Kurzgeschichte
Zootiere - Eine Dystopie

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"Man darf auf gar keinen Fall anders sein. Das ist gefährlich."
Veröffentlicht am 07. August 2016, 18 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich bin: Alles und Nichts. Eine Mischung aus Gegensätzlichen Eigenschften die sich doch ergänzen. Ich mag: Gothic, Horror, Schwarzer Humor und eigentlich alles was düster ist. Psychologie; Es gibt nichts fasziniernenderes als unser eigenes Innenleben. Kultur: Theater, Mucials usw. Natur: Wälder und Meere, eigene Welten in unserer Welt. Und vieles mehr. Interessen/ Hobbys: Psychologie, Philosophie, Theater Ich als Schreiberling: ...
Man darf auf gar keinen Fall anders sein. Das ist gefährlich.

Zootiere - Eine Dystopie

Schauspieler

Der Wecker klingelt, also stehe ich auf. Ich trinke meine morgendliche Tasse Kaffee, weil ich das immer tue, danach mache ich mich fertig und gehe zur Arbeit. Auf dem Weg treffe ich jemanden der mir bekannt vorkommt. Er erkennt mich auch, also bleibt er stehen und begrüßt mich herzlich, als würde er sich wirklich freuen mich zu sehen. Wenn er das wirklich tun würde, würden wir uns öfter sehen. Aber er hat keine Zeit. Trotzdem meint er wir müssten uns unbedingt mal wieder treffen. Ich denke „Das möchtest du doch gar nicht“. Doch anstatt es zu sagen, sage ich: „Ja

unbedingt“. Doch natürlich möchte ich ihn genauso wenig widersehen, wie er mich. Aber ich lächle und gebe mir Mühe so zu tun, als möchte ich es. Weil man das eben so tut. Wir verabschieden uns und ich gehe weiter. Auf der Arbeit begrüßen mich die Kollegen. Manche fragen wie es mir geht. Ich sage ihnen was sie hören wollen: „Mir geht’s gut.“ Manchmal frage ich mich was das eigentlich bedeutet „gut“. Vielleicht geht es mir ja sogar gut. Ich arbeite um Geld zu verdienen. Denn Geld ist wichtig. Ohne Geld geht in dieser Welt gar nichts. Ohne Geld bist du

so gut wie tot. Außerdem muss ich arbeiten, weil jeder arbeitet. Wer nicht arbeitet, der gehört auch nicht dazu. Der ist anders und man darf auf gar keinen Fall anders sein. Das ist gefährlich. Und wenn man doch anders ist, darf man es niemanden merken lassen. Darum lasse ich es keinen merken. Auf meine Weise bin ich ein Schauspieler und ich überlebe jeden Tag indem ich meine Rolle spiele. Und bisher funktioniert das auch ganz gut. Ein Kollege fragt mich ob ich mit ihm und den anderen nach der Arbeit mit in den Zoo gehen will. Ich will eine Ausrede erfinden, doch mir fällt keine

mehr ein. Ich habe mich schon zu oft herausgeredet. Es ist mir gelungen bestimmt ein halbes Jahr nicht mehr hinzugehen. Doch heute fällt mir keine ein. Bevor das Schweigen zu lange und der Kollege misstrauisch wird, sage ich „Ja, gerne.“ Dabei kann ich mir nichts schlimmeres Vorstellen. Ich hasse den Zoo.

Im Zoo

Wir treffen uns alle im Foyer. Jeder hat eine Kamera, oder zumindest ein Handy dabei, mit dem er Bilder machen und filmen kann. Zootiere zu filmen ist der totale Hit. Jeder mag Videos von Zootieren. Das ist auch der eigentliche Grund für den Zoobesuch. Fotos und Videos zu machen, möglichst viele und diese dann möglichst Vielen zu zeigen. Früher ging man noch in Bars, oder Kneipen, doch da musste man sich unterhalten. Auch aus diesem Grund gehen die Meisten lieber in den Zoo. Und wegen der Bilder und Videos natürlich. Nur ich gehe nicht gerne in

den Zoo, aber heute muss ich mit. Der Zoo ist sehr groß und besteht aus vielen Räumen. Ein gut ausgeschilderter und durch einen roten Teppich markierter Weg führt durch das verwinkelte Gebäude, indem man sich sonst schnell verlaufen könnte. Das Gebäude muss so sein, damit die Zootiere einander nicht sehen können. Auf diese Art und Weise ist jedes Zootier alleine. Der Zoo verfügt über ein automatisiertes Beleuchtungssystem, das auf Bewegung reagiert. Allerdings nicht auf die Bewegungen der Zootiere in ihren Käfigen, sondern nur auf jene außerhalb. Es reagiert auf uns, die

Besucher. Wenn eine Besuchergruppe, und die Meisten Besucher kommen in Gruppen, den Bereich betritt, wird es plötzlich sehr hell, damit wir das Zootier auch gut sehen können. Die Käfige in denen die Zootiere gehalten werden sind aus sehr stabilem Glas. Die Käfige sind völlig sicher, nichts kommt durch dieses Glas, weder rein, noch raus. Dank der gläsernen Käfige können wir alle Bewegungen der Zootiere verfolgen, nichts entgeht uns und sie haben keine Möglichkeit unseren Blicken und den Suchern unserer Kameras zu entgehen. Natürlich können auch sie uns

sehen. Das erste Zootier das wir betrachten ist eine sechzigjährige Frau. Ihr Alter kann man der Informationstafel neben dem Käfig entnehmen, so wie einige andere Angaben zu ihrer Herkunft und ihren Körpermaßen. Sie ist schon lange im Zoo, das verrät mir ihr stumpfer Blick und ihre Lethargie. Außerdem kommt sie mir bekannt vor. Wahrscheinlich war sie bei meinem letzten Zoobesuch schon hier. Jetzt erinnere ich mich auch wieder daran warum sie hier ist. Sie hat sechs Zehen am rechten Fuß. Wahrscheinlich ist sie schon seit ihrer Geburt hier. Die Meisten Zootiere mit körperlichen

Auffälligkeiten werden früh eingefangen und wachsen bereits im Zoo auf. Manchmal verschwinden sie auch wieder, weil Platz für neue Tiere gebraucht wird. Alte Zootiere werden mit der Zeit langweilig, die Neuen sind interessanter. Niemand weiß was mit den Zootieren passiert, wenn sie nicht mehr im Zoo sind. Aber das interessiert auch keinen. Wir gehen weiter den markierten Weg entlang, von Raum zu Raum, von Zootier zu Zootier. Viele von ihnen weisen eine ähnliche Lethargie auf wie die alte Frau, die wir zuerst gesehen haben. Sie reagieren kaum auf uns,

zucken nur kurz zusammen wenn die Lichter angehen. Manche jedoch sind wahnsinnig geworden. Diese Exemplare sind besonders beliebt, weil sie häufig recht aktiv sind und wirre Dinge reden. Zumindest nehmen wir an das es wirre Dinge sind, denn hören können wir die Laute der Zootiere nicht. Dafür ist das Glas zu dick. Aber man kann zusehen wie sich die Lippen bewegen, und ab und zu ist auch ein Besucher dabei der etwas Lippenlesen kann und dann einzelne Worte zur Belustigung der Anderen wiedergibt. Die lethargischen Zootiere sind dagegen eher langweilig, oft hocken sie nur in einer Ecke herum und geben keinen Laut von sich.

Das neue Zootier

Doch dann erreichen wir das Highlight der momentanen Ausstellung. Ein neues Exemplar, das erst seit gestern im Zoo ist. Sobald wir den Raum betreten flammt die helle Raumbeleuchtung auf, sodass wir das Zootier gut betrachten können und optimale Lichtverhältnisse zum filmen und fotografieren können. Es ist ein junger Mann, achtzehn Jahre alt. Er ist groß und schlaksig, das schwarze Haar hängt ihm wirr in die Stirn und seine Augen sind giftgrün. Seine Augen sind anders wie die der anderen Zootiere. Auf den ersten Blick sind sie

wütend. Ja seine Wut ist deutlich. Die verschränkten Arme und wie er in seinem Käfig herumtigert und uns dabei immer wieder wütende Blicke zuwirft zeigen, dass er sich noch nicht mit seiner Situation abgefunden hat. Aber das wird er, früher oder später. Es führt kein Weg aus einem Zookäfig. Wahrscheinlich weiß er das längst, jeder weiß es. Ich kann es in seinen Augen sehen, hinter seiner Wut verbirgt sich Schmerz. Ein Schmerz, so klar und tief wie das Wasser eines Gebirgssees. Es ist das wunderschönste was ich seit langem gesehen habe und ich kann meinen Blick nicht von dem jungen Mann abwenden. Ein Kollege legt mir eine Hand auf die

Schulter und bemerkt schwungvoll: „Jaja, die neuen sind immer am Interessantesten. Aber sie sollten ihm mehr zu essen geben.“ Ich nicke nur und lächle, als würde ich ihm beipflichten. Ich gehe nicht gerne in den Zoo. Weil ich im Grunde Angst habe, Angst selbst einmal als Zootier zu enden. Denn alle die anders sind enden als Zootiere. In der Anfangszeit waren es nur körperliche Absonderlichkeiten, doch je beliebter die Zoos wurden, umso mehr gab es. Inzwischen gibt es ein breites Feld an Zoos, Zootiere für jeden Geschmack. Jeder der nicht wie die

anderen ist endet früher oder später in einem Zoo. Deswegen muss ich so tun als ginge ich gerne in Zoos. Und als fände ich alles gut so wie es ist. Und ich habe ständig Angst, dass jemand meine Maskerade durchschaut. Der junge Mann erwidert meinen Blick und für einen Moment frage ich mich, ob er es weiß. Wir Zootiere erkennen einander, allerdings erkennen einen nur die neuen. Jene die noch aufmerksam sind und sich nicht in Lethargie, Gleichgültigkeit oder Wahnsinn verloren haben. Ja, ich bin mir sogar sicher, dass er mich erkennt. Aber das ist unwichtig, denn keiner könnte ihn hören, selbst

wenn er mich verraten würde. Ich stehe auf dieser Seite vom Glas. Und das ist alles was zählt.

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Hörbuch

Über den Autor

Luneame
Ich bin: Alles und Nichts. Eine Mischung aus Gegensätzlichen Eigenschften die sich doch ergänzen.

Ich mag: Gothic, Horror, Schwarzer Humor und eigentlich alles was düster ist. Psychologie; Es gibt nichts fasziniernenderes als unser eigenes Innenleben. Kultur: Theater, Mucials usw. Natur: Wälder und Meere, eigene Welten in unserer Welt. Und vieles mehr.

Interessen/ Hobbys: Psychologie, Philosophie, Theater

Ich als Schreiberling: Gedichte, Kurzgeschichten, längere Geschichten, Metaphern und Gedankefragmente. All das Gehört zu meinem Reportoire. Am konstantesten und umfangreichsten ist jedoch meine Gedichtssammlung, die bereits 6 Gedichtsbücher füllt.

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