Einleitung
Eine alte Schlacht wurde wieder entflammt. Der Erbe des Imperiums ist verschollen. Und das Ende scheint gekommen. Während die Anhänger des Herrn der Ordnung das Kaiserreich in die Knie zwingen wird Galren Lahaye von Visionen geplagt, die ihn an den Rand des Wahnsinns treiben. Gejagt von den Kultisten des roten Heiligen, muss er erkennen, dass der der erste Unsterbliche ganz eigene Pläne mit ihm hat. Genauso, wie für den Sohn des Kaisers…
Und während Galren noch nach einer
Lösung sucht, scheint der Kampf bereits so gut wie verloren , denn als der Kaiser die Männer Cantons für eine letzte Schlacht Sammelt, kehrt ein weiterer alter Feind zurück. Und grade dieser könnte sich als letzte Rettung erweisen. Doch um welchen Preis? Der Kampf um das Schicksal Cantons wird zu einem um das Schicksal allen Lebens…
Währenddessen nimmt auch der Aufruhr unter den Zwergen immer mehr zu. Jetzt wo sie ihr neues Land verloren haben, ohne es je zu sehen, zerbricht der wenige Zusammenhalt zwischen den Häusern immer mehr und der neue König Hadrir Silberstein steht vor der Herausforderung, seine Leute für die
kommende Schlacht zu einen… oder alles zu verlieren.
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Kapitel 88 Ende einer Ära
Die Sonne brach durch die Wolken und enthüllte die Ruinen dessen, was einst das große Heiligtum des Herrn der Ordnung hätte werden sollen. Geborstene Streben und Türme ragten wie die Finger einer Skelett-Hand gen Himmel. Der Staub hatte sich gesetzt und enthüllte die Zerstörung, die das Erdbeben angerichtet hatte. Die roten Felswände des Tals waren auf allen Seiten eingestürzt und hatten es vergrößert und gegen Osten war das Land selbst aufgerissen und formte nun eine natürliche Erweiterung zur Schlucht des roten
Tals.
Seite an Seite standen sie über der von der Sonne erhellten Senke und sahen zu, wie ihre Strahlen wärmend und reinigend über das Land fielen. Die Luft roch nach den letzten Regenfällen sauber und kühl und brachte den Duft des Frühlings von ersten Blütenknospen und neuen Blättern mit sich. Es war, als wäre die Welt gereinigt worden, Asche und Schmutz waren hinweg gespült worden und nun glitzerten die letzten Tautropfen überall im Licht, verwandelte die Welt in ein Kaleidoskop aus Farben. Und über ihren Köpfen schwebte das Banner Cantons, das alte wie das neue.
Gardisten und die überlebenden
Anhänger des Herrn der Ordnung hatten sich über die Ebene verteilt und ihre Zelte aufgeschlagen. Manche leckten ihre Wunden, andere tranken oder unterhielten sich. Die meisten der Kultisten jedoch hockten dicht an dicht, die Köpfe gesenkt, als wäre mit dem Tod ihres Meisters auch ihr Wille zu leben geschwunden. Naria konnte sich kaum vorstellen, was sie fühlen mochten, als sie zu ihnen zurück blickte. Und auch wenn ein Teil von ihr meinte, dass sie kein Mitleid mit ihnen haben sollte… in ihrem tiefsten inneren wusste sie wie es war, wenn einem alles genommen wurde. Nach wie vor zog sie ein Bein leicht nach, während sie auf Träumer zutrat.
Der ehemalige Geweihte wachte über seine verzweifelten Brüder und sprach leise zu ihnen und tatsächlich schienen seine Worte ihre Wirkung zu tun. Manche hoben den Bick, von Tränen verschleiert zwar, doch schien auch wieder so etwas wie Hoffnung darin zu glimmen.
Träumer bemerkte sie und wendete sich von seinen Anhängern ab. Und das waren sie nun, dachte Naria. Ob er es wollte oder nicht, er war wohl der einzige Führer den diese verlorenen Männer und Frauen noch hatten. Doch eine Frage brannte in ihrem Verstand, eine auf die sie nach wie vor keine Antwort erhalten hatte. Und so winkte sie Träumer mit
sich, zum Rand der Klippen, etwas abseits der anderen.
,, Was ist in diesem Tempel wirklich passiert ? Galren meinte, der Herr der Ordnung wäre vernichtet, aber… Ich weiß wenn ich angelogen werde. Janis spürt es auch, aber er hinterfragt es nicht. Und ich glaube nicht, dass es überhaupt jemand möchte. Wir haben uns alle Ruhe verdient. Doch obwohl das hier alles nach einem Sieg aussieht, will mir der Gedanke keine Ruhe lassen… Ist er also wirklich fort? Ist es vorbei?“
Träumer antwortete nicht sofort, sondern ließ den Blick einen Moment über das rote Tal und die übrigen von Narias Gefährten schweifen. Noch immer lösten
sich kleinere Lawinen von den instabilen Steilwänden unter ihnen. Armell und Merl lagen sich in den Armen, während sie dem Schauspiel zusahen. Zachary stand etwas abseits von ihnen und lächelte kaum merklich in sich hinein, während Janis mit Syle die nahegelegenen Zeltlager durchstreifte und bereits ganz wie ein Kaiser wirkte. Hadrir und seinesgleichen hatten währenddessen bereits wieder einen Rat einberufen, doch was immer dabei zu besprechen war, Naria war sich irgendwie sicher, dass der unfreiwillige Zwergenkönig sich behaupten würde. Elin und Galren hingegen waren bereits dabei alles für ihren Aufbruch nach Vara
vorzubereiten. Sie gönnte es ihnen. Die beiden konnten etwas Ruhe vertragen. Und sie selbst ? Naria wusste es nicht. Maras, dachte sie. Die Insel lag nach wie vor in Trümmern und man würde dort jede Hand für den Wiederaufbau brauchen. Und doch fiel es ihr nicht so leicht wie den anderen, frohen Muts in die Zukunft zu schauen. Nach wie vor lagen Schatten auf ihrer Seele und Narben auf ihrem Körper die sie nicht vergessen konnte. Vielleicht war sie es deshalb auch, die die entscheidende Frage stellte.
,, Das sind zwei unterschiedliche Fragen. Mit unterschiedlichen Antworten.“ , meinte Träumer nachdenklich. ,, Der
Kampf ist jedenfalls entscheiden. Aber was den Herrn der Ordnung angeht… Er war ein Unsterblicher, vergesst das nicht. Und ein solches Wesen kann niemals wahrhaft sterben. Und doch habe ich ihn getötet.“
Narias Augen wurden weit, als sie verstand. ,, Heißt das…“ Sie kam nicht dazu, den Satz zu beenden, als Träumer sich zu ihr umdrehte. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen als er ihr eine Hand auf die Stirn legte. Goldenes Licht umspielte seine Finger. Naria konnte die Wärme die davon ausging auf ihrem Gesicht spüren und in ihren Venen, als es durch ihre Haut zu dringen schien, in jeden Winkel ihres
Körpers getragen wurde. Es war ein Gefühl wie… ihr wollten keine Worte einfallen. Wie Sommer. Wie frisches Heu und Lachen und alle Dinge die in sich irgendwie gut waren zusammen. Und irgendwie vollbrachte es, was die letzten Wochen nicht vermocht hatten und trieb die Schatten auf ihrem Geist zurück. Vernichten konnte es sie nicht. Das konnte wohl wirklich nur sie selbst. Aber es machte es erträglicher. Naria war überrascht keinen Schmerz zu spüren, als sich ihre Narben schlossen und unter unberührter Haut und dichtem Fell verschwanden. Und auch ihr Fuß richtete sich, als Knochen und Sehnen wieder normale Form annehmen, erneut
ohne jedes Unwohlsein, abgesehen von der Wärme, die sie schon die ganze Zeit durchflutete. Und dann war auch das weg, als Träumer die Hand sinken ließ und sich ohne ein weiteres Wort abwendete. Langsam stieg er über die Felsen in Richtung Talgrund hinab. Und einer nach dem anderen erhoben sich seine Anhänger und folgten ihm. Naria konnte der Prozession nur eine Weile nachsehen. Vielleicht war es die Sonne oder nur die Nachwirkungen des Zaubers, aber einmal meinte sie über Träumers Silhouette noch eine andere Form zu erkennen. Ein Wesen in Weiß mit gleißenden Schwingen statt dunklen Knochen und eingehüllt von Licht statt
von Schatten… Träumer führte seine Schafe fort, ohne noch einmal stehen zu bleiben. Durch die Ruinen und hin zu dem geborstenen Tempel und darüber hinaus.
,, Wohin geht er ?“ Janis war neben sie getreten. Es lag keine Feindseligkeit in seiner Stimme und kein Misstrauen. Nur ernsthafte Neugier.
,, Ich weiß es nicht.“ , gestand Naria ihm. ,, Aber… Ich glaube er hat endlich gefunden, was er immer gesucht hat. Diese Leute werden einen Anführer brauchen. Und sie sind jetzt sein Volk…“
Gemeinsam sahen sie zu, wie die Reste von Träumers Schar endgültig außer Sicht im roten Tal verschwanden. Die
Sonne brannte auf sie herab und brachte das Land in allen Farben zum Leuchten, vom Rot der Felsen über das Grün der Bäume und das Braun der ausgedörrten Ebenen bis hin zu den Ruinen des alten Volkes, weiß wie alte Knochen. Ein neues Zeitalter hatte begonnen. Eines des Wiederaufbaus. Die Linie der Belfare hatte ihr Ende erreicht. Doch neben dem zerfetzten Banner von Löwe und Adler wehte der silberne Baum im Wind. Naria lächelte.