Was bisher geschah:
Ein Mann durchwandert die deutschen Lande. In einer Schenke östlich des Rheins findet er einen Reisegefährten. Zusammen ziehen sie los. Doch ob gutem Essen und Wein trödeln sie. Als sie sich der Grafschaft Werrentheim nähern, dunkelt es In einem Wald, nahe der Stadt, werden sie von Räubern überfallen und der Reisegefährte des Mannes verletzt. Das Ende scheint nahe zu sein. Ein aus dem Dunkeln auftauchender Reiter verhindert Schlimmeres. Die beiden retten sich in eine Schenke und erfahren dort Vergangenes und mehr.
"Am nächsten Tage galt es, die Forellen zu versorgen. Der Graf drohte seinen Bediensteten die härtesten Strafen an, doch keiner wollte zu den Teichen gehen, sei es, weil sie sich vor dem Ort, an dem jemand gestorben war, oder vor
einem wiederkehrenden Zorn des Grafen fürchteten. So musste dieser selbst dorthin reiten. Gegen Abend tat er das. Die Nacht war bereits hereingebrochen, da kam sein Pferd allein in die Stallungen zurück. Zuerst getraute sich niemand etwas zu unternehmen, doch kurz vor Mitternacht brach doch endlich ein Suchtrupp, ausgerüstet mir Fackeln, Knüppeln und Piken, auf, um den vermissten Grafen zu suchen. Man fand ihn bei den Forellenteichen. Er lag tot im Wasser, an genau derselben Stelle, an der man den Wildhüter einen Tag zuvor gefunden hatte. Sie zogen den Grafen heraus. Das Gesicht war weiß und seine Augen starrten ihnen feindselig entgegen. Drei Tage später beerdigte man den Wildhüter. Alles Volk aus der Grafschaft kam, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Man legte ihn in ein einfaches Grab und auf dem Holzkreuz stand nur sein Name. Zwei Tage später sollte der Graf bestattet werden. Außer dem Pfarrer und einer entfernten
Tante stand keine Seele an seinem Grab. Die Leute blieben Zuhause, nicht wenige trafen sich in den umliegenden Schenken und ließen sich das Bier schmecken, ohne auch nur einmal an den Toten zu denken. Zwei Monate später kam ein Verwandter des Verstorbenen und er wurde der neue Graf. Nach dem was die Menschen erlebt hatten, waren sie misstrauisch, doch ihr neuer Landesherr war ein kluger und gütiger Mann und bald schon waren alle froh.
So verging ein Jahr.
Im nächsten Sommer kamen einige Gesellen spät des Nachts aus einem Nachbardorf, wo sie gefeiert und mit den Mädchen getanzt hatten. Sie wollten zurück nach Werrentheim. Sie kamen auf dem selben Weg daher, den ihr gegangen seid. Sie kamen durch den selben Wald. Sie waren gerade dort, wo die Bäume am dichtesten beieinander stehen, da hörten sie hinter sich den Hufschlag eines Pferdes. Sie drehten sich um und aus der Dunkelheit kam ein
Reiter auf sie zu, schwertschwingend und Verfluchungen ausstoßend. Die Gesellen liefen los. Sieben von ihnen waren auf der einen Seite in den Wald hineingegangen und nur drei kamen auf der anderen wieder hinaus. Am nächsten Morgen schickte der Graf einen schwer bewaffneten Suchtrupp los. Die Männer fanden die vier Gesellen. Arme und Beine waren ihnen vom Rumpf getrennt worden. Auf ihren Zügen erkannten die Männer noch den Schrecken der letzten Nacht. In großer Furcht waren sie gestorben. Dies geschah im Sommer, in der Nacht vom 22 auf den 23. Juli. Im nächsten Jahr fand man in dem Wald um die gleiche Zeit die Leiche eines fahrenden Händlers, auch ihm fehlten Arme und Beine. Im Jahr drauf meuchelte der Reiter zwei Mönche. So ging es immer weiter. Nicht einmal vor den Schwestern der Heiligen Clara machte der Reiter halt. Wer für all das Morden verantwortlich war, wusste jeder. Es war der Geist des toten Grafen. Ein so
lasterhaftes Leben hatte er geführt, dass ihm der Zugang ins Paradiese verweigert wurde. Stattdessen war er gezwungen, immer in der selben Nacht im Jahr unstet umherzugehen, der Nacht des Endes seines irdischen Lebens. Dabei wütete er im Tode gegen die Menschen, wie er es im Leben getan hatte. Auch rächte er sich, weil Unzählige ihm damals die letzte Ehre verweigerten. Viele sind ihm seit diesem Tage zum Opfer gefallen. Und das ist der Fluch des Reiters!"
Ich kann hier nur von der Geschichte berichten, die das schwarze Männlein in dieser Nacht erzählte. Jedoch vermag ich nicht wiederzugeben, wie es das tat. Ständig hob und senkte es seine Stimme, dehnte die Worte, bis es schmerzte oder sprach sie so schnell aus, dass sie brannten auf der Haut. Keiner hatte gewagt, auch nur einen Mucks von sich zu geben, während es sprach. Und obwohl alle
außer mir diese Geschichte kennen mussten, hatten alle aufmerksam gelauscht. Schließlich lachte des schwarze Männlein.
"Nun versteht Ihr sicherlich, Fremder, warum Ihr und euer Freund gut davongekommen seid in dieser Nacht. Eine Schwertwunde ist nicht zu verachten, wenn man doch auch Arme und Beine verlieren könnte. Der Reiter hat es gut mit euch gemeint. Oder Ihr habt uns nur ein Ammenmärchen aufgetischt, seid Halunken und euer Freund hat die Wunde redlich verdient."
Jetzt lachten wieder alle. Ich lachte nicht und konnte darum nicht wenige zweifelnde Blicke beobachten. Ich begann mich unwohl zu fühlen. Wäre ich nur für mich verantwortlich gewesen, ich wäre noch in dieser Nacht weitergezogen. Doch ich musste an meinen Reisegefährten denken. Er war verwundet und was hätte er wohl von mir gedacht, wäre ich am nächsten Morgen einfach fort gewesen. Also musste ich mit diesen Menschen auskommen. Zumindest für
diese Nacht und den nächsten Tag. Außerdem hatte sich in der Zwischenzeit der Pfarrer neben mich gesetzt, so das ich nicht aufstehen konnte, ohne unhöflich zu sein.
Langsam verflog die düstere Stimmung und es herrschte wieder jenes Treiben, das jeder aus einer Schänke kennt. Belanglosigkeiten wechselte ich mit meinem Nachbarn und sein Gerede war nicht weniger gehaltlos. Nur zwei Dinge die er sagte, ließen mich aufhorchen.
"Sein Verwandter hat für den Grafen eine Büste in der Kirche aufstellen lassen."
Das war nicht weiter verwunderlich. Viele hohe Herren ließen sich in einem Gotteshaus verewigen, unabhängig davon, wie ihr Leben gewesen war. Darum redet man auch heute noch selbst von denen, die es nicht verdient haben.
"Er war wirklich kein guter Christenmensch, der Herr Hrimbold von Werrentheim."
Selten habe ich mich so beherrscht. Niemand sah mir etwas an, was wohl daran lag, dass ich
einen halben Humpen auf eine Zug leertrank. Der Pfarrer neben mir schwätzte schon wieder. Ich hörte ihm nicht zu. Gedanken schossen durch meinen Kopf und sie ergaben keinen Sinn. Ich nickte, wenn es mir angemessen erschien, doch wie ich dem Gesichtsausdruck meines Nachbarn entnehmen konnte, war es nicht immer angemessen. Schließlich hielt mich nichts mehr auf meinem Platz. Ich entschuldigte mich mit den Worten, ich wolle nach meinem Reisegefährten sehen. Beim Herausgehen sah ich, wie der Kaufmann meinen Platz einnahm und bevor die Tür sich hinter mir schloss hörte ich ihn sagen: "Seine Freund mag er gestützt haben, doch für mich ist der ein Spitzbube." Da dacht ich so bei mir, dass üble Nachrede hier wohl gerne Zuhause ist.
-Fortsetzung folgt -