Einleitung
Eine alte Schlacht wurde wieder entflammt. Der Erbe des Imperiums ist verschollen. Und das Ende scheint gekommen. Während die Anhänger des Herrn der Ordnung das Kaiserreich in die Knie zwingen wird Galren Lahaye von Visionen geplagt, die ihn an den Rand des Wahnsinns treiben. Gejagt von den Kultisten des roten Heiligen, muss er erkennen, dass der der erste Unsterbliche ganz eigene Pläne mit ihm hat. Genauso, wie für den Sohn des Kaisers…
Und während Galren noch nach einer
Lösung sucht, scheint der Kampf bereits so gut wie verloren , denn als der Kaiser die Männer Cantons für eine letzte Schlacht Sammelt, kehrt ein weiterer alter Feind zurück. Und grade dieser könnte sich als letzte Rettung erweisen. Doch um welchen Preis? Der Kampf um das Schicksal Cantons wird zu einem um das Schicksal allen Lebens…
Währenddessen nimmt auch der Aufruhr unter den Zwergen immer mehr zu. Jetzt wo sie ihr neues Land verloren haben, ohne es je zu sehen, zerbricht der wenige Zusammenhalt zwischen den Häusern immer mehr und der neue König Hadrir Silberstein steht vor der Herausforderung, seine Leute für die
kommende Schlacht zu einen… oder alles zu verlieren.
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Kapitel 67 Erstes Duell
Trübes Sonnenlicht fiel durch die glaslosen Fenster der Ruinen. Staubflocken tanzten darin, golden und weiß und vermischten sich mit dem Schnee, der sich als dünne pulvrige Schicht auf alles gelegt hatte. Einst war er weiß gewesen, nun jedoch schmutzgrau, rot und schwarz, zertrampelt von tausenden Füßen, vermischt mit Schwarzpulver… und Blut. Blut, das auf den Marmorplatten mit denen die Straße ausgelegt war gefror und hell leuchtende Lachen bildete.
Vor einigen Tagen noch hatte dieser Ort den ganzen Glanz und die Macht des Kaiserreichs repräsentiert. Nun jedoch waren davon nur Geröll und geborstene Säulen geblieben. Schuttberge türmten sich auf den Straßen, die Überreste ganzer Straßenzüge, die durch Magie und Feuer zerschmettert worden waren. Janis sah zu einem Haus empor, dessen Fassade auf dieser Seite komplett fehlte. Nicht weggesprengt wie bei einem der anderen, sondern schlicht verschwunden. Die Kanten der Wände waren glatt und so scharfkantig geschnitten, das sie funkelten. Magie, dachte Janis.
Er konnte zerfetzte Teppiche und Banner erkennen, die von den Wänden
gerissen worden waren. Gemälde, geschwärzt durch Witterung und Feuer. Die Decke des Hauses war ohne eine ihrer Stützen teilweise eingebrochen, die Haustür hing schief in den Angeln und schwang in einer Windböe hin und her, die durch die Gärten um das Anwesen herum wehten. Tote Pflanzen ragten unter der Schneedecke auf. Und doch so verwüstet dieser Ort war. Irgendwie kam er Janis bekannt vor. War er schon einmal hier gewesen? Es musste wohl so sein.
Die Straße vor ihm war durch Schutt und Trümmer blockiert, aber an ihrem Ende, das wusste er, gab es einen kleinen Platz mit einem Springbrunnen, der einst ein
Standbild von Simon Belfare getragen hatte. Er bezweifelte allerdings das es die letzten Tage überlebt hatte. Seit einer Woche kämpften sie sich jetzt durch die fliegende Stadt, von den äußeren Bezirken immer näher an den Palast heran , der in ihrem Zentrum aufragte und von jeder Stelle aus zu sehen war. Obwohl die kaiserlichen Gardisten ihnen zahlenmäßig weit unterlegen waren, hatten sie ihnen bereits schwere Verluste zugefügt. Und sie kannten das Gelände wie ihre Westentasche, dachte Janis. Zusammen mit den Zwergen die damit begonnen hatten ganze Häuserzeilen niederzureißen um ihnen den Weg zu versperren hatten
sie es immer wieder geschafft die Kultisten in Fallen und Kessel zu locken, so dass sie sich den Weg frei kämpfen mussten. Und hinter jeder Straßenbiegung an jedem eingestürzten Anwesen oder einem öffentlichen Platz konnte ein weiterer Hinterhalt warten. Und während seine Männer hier draußen sinnlos starben, versteckte sich der Kaiser wohl irgendwo in seinem Palast, dachte Janis grimmig. Ihm musste doch klar sein, das er sich nur Zeit erkaufte. Und das mit dem Blut seiner Männer.
Die Marmorpaläste die zu beiden Seiten des Wegs aufragten konnten für sie jeden Augenblick zur tödlichen Falle werden. Janis führte seine Gruppe aus etwa eintausend
Kultisten fort von der blockierten Prunkstraße und in eine der kleineren Gassen, die hoffentlich noch passierbar waren. Was in der fliegenden Stadt allerdings als Gasse galt, hätte andernorts wohl als Hauptstraße gegolten. Zehn seiner Männer konnten hier Seite an Seite gehen ohne sich auch nur annähernd zu berühren und die zu beiden Seiten aufragenden Häuser schienen von der Mitte der Straße aus gesehen weit fort. Sie standen zu offen, dachte Janis immer wieder. Die zur Straße hin glatt abschließenden Hauswände boten keine Deckung und wer wusste schon was oder wer hinter den dunklen Fenstern warten und sie in
diesem Moment beobachten konnte. Vielleicht hätte er doch einen der Geweihten mitnehmen sollen, dachte er. Aber er traute den vermummten Magiern des roten Heiligen nicht mehr, als diesem selbst. Nein… Er hatte zugestimmt, die Belagerung zu führen, aber das hieß nicht dass er sich mit Monstern abgeben musste. Den Befehl über diese und die übrigen Truppen überließ er nur allzu gern den übrigen Befehlshabern. In seinen Reihen und in seiner Nähe brauchte er Menschen. Leute die klar denken konnten und kontrollierbar waren.
Vor ihnen tauchte nun langsam tatsächlich ein offener Platz auf, wie
Janis bereits vermutet hatte. Und nicht nur das. Das Wasser in dem großen Brunnen, der das Zentrum der Freifläche einnahm war gefroren und in den Fontänen zu glitzernden Kristallen erstarrt. Und tatsächlich lagen darum herum die Trümmer einer Statue verteilt. Ihre Füße standen noch immer auf dem höchsten Punkt des Springbrunnens, der Rest jedoch war zu tausend Teilen zersprungen, von denen kaum mehr zu erkennen war, was sie einst dargestellt hatten. Aber Janis kannte die Wahrheit natürlich.
Mit langsamen Schritten stieg er über den zerborstenen Marmor hinweg und umrundete den Brunnen langsam. Warum
kannte er diesen Ort? Und warum stimmte es ihn traurig ihn nun in so einem Zustand vorzufinden? Einst hatten sich hier jeden Tag hunderte von Menschen eingefunden um zu plaudern, Wasser zu holen oder schlicht um sich im Sommer etwas im Schatten der großen Fontänen abzukühlen. Und einst hatte auch er hier gestanden. Vor all dem, als er noch wusste wer er war. Und wem er in diesem ganzen Chaos zu dienen hätte. Einst ja… Die Antwort schien ihm zum Greifen nahe, als müsste er nur die Hand danach ausstrecken und zugreifen. Gesichter, Namen, Sinneseindrücke, alles flutete gleichzeitig und ohne besondere Reihenfolge auf ihn
ein…
,, Herr, Vorsicht !“ Die Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und keinen Augenblick zu spät. Irgendwo blitzte das Mündungsfeuer einer Muskete auf. Janis ließ sich fallen und zog im gleichen Augenblick das Schwert. Die Kugel schlug gegen die Ummauerung des Brunnens und jagte jaulend als Querschläger davon. Die Fenster eines dem Brunnen gegenüberliegenden Hauses wurden aufgestoßen und dutzende von Gewehrläufen schoben sich heraus, legten an… Einen Moment verschwand das Gebäude im Pulverdampf, während der Platz vom Sirren der Kugeln wiederhallte. Ein Mann direkt neben
Janis wurde in die Brust getroffen und ging mit einem Schrei zu Boden. Weitere stürzten oder warfen sich hin. Einigen gelang es, hinter dem Brunnen Deckung zu suchen, andere knieten sich hin und erwiderten das Feuer. Die Türen eines weiteren Hauses direkt in ihrem Rücken flogen auf und eine unübersichtliche Zahl blau uniformierter Gestalten und Zwerge in glänzenden Panzerungen die mit den Intarsien ihrer Häuser versehen waren, brachen daraus hervor.
Das war eine Falle, erkannte Janis mit wachsendem entsetzte. Und er war direkt hinein gelaufen, weil er sich hatte hinreißen lassen. Die Erinnerungen die der Anblick des Brunnens wach gerufen
hatte, hatten ihn jede Vorsicht vergessen lassen… Und seine Männer waren ihm blind gefolgt. Er sprang auf um sich den Angreifer in ihrem Rücken zu stellen. Weitere Kugeln sirrten durch die Luft. Männer fielen auf beiden Seiten. Dann erreichten die ersten Nahkämpfer ihre Reihen. Bajonette bohrten sich in Leiber, Hämmer und Schwerter sirrten herab und durchtrennten Körperteile und ungeschützte Leiber. Janis fand sich plötzlich genau einem Zwerg gegenüber der sich mit hoch erhobener Waffe auf ihn stürzte. Auf den ersten Blick erinnerte sie ihn an eine Muskete, aber die Waffe war klobiger, mehr für die stämmige Statur des Zwergs geschaffen
und statt einem einfachen Bajonett befand sich am Ende des Laufs das Klingenblatt einer Axt. Janis parierte den Hieb mit dem Schwert und wollte bereits nachsetzten, als sein Gegner von einer Kugel getroffen zusammen sackte. Das Projektil durchschlug die Rüstung des Zwergs knapp unter dem Kinn und trat in einem Schwall aus Blut wieder aus. Janis wendete sich sofort um, um sich seinem nächsten Gegner zu stellen. Das Chaos um ihn herum war perfekt.
Von Haus auf der anderen Seite des Platzes aus wurden sie nach wie vor beschossen und die Gardisten in ihrem Rücken verhinderten, das sie sich Deckung suchten oder sich zurückziehen
konnten. Aber es waren nicht so viele, wie er anfangs gedacht hatte, stellte Janis erleichtert fest. Wenn sie nicht die Nerven verloren würden sie die Angreifer zurück schlagen können…
Ein weiterer seiner Männer ging direkt neben Janis zu Boden, als ihn eine Pistolenkugel aus der Waffe eines Garde-offiziers traf. Der Mann verschwendete keine Zeit damit die Waffe nachzuladen als er ihn entdeckte, sondern zog direkt den Säbel und stürzte sich auf ihn.
Janis parierte die ersten Hiebe gekonnt und wo sein Gegner einen Treffer anbringen konnte, glitt dieser Wirkungslos von der schwarzen Panzerung ab, die ihm der rote Heilige
geschenkt hatte. Sein gegenüber hingegen trug nur Stoff und einen leichten Harnisch, der lediglich seine Brust schützte. Janis erwischte sein Bein und schlitzte es mit einem Hieb vom Oberschenkel bis fast zur Ferse auf. Der Mann kippte mit einem schmerzerfüllten Schrei rückwärts, der Säbel entglitt seinen Händen. Janis stieß mit dem Schwert nach seinem ungeschützten Hals. Doch der erwartete Aufprall von Stahl auf Fleisch blieb aus. Stattdessen traf er auf unnachgiebigen Stahl. Kreischend trafen die beiden Schwerter aufeinander, schlugen Funken die Nachbilder in Augen hinterließen. Ein einzelner Mann hatte sich zwischen ihn und den
gestürzten Offizier gestellt und hielt sein Schwert mit dem eigenen gefangen. Er war etwas kleiner als Janis selbst, seine Züge grimmig und entschlossen, während er Janis Waffe zurückstieß und dann über den verletzten Offizier hinwegsetzte um ihn noch weiter zurück zu treiben. Janis war einen Moment zu verwirrt um mehr zu tun, als sich zu verteidigen und die Hiebe seines Gegner s zu blockieren. Der Helm den er trug schränkte seine Sicht ein, doch der Mann schien ihm Älter zu sein. Blondes Haar, das von vielen grauen Strähnen durchzogen war floss mit jeder Bewegung um seinen Kopf und auch in seinem Bart glitzerten silberne Fäden. Und er trug keine Uniform der Garde.
Über seinen Schultern wehte ein Umhang, der wohl einst weiß gewesen war, nun jedoch durch Schmutz mehr grau erschien und mit so vielen Schnitten und Einschusslöchern versehen war, das kaum mehr als lose Fetzen davon geblieben waren. Darunter jedoch schimmerten Gold und Silber und Intarsien, die in magischem Licht glühten und mit bläulich schimmernden Kristallen ausgelegt waren. So Edel die Rüstung allerding auf den ersten Blick wirkte, auf den zweiten wurde deutlich, dass sie genauso mitgenommen war, wie der Umhang. Tiefe Kratzer zogen sich über den Stahl, das Gold blätterte vielerorts ab und an einer Stelle meinte
er sogar Einschusslöcher zu erkennen. Trotzdem kämpfte sein Gegner mit absoluter Entschlossenheit ohne ein Anzeichen von Erschöpfung und drängte Janis bald in die Defensive. Der Mann war ihm überlegen, dachte Janis mit wachsendem entsetzten. Ein paar Mal rettete ihn nur seine Panzerung vor einem tödlichen Streich, das Schwert seines Gegner hinterließ tiefe Dellen auf der Brustplatte seiner Rüstung, durchtrennte die Halterung die einen seiner Armschützer hielt…
Janis blockiert nur mit knapper Not einen Hieb der auf die schwache Verbindungsstellte zwischen Helm und Harnisch an seinem Hals abzielte. Er
wirbelt herum, wollte den kurzen Moment nutzen um seinen Gegner das Schwert in die ungeschützte Seite zu treiben… als ihm die Füße weg gezogen wurden. Janis ruderte mit den Armen, das Schwert entglitt seiner Hand und er landete scheppernd auf dem mit Blut und Trümmern bedeckten Boden. Sein Gegner hob das Schwert über den Kopf und wollte nachsetzen, während Janis wenig mehr tun konnte, als irgendwie fort zu kriechen und nach seinem Schwert zu taste.
,, Herr, wir müssen hier weg! „ Die Stimme ließ sowohl ihn als auch den Fremden innehalten. Ein Gejarn, ein Bär wenn Janis je einen gesehen hatte,
drängte sich zwischen den Reihen der Kämpfenden hindurch und packte den Mann im weißen Umhang an der Schulter. Und tatsächlich schienen Janis Leute die Gardisten mittlerweile zurück zu treiben, wie er erleichtert feststellte. Einen Moment rechnete er noch fest damit, dass der Fremde ihn trotzdem töten würde. Dann jedoch ließ dieser nur das Schwert sinken und ließ sich von dem Bären mitziehen.
,, Ihr habt recht.“
Der Gejarn nickte lediglich und formte mit den Händen einen Trichter. ,, Rückzug. Zurück zum Gebäude auf der anderen Platzseite. Folgt dem Kaiser !“
Jnais rappelte sich umständlich wieder
auf und sah ihnen einen Moment nach. Überall lösten sich die Gardisten jetzt aus den Kämpfen, stürzten haltlos dem Bären und dem anderen Mann nach. Ihrem Kaiser… Das war also der Mann gewesen, den der rote Heilige so verachtete? Janis konnte ihm nur einen Moment regungslos nachsehen. Das war nicht, was er erwartet hatte, dachte er. Dieser Mann war kein Feigling. Er hatte sein Leben riskiert um einen seiner Männer zu retten und kämpfte mit seinen Leuten an vorderster Front, inspirierte und motivierte sie… Und die Leute folgten ihm, kämpfen noch über das Ende hinaus weiter. Und das seltsamste war, das Janis erneut dieses unbestimmte
Gefühl hatte ihn zu kennen. Er war ihm schon einmal begegnet. Und es nagte an seinem Verstand, wo und wie… Wenn er ihn nur länger gesehen hätte… Aber eines schien ihm nun umso klarer. Der Kaiser war der Schlüssel zu all dem. Und er musste an ihn heran kommen.