Kurzgeschichte
Gleichgewicht

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"Gleichgewicht"
Veröffentlicht am 22. Oktober 2016, 62 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich bin hier auf der Suche nach Verbesserungsvorschlägen, konstruktive Kritik und Anregungen. Ich schreibe hauptsächlich um Erinnerungen, Träume und Gefühle zu verarbeiten. Dementsprechend sind meine Geschichten auch recht düster. Allerdings sind meine Gedanken und Gefühle in meinen Geschichten stark abstraktiert, bildhaft und teils stark überspitzt dargestellt.
Gleichgewicht

Gleichgewicht

Prolog

Es war früh am morgen, die Sonne war noch nicht zu sehen. Stattdessen hing der Vollmond hoch am Himmel und tauchte die Szenerie in ein schwaches und zugleich Mystisches Licht. Dieses Licht verlieh dem Wald ein eigenartiges Flair. Seine Bäume standen da wie große unbezwingbare Wächter die die Geheimnisse des Waldes hüteten. Durch diesen Wald führte eine Straße. Aus unserer Perspektive, nämlich der eines Vogels, der gerade über dem Wald

die Straße entlang flog, hatte weder die Straße noch der Wald ein Ende. In der ferne tauchte auf der Straße ein blinkendes Blaulicht auf, das sich auf ihn zu bewegte. Es bewegte sich sehr schnell auf ihn zu. Einen Augenblick später bemerkte er, das es nicht ein blinkendes Blaulicht war, sondern zwei.

1.

"Wenn der morgen noch lebt, hat er jedes Recht ab sofort zwei Geburtstage zu feiern.", meinte der Notarzt, zu dem Sanitäter auf der anderen Seite der Liege auf dem ein übel zugerichteter Mann lag. Der Sanitäter nickte, während er eine Infusionsflasche deren Schlauch in der Vene des Mannes auf der Liege endete, an einer Halterung an der Decke befestigte. Vor wenigen Minuten haben sie den männlichen Patienten, nachdem sie ihn stabilisieren konnten, in den

Rettungswagen gebracht und anschließend sofort Richtung Krankenhaus losgefahren. Jetzt fuhren sie mit hoher Geschwindigkeit und eingeschaltetem Blaulicht durch den Wald. Sie waren in eile und die war notwendig. Der Patient, dessen Identität sie mangels Ausweispapiere nicht kannten, wurde Opfer eines Gewaltverbrechens. Er wurde angeschossen und zwar drei mal. Eine traf ihn auf der rechten Bauchseite auf Höhe der Leber. Die zweite verfehlte offensichtlich nur knapp sein

Herz. Und die dritte traf in drei Zentimeter über der Nase in die Stirn. Das Projektil musste noch im Gehirn stecken, den es war keine Austrittswunde zu sehen. Der Notarzt holte aus einem Schrank einen Infusionsbeutel mit zwei Liter Kochsalzlösung heraus. Der Patient hatte viel Blut verloren. Jedoch konnten sie ihm keine Bluttransfusion anlegen solange sie noch nicht die Blutgruppe ermittelt hatten. Da es jedoch erforderlich war das fehlende Blutvolumen zu ersetzen, um

einen Kreislaufkollaps zu verhindern, taten sie das vorübergehend mit einer speziellen Kochsalzlösung die den selben Salzgehalt wie das Blut hatte.Im Operationssaal würde er dann Blut bekommen. Vorausgesetzt, er würde beim Eintreffen in der Klinik noch leben. Überhaupt war es schon ein Wunder, das er bei ihrem Eintreffen am Tatort noch am Leben war. Er lag auf einem geschotterten Parkplatz im Wald, das Blut um ihn herum schon zu einem nicht geringem Teil geronnen. Er musste da schon ungefähr eine Stunde

gelegen haben. Plötzlich ertönte ein vertrautes Geräusch, das ihn jedes mal auf neue aufschrecken ließ. Denn es kündigte an, das die nächsten Minuten so richtig stressig werden würden, weil es jetzt um Leben und Tod ging. "ding ding ding ding .....". Unablässig und alles durchdringend. Der Herzmonitor schlug Alarm. Ein Blick auf den Monitor und er wusste Bescheid. "Kammerflimmern.", rief der Arzt. Der Herzmonitor zeigte an, das das Herz pro Minute fünfhundertdreißig mal

schlug. Obwohl man hier nicht mehr von schlagen sprechen konnte. Denn obwohl der Mediziner das Herz in dieser Situation nicht durch die Haut hindurch sehen konnte, wusste er, das der Herzmuskel sich bei jeder Kontraktion nur wenige Millimeter bewegte. In seiner Phantasie erschien kurz das Bild eines Herzens dessen äußere Haut zu flimmern schien. "Laden sie 100 auf die Paddles." Mit Paddles war der Defibrillator gemeint, er

nannte ihn immer so, wegen der beiden Elektroden die am Patienten angelegt wurden um das Herz des Patienten zu schocken. Diese Elektroden nannte man Paddles. In der Zwischenzeit erhöhte er den Sauerstoffanteil der Luft, mit der der Patient über eine Beatmungsmaschine beatmet wurde um zehn Prozent und begann daraufhin mit der Herzdruckmassage. "Hängen sie eine ein Liter Infusion synthetischen Hämoglobin an." Das war notwendig, da die Kochsalzlösung zwar das fehlende

Volumen ersetzte aber nicht in der Lage war Sauerstoff durch den Körper zu transportieren. Normalerweise durfte nur der Arzt etwas intravenös verabreichen. Doch in diesem Fall wurde bereits ein Zugang zur Vene gelegt. "Die Paddles," rief er während er die Hände vom Patienten nahm um keinen für ihn eventuell tödlichen Stromstoß ab zu bekommen "Schuss!" Ein Flop war zu hören während der Stromstoß in den Oberkörper des Patienten fuhr. Durch den Stromschlag zur Kontraktion

angeregt zogen die Bauchmuskeln sich zusammen wodurch der Brustkorb des Mannes sich etwas anhob, während Kopf und Bauch liegen blieben. Das Herz flimmerte unverändert weiter. "nochmal, " noch ein Flop, es flimmert immer noch "nochmal" ein weiteres Flop gefolgt von einer Anhebung des Brustkorbs. Das Herz beeindruckte das nicht. Er begann wieder damit einhundert mal pro Minute den Brustkorb zwei bis vier Zentimeter tief einzudrücken.Oft wenn er sich an die Technik dieser Herz- Kreislauf Reanimation erinnerte, wusste

er einen guten Grund, warum eine Mitgliedschaft in einem Fitnesscenter für ihn überflüssig wäre. Das knacken mit dem einzelne Rippen gebrochen waren, hatte er schon so oft gehört, das er es dieses mal gar nicht wahrnahm. Verdammt, wir verlieren ihn. Diesen Gedanken hatte er schon oft, seine Fähigkeit Überlebenschancen einzuschätzen wurde schon Jahrelang trainiert und verfeinert. Es stand alles andere als gut um diesen Namenlosen

Mann. Seine bisherigen Reanimierungsversuche zeigten keine Wirkung. Er musste die richtige Joule Einstellung finden. Joule war die Einheit in der die stärke der Stromstöße angegeben wurden, die der Defibrillator abgab. Die mussten hoch genug sein, aber nicht zu hoch um irreversible Schäden zu vermeiden. Bei einem Kammerflimmern schlug das Herz nämlich viel zu schnell. Nämlich mit dreihundert bis achthundert Schlägen pro Minuten. Das es dabei keine Kraft aufbringen kann sollte eigentlich

jedem klar sein. Der Defibrillator schockt den gesamten Herzmuskel, mindestens achtzig Prozent der Herzmuskelzellen so stark, das sie für circa zweihundert-fünfzig Millisekunden blockiert sind und nicht kontraktieren können. Durch diese kurze Zwangspause oder wie er es gerne nannte ultra- kurzer Herzstillstand, konnte man mit der richtigen Frequenz und Stärke der Stöße das Herz dazu bringen seine Schlagfrequenz wieder zu normalisieren. Er sah oft in Filmen, das die Menschen damit ein stehendes Herz wieder zum

Schlagen bringen. Dadurch kam es, das er viel Zeit damit zu verbringen Medizin Laien erklären zu wollen das das Schwachsinn sei, das ein Defibrillator bei Herzstillstand nichts bringen würde. "Laden sie dreihundert Joule auf die Paddles." Alles oder nichts, er riskierte mit dieser drastischen Erhöhung, das der Stromschock zu stark war und er das Herz, oder Nerven schädigte. Gleichzeitig hatte er jedoch das Problem, das er keine Zeit mehr hatte sich an

die richtige Stärke heranzutasten. Mit jeder Sekunde die das Herz mit dieser hohen Frequenz flimmerte stieg das Risiko, eines plötzlichen Herztodes. Danach könnte er nichts mehr tun. Er brauchte gar nicht erst abzuwägen. Ein paar leichte Organ oder Nervenschäden, die mit der Zeit heilen könnten, waren eindeutig weniger schlimm als die nächsten Sekunden bis Minuten zu sterben, irreversible. Er streckte die Arme aus und nahm die Paddles. Wenn er schon mal mit

seiner Entscheidung ein Risiko einging, wollte er zumindest auch der sein, der sie ausführte. Er drückte den Knopf, worauf die Paddles sich mit einem hohen leisen Pfeifton auf luden.Legte beide am Brustkorb an und drückte ab. Das Flop war deutlich lauter und die Kontraktion, die den Brustkorb hoch riss heftiger. "Auf dreihundert-fünfzig erhöhen." Weiter hoch sollte er nicht gehen. Er lud auf, setzte die Paddles an und "Flop". Das Herz flimmerte immer

noch. Dieses mal schaute er auch auf die Anzeige, die seit dem ersten Alarmtones des Herz Monitors anfing ähnlich einer Stoppuhr die Minuten und Sekunden zu zählen. Sie zeigte zwei Minuten und achtundvierzig Sekunden an. Er hatte keine Zeit mehr. Selbst wenn sein Herz nicht kollabierte, nach fünf Minuten musste man davon ausgehen, das sein Gehirn so schwere Schäden davongetragen hatte, das der Patient für immer ein Pflegefall sein sollte. Es sei den man kühlt in herunter. Der Gedanke kam plötzlich. "Wie lange

noch bis zum Eintreffen in der Klinik?" Er hatte einen Plan. "Sechs Minuten.", war die Antwort. Zu lange, es sei den er wäre gekühlt. Seine Körpertemperatur auf neunzehn Grad Celsius zu reduzieren sollte reichen um irreversible Schäden zu vermeiden. Im OP hätten sie dann die Möglichkeit ihn wieder zu reanimieren. " Eisgekühlte Elektrolytlösung anhängen um Herzstillstand zu erzeugen. Danach seinen Körper in Kühlmatten einwickeln und Körpertemperatur auf 19 Grad

herabsetzen." Gespannt beobachtete er die Anzeige der Körpertemperatur auf dem Monitor. Sie stand immer noch bei siebenunddreißig Grad Celsius. Der Körper des Mannes war auch noch nicht ganz eingewickelt. Kurz bevor die Temperatur anfing herunter zu gehen, sah er in dem oberen Feld, das den Puls als Zahl und Flussdiagramm darstellte, das aus der Zahl ein Fragezeichen wurde und das Flussdiagramm statt Kurven die aussahen als kämen sie aus einem Seismographen und nicht aus einem Herz Monitor, eine gerade Linie

wurde. Er hatte das Herz erfolgreich angehalten. Danach sank die Körpertemperatur schnell, so das sie kurze Zeit später bei neunzehn Grad war. Der Arzt schob das Schiebefenster zur Fahrerkabine zur Seite. "Funken sie das Krankenhaus an. Der Patient ist bis auf weiteres stabil. Allerdings mussten wir ihn auf neunzehn Grad herab kühlen. Und fragen sie wann die Neurochirurgen aus Heidelberg ankommen." Der Beifahrer des Rettungswagens nahm das Funkgerät und nahm Kontakt zur

Klinik auf. Nach einigen Sätzen drehte er sich um. "Die Chirurgen sind über die Abkühl Maßnahme informiert. Und der Hubschrauber mit den beiden Neurochirurgen landet in zehn Minuten." Fünfzehn Minuten um mit dem Hubschrauber von Heidelberg nach Mosbach zu fliegen. Plus die Zeit, die es braucht um die beiden Spezialisten zum Hubschrauber zu bringen.Das klingt dann doch unrealistisch. Es sei den sie hatten die beiden

Neurochirurgen bereits zum Hubschrauber geschickt als der Notruf einging, auch wenn zu dem Zeitpunkt nicht sicher war ob der Patient noch lebte oder bereits tot war. Und haben den Helikopter mit den Spezialisten bereits starten lassen, nach dem bestätigt wurde, das er noch lebte. Das machte schon Sinn. Eine solche Hirnoperation musste so schnell wie möglich geschehen. Ähnlich wie bei einem Herzkammerflimmern zählte hier auch jede Sekunde.

Lieber vergebens los fliegen, anstatt zu viel Zeit verstreichen zu lassen. In wenigen Minuten würden sie im Kreiskrankenhaus Mosbach ankommen.

2.

Auch wenn er den achtundvierzig Stunden Bereitschaftsdienst am Wochenende hasste. Diese Zeit mochte er. Montag morgens um vier Uhr. Um diese Uhrzeit war nichts mehr los und das beste, sein wohlverdienter Feierabend kam immer näher. Der Arzt Dr. med. Ulrich saß im Bereitschaftszimmer der Notaufnahme des Kreiskrankenhaus Mosbach. Es war eine Mischung aus Büro und Wohnzimmer. Er saß auf einem Bürostuhl vor einem

Schreibtisch auf dem ein an einem Rechner angeschlossenem Monitor stand. Auf dem las er noch einmal alle an diesem Wochenende von ihm ausgefüllten Patientenakten durch. Überprüfte vor dem Feierabend ob er auch wirklich alles korrekt ausgefüllt hatte. Danach hatte er vor sich in der gegenüber hinter ihm liegenden Ecke auf das dort stehende Sofa zu legen und sich von dem vor dem Sofa an der gegenüberliegenden Wand stehenden Fernseher berieseln zu lassen. Das war für ihn die beste Methode um

nach achtundvierzig Stunden Bereitschaftsdienst, die am Samstag morgen um sechs Uhr begann und Montag früh um sechs Uhr endete, zur Ruhe zu kommen. Fünfzehn Minuten später legte er sich auf das Sofa. Im Fernsehen lief schon wieder die Wiederholung von Kevin allein zu Haus. Wie viele Generationen von Menschen, seit Erstausstrahlung haben schon einer oder mehrerer der mindestens zehn Wiederholungen pro Jahr gesehen. Haben die dummen Verbrecher

ausgelacht, die brav in jede Falle laufen. Von denen er als Mediziner wusste, das jede einzelne dieser Fallen die Einbrecher nicht nur verletzt, sondern getötet oder zumindest ihr restliches Leben zum Pflegefall gemacht hätten. Dieses Wissen hinderte ihn jedoch nicht darüber zu lachen und das nicht nur beim ersten Ansehen, sondern bei der inzwischen sechzehnten Wiederholung auch noch. Der Film ist einfach ein Klassiker, daran muss es liegen. Plötzlich klingelte das Telefon. Während er aufstand um zum Telefon auf

dem Schreibtisch zu laufen schaute er kurz zur Uhr. Kurz nach fünf. Er dachte sofort an seinen wohlverdienten Feierabend und wünschte sich, das es nur eine Kleinigkeit sei. Er nahm den Hörer ab.Auf der anderen Seite meldete sich die Zentrale, die sowohl für die Koordination der Einsatzfahrzeuge als auch für die Arbeitseinteilung des medizinischen Personals verantwortlich war. "Dr. Ulrich? Gut das ich sie noch erreiche. Einer unserer Krankenwagen ist gerade an einem Parkplatz im Wald an der

Bundesstraße Richtung Buchen fünf Kilometer vor Heidersheim. Sie haben einen Patienten mit drei Schusswunden. Zwei im Körper, die aber kein größeres Problem darstellen. Und einer im Kopf, Projektil noch in der Hirnmasse." Er war verwirrt." Ich verstehe nicht was ich damit zu tun habe. Das ist eindeutig ein Fall für die Chirurgie. Falls es ihnen entfallen ist. Ich bin Allgemeinmediziner und kein Chirurg. Und ihnen ist hoffentlich bewusst, das wir keinen Neurochirurgen

haben. Ich empfehle ihnen den Patienten in die Kopfklinik in Heidelberg zu fliegen." Die Antwort sollte ihn auf mehrere Arten schockieren. "Das geht nicht, der Patient ist nicht stabil genug für so einen weiten Transport. Wir haben bereits mit der Kopfklinik gesprochen. Sie haben bereits zwei Neurochirurgen mit dem Hubschrauber auf den Weg geschickt. Sind in zwanzig Minuten da. Aber wir haben ein Problem. Selbst mit den beiden zusätzlichen Chirurgen haben wir zu

wenig medizinisches Personal mit genügend Erfahrung. Sie werden den Spezialisten assistieren müssen." Im blieb der Atem weh, nach einem bewusst tiefen ein- und ausatmen hatte er sich wieder. "Hören sie, ich bin schon seit siebenundvierzig Stunden im Dienst, mein Feierabend ist in weniger als einer Stunde und ich weiß genau so wie sie, das so ein Eingriff schnell mal sechs Stunden dauert. Sie haben doch bestimmt auch andere Ärzte oder

Chirurgen, die mindestens genauso qualifiziert sind wie ich und anders als ich nicht übermüdet sind?" "Tut mir leid, ich hab schon versucht jeden zu erreichen. Allerdings mit wenig Erfolg. Die ersten Dienstabenden Chirurgen mit genug Erfahrung werden erst um zehn Uhr hier eintreffen. Bis dahin werden sie einspringen müssen. Ich gebe ihnen dafür auch zwei Tage bezahlten Urlaub extra.Moment..." Den Feierabend konnte er erst mal vergessen. Jetzt waren vier Überstunden

angesagt plus die mindestens dreißig Minuten, die es dauerte, bis seine Übernahme ausreichend gebrieft waren."Der Krankenwagen mit dem besagten Patienten haben gerade an gefunkt. Der Verletzte ist stabil, sie sind gerade losgefahren. Sie werden in fünfzehn Minuten hier ankommen. Wenn ich richtig informiert bin haben sie noch nie bei einer Operation am zentralen Nervensystem assistiert. Ich möchte, das sie nach oben in den OP-Saal zwei gehen. Dort treffen sie Dr. Trage, der bereits alles

vorbereitet. Er ist zwar kein Neurochirurg, aber er hat etwas Erfahrung und kann sie einweisen. Jetzt stand er auch noch unter Zeitdruck. Einen Crashkurs in Neurochirurgie in knapp zehn Minuten und anschließend gleich die praktische Umsetzung. Er würde zwar nicht selbst operieren, das übernahmen speziell in Nanochirurgie ausgebildet Experten, er würde nur assistieren. Der Gedanke beruhigte ihn jedoch nicht. Denn zwischen dem assistieren bei einer normalen Operation wie

eine Blinddarmoperation oder Gallensteine entfernen und einer Operation am Gehirn lagen Welten. Sollte er bei einer Operation die nicht gerade am ZNS stattfand zittern, würde der Patient im schlimmsten Fall einen Bluterguss davontragen, den er dann in den kommenden Tagen stolz seinen Verwandten und Bekannten als Beweis seiner Furchtlosigkeit vor dem OP zeigen konnte. Passierte im so was jedoch im ZNS

konnte alles passieren. Angefangen bei leichten kognitiven eventuell auch motorischen Defiziten, über für sein restliches Leben ein Pflegefall. Bis hin zum tot. Er ging durch die Doppelschwingtür in in den Vorraum zum OP-Saal. Dort zog er sich zuerst die grüne OP-Kleidung an, desinfizierte sich gründlich die Hände um anschließend durch die Tür, die sich beim annähern automatisch öffnete in den OP-Saal. Dr. Trage wahr mit den Vorbereitungen bereits fertig. Er wahr noch nicht oft im

OP gestanden, die einzige Veränderung die ihm sofort ins Auge fiel, war der große weiße Apparat über dem Kopfteil des Operationsstiches. Die Apparatur schwebte etwas über der Ebene des Tisches und hatte eine Bogenform. Er wusste sofort, das dass ein CT also ein Computertomograph war. Dieses Gerät sollte während dem späteren Eingriff auf einem Monitor, der auf halber Länge über dem Operationstisch angebracht war, aktuelle Bilder aus dem inneren der Hirnsubstanz

anzeigen. Anhand der Bilder konnten die Chirurgen sehen was zu tun ist, wo was zu tun ist, wo genau im Gehirn ihre ultrafeinen und mindestens genauso sensiblen Operationsgerätschaften im Moment waren. Auf die weise waren sie in der Lage die Kugel die mitten in der Hirnmasse war zu entfernen und beschädigte Hirnareale zu behandeln ohne dafür noch mehr Gewebe beschädigen zu müssen. Umd zwar in dem sie durch die Bereiche gehen die bereits zerstört waren, dem Schusskanal den das

Projektil hinterlassen hatte.Der Kollege begann damit ihn einzuweisen. Er hätte es nicht für möglich gehalten, aber er schaffte es tatsächlich ihm die Angst zu nehmen, er war zuversichtlich der Aufgabe gewachsen zu sein. Das Telefon im OP klingelte worauf eine OP-Schwester aus einem Raum gelaufen kam, in dem sie vermutlich gerade noch Besteck vorbereitete, zum Telefon ging und den Hörer abnahm. Sie hörte zu, bestätigte hin und wieder das sie verstanden habe, legte auf und drehte sich langsam zu ihnen um.

3.

Der Zustand des Patienten hatte sich drastisch geändert. Aus einer schon sehr schwierigen Hirnoperation wurde nur eine Hirnoperation an einem herunter gekühlten Patienten mit offenem Herzen, das nicht schlägt und dessen Funktion eine Herz- Lungenmaschine übernahm. Die Schwierigkeit dieses Eingriffes potenzierte sich damit um ein vielfaches. Und dann, noch bevor er das ganze mental richtig einordnen konnte, lag der Patient auch schon vor ihm auf dem Tisch. Er

erschauderte kurz. Doch dann gab er sich einen Ruck und begann mit der Arbeit. Nachdem die Herz- Lungenmaschine angeschlossen war und lief, ging der Rest fast schon wie von selbst. Da die Neurochirurgen noch nicht da waren, begannen sie mit der Versorgung der Schusswunden im Oberkörper. Er fand sich in den Arbeitsabläufen schnell zurecht und bemerkte das Eintreffen der Heidelberger Spezialisten nur am Rande. Nach einer Zeitspanne, die ihm wie eine

Stunde vorkam fielen plötzlich die Worte "Alles klar. Wir haben getan was wir konnten. Wir machen zu." Darauf schaute einer der beiden Spezialisten zu mir und seine Worte machten ihn ein letztes mal für diesen Tag sprachlos "Dr. Ulrich. Sie haben meinen tiefsten Respekt ich kenne niemanden, der bei seinem ersten Assistenzeinsatz bei einer Hirnoperation acht Stunden ohne Pause durchgehend so konzentriert und Geistesgegenwärtig sein kann. Sie haben für heute genug geleistet....". Danach hörte er nicht mehr richtig zu. Er

verstand nur so viel, das der Patient durch den Eingriff gerettet wurde. Ein Blick auf die Uhr und er realisierte endlich, das bereits nach vierzehn Uhr war, er also sieben Überstunden gemacht hatte. Natürlich zusätzlich zu den achtundvierzig Bereitschaftsstunden. Er kam auf den schnellsten Weg nach Hause und fiel ins Bett und schlief augenblicklich ein.Die Tage darauf erfuhr er, das der Patient keinerlei kognitive Beeinträchtigungen davongetragen hatte. Und die wenigen motorischen waren nach einer guten

Reha unter Kontrolle gebracht. Alle Beteiligten, ausgenommen die Heidelberger Spezialisten, erinnerten sich für ihr restliches Leben genau an diesen Vormittag, selbst an jedes noch so kleine Detail.

epilog

Nachdem die Operation erfolgreich gemeistert wurde und der assistierende Arzt in seinen wohlverdienten und schon überfälligen Feierabend gegangen war, wurde der Patient vom OP-Tisch auf ein Krankenbett gehoben um in diesem liegend auf die Intensivstation gebracht zu werden. Zur selben Zeit hatte ein Arzt, der den Namen Dr. Dietrich trug, auf der besagten Intensivstation Dienst. Er saß im Stationszimmer, als es piepte. Eine

Pflegerin stand auf um auf dem Display zu sehen, welches Krankenzimmer klingelte. Es war aber keine Patientenklingel die klingelte, sondern ein Herzmonitor, der in Zimmer acht Alarm schlug. Dr. Dietrich sprang unter Strom stehend und entsetzt auf und rannte aus dem Stationszimmer in das Patientenzimmer aus dem der Herzmonitor Alarm kam. Wie konnte das sein? Herr Müller der in dem Zimmer lag hatte zwar eine schwere bakterielle Infektion, doch mithilfe einer

antibiotischen Medikation zeigte sich schnelle Besserung. Doch jetzt hatte er einen Herz- Kreislauf Stillstand. Er begann mit der Herzdruckmassage während ein Pfleger versuchte ihn mit einer Beatmungsmaske zu beatmen. Was aber nicht klappte. Der Arzt wusste sofort, das sich die Luftröhre an einer oben gelegenen Stelle durch eine noch ungeklärte Ursache so stark verengt hatte, das atmen unmöglich wurde. Er ließ sich ein Intubationsset bringen, führte einen Luftröhrenschnitt durch und

führte anschließend die im Set enthaltenen Schläuche in die Luftröhre ein um den Patienten beatmen zu können. Fast zehn Minuten lang versuchte er es mit abwechselnder Herzdruckmassage und Beatmung bis er frustriert einsah, das er nichts mehr machen konnte. Bei einer Obduktion, die auf verlangen der Angehörigen durchgeführt wurde, kam ein fataler Behandlungsfehler an das Tageslicht. Eine geistesabwesende Pflegerin hatte dem Patienten an diesem schicksalhaften Tag

am Morgen anstelle der Verordneten zwei Infusionsbeutel mit je einem Liter Antibiotische Medikamente zwei gleich große Infusionsbeutel mit einer Mixtur aus starken Corticosteroiden, die man eigentlich gegen besonders schwer verlaufende Autoimmunerkrankungen verwendet. Diese immunsuppressiv wirkenden Infusionen, die in diesem Fall doppelt so hoch dosiert wurden als allgemein bei diesem Präparat üblich, hatten ihre Wirkung

nicht verfehlt. Sie deaktivierten innerhalb weniger als einer Stunde das Immunsystem des Patienten. Wobei das Wort "deaktivierte" nur in den darauf folgenden Monaten entstanden Ermittlungs- und Gerichtsakten, in denen es um nichts geringeres ging als grob Fahrlässige Tötung, verwendet wurde. Die an der Obduktion beteiligten Mediziner verwendeten die Formulierung, wonach das Immunsystem regelrecht zerschrotet wurde. Fast ein Jahr nach diesem Vorfall wurde sie wegen grob fahrlässiger Tötung zu

zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, ohne Bewährung. Mit dieser Verurteilung hatte sie sogar noch Glück. Zu Beginn wurden die Ermittlungen gegen sie nämlich noch wegen Mordes geführt. Bis sie genau erklären konnte, was genau passierte. Zwei Tage vorher war ihr Mann spurlos verschwunden. Als er am Abend nicht wie gewohnt nach Hause kam und auch bis in die späte Nacht hinein nicht erschienen war, auf dem Handy nicht erreichbar war und

auch sonst nicht das geringste Lebenszeichen von ihm kam, was noch nie vorgefallen war und das seit sieben Jahren Ehe, erstattete sie eine Vermisstenanzeige bei der Polizei. Am Tag darauf, sie war gerade auf dem Weg zur Arbeit bekam sie einen Anruf. Es war die Polizei. Die Beamtin wollte ihr mitteilen, das eine männliche Person auf der Bundesstraße Richtung Buchen gefunden wurde, auf die ihre Beschreibung von ihrem vermissten Ehemann genau passen

würde. Dieser Mann hatte keine Dokumente dabei, wodurch man nicht wüsste ob es ihr Mann sei. Er wurde aber wegen schweren Verletzungen in das Kreiskrankenhaus Mosbach eingeliefert. Und sie sollte sich doch bitte mal dort vorbeischauen um ihn als ihren Mann zu identifizieren. Sie wusste jedoch, da sie dort selbst arbeitete, das es sehr lange dauern würde bis sie den Mann sehen konnte. So lange wollte sie warten und so lange würde sie dann schließlich auch nicht

warten. Sie durchsuchte die Klinik nach dem Mann. Nach einer Weile fand sie sich im OP Zuschauerraum, der vor allem dafür gedacht war, das angehende Chirurgen bei einer OP zuschauen konnten. Die Sicht aus dem Zuschauerraum erfolgte zu beiden gegenüber gelegenen Wänden durch ein speziell verspiegeltes Fensterglas. Man konnte nur vom Zuschauerraum in den OP sehen. Zuerst wollte sie gleich wieder gehen. Saal eins war leer und in Saal zwei fand

eine Hirnoperation statt.Doch dann erkannte sie ihren Ehemann in Saal zwei. Die Schädeldecke geöffnet, der Brustkorb geöffnet, das bewegungslose Herz gut zu sehen. Die Haut ihres Mannes voller Blut. Im Vorbereitungsraum fand sie die Akte, das hatte sie so hart getroffen, das sie anschließend an nichts anderes denken konnte. Gedankenverloren und Geistesabwesend unterlief ihr nun der tödliche Fehler, der einem ihr anvertrauten Patienten das Leben

nahm. Das Gleichgewicht war wieder hergestellt. Die Begründung der Richterin zu ihrem Urteil. Nachdem sie den psychischen schock erlitten hatte, hätte sie wissen müssen, das sie in dem Zustand nicht mehr in der Lage war ihre Aufgaben gewissenhaft und ordentlich zu erfüllen und hätte sich krank schreiben lassen müssen.

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Über den Autor

Dexpanthenol
Ich bin hier auf der Suche nach Verbesserungsvorschlägen, konstruktive Kritik und Anregungen.

Ich schreibe hauptsächlich um Erinnerungen, Träume und Gefühle zu verarbeiten. Dementsprechend sind meine Geschichten auch recht düster.
Allerdings sind meine Gedanken und Gefühle in meinen Geschichten stark abstraktiert, bildhaft und teils stark überspitzt dargestellt.

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