Kurzgeschichte
Groll

Groll

Es hätte ein gemütlicher Abend werden sollen, mit etwas Wein auf dem Sofa vor dem Fernseher, einfach zusammen sein, die Zeit genießen. Doch daraus wurde nichts. Stattdessen saßen sie da, warfen sich in stiller Verachtung giftige Blicke zu, von denen sogar der Wein auf ihren Zungen schlecht zu werden schien und bekamen von dem heutigen Spielfilm nicht mehr mit, als die ätzenden Werbepausen, weil sie viel zu sehr damit beschäftigt waren, aufeinander sauer zu sein und es sich so subtil wie möglich immer weiter unter die Nase zu reiben. Denn sie war sich absolut sicher, dass es seine

Schuld und er eindeutig davon überzeugt, dass es ihre gewesen war – was genau spielte schon längst keine Rolle mehr.

TAG 91, 1.August 2016