Fantasy & Horror
Und der Himmel färbte sich schwarz - Kapitel 4

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"Sie kamen plötzlich und sie kamen in Scharen. Und der Himmel färbte sich schwarz."
Veröffentlicht am 29. Oktober 2016, 26 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
© Umschlag Bildmaterial: Pakmor - Fotolia.com
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Über den Autor:

Schülerin, sechszehn Jahre alt, Hobbyautorin. Ich begeistere mich gerne für Musik und Film, häufig so sehr, dass es anderen um mich herum zu viel wird. Ich liebe das Erfinden und Aufschreiben von Geschichten sowie die Schrift selbst. Wenn ich schreibe, kann ich alles um mich herum vergessen und in meine eigenen Welten eintauchen.
Sie kamen plötzlich und sie kamen in Scharen. Und der Himmel färbte sich schwarz.

Und der Himmel färbte sich schwarz - Kapitel 4

Er wird gebraucht

Ich öffne die Augen und schnappe nach Luft wie ein Ertrinkender. Ich will mich aufsetzen, eigentlich will ich sogar aufspringen und davonlaufen, und ich weiß nicht einmal so recht, warum. Aber das ist auch egal, denn bewegen kann ich mich nicht. Im nächsten Augenblick kommt die Panik zurück und sie ist mir vertraut, auch wenn meine Gedanken noch immer keine richtige Gestalt annehmen. Erst jetzt bemerke ich die Holzbalken über mir, den Holzboden unter mir. Es ist kalt, so schrecklich kalt, vielleicht ist das der Grund, warum ich nichts

spüren kann. Doch warum kann ich mich nicht bewegen? Was hält mich wie mit Bleifesseln am Boden? Ich bemerke einen schwarzen Schatten aus dem Augenwinkel und mit einem Mal erinnere ich mich wieder an alles, an den Biss, ich spüre mit einem Mal die Wunde an meinem Hals, ich kann jeden einzelnen Kratzer fühlen. Und auch dieses furchtbare Gefühl dieser widerlichen Krallen auf meiner Haut kann ich wahrnehmen, auch wenn es schon lange her ist … Lange? Wie lange? Ich schlucke, als ich den Schatten näherkommen sehe, ich will mich bewegen, zumindest zurückweichen, aber

ich bin noch immer wieder gelähmt. Ist das das Gift? Wie viel Zeit ist vergangen? Was ist passiert? Warum … warum bin ich nicht tot? Ich schließe noch einmal die Augen und bete, dass ich fantasiere, dass ich am Leben und in Sicherheit bin, dass ich gerettet wurde und mein Gehirn mir bloß einen Streich spielt … Plötzlich spüre ich ein Gewicht auf meiner Brust, es nimmt immer weiter zu und drückt mir ohne Weiteres die Luft aus den Lungen, ich reiße die Augen auf und will am liebsten schreien, als ich den Körper auf mir bemerke, deutlich dürrer als die meisten menschlichen

Oberkörper, mit zum Bauch hin heller werdenden, winzig kleinen Schuppen, die feucht schimmern. Ein Gesicht kommt näher, eine dämonische Fratze mit zwei proportional viel zu kleinen, gelben Augen mit schlitzförmiger Pupille. Ich sehe diese Augen zum ersten Mal aus der Nähe und sie scheinen mich aufzuspießen, mir die Haut vom Gesicht zu pellen. Ich kann meinen Blick nicht abwenden. Erst, als sich der Kopf langsam in die Richtung meines Halses bewegt, drehe ich den Kopf zur Seite und schließe wieder die Augen. Bitte nicht, bitte nicht … bitte nicht noch einmal

… Ich habe keine Ahnung, warum ich überhaupt noch atme, aber ich weiß, das nächste Mal werde ich nicht überleben, dieses Mal werde ich am Ende nur noch eine leere Hülle sein … Eine Träne rinnt mir aus dem Augenwinkel, doch plötzlich zieht die Bestie ihren Kopf zurück, ich kann sehen, wie sie mich mustert, als ich die Augen kurz einen spaltbreit öffne. Dann wieder dieser faulige Atem in meiner Nase, als plötzlich die gespaltene, schwarze Zunge meine Wange berührt, meine Tränen auffängt. Ich zucke angewidert zurück. „Er riecht nach Angst“, schnarrt das

Monster da plötzlich. Erneut werden meine Augen groß. Es spricht. Ja … es hat sogar … vorhin gesprochen. Wann auch immer das gewesen sein mag. Ich habe mein Zeitgefühl verloren. Egal. Es spricht. Es klingt merkwürdig, fremd, aber ich habe die Worte deutlich verstanden. Warum zum Kehricht spricht es? Können alle Bestien sprechen? „Sie verleiht seinem Blut eine ganz besondere Würze“, spricht das Wesen weiter und ich sehe einen schwarzen Flügel neben meinem Körper sanft auf und ab schlagen, die Federn streichen hauchzart über den staubigen Boden. „Aber Geduld.“ Ich spüre, wie das

Gewicht abnimmt, als das Wesen von meinem Körper steigt, es entfernt sich von mir und sein Gang ist unbeholfen, wie der eines Kleinkinds, denn seine Klauen scheinen nicht zu Gehen gemacht zu sein. Ich kann außerdem sehen, dass einer seiner großen Flügel merkwürdig geknickt herabhängt … beinahe, als ob diese majestätische Schwinge verletzt wäre. Tatsächlich kann ich auch dunkles Blut in den Federn kleben sehen … ist es meines oder das der Bestie? Ich versuche angestrengt, meine Hand zu heben. Mein Kopf schreit nach Flucht, er will nicht mit diesem Wesen in einem Raum sein und ich will das

auch nicht. Schließlich gelingt es mir, mich mit einem Arm schwerfällig in die Höhe zu stemmen, ich bin vollkommen entkräftet und mein Körper fühlt sich steif und schwer an, so als ob er gar nicht mir gehören würde, aber das ist egal, ich weiß es besser und er hat mir gefälligst zu gehorchen. „Was tut er da?“ Die Stimme lässt mich aufsehen und ich breche kraftlos wieder zusammen. Die Bestie kommt wieder auf mich zu, aus meiner Perspektive ist sie riesig. Ich habe Angst, nein, Panik, ich will weder liegenbleiben, um mich hier wie auf dem Silbertablett zu servieren, doch noch den Tod zu empfangen, noch will

ich bei einem Fluchtversuch getötet und dann genauso ausgeschlürft werden. Am liebsten möchte ich einfach gar nicht sterben, ist das denn zu viel verlangt? Ich stemme mich wieder in die Höhe, ich keuche vor Anstrengung, in meinen Fingerspitzen beginnt es zu kribbeln. Mir ist egal, dass die Bestie bemerkt hat, dass ich fliehen will. Ich will einfach nur weg von hier. Ich fürchte mich zu sehr, um rational nachzudenken. Dummerweise braucht es nur eine ihrer Vogelklauen, um mich wieder auf den Boden zurückzudrücken. „Er wird nicht fliehen“, sagt das Wesen gebieterisch. „Er wird

gebraucht.“ Spricht das Monster in der dritten Person zu mir? Das Gewicht nimmt zu und wieder wird mir die Luft aus den Lungen gedrückt, dieses Mal ganz langsam, beinahe quälend langsam. Es schmerzt, es fehlt die Luft. Ich habe das Gefühl, die Bestie will mich in den Boden einarbeiten, damit ich nicht mehr abhauen kann. „Wofür … wofür brauchst du mich?“, frage ich schließlich gepresst. Das Monster lässt mich los und ich drehe mich zurück auf den Rücken, atme erleichtert auf. Es mustert mich lange, sehr lange, aber es antwortet mir nicht. Es wendet sich

nur von mir ab und geht zurück, hockt sich auf das mit Betonstaub bestreute Sofa und beginnt, sich mit den Krallen durch die Federn seiner Schwingen zu fahren. Sprechen will es nicht mit mir. Ich zögere. Ich begreife ehrlich gesagt gar nichts mehr, nur, dass ich immer noch lebe dringt ganz schwach zu mir durch, und ich frage mich, ob ich es wirklich darauf anlegen sollte, noch einmal einen Fluchtversuch zu wagen, immerhin kann ich ja nicht wissen, wie lange dieses Monster noch vorhat, gnädig zu sein mit mir. Aber andererseits … wie lange soll ich mir denn noch alles abfrieren? Ich muss weg von hier, sonst bin ich in jeder

Hinsicht tot … Ich versuche erneut, aufzustehen, und dieses Mal klappt es besser. Das unheimliche Dämonenwesen scheint ganz damit beschäftigt zu sein, seine Flügel zu pflegen, und so sehe ich mich nach dem Ausgang um, versuche, mich davonzuschleichen, obwohl ich meine Füße nicht spüre und meine Beine weich sind wie Wackelpudding. Ich frage mich nicht, warum es so ist, wie es ist. Warum ich noch lebe, warum das Wesen spricht, warum es hier ist, das ist alles völlig egal. Ich will nur nach draußen und dann weg von hier. Ich will nach Hause, zu meiner Familie, dorthin, wo ich mich sicher fühle.

Doch plötzlich höre ich erneut Schritte, schnelle Schritte, etwas wirft sich mit voller Wucht auf mich, etwas umklammert mit langen sehnigen Armen meinen Oberkörper und bringt mich zu Fall. Mein Brustkorb wird erneut zusammengequetscht, als es auf mir landet. „Er ist schwierig …“, sagt das Monster dicht an meinem Ohr. „Lebendige Menschen sind äußerst schwierig …“ Es steht auf und zieht mich am Hemdkragen zu sich in die Höhe, ich kann nichts anderes tun, als einfach irgendwie mit den Füßen Kontakt zum Boden zu halten, um nicht durch mein eigenes

Gewicht erdrosselt zu werden. Das Monster mustert mich und mir stockt der Atem, als ich diese kalten Augen sehe, dieses starre, unergründliche und dämonische Gesicht, das dem einer Gletscherleiche ähnelt, so dunkel und ausgedorrt. „Doch getötet werden kann er nicht“, spricht die Bestie weiter und mittlerweile glaube ich, dass sie doch eher Selbstgespräche führt. „Sein Blut wird sich zersetzen und sein Fleisch wird faulen …“ Es schüttelt angewidert den Kopf, dann trägt es mich ohne Mühe zur Couch und wirft mich wie einen Gegenstand über die Lehne, schwungvoll falle ich auf der anderen Seite wieder herunter, stoße mir den

Kopf am Kaffeetisch, nachdem ich mich überschlagen habe. Ich sehe zu dem Monster auf und versuche, mich selbstständig wieder aufzurichten, auch wenn mir unter diesem eiskalten Blick beinahe die Beine versagen. Doch schließlich ziehe ich mich am Sofa wieder in die Höhe und sehe dann die Bestie an. „Er wird nicht fliehen“, wiederholt das Wesen auf meinen Blick hin stur. „Und … warum nicht?“, frage ich einigermaßen mutig und ziehe gleichzeitig den Kopf ein. „Er wird gebraucht“, wiederholt es seine Worte von vorhin. „Und … wofür?“, will ich wissen.

Allmählich beginne ich zu glauben, dass wir miteinander kommunizieren können, so verrückt es auch sein mag. „Er wird Nahrung sein“, erklärt das Wesen und fährt sich wieder mit einer Hand durch die Federn seiner linken Schwinge, sieht mich dabei nicht einmal mehr an. „Bis der Knochen geheilt und das Fliegen wieder möglich ist.“ Es sieht wieder auf. Ich schlucke. Als ob ich freiwillig bei diesem Monster bleiben würde … das steht nun wirklich nicht zur Debatte. Ich habe keine Lust, mich als Nahrung anzubieten … Unauffällig sehe ich mich um. Wo ist mein Gewehr, das ich gestern verloren

habe? Ah, da. Es liegt vor dem erloschenen Kamin, genau da, wo ich gestern angegriffen worden bin. Ich schlucke. „Hast … du dieses Haus zum Einsturz gebracht?“ Die Bestie wendet sich von mir ab. „Ein harter Kampf, letzten Tag. Der Sturz hat den morschen Stein brechen lassen. Und nicht nur den Stein.“ Wieder dieser Griff mit der rechten Hand an den linken Flügel, der aus dem Rücken wächst und traurig gen Boden hängt. Es ist das erste Mal, dass ich eine Bestie aus der Nähe sehe. Zum ersten Mal sehe ich, dass sie sechs Gliedmaßen haben, zwei Beine, die in vogelähnlichen Krallen münden, zwei Arme, an deren

Ende schmale Hände mit langen schwarzen Nägeln sitzen und dann haben sie noch die beiden Flügel, die ebenfalls mit je einem Greifer am Ende des kräftigen Knochens ausgestattet sind. Wie Fledermäuse mit zusätzlichen Armen also. „Du … hast dir den Flügel gebrochen?“, hake ich vorsichtig nach. Was mache ich hier? Warum unterhalte ich mich mit einem dieser Dämonen? Ich erhalte keine Antwort. Also schiele ich wieder zu dem Gewehr, bewege mich möglichst unauffällig darauf zu, doch bevor ich es in die Hand neben kann, tritt die Bestie es weg. Wann hat sie sich

bewegt? „Er wird nicht fliehen“, wiederholt die Bestie erneut. „Das wird er nicht. Nicht wahr?“ Ein Zittern läuft durch meinen Körper. Wie lange noch wird das Dämonenwesen mich ungestraft lassen? Ich drehe mich zu dem Gewehr um, doch ich wage es nicht, dem Wesen länger meinen Rücken zuzuwenden, also blicke ich es wieder an. „Er wird hierbleiben“, versetzt das Monster ruhig. Ich erwidere darauf nichts. Stattdessen bricht mir der Schweiß aus. Was wird hier gespielt? Ich versteife mich, als das Monster

näherkommt, seine platte Nase nähert sich meinem Gesicht, streift es kurz und ich kann nur minimal zurückweichen. Ich habe zu viel Angst. „Er riecht noch immer gut“, raunt das Monster und zieht sich wieder zurück. „Er wird Nahrung sein für die nächsten Tage, bis der Knochen geheilt ist.“ Ich versuche, zu begreifen. Was hat es vor? Es hat etwas von einem Kampf und einem Sturz gesagt. Ein einfacher Sturz hat genügt, um ein ganzes Wohnhaus zusammenbrechen zu lassen? Und dabei hat der Dämon sich den Flügel gebrochen? Und nun will er warten und mich als Konserve benutzen? Allein der Gedanke genügt für eine

ordentliche Gänsehaut. „Warum … gehst du denn nicht nach draußen?“, frage ich vorsichtig. Was versuche ich damit zu sagen? Dass es lieber andere Menschen jagen gehen soll, anstatt mein Blut zu trinken? Mit einem Mal ekle ich mich vor mir selbst, aber zugleich … will ich eben auch nicht sterben. „Das Fliegen ist nicht möglich“, erklärt das Wesen mir. Allmählich glaube ich, dass es Probleme damit hat, mich direkt anzusprechen. Und von sich selbst spricht es gar nicht, nicht einmal in der dritten Person. Na ja, worüber mache ich mir hier eigentlich Gedanken? Gibt es im

Augenblick nichts Wichtigeres? „Verstehe“, sage ich einfach nur, weil mir nichts anderes einfällt. Unbewusst taste ich nach der Wunde an meinem Hals und spüre, dass sie nicht blutet. Klar, sonst wäre ich sicherlich schon tot. Sie ist trocken und ich kann nur die beiden Löcher fühlen, wie zwei Narben. Ich erinnere mich an die Zunge, die darüber geleckt hat und es schüttelt mich. Ich sehe auf, als ich Stimmen höre, bekannte Stimmen. Menschliche Stimmen. Vater. Léo. „Ich glaube nicht, dass er tot ist. Er muss hier sein oder irgendwo anders. Ich werde nicht aufhören, nach meinem

kleinen Bruder zu suchen, hast du gehört!“ Ich hole erleichtert Luft und will rufen, aber im nächsten Augenblick reißt die Bestie mich erneut zu Boden, presst mir seine Krallen auf den Mund, es ruft in mir Ekel hervor, schon beinahe Brechreiz. Es zieht mich in die Höhe, schleppt mich zu einer kleinen Kammer, deren Zugang man von außen gar nicht sehen kann. „Schon wieder“, zetert es dabei leise. „Nicht schon wieder diese fremden Menschen …“ Schon wieder? Soll das etwa heißen, sie sind schon einmal …? Ich greife entschlossen nach der Pranke

auf meinen Lippen, will sie wegziehen, ich versuche, mich zu befreien und tatsächlich schaffe ich es für einen Augenblick, meinen Mund freizubekommen, doch im nächsten Moment dringen scharfe Zähne in meine Haut ein und zugleich legt sich der dünne Arm fest um meinen Hals, sodass ich nur hilflos nach Luft schnappen kann, an Sprechen oder gar Rufen ist nicht mehr zu denken. Ich glaube, ich kann sogar das Gift spüren, das in meine Blutbahn sickert. Und dabei hat sich mein Körper doch noch nicht einmal von der letzten Dosis erholt … Tränen treten mir in die Augen, ich höre

Stiefel auf den Dielen. Nur eine einzige Tür trennt mich von der Rettung, doch es scheinen Meilen zu sein. Ich spüre, wie mir das Gift das Bewusstsein nimmt. Nicht schon wieder … „Er wird nicht fliehen“, höre ich diese koboldartige, beinahe verzweifelte Stimme an meinem Ohr. „Er wird nicht fliehen … dieser Mensch … wird gebraucht …

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Selina2000
Schülerin, sechszehn Jahre alt, Hobbyautorin. Ich begeistere mich gerne für Musik und Film, häufig so sehr, dass es anderen um mich herum zu viel wird. Ich liebe das Erfinden und Aufschreiben von Geschichten sowie die Schrift selbst. Wenn ich schreibe, kann ich alles um mich herum vergessen und in meine eigenen Welten eintauchen.

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