Kurzgeschichte
Vendetta

0
"Vendetta"
Veröffentlicht am 08. September 2016, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich bin eine Studentin mit einer Schwäche für Satire und scharfem Senf. Bücher haben schon immer eine grosse Faszination auf mich ausgewirkt- ich konnte noch nie einer Buchhandlung oder einer Bibliothek widerstehen. Das Verfassen von Geschichten ist einer meiner liebsten Zeitvertreibe. Das Leben ist voller Geschichten. Hätte man doch nur die Zeit, sie alle niederzuschreiben.
Vendetta

Vendetta

Vendetta

Langsam ging die Sonne über den Bergen auf. Noch reichten ihre Strahlen nicht bis ins Tal hinein,

berührten erst die Spitze des Sostos (1), die wie ein Pfeil in den noch rosarot gefärbten Himmel ragte.

Americo Vianeli trat nervös von einem Bein auf das andere und blickte suchend umher. Hinter ihm konnte man noch das alte Perron erkennen, das früher benutzt worden war, um in die kleine Bahn, die einst von Aquarossa bis nach Olivone gefahren war, einzusteigen. Heute jedoch gab es diese Bahn nicht mehr und der grosse Platz wurde als Wendeplatz

für die Busse benutzt. Der Bus, der von Biasca hochkam, kreuzte hier den Bus, der von Olivone herunterfuhr.

Americos Herz schlug schneller, als er den beleibten Mann mit den braunen, zerzausten Haaren aufsich zukommen sah.

„Bongiorno, sehnsüchtig auf mich gewartet?“, begrüsste er Americo mit starkem, südländischem Akzent. Americo antwortete ihm mit dem hier üblichen, lokalen Akzent: „Bongiorno, werde ich ihn heute treffen?“. Der Mann nickte und gab Americo ein Zeichen, ihm zu folgen.

Heute war der grosse Tag. All die endlosen Monate, in denen er sich

mühevoll darum bemüht hatte, in den Klan der im Bleniotal herrschenden Mafia aufgenommen zu werden, waren vorüber. Nun würde er endlich den Chef der Mafiabande, die ihren Hauptsitz im alten, verlassenen Thermalbad von Aquarossa hatte, kennen lernen. Das Thermalbad hatte einst Vorteile aus den warmen Quellen gezogen, die dem Dorf ebenso seinen Namen gegeben hatten: Aquarossa, rotes Wasser.

Der Mann führte Americo in den hinteren Teil des Platzes, wo unbenutzte Busse in riesigen Hallen gelagert wurden. Er steuerte auf eine unbenutzte Halle zu und in der Halle angekommen, machte er sich daran, Kisten von ihrem

Standplatz wegzuräumen. Americo zögerte zuerst, ihm in die Halle zu folgen.Ihm wurde plötzlich bewusst, dass er ohne irgendeine Unterstützung da stand.

„Hast du Wurzeln geschlagen oder was?“, schreckte sein Begleiter Americo aus seinen Gedanken, „Hilf mir, die Kisten aus dem Weg zu räumen!“.

Unter den Kisten kam nach und nach eine Falltür zum Vorschein, die der

Mann öffnete und Americo Anweisungen gab, hinab zu steigen. Americo war wenig begeistert, in dieses düstere Loch zu steigen, doch er wusste, dass er nun, da er so nahe an seinem Ziel war, keinen

Rückzieher mehr machen konnte. Er

sammelte seinen ganzen Mut zusammen und kletterte die Leiter

hinunter.

Vor ihm breitete sich ein langer Gang aus. Als sein Begleiter ebenfalls hinuntergestiegen war, gingen sie gemeinsam den Gang entlang, der nur von der Taschenlampe des Mannes beleuchtet wurde. Sie gelangten schliesslich wieder an eine Öffnung und Americo wurde angewiesen die Leiter

hochzuklettern, dreimal an die Falltür zu klopfen und laut „Lazzarone (2)!“ zu rufen.

Nachdem er die Anweisungen befolgt hatte, wurde die Falltür geöffnet und Americo sah sich umgeben von mürrisch

dreinblickenden, schwarzgekleideten Männer. In einem ledernen Ohrensessel sass ein elegant gekleideter Herr mit einer Zigarre im Mund und lächelte Americo an. Dabei wurden drei Goldzähne sichtbar und sein gepflegter, elegant gedrehter Schnurrbart wanderte ein Stück näher an seine Nase heran.

„Bongiorno, signore Vianeli. Ich bin Dottore Ricardo Adulatori und heisse Sie in meinem Heim herzlich willkommen“, begrüsste der Herr Americo.


Americo lief ein kalter Schauer über

den Rücken. Endlich hatte sich das Ausgeben als überzeugter Mafiaanhänger

über all die Monate

hinweg gelohnt. Nun wusste er, wer der Chef des Mafiaklans war und hatte genug Beweise zusammen, um diese Dreckskerle für alle Zeiten hinter Gitter zu bringen. Die Korruptionen, Erpressungen und Morde durch die Mafia im Bleniotal würden endlich aufhören.

Wut stieg in ihm auf, die Gleiche wie damals, als er Teresa tot, auf den harten Steinfliesen ihres Restaurants liegend, aufgefunden hatte.

Tränenaufgelöst war sie ein paar Tage vorher zu ihm gekommen, hatte ihn um Verzeihung gebeten, da sie in letzter Zeit nichts von sich habe hören lassen.

Nach und nach hatte sie ihm erzählt, dass die Mafia sie erpresse: Würde sie nicht jeden Tag eine bestimmte Summe zahlen, würden sie kommen und ihr Restaurant zerstören. Americo hatte ihr versprochen, sich um das Problem zu kümmern und war wieder einmal zu feige gewesen, ihr einen Heiratsantrag zu machen.

Die Mafia war wenig begeistert gewesen, einen ihrer Klienten aus dem Polizeipräsidium kommen zu sehen, und sie beschlossen, den Klienten aus dem Weg zu räumen.

Als Americo die kleine, zierliche, doch jetzt eiskalte und starre

Hand in die seine legte, schwor er sich

Rache zunehmen.

Trotz mancher Mahnungen und Versuche

seines Chefs, ihn von seinem Plan abzubringen, war Americo überzeugt von seinem Plan und war nicht gewillt, ihn aufzugeben.



Reiss dich zusammen, ermahnte sich Americo, du darfst dir deine Wut nicht anmerken lassen. Du darfst jetzt keine Fehler machen- nicht jetzt, da du schon beinahe am Ziel bist.

(1) Sosto= ein Berg im Tessi (2) Lazzarone = Lump/Schuft/Schurke

0

Hörbuch

Über den Autor

Petrichor
Ich bin eine Studentin mit einer Schwäche für Satire und scharfem Senf. Bücher haben schon immer eine grosse Faszination auf mich ausgewirkt- ich konnte noch nie einer Buchhandlung oder einer Bibliothek widerstehen. Das Verfassen von Geschichten ist einer meiner liebsten Zeitvertreibe.
Das Leben ist voller Geschichten. Hätte man doch nur die Zeit, sie alle niederzuschreiben.

Leser-Statistik
18

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
AngiePfeiffer Das ist ja mal ein interessanter Krimi. Bin begeistert.
LG
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
Petrichor Vielen Dank! Es freut mich sehr, dass er Ihnen gefallen hat.
Lg
Petrichor
Vor langer Zeit - Antworten
gela556  Nicht schlecht
Habe es gerne gelesen
GlG, Gela
Vor langer Zeit - Antworten
Petrichor Das freut mich sehr. Vielen Dank!
Lg
Petrichor
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
4
0
Senden

146930
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung