Kurzgeschichte
Und dennoch

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"Manche haben etwas an sich, was einen magisch anzieht und man fragt sich, was es ist"
Veröffentlicht am 16. Juli 2016, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Manche haben etwas an sich, was einen magisch anzieht und man fragt sich, was es ist

Und dennoch

Titel

Es hatte zwar eine ganze Weile gedauert, aber dank einer neuen Maßnahme vom Arbeitsamt, hatte ich genug Ablenkung bekommen und kam so nicht dazu mich volllaufen zu lassen. Ein scheiß Gefühl, wenn man abserviert wird und die Gefühle nicht verschwinden wollen. Ich hasste sie dafür und mich selbst. Vor allem mich, war es doch das Beste gewesen, was mir passieren konnte. Was hatte sie schon zu bieten? Konnte ich mit ihr Gespräche führen? Leider nein. Und wenn eine ihrer Freundinnen da war, kam ich mir vor, als wäre ich unter

dummen Teenagern. Die Betonung liegt auf Dumm. Dabei waren sie schon weit über zwanzig. Jedes mal griff ich mir an den Kopf und fragte mich, wie viel Alkohol ich trinken musste, bis ich anfange so niveaulos daherzureden. Da ich den Dünnschiss, den sie von sich gaben, nicht ertrug, verschwand ich regelmäßig in der Küche, putzte und kochte und fragte mich, wann die Göre endlich wieder den Abgang macht. Wenn ich so darüber nachdenke, wundert es mich nicht, das wir uns nicht normal unterhalten konnten. Bei dem Umgang. Sie konnte gar nicht mehr anders reden. Außer, das man sich nicht normal mit ihr unterhalten konnte, war sie auch

noch stinkenfaul. Leider Gottes steckte sie mich auch damit an. Die einzige Zeit, in der ich freiwillig und bereitwillig den Putzlappen schwang, war die Zeit, wenn einer ihrer Freundinnen da war. Als ich noch alleine gelebt habe, wurde ich sehr häufig gelobt, weil es bei mir wirklich sauber aussah. Die einzigen Menschen, die sich über meinen Haushalt beschwert hatten, waren diejenigen gewesen, die extrem penibel waren. Es kam eben schon mal vor, das ein Schnipsel Paper, auf meinem sonst sauber geputzten Boden lag. Mich hatte der Schnipsel nicht gestört. Aber einigen anderen. „Räum doch mal auf.“,

hieß es dann gleich. Solche Leute kann ich noch nicht einmal im Vollsuff ertragen. Ordnung ja, aber nicht Sterilität. Schließlich lebe ich nicht in einem Krankenhaus und ich will nicht zu denen gehören, die Schuld daran tragen, das so viele Keime resistent geworden sind. Außerdem macht zu viel Hygiene nur krank. Verursacht Allergien und schlimmeres. Um ehrlich zu sein, war es mehr oder weniger nur eine Bettbeziehung gewesen. Dennoch hatte ich die Frau geliebt. Aber warum hatte ich sie geliebt? Was hatte mich zu ihr hingezogen? Sie hatte ein hübsches Gesicht und einen schönen Vorbau. Aber

was hatte sie sonst zu bieten gehabt? Irgendwas muss mich doch damals an ihr fasziniert haben. Aus irgendeinem Grund hatte ich mich in sie verknallt und es tat mir übelst weh, als sie mir in den Arsch trat. Habe ich das alles vergessen, weil ich es vergessen wollte, oder gab es nichts Positives an ihr. Ich weiß noch, das sie viel versprach und nichts davon hielt. Aber das ist ja auch ein Negativpunkt. War es wirklich nur eine Bettgeschichte? Gab es nichts anderes, außer das Eine? Dann muss sie darin aber verdammt gut gewesen, das ich so schwer von ihr loskam. Und wie es so in meinem Leben ist, kaum geht es mir mal gut, dauert es

nicht lange und... Ich war an die Tür gegangen, weil ich ein Paket erwartet hatte. Übers Internet hatte ich ein Buch bestellt, da ich es in den Läden, in denen ich verkehre, nicht fand und ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht. Der zustand des Buches war mir relativ egal gewesen. Wichtig war nur, das noch alle Seiten vorhanden waren und ich endlich weiterlesen konnte. Aber vor der Tür stand keiner vom Paketdienst, sondern der Typ, der mir meine Dame ausgespannt hatte. Mit seinem Erscheinen, kamen auch die Herzschmerzen wieder, wofür ich ihm sehr dankbar

war. „Was willst du hier?“, kam ich ihm schroff entgegen. „Ich wollte dich fragen, ob du was von ihr gehört hast. Sie geht nicht an ihr Handy und sie schreibt auch nicht zurück. Ihre Klingel hat sie auch ausgeschalten.“ „Wie kommst du auf die glorreiche Idee, das ich was weiß“ Stimmt, den selben Scheiß hatte sie mit mir auch abgezogen. Oft hatte ich mich gefragt, wofür sie das neueste Handymodell wollte, wenn sie eh kein Bock hatte zu telefonieren und nur selten zurückschrieb. Angeblich kamen meine Nachrichten nicht bei ihr an, war

ihre Ausrede gewesen. Früher, als das alles noch neu war, hätte ich ihr das geglaubt, da ich es selbst erlebt hatte. Ich schrieb jemand eine SMS und der Empfänger hat sie erst eine Woche später bekommen. Zumindest manchmal hatte es so lange gedauert. „Ich dachte, ihr habt noch Kontakt, weil du ihren Schlüssel noch hast und sie deinen hat.“ Die Vergesslichkeit lässt grüßen. Das sie nicht mitdachte, war mir klar. Aber das ich nicht daran gedacht hatte. „Seit dem Arschtritt, den ich dank dir von ihr bekommen hatte, hörte ich nie wieder was von ihr und ich habe auch kein Interesse daran, sie jemals wieder

zu sehen. Das Thema ist für mich abgehakt. Aber danke, das du mich daran erinnert hast, das ich ihren Schlüssel noch habe. Den werde ich ihr diese Tage per Post zuschicken.“ Dann wollte ich eigentlich die Tür zu machen. Schließlich hatten wir alles gesagt. Doch das nächste, an was ich mich erinnere, ist, das wir in meinem Wohnzimmer sitzen und gemeinsam Bier trinken. Dabei war ich auf einem so guten Weg gewesen. Eine ganze Woche war ich Alkfrei gewesen. Ich könnte mich heute noch dafür Ohrfeigen. Wer weiß, wie lange ich es sonst durchgehalten hätte, wenn er nicht auf der Bildfläche erschienen wäre und ich

ihn nicht reingelassen hätte. Aber mit seinem Auftritt kamen die Erinnerungen und die Schmerzen wieder. Die ersten Stunden gingen nur um sie. Er jammerte mir die Ohren voll, wie sehr er unter ihr leide. Gestand mir, das ihm die Hand ausgerutscht war, weil sie ihn angelogen hatte, nachdem sie beteuert hatte, das sie die Wahrheit spricht. Ich konnte es ihm nachempfinden. Sagte es aber nicht. Denn ich sah in ihm immer noch den Typ, der mir meine Freundin ausgespannt hatte. Klar gehören immer zwei dazu. Aber wäre er nicht erschienen und hätte sich auf sie

eingelassen... Das Bier floss und floss. Unglaublich, wie viel ich an jenem Abend ertrug. Noch unglaublicher war, das, je mehr er von ihr erzählte, sie mir fehlte. So bescheuert kann man doch nicht sein, das man jemanden liebte, die faul war und auf die man sich nicht verlassen konnte. Oder etwa doch? Irgendwann kippte er um und ich saß alleine da. Zwar war ich schon voll wie tausend Russen gewesen, aber dennoch passte immer noch was in mir rein. Und während im Hintergrund leise Deprimucke dudelte, der Typ neben mir im Koma lag, trank ich weiter und hing meinen Gedanken nach. Fragte mich

immer wieder, wie es diese eine Frau schaffen konnte, zwei Männer psychisch fertig zu machen. Denn so schön war sie ja nun auch wieder nicht gewesen.Eigentlich hatte sie gar nichts an sich, was ein Mann an einer Frau anziehend findet. Außer vielleicht ihr Lächeln. Aber das war es auch schon wieder. Ansonsten war sie Mangelware, denn bei ihr mangelte es an allem. Intelligenz, Hang zu Ordnung und Sauberkeit, Fleiß, wahre Schönheit...

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