ich für meinen Teil habe verdammt Hunger.“ Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, woher ich plötzlich den Mut nehme, einfach so vor mich hinzuplappern, mit meinem größten Albtraum in einem Zimmer. Vielleicht bin ich verrückt geworden oder das Gift hat meinen Verstand angegriffen oder ich bin einfach nur resigniert, vereinsamt. Ich spinne, kein Wunder, nach all der Aufregung … „Er hat Hunger?“, wiederholt die Bestie verwundert.

„Wir müssen auch essen. Kein Blut und auch kein Menschenfleisch, andere Sachen.“ Warum helfe ich ihm eigentlich so auf die Sprünge, diesem Monster? Hoffe ich wirklich darauf, dass ich zumindest etwas zu essen kriege? Ist diese Schrumpelbirne überhaupt zu logischem Denken fähig? Na ja … immerhin kriegt sie ja recht sinnvolle Sätze zusammen. Das Monster wendet sich für einen Moment ab, bückt sich und als es sich wieder umdreht, bleibt mir vor Schreck beinahe das Herz stehen. Ich quietsche erschrocken auf, als schließlich mein Gewehr auf meiner Brust landet und für

einen Moment wage ich es nicht, mich zu bewegen. Dann, als ich begreife, dass mir nichts passiert, sehe ich vorsichtig auf. Das Gewehr liegt auf der Decke. Ich starre das Monster aus großen Augen an. „Was …?“ „Essen“, sagt das Monster. „Er hat gesagt, er wünscht andere Dinge zu essen. So esse er.“ Mir fallen fast die Augen aus dem Kopf und ich weiß nicht, was ich noch denken soll. Doch dann wandert mein Blick nach unten, ich nehme langsam das Gewehr zur Hand, ich schließe meine Finger darum, spüre den Abzug unter meinem Zeigefinger. Das ist meine Chance.

Doch als ich den Lauf auf das Monster richte, streckt es plötzlich die Hand aus und drückt das Gewehr nach unten, sodass es nun auf meine Füße zeigt. Sofort lasse ich den Abzug los. „Er wird nicht töten“, sagt das Monster. „Sondern essen, wie er gesagt hat.“ Ich schlucke. So viel dazu. Dieses hässliche Vieh ist mehr als nur ein hirnloser Zombie. Es scheint tatsächlich zu nahezu menschlichem Denken fähig zu sein. Jedenfalls hat es meine Absichten durchschaut, auch wenn es sich sonst benimmt wie ein unfähiges Kleinkind, das seine Hände nicht von seinen Füßen unterscheiden

kann, Unbeholfenheit gepaart mit der Brutalität eines wilden Tieres. Ich sehe auf. „Ich kann das Gewehr nicht essen“, sage ich und komme mir selbst dumm vor, während ich diesen Satz sage, als spräche ich mit einem Grundschulkind. „Also was ist dann die Nahrung der Menschen?“ Ich schlucke. „Na ja … vieles. Sowas wie Obst und Gemüse oder Brot. Und außerdem … außerdem habe ich Durst. Ich brauche Wasser …“ Ich komme mir komisch vor, während ich das sage. Fleisch erwähne ich vorsichtshalber lieber nicht. „Warum braucht er eine vollkommen

leere Flüssigkeit?“, will das Monster wissen. „Na ja … der menschliche Körper braucht Wasser, auch um Blut nachzubilden …“ Ich stocke. Und hätte mich am liebsten selbst geohrfeigt. Aus welchem Grund halte ich es bitte instinktiv für die beste Idee, ihm eine weitere Mahlzeit in Aussicht zu stellen? Doch es scheint zu funktionieren. Das Monster sieht aus, als würde es überlegen. Dann geht es entschlossen zur Spüle in der zerstörten Küche und dreht den Wasserhahn auf. Tatsächlich fließt noch klares Wasser in den Rohren. Ich höre das Plätschern und schließlich werde ich

unsanft hochgehoben, zum Waschbecken gezerrt. Als ich davor stehe, auf eigenen Füßen, starre ich das dämonische Wesen für einige Augenblicke einfach nur an. Ich werde nicht schlau aus ihm. Es kennt uns gut, weiß aber nur die Dinge, die es durch Ausprobieren und Beobachten herausgefunden hat. Es weiß, dass wir Wärme brauchen, wie ein Wasserhahn funktioniert und dass unsere Gewehre gefährlich sind. Dass wir Nahrung und Wasser brauchen, zwei absolut grundlegende Dinge, weiß es hingegen nicht. Und dennoch spricht es unsere Sprache. Das ist doch völlig absurd. „Er soll trinken“, befiehlt das Wesen mir

und grob drückt es meinen Kopf ins Waschbecken. Ich halte dagegen und richte mich eilig wieder auf, ich habe Angst, dass mich das Monster in der Spüle ertränken könnte. Dann forme ich mit meinen Händen eine Kuhle und schnell trinke ich so viel Wasser, wie ich nur kann. Es ist kalt, eisig kalt, aber es tut gut. Als ich den Wasserhahn wieder zudrehe, bemerke ich, wie sehr ich zittere. Die kalte Winterluft fegt durch das Loch in der Decke und den Türrahmen herein und ich trage nichts weiter als meine Uniform. Auf Dauer wird sie mich nicht warmhalten. Ohne um Erlaubnis zu bitten, lege ich

mich zurück auf die Couch. Draußen ist es dunkel und außerdem kann ich ja sowieso nicht fliehen, das habe ich mittlerweile begriffen. Ich ziehe mir die Decke bis zu den Ohren und schließe gequält die Augen. „Wenn dein Flügel wieder verheilt ist, was wirst du dann mit mir machen?“, frage ich dann leise. Ich will es wissen, oder auch nicht, ich weiß es nicht … gibt es für mich noch Hoffnung? Ich erhalte keine Antwort, auch als ich lauter frage, werde ich ignoriert. Ich schlucke. Es antwortet nicht auf Fragen, deren Antworten offensichtlich sind … Was bedeutet das für mich? Werde ich

sterben, sobald ich meinen Zweck erfüllt habe? Ich zucke zusammen, als ich eine Hand an meiner Schulter fühle, diese ekelhaft langen, fauligen Nägel, und ich weiche sofort ein Stück davor zurück. „W-was?“, stottere ich, als das Wesen mir immer näherkommt, und am liebsten wäre ich weggerannt. „Er will essen“, sagt das Wesen. „Äh … ja?“ Ich weiß nicht, was ich sonst darauf hätte antworten sollen. „Das Quartier kann nicht verlassen werden. Er wird hungern müssen.“ Ich schlucke. „O-okay. Und … wie lange?“ Ich erhalte keine Antwort.

Das Gesicht entfernt sich wieder und ich lege wieder hin, ich zittere unter der Decke. Ich frage mich, wie viel Blut ich wohl verloren habe und ob ich hier wohl jemals lebend wieder rauskomme. Immerhin zeigt das Gift keine negativen Nachwirkungen. Ich bin müde. Meine Augen beginnen zuzufallen. Ich war zwar lange bewusstlos, doch erholsam war das nicht. Nein, mein Körper kämpft mit dem Blutverlust, mit dem lähmenden Gift, mit der Kälte, dem Hunger. Ganz zu schweigen von der allgegenwärtigen Mangelernährung. Ich fühle mich schrecklich krank, wie im

Fieber, und das hier ist mein verrückter Fiebertraum. Ich zittere, als hätte ich Schüttelfrost, mir steht Schweiß auf der Stirn, weil ich permanent um mein Leben fürchten muss. Mein Körper wird kein Blut nachproduzieren können. Das weiß ich. Ich bin nichts weiter als ein Vorrat, und wenn ich leer bin, werde ich weggeworfen. Denn warum sollte es mich leben lassen? Nein … ich werde nicht weggeworfen. Es wird mir auch das Fleisch von den Knochen nagen, wenn es mich leergesaugt hat. Es wird alles verwerten. Denn auch wir Menschen sind doch so … wir würden doch niemals von einem

Kaninchen nur eine Keule nehmen und das restliche Tier am Leben lassen, weil wir gerade nicht mehr brauchen als das oder weil wir das Kaninchen schonen wollen. Das wäre barbarisch. So gesehen klingt der Tod sogar gnädig. Und dennoch … ich will nicht sterben … Ich vergrabe mein Gesicht zwischen Couch und Sofadecke, ich weine leise und weiß nicht, wie es weitergehen soll, ich fühle mich schrecklich ausgelaugt und krank, allein. Ich denke an Léo und meinen Vater, die nach mir gesucht haben und die mich jetzt vermutlich für tot halten. Und ich weiß, im Grunde bin ich wirklich schon Geschichte.

„Durchsichtiges Blut kommt aus seinen Augen“, sagt das Monster da plötzlich. Ich sehe auf. „Was? Blut?“ „Es schmeckt in gewisser Weise nach Blut“, erklärt die Bestie ruhig. „Beruhigend“, sage ich leise und wische mir mit dem Handrücken über die Wange. Ob es dann jetzt vielleicht meine salzigen Tränen trinken will statt meines salzigen Blutes? Bestimmt nicht …

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Selina2000
Schülerin, sechszehn Jahre alt, Hobbyautorin. Ich begeistere mich gerne für Musik und Film, häufig so sehr, dass es anderen um mich herum zu viel wird. Ich liebe das Erfinden und Aufschreiben von Geschichten sowie die Schrift selbst. Wenn ich schreibe, kann ich alles um mich herum vergessen und in meine eigenen Welten eintauchen.

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