Haariges
„Und vergesst mir das Fremdwort nicht – Fasson -! Hatte uns der Vater immer hinterher gerufen, wenn wir zum Friseur Krieg gingen. Ganz früher war er immer dabei. Aber später gingen wir allein hin. Leider durften wir den Haarschnitt nicht selbst wählen, bis zur Jugendweihe war man Kind.
Im Salon empfing uns eine fremde Welt. Rechter Hand im Laden wurden die Frauen mit Lockenwicklern gequält, um dauerhaft lockiges Haar zu erreichen. Wenn unsere Mutter von so einer Tortur nach Hause kam, hatte sie Kopfschmerzen, lief als erstes zum Spiegel und sah echt unglücklich aus.
Im Herrensalon war man unter sich. Es gab Zeitungen an Haken drapiert, die man studieren konnte. An den Frisiersesseln mit Hydraulik und Spiegel bedienten Vater und Sohn Krieg. Aber nur die Großen. Für uns wurde der hölzerne Kinderstuhl hinter dem Vorhang hervorgeholt und
wir saßen mitten im Raum. Schändlich.
Es roch nach Shampoo und Haarwasser. Man hörte das Rattern der Schneidemaschinen und das Klappern der Scheren. Auch die Stangen-Brillantine kam final zum Einsatz. Beim Gehen flüsterten die Männer mit dem Friseur und bekamen etwas Geheimnisvolles zugeschoben. Das waren „Pariser“ habe wir später erfahren.
Der Gipfel der Folter war der Senior Krieg, der beim Schneiden schon das Zittern seiner rechten Hand auf die Schere übertrug und damit die Angst aufkam, dass er uns in die Ohren schnitt.
Immer war das Haar zu kurz, immer war es Koppel-breit über dem Ohr ausgeschnitten, immer waren wir danach sehr unglücklich.
JFW 14.08.2016