Fantasy & Horror
Der Mann

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"Der Mann"
Veröffentlicht am 15. August 2016, 24 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich bin harrydoener und liebe das Schreiben seit dem 14. Lebensjahr. Mein erstes Buch stellte ich mit 15 fertig, allerdings war damals der Schreibstil noch sehr schlecht. Mit den Jahren las ich mir immer mehr Techniken und Theorie an und habe mich ganz passabel gemacht. Zur Zeit schreibe ich unter dem Pseudonym "Harold Kebba" an Geschichten der Kategorie Horror und das erste Buch dazu habe ich bereits veröffentlicht. Ich liebe es, Geschichten ...
Der Mann

Der Mann

Der Mann Es handelt sich hier um den Bericht eines Amerikaners, der vor seinem Tod die folgenden Zeilen verfasste und seiner Tochter überließ. Diese postete sie auf einigen okkulten Webseiten, auf denen ich sie schließlich fand. Der hier berichtete Vorfall hat sich wohl im Jahr 1976 ereignet. Ich fuhr fast vierzig Jahre Trucks durch die Rocky Mountains und habe neben ein oder zwei Pannen fast nie Probleme auf meinen Reisen gehabt. Doch die Geschichte, die ich jetzt, am Abend meiner Zeit, loswerden möchte, ist vor

nunmehr dreißig Jahren genau so geschehen, das schwöre ich. Wenn ich bald entschlafen bin, so werde ich wenigstens nicht mitbekommen, wie ich dafür ausgelacht werde. Aber ich sollte von vorne beginnen. Mein Leben als Trucker war zwar manchmal einsam, doch konnte ich mich immer auf meine Kollegen verlassen, mit denen ich über Funk in Verbindung stand, um der Isolation meiner Fahrerkabine zu entrinnen. Ich hätte mir damals nie träumen lassen, welche seltsame und beunruhigende Situation ich erleben würde. Es war der Sommer 1976, allerdings kann ich mich an den genauen Monat nicht mehr erinnern.

Mein Weg führte mich damals in meinem treuen Gefährt über den Olive Ridge, am Rande des Nationalparks entlang, und ich genoss den Ausblick auf den großen See, der weit unter mir am Fuß des Berges in der Sonne glitzerte. Ich erinnere mich noch immer an den wolkenlosen Himmel, der blau auf mich herab strahlte und mir ein Gefühl der Sorglosigkeit vermittelte. Das Brummen meines Trucks, der mich schon so viele Jahre als einziger Gefährte auf meinen Reisen begleitet hatte, wirkte fast hypnotisierend, und mein gemütlicher Ledersitz, der sich nach all der Zeit an meinen Rücken angepasst hatte, gab mir Geborgenheit und

Ruhe. Vielleicht war es zu ruhig, denn ich bemerkte den Mann, der vor mir auf die Straße sprang, erst sehr spät. Reflexartig schaffte ich es zum Glück noch, früh genug auf die Bremse zu treten, so dass mein alter Truck unter lautem Quietschen einige Meter vor dem Wahnsinnigen zum Stehen kam. Ich muss wütend ausgestiegen und auf ihn zugelaufen sein, denn heutzutage erinnere ich mich nur noch daran, dass ich vor ihm stand, bereit, ihm den Hintern aufzureißen. Ich war fast bei ihm angekommen, als ich das metallische Glitzern bemerkte. Der Mistkerl hatte eine Waffe! Zornig blieb ich stehen und

musterte den Mann nun genauer. Der Typ musste Ende dreißig sein, mit blonden, zerzausten Haaren, wirrem Blick und zerfledderten Klamotten. „Sie da, bleiben Sie da stehen, ganz genau da!“, wies er mich heiser an. Ich machte meinen Frieden mit Gott, da ich annahm, der Wahnsinnige würde auf mich feuern, um an meinen Truck zu kommen. Ich verfluchte meine Dummheit. Wieso war ich nicht drinnen geblieben, wo ich einigermaßen sicher war? Es war doch allgemein bekannt, dass von Leuten am Straßenrand nichts Gutes kommen konnte. „Bleib' mal ganz locker!“, wies ich den Irren beschwichtigend

an. „Sie... Sie sind nicht er... ich dachte...“, raunte der andere vor sich hin. „Wie heißt du? Was willst du von mir? Wenn du mich kalt machen willst, beeil‘ dich wenigstens“, versuchte ich ihn abzulenken. „Mein Name? Stanley, oder auch Stan. Ich bin mit dem Auto liegen geblieben, bin wohl zu hektisch gefahren“, stellte er sich vor und deutete mit der freien Hand hinter sich. Erst jetzt konnte ich den alten Jeep sehen, den Stanley augenscheinlich gegen einen der vielen Bäume am Straßenrand gesetzt hatte. Das beruhigte mich etwas. Vielleicht gab er sich damit

zufrieden, mit mir mit zu fahren. „Wo musst du denn hin?“, fragte ich ihn daher. „Ich muss weiter, einfach nur weiter“, sagte Stanley und sah unruhig die Straße auf und ab, als wenn er jemanden suchen würde. Plötzlich ließ er die Waffe sinken und fing an zu weinen. „Entschuldigen Sie, ich bin einfach nicht ich selbst. Bitte nehmen Sie mich mit, ich flehe sie an! Ich… gebe Ihnen all mein Geld! Ich bitte Sie! Wenn ich hier bleibe...“ Ich war verdutzt und überlegte erst, ob ich ihm eine überziehen sollte, aber die seltsame Angst in Stanleys Augen

bewegte mich dazu, inne zu halten. Außerdem konnte ich zusätzliches Geld gut gebrauchen. „Sind die Bullen hinter dir her?“, wollte ich skeptisch wissen, denn einem gesuchten Mann wollte ich schließlich nicht unter die Arme greifen. Stanley lachte nur hohl. „Die Polizei? Nein, ich wäre froh, wenn ich hier einen Sheriff oder einen Deputy getroffen hätte. Vielleicht könnten die mir helfen. Nein, keine Sorge! Aber ich muss hier weg, JETZT!“, rief er dann erregt und fuchtelte mit der Waffe herum. „Gut, gut, dann rein mit dir!“, lenkte ich

ein. Ich hatte eher eine Chance, ihn im Notfall zu überwältigen, wenn er in Schlagweite war. Somit ließ ich ihn auf meinen Beifahrersitz klettern, der so selten benutzt worden war, dass er wie neu aussah. Mürrisch setzte ich mich wieder ans Steuer. „B-bitte entschuldigen Sie nochmals, a-aber es geht um mein Leben“, stammelte Stanley entschuldigend, nachdem wir einige Minuten schweigend neben-einandergesessen hatten. „Hm“, brummte ich. „Wie heißen Sie?“, wollte er dann von mir wissen, wohl, um die Situation zu

entschärfen. „Bert“, machte ich. „Nun, Bert, nochmals Entschuldigung für mein Verhalten. Aber ich habe einfach Angst, dass er mich erwischt!“, sagte Stanley und blickte seltsam verschreckt zu Boden. „Er, er, er! Wer? Sei doch nicht so wage!“, fuhr ich ihn mürrisch an. „Das würden Sie mir nicht glauben“, sagte Stanley traurig. „Hab‘ schon einiges gehört. Einer der Jungs erzählt jede Woche von Bigfoot. Schlimmer kann es nicht sein“, meinte ich und deutete auf mein Funkgerät. „Die Geschichte ist so irrsinnig, dass ich sie mir selbst nicht glauben würde, hätte

ich sie nicht am eigenen Leib erlebt“, meinte Stanley schluckend. „Dann schieß‘ los“, sagte ich, insgeheim ein wenig gespannt. Ich hatte gute Geschichten schon immer gemocht und so würde mir dieser arme Irre wenigstens nicht aus Versehen eine Kugel in den Kopf jagen. „Also gut. Es hat gestern angefangen, gestern, als mein Leben noch normal und langweilig war. Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sage, aber ich vermisse meinen öden Schreibtischjob, meine Box... Nun, es war gegen Mittag und ich vertrat mir wie an jedem Arbeitstag die Beine. Wissen Sie, ich kenne viele, die die Wolkenkratzer in

Salt Lake City bedrückend finden, aber mir gaben sie immer ein Gefühl des Zuhauseseins. Ich habe mein ganzes Leben in der Stadt verbracht und kenne nicht wirklich etwas Anderes.“ „Armer Schlucker“, bemerkte ich. Wie konnte man den Ruf der gewaltigen Welt nur ignorieren? „Nun, ich weiß selbst, dass ich nur ein Stadtei bin, aber es ging mir gut... bis gestern. Ich lief also ganz gemütlich durch die Innenstadt und genoss meine Mittagspause. Dann passierte es. Ein Unfall, direkt neben mir auf der Straße. Ein alter Kleinwagen knallte direkt in einen Bus, der Fahrer hatte wohl einen Herzinfarkt oder etwas Ähnliches. Auf

jeden Fall können Sie sich meinen Schrecken bestimmt vorstellen. Der Knall, der Qualm… Und ich habe keine Ahnung wieso, aber der Bus brannte Augenblicke später lichterloh. Es war einfach grausam, so viele Menschen einfach...“ Stanley brach ab und starrte ins Leere. „Das würde jeden mitnehmen, aber es erklärt noch immer nicht dein Verhalten“, merkte ich an, aber ich war auch gespannt darauf, wie es weiterging. „Nein, natürlich nicht. Wäre es doch nur das gewesen, mit einem Schock wäre ich vermutlich besser fertig geworden. Alles brannte, lichterloh… und dann sah ich

ihn. Er stand am anderen Ende der Straße und sah auf das grausige Geschehen, vollkommen unberührt von den Schreien und dem Gestank verbrennenden Fleisches und schmelzenden Metalls. Dieser... Mann. Ausdruckslos ließ er seinen Blick über Teile des Busses schweifen, die in heller Glut vergingen. Sein dunkelgrauer Nadelstreifenanzug war nicht im Geringsten beschädigt und seine Schuhe glänzten dunkel im Licht der Mittagssonne, unheilvoll und fremd. Seine Haut war fahl und seltsam rau, seine weiße Hand umklammerte eine alte Aktentasche, die fehl am Platz wirkte. Ich konnte sein Gesicht zunächst nicht

erkennen und ich wünschte, es wäre dabei geblieben. Ich... ich kann diese Fratze einfach nicht beschreiben, meine Stimme will die Worte nicht herausbringen. Und als ich diesen Mann anblickte, da spürte ich plötzlich sein kaltes Starren auf mir ruhen, aus diesen... Augen. Ich weiß nicht, warum ich wegrannte, aber ich fand mich irgendwann in meinem Büro wieder...“ „Das ist alles? Vielleicht hat der Mann im Krieg gekämpft und sein Gesicht wurde dabei zerbombt, das ist doch lange noch kein...“, wandte ich ein, doch Stanley unterbrach mich. „Sein Gesicht war nicht vernarbt, nein,

das war es nicht... es war... ich kann einfach nicht. Aber es war mit jener Begegnung auch nicht getan. Als ich später wieder in meiner Box saß und mich mit meiner Arbeit abzulenken versuchte, bemerkte ich nicht, wie die Zeit verflog. Es war schon Abend geworden und meine Kolleginnen und Kollegen waren nach und nach in den Feierabend aufgebrochen. Ich blieb, weil ich das Geschehene immer noch nicht richtig verdaut hatte. Dann wurde mir schlagartig übel. Ich spürte einen Blick auf mir, sah auf und... da stand er! Direkt in der Box gegenüber von meiner! Er begann, langsam in meine Richtung zu

laufen…“ „Und dann...?“, fragte ich ungläubig. Mir war nicht wohl, denn Stanley war durch den Unfall offensichtlich übergeschnappt. Wer wusste, wozu er im Stande war! „Nun, natürlich bin ich weggerannt. Raus aus dem Gebäude! Und... Dort stand er auch! Wie war er mir gefolgt? Ich musste einfach weg, weg von diesem... Ding. Weg und in Sicherheit. Ich habe mein Auto genommen und bin losgefahren, ohne Plan, einfach weg! Die ganze Nacht schon fahre ich... und immer wieder sah ich ihn im Rückspiegel auftauchen, in einem schwarzen Wagen, der hinter mir herfährt. Ich habe ihn

jedes Mal abhängen können, aber schließlich muss ich wohl in Sekundenschlaf gefallen sein und bin hier gegen den Baum gefahren. Dann kamen Sie auch schon und ich musste diese Gelegenheit einfach ergreifen! Ich musste weiter, was wäre denn, wenn er mich eingeholt hätte?“ Ich starrte den zitternden Stanley an. „Dein Ernst?“, brummte ich. „Ja, natürlich, sehe ich aus, als würde ich spaßen? Zum Glück hatte ich die Waffe im Auto...“, murmelte er vor sich hin. Ich schwieg und sah auf meine Tankanzeige. Damit würde ich nicht mehr weit kommen. Bei nächster

Gelegenheit lenkte ich meinen Truck schließlich von der Straße und fuhr an eine der Gebirgstankstellen, die am Wegesrand zu finden war. „Was... was machen Sie?“, stammelte Stanley bleich. „Wir können nicht anhalten! Er wird kommen!“ „Nun, wenn der Tank gleich komplett leer ist, kommen wir nirgendwo mehr hin. Und hör' mir mit diesem Mann auf, das ist nur der Schock!“, meinte ich und stieg aus dem Wagen, um meinen Tank wieder aufzufüllen. Gerade hatte ich den Schlauch ergriffen, als ich einen panischen Schrei hörte, der mir durch Mark und Bein ging. Es war

Stanleys Stimme. Der arme Kerl schien übergeschnappt zu sein und mit Entsetzen hörte ich den Motor meines alten Gefährtes aufheulen. Sekunden später schoss mein Truck davon und ließ mich verdutzt in einer Staubwolke zurück. Ich fluchte laut. Der Typ hatte mich verarscht, oder er war wirklich nicht mehr ganz dicht! Auf jeden Fall hatte ich nun weder meinen Truck, noch das versprochene Geld! Ich fluchte erneut. Wie hatte ich diesen Wahnsinnigen in mein Gefährt lassen können, mit dieser verrückten Geschichte. Wie hatte ich... Dann hörte ich das Heulen eines anderen Autos, das an mir vorbeischoss, und mir

blieb fast das Herz stehen. Am Steuer des schwarzen Leichenwagens saß eine Gestalt, die ich mir nicht in den schlimmsten Schreckensfantasien hätte erträumen können: Ein Mann, bleich wie eine Leiche, mit dunkelgrauem Nadelstreifenanzug und einem großen Zylinder auf dem Kopf. Sein unmenschliches Gesicht brannte sich für immer in meine Gedanken, trotz der wenigen Sekunden, die ich es gesehen habe. Die Augen erschienen groß, lidlos und schlitzförmig, seine breit grinsende Mundöffnung reichte von einem Ohr zum anderen. Jenes Grinsen schien mir aus der Hölle selbst zu kommen. Starrend schoss das Wesen in seinem Auto an mir

vorbei, hatte mich aber nicht bemerkt, wie es mir schien… und dafür danke ich Gott. Es schoss vorbei, meinem Truck hinterher und verschwand in der Ferne. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir alles nur eingebildet habe, ob die Geschichte des wahnsinnigen Stanley mir so nahegegangen war, dass ich an jenem Tag halluzinierte, doch kann ich mir nicht vorstellen, wie solch eine maskenhafte Grimasse aus meinen Gedanken hervorgekrochen sein sollte. Mein Truck wurde noch am selben Tag gefunden, er war gegen eine Felswand gefahren worden. Doch einen Insassen fand man nicht, nur die Einschusslöcher, die sich tief in die Überreste des

zerfetzten Beifahrersitzes bohrten...


Dieser Bericht stammt aus "Der Ebrugh-Mythos"

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Über den Autor

harrydoener
Ich bin harrydoener und liebe das Schreiben seit dem 14. Lebensjahr. Mein erstes Buch stellte ich mit 15 fertig, allerdings war damals der Schreibstil noch sehr schlecht. Mit den Jahren las ich mir immer mehr Techniken und Theorie an und habe mich ganz passabel gemacht. Zur Zeit schreibe ich unter dem Pseudonym "Harold Kebba" an Geschichten der Kategorie Horror und das erste Buch dazu habe ich bereits veröffentlicht. Ich liebe es, Geschichten von anderen zu lesen, eines meiner größten Steckenpferde ist das Korrekturlesen und selbstverständlich das Schreiben an sich. Also, wer Feedback möchte, kann mich immer gerne fragen!

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Whisperwind Hallo!
Toll geschrieben, spannend und genial gruselig. Was soll ich sagen, so mag ich deine Geschichten :)

Viele Liebe Grüße
Whisperwind
Vor langer Zeit - Antworten
Biggi11 Sehr spannend geschrieben. Der Sensemann in Nadelstreifen...
Gerne gelesen, l.G. Biggi
Vor langer Zeit - Antworten
gela556  So Schaurig, und doch fast zum Glauben gewillt, dagestellt.
Eine sehr gute Geschichte, Gevatter Tod mal in Nadelstreifen, statt schwarzer Kutte.
Gefallt mir gut
GlG, Gela
Vor langer Zeit - Antworten
harrydoener Vielen Dank! =) Es kommt bestimmt die Tage noch ein wenig mehr! LG
Vor langer Zeit - Antworten
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