Gedichte
Rot

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"Rot "
Veröffentlicht am 05. September 2016, 6 Seiten
Kategorie Gedichte
© Umschlag Bildmaterial: nina_susik - Fotolia.com
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Rot

Rot

So weiß wie Papier, unbeschrieben und gebleicht. Neues, unberührtes Papier. So weiß wie schön verputzte Wände, zum Sterben sterile, weiß geschruppte Wände. So weiß wie Schnee, erfrierender Schnee, schmerzender Schnee, wie scharfe, weiße Kristalle, verletzend, strafend. Weiß wie Gischt, Boote zerschmetternd, wie schreiende Gischt so schrecklich weiß. Gischt der Wellen. Gischt mit Blut getränkt, vermischt zu rosaroten Fluten. Aus dem Blut und dem reinen Weiß der Meereswut. Wie Staub auf steinigen Wegen, elendig lang gelaufenen Wegen, verstaubt, so weiß verstaubt, so dreckig weiß, so weiß wie Staub. Wagen, vollgepackt, verstaute, verpackte Leute,

weiße Wägen auf weißem Staub, weiß wie überfüllte Wägen, so weiß, immer weiß, alles immer weiß. So weiß wie die Krankheit, weiß auf schwarz gefleckt. Weißer Teufel, weißer Tod, geflecktes, weißes Sterben. So wie der Tod seiner Eltern, so weiß wie die Lacken, weiß wie Leichenlacken, so reinlich weiß, so weiß, so sauber weiß. Baumwollweiß, wie die Arbeit, wie das Geld, wie der Hunger, so Baumwollweiß, verzerrtes, tödliches Weiß.
Und er wie der Punkt im Baumwollfeld, schwarz, glänzend schwarze Arbeit. Wie der reglos verharrende Leichnam, schwarzes Leiden. Wie die Haut unter der Krankheit, schwarzes Erkranken,

schwarzes verletzen, wie Schwarz. Wie die Raben, kreisend, über dem Sand, so schwarz wie Raben, das Unheil riechend, wie pechschwarze Vögel. Vom Wellengang gefressene Boote, verschlingen die schwarzen Bretter, verschlungen von den nach ihm leckenden Zungen. Schwarze Fußabdrücke, im Schnee, so als gehe die Farbe ab, so als gehe sie ab. Die schwarze Farbe, abgewaschen, abgeschnitten, abgeschrubbt. Wie die Buchstaben auf den Seiten, so schwarz wie diese Sätze, auf weißem, gebleichten Papier. Beschriebenes, altes Papier. So schwarz wie die Tinte, wie die Farbe des Druckers. Doch alles was er sieht ist

weiß, gehässiges Weiß, so perfektes, reines Weiß, wie die Wolken bei ihm zuhause vor dem Regen, vor dem alles reinigenden Regen. Unverzichtbar weiße Wolken. Doch die Gesichter machen ihn krank. Denn sie sind mehr wie Papier. Unbeschrieben und gebleicht. Wie neues, unberührtes Papier. Unzugänglich, unverständlich, ängstlich glotzende Weiße. So als wäre er der Teufel, so als wäre er der alles vernichtende Tod, so schwarz wie Erde. Und Erde ist fruchtbar und er ist schwarz wie Schokolade, wie süßer Kakao. Doch er schmeckt es bitter, das reine Weiß, denn er ist schwarz und er weiß, dass Weiß kein Ultimatum ist. Doch weiß ist was es ist. Und sie frisst

weiter die Gischt, und von weiß auf Rot fehlen nicht viele Tote und das weiß wird Rot. Rot wie Blut, unnötig vergossenes Blut, bis die rote Zunge der Gischt die letzten Boote erwischt, zerschmettert und vertilgt. Bis das Leichentuch rot ist, so rot von Blut, blutgetränkte Wahrheit. Aber hier ist es weiß. Alles immer weiß. Und er ist schwarz und kennt die eine Farbe, die uns alle vereint, die Farbe Rot. Rot wie Blut. Denn er und ich und ihr wir sind blutsverwand. Ja wir sind Blutsverwandte. Rot wie Blut. Wie rotes, unnötig verrinnendes Blut.

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retle

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Gast Manchmal gibt es Dinge, in die sollte man seine Kraft lieber nicht stecken
Vor langer Zeit - Antworten
retle Und wenn du deine Kraft nicht hinein steckst, dann wird sich niemals etwas ändern
Vor langer Zeit - Antworten
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