Kurzgeschichte
Der Wald

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"Der Wald"
Veröffentlicht am 01. Oktober 2016, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich möchte sein, ein leeres Gefäß, dass angefüllt wird mit Dingen des Moments, um es weiterzureichen, als Geschenk darbieten, in der Hoffnung, dass es nicht ausgeschüttet wird, und im Nichts versiegt.
Der Wald

Der Wald

Ich stehe im Wald, höre Musik, feine Klänge, und doch ist auch etwas Undefinierbares dabei. Die Sonne scheint vom Himmel, sie durchleuchtet den Wald, stückweise nur, auch der Schatten ist im Wald.

Ich blicke mich um und bin ganz allein, ich höre Musik, drehe mich, nach meinem Gefühl.

Langsam lasse ich mich führen von der Musik, sie kommt aus dem Wald, wo kommt sie her? Aus dem Nichts, einfach so? Das Rauschen der Bäume ist Musik?

Aber ich fühle mich so wohl hier, es ist so ruhig, es ist die Stille und gleichzeitig das Unbekannte. Wo kommt es her?

Ganz alleine stehe ich im Wald, und doch weiß ich, ich bin gar nicht allein. Ich bin umgeben von Liebe, Energie, Kraft und Wärme. Ich fühle mich so wohl und gleichzeitig fühle ich ein Unbehagen.

Wo kommt es her, diese Musik? Sind es die Bäume, die mir etwas erzählen? Sind es Vögel, die sich verstecken und mich beobachten? Ich spüre viele Tiere, die mich beobachten, Klänge aus dem Wald.

Der Wald ist lebendig? Der Wald ist Wohn- und Schutzraum für viele Tiere. Der Wald erzählt mir Geschichten. Worüber erzählt er mir? Was berichtet mir der Wald?

Ich fühle die Energie, die in mir

einströmt, ich dehne mich aus, ich mache mich weit. Ich strecke meine Arme in die Höhe, der Sonne entgegen. Gleichzeitig stehe ich im Schatten, der mich einhüllt. Er lässt mich viele Dinge gleichzeitig fühlen. Es gibt keine Worte dafür.

Das Unergründbare ist nicht zu durchschauen, es ist nur erahnbar, nicht greifbar.

Die Geräusche, was wollen sie mir sagen? Ich kann sie hören und fühlen.

Es wird lebendig hier, immer mehr. Rund um mich ist Leben. Ich drehe mich, fühle die Sonne und gleichzeitig den Schatten.

Leben ist im Wald, hier wo es eigentlich

totenstill ist. Was wollen wir die Bäume erzählen, sie sind uralt, sie haben sehr viel erlebt. Sie sind sehr weise, sie sind die Ruhe selbst, sie sind der Frieden. Und doch haben sie die Kraft und die Mächtigkeit, hochzustreben in das unendliche Licht und doch stehen sie auf einem Platz. Ein Baum neben dem anderen, sie berühren ihre Äste. Sie erzählen sich Geschichten, einer dem anderen. Die Bäume leben auch? Können sie sich fühlen in dem anderen? Können sie sich austauschen, bereichern in dem anderen?

In der Bewegungslosigkeit stehen sie immer am selben Platz, und doch bewegen sie sich. Sie dehnen sich aus,

sie strecken sich. Ist es nur ein Schein, sie bewegen sich nicht wirklich, oder doch?

Was nehmen diese Bäume wahr von der ganzen Welt, was können Bäume erfahren? Sie sind verwurzelt mit der Erde. Sie haben ihre Lebensjahre eingezeichnet in ihre Ringe. Die Kreise ihres Lebens sind eingezeichnet in ihrem Baumstamm. Die Lebenskreise erzählen Geschichten, von dem, was sie erlebt haben.  Doch was können sie wahrnehmen, wenn sie sich nicht wirklich vom Stand bewegen können, nur stehen um zu sein. Sein um zu Leben. Ist es ein Leben, ein Baum zu sein?

Vielleicht nehmen sie die Tiere wahr, die sich vorbeitummeln, welche hier Schutz suchen unter den Bäumen. Vielleicht knabbern sie an ihren Rinden. Spüren sie Schmerzen, wenn ihre Rinde angeknabbert wird?

Steckt tiefe Weisheit hinter den Bäumen oder ist es nur ein undefinierbarer Zustand, in dem sich ergeben? Ich spüre, in den Wurzeln ist so viel Leben. Die Wurzeln der Bäume ist die Grundlage ihres Lebens, sie haben sich eingegraben in die Erde, sie fühlen die Erde. Tief in ihrem Innersten ist ihre Mutter, die sie ernährt, die Ihnen Kraft gibt, Wärme und Geborgenheit. In dem Außen ist die Sonne, die sie wärmt, die Kraft gibt,

Liebe, Wärme und Geborgenheit.

Dann kommt der Regen, er gibt ihnen auch Kraft und Nahrung. Das Wasser sinkt in die Wurzeln, das Wasser geht nach oben. Der Baum öffnet sich für den Regen, er saugt das Wasser in sich auf, das Wasser gibt ihm Kraft. Der Kreislauf eines Lebens ist verwurzelt mit der Erde und verbunden mit dem Himmel. Egal, ob Baum, oder nicht. Der Kreislauf des Lebens ist immer gleich.

Der Baum kann beides fühlen. Der Baum ist sich bewusst, dass er ein Baum ist. Er nimmt die Kraft von der Erde, die Wärme, die Liebe, die Geborgenheit und streckt sich in die Höhe zur Sonne. Er möchte hoch hinaus, die Sonne fühlen,

das Leben spüren.

Der Wind erzählt den Bäumen Geschichten vom Leben. Der Wind trägt sich über die ganze Erde und erzählt, von dem, was ist. Und jeder, der die Ohren öffnet, kann ihn hören. Seine Geschichten werden weitergetragen. Das Leben wird erzählt, von vielen Dingen wird berichtet. Der Wind ist der Bote für die Bäume. Die vielen Facetten des Lebens, die Vielseitigkeit, die vielen erfahrbaren Möglichkeiten des Lebens ist auch für den Baum erfahrbar, durch die Geschichten, die der Wind erzählt.

Manchmal ist der Wind so stark, dass sich die Bäume ihm beugen müssen. Die Kraft wird unendlich groß, es entsteht

ein Sturm. Die Bäume werden hin und her gebeutelt, rücksichtslos ausgeliefert den Ereignissen. Der Baum fühlt die Bedrohung, er kann ihr nicht ausweichen. So wird er sich stellen müssen. Der Sturm erzählt nicht mehr von der Liebe, von der Wärme. Der Sturm erzählt von der Kraft. Er lässt die Bäume vor ihm beugen, sie können gar nicht anders. Sie werden sich bewegen, wie der Wind sie bewegt. Sie werden sich nicht wehren, sondern gefügig dem öffnen, was sich anbahnt.  Wenn sie sich mit dem Wind bewegen, so wird ihnen nichts passieren. Sie sind fest verwurzelt, dass sie nicht aus dem Anker geworfen werden können. Ein Orkan

bricht aus. Die Bäume werden hin und her gebeutelt. Die Bäume wehren sich nicht, denn sie wissen, es wird ihnen nichts geschehen. Die Wurzeln verankern mich, sagt der Baum: Ich fühle die Kraft und die Liebe der Erde. Ich bin Teil  der Erde, sie wird mich nicht verlassen, denn sie liebt mich und wird mich festhalten. So wird mich nichts geschehen können.

Weich sein, anschmiegsam auch in den Wogen des Orkanes - zu wissen, es ist nichts ewig. Der Sturm wird aufhören, wenn seine Energie aufgebraucht ist. Er wird weich und zart und streift über unsere Wälder und erzählt die Geschichte von der Kraft. Die Kraft ist einfach da.

Wenn sie sich sammelt wird sie stark unendlich groß und weit und breitet sich über die Erde aus und der Sturm tobt. Die Kraft lebt sich aus.

Irgendwann wird die Kraft wieder gleichmäßig, es rieselt ein feiner Hauch vom Himmel hinab, breitet sich über die Erde. Die Sonne kommt hervor hinter den Wolken. Die Erde erstrahlt wieder in dem Licht. Die Sonnenstrahlen gehen durch die Baumwipfel, es wird wieder hell. Es wird wieder lebendig. Alle Tiere, die sich geschützt haben, kommen wieder hervor. Die Baumwipfel strecken sich weiter in die Höhe, die Äste berühren sich.

Ich stehe im Wald, ich fühle die

Verbindung der Erde zu den Bäumen, ich fühle ihre Weisheit, ihre Stärke, ihre Liebe und Hingabe, zu dem, was ist. In ihrem kleinen Bewegungsraum ist so viel Erfahrung möglich.

Ich höre die Melodie. Ist es ein feiner Klang, oder ist er dumpf? Ist nicht beides gleichzeitig? Die Sonne, der Schatten - das Leben und die Ruhe. Es ist einfach alles da.

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Hörbuch

Über den Autor

myriama
Ich möchte sein,
ein leeres Gefäß,
dass angefüllt wird mit Dingen des Moments,
um es weiterzureichen,
als Geschenk darbieten,
in der Hoffnung,
dass es nicht ausgeschüttet wird,
und im Nichts versiegt.

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Gast Wunderbar geschriebene Eindrücke. Ich liebe den Wald. Herzlichen Gruß Laura Peters
Vor langer Zeit - Antworten
myriama Vielen Dank für deine Antwort
Vor langer Zeit - Antworten
ArnVonReinhard Ich bin mir nicht sicher, ob wir Menschen eine wirkliche Verbindung zu unserer Umwelt - anderen Menschen und der Natur - herstellen können. Dennoch ist das kein Grund, die Umwelt nicht zu respektieren.

LG
AvR
Vor langer Zeit - Antworten
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