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Mörder ich!

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"Mörder ich!"
Veröffentlicht am 28. April 2016, 12 Seiten
Kategorie Sonstiges
© Umschlag Bildmaterial: Andrea Minutillo
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich - eindeutig rot - freiheitsliebend - in mir drin schon mal unsicher, beinahe verklemmt - nach außen der Fels in der Brandung - die Person, auf die man sich verlassen kann - auch mal anlehnen, kein Problem - ein dunkles samtiges Rot also - richtig viel Farbe - dicke Haufen davon auf der Leinwand - Struktur - Kunstschule Zürich - zahlreiche Ausstellungen in der Region - flippig - flapsig - bunt in mir drin - auch mal ...
Mörder ich!

Mörder ich!

Mörder ich!

Nicht zum ersten Mal denke ich an Wahnsinn. Wahnsinn in meinem Kopf. Wenn das Unterbewusstsein böse Spiele spielt. Doch dieses Mal geht es zu weit. Viel zu weit!







Eiligen Schrittes gehe ich über eine starkbefahrene Brücke. Der wirbelnde Wind treibt mir die Staubkörner in die Augen. Trotzdem entgeht es mir nicht!


Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, ganz am Rand, steht mein Kinderdreirad.

Es ist in einem sehr guten Zustand.

Das Chrom glänzt, den Staubwolken trotzend, bis zu mir herüber.

Und dann geschieht es. Sehr schnell. Schneller, als irgend jemand reagieren kann.


Doch der Autofahrer bremst nicht ab.

Er fährt unbeirrt weiter.


Zorn kriecht meinen Nacken hinauf und ich renne über die Straße.

Laufe hochkonzentriert durch die nicht endenwollende Autokette. Endlos und glänzend. Funkelnd und blendend im Sonnenlicht.


Und dann stehe ich vor meinem Ziel. Mit klopfendem Herzen und röchelndem Atem. Der Verkehr lässt meine Haare fliegen. Nur einen Moment lang. Nur einen kleinen Moment überlege ich,

wie meine Mutter und ich darüber sprachen, wie gefährlich doch die Schwimmhalle steht.

Schräg unter dieser Brücke.


Von der Schwimmhalle aus kann man die rasenden Schatten beobachten.

Da kann wirklich alles passieren …


Ich weiß auch nicht … Weiß nicht warum. Aber ich gebe den kleinen Schubs. Den Anstupser mit dem großen Zeh. Ganz leicht nur.


Und dann. Dann fällt das chromglänzende Dreirad direkt in die Schwimmhalle. Ein kollektiver Aufschrei in der Halle. Tumult. Ich muss mich weit beugen um zu sehen.


Um sehen zu können ...

Da liegt jemand.

Auf den Kacheln. Ganz flach ausgebreitet. Höre Schreien, höre Weinen. Sehe meine Mutter, die es nicht fassen kann.


Ich renne.


Renne hinunter in die Schwimmhalle.


Springe über das Drehkreuz im Eingang. Schleudere die Schuhe von mir und eile.


Eile durch weißgeflieste Gänge.


Dem Tumult entgegen.

Dann sehe ich in die Augen des Kindes. Des Kindes der Mutter. Der Mutter, die durch mein chromglänzendes Dreirad zu Tode gekommen ist.

Erschlagen. Dann sehe ich in die Augen meiner Mutter. Sie sagen: „Du wirst immer verrückter!“ Sie sagen: „Kind, ich verstehe dich nicht mehr!“ Sie sagen: „Mein Mädchen, eine Mörderin!“


Doch sie selbst schüttelt nur unmerklich den Kopf und sagt nichts. Dabei wollte ich doch nur …


Wollte nur dem Fahrer eins auswischen. Dem Fahrer, der einfach weiterbrauste.


Stattdessen traf es diese junge Mutter. Und dieses Kind. Das weinende Kind. Sitzt an die Wand gelehnt und reibt sich die Augen. „Ich war das!“, schreie ich wie von Sinnen. „Ich war das!“


Die Leute sehen mich bestürzt an. Man kennt mich. Großformatige Bilder von mir kleiden hier die Wände.


Mein Gesicht nass von Tränen. Ich wollte doch nur … Es sollte doch niemand …


Aber es ist geschehen.

Insgeheim male ich mir aus, wie ich Farben und Leinwände in meine Zelle geliefert bekomme. Eine irre Künstlerin - hinter Gittern sicher aufbewahrt.


Die Reihen lichten sich. Die Halle wird geräumt. Ich bleibe übrig. Meine Mutter sitzt etwas entfernt und sieht zu mir rüber. Tote Augen.

Ich muss zur Toilette. Langsam aber ganz sicher wirklich dringend. Jemand sagt: „Die will nicht abhauen, die muss mal … .“ Jemand anderes sagt: „Die weiße Tür“, und nickt in die Richtung.


Wieder renne ich. Haste von Tür zu Tür.

Es gibt nur weiße Türen! Reiße eine nach der anderen auf, doch hier scheint es ausschließlich Besenkammern zu geben! Das macht mich ganz wahnsinnig!



Und an dieser Stelle sehe ich auf den Wecker. Es ist zwanzig nach sechs. Und ich stehe lieber auf, auch wenn es für meine Verhältnisse noch etwas zeitig ist.

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Hörbuch

Über den Autor

Frettschen
Ich
- eindeutig rot
- freiheitsliebend
- in mir drin schon mal unsicher, beinahe verklemmt
- nach außen der Fels in der Brandung
- die Person, auf die man sich verlassen kann
- auch mal anlehnen, kein Problem
- ein dunkles samtiges Rot also
- richtig viel Farbe - dicke Haufen davon auf der Leinwand
- Struktur
- Kunstschule Zürich
- zahlreiche Ausstellungen in der Region
- flippig - flapsig - bunt in mir drin
- auch mal nachdenklich
- manchmal introvertiert
- stets auf der Suche nach Neuem
- in meinem Bereich versteht sich
- Sternzeichen Löwe
- Querdenker und Rebell
- reiße mir die guten Seiten des Alltags unter die Nägel
- manchmal erwische ich auch die weniger Guten,
doch die schüttele ich hastig ab

ich liebe:
- einsame Orte
- den Wind
- das Geklapper der Taue an den Masten
- ob an Fahnen oder Booten, ist mir egal
- die Ruhe im Wald
- der Schutz eines Baumes - wenn man sich darauf einlässt
- das Eintauchen in die Arbeit an der Staffelei
- wenn`s gelingt
- das sichere und untrügliche Gefühl,
etwas Besonderes entstehen zu lassen
- das Spielen mit unserer Sprache
- gutes Essen
- ein unerwartetes Lächeln
- Musik - alle Richtungen
- am besten schön laut
- Tanzen
- Ausdruck
- Profil
...

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Lindenblatt 
Liebe Andrea,
als ich hier Deine Geschichte gelesen habe, musste ich schlucken, schlucken, schlucken.
Das geht einem Nahe, solche Gedanken bzw.Träume.
Ich hoffe, dass Du mit dem beginnenden Frühling nur noch Glücksgefühle erträumen wirst.
Lieben Gruß
Linde
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Ganz bestimmt. Ich bin eigentlich nicht so negativ drauf - überhaupt nicht!
Vor langer Zeit - Antworten
Tintenklecks die Komplexität von Albträumen, die Erfahrenes, Befürchtetes und Ausgemaltes mit Sprenkeln der Wirklichkeit verbinden und versuchen, die Seele zu reinigen...
Sehr gelungen. Sehr authentisch. Ich war gefesselt.
Aus solchen Träumen sich zu befreien bedarf der Analyse. ich bin meinem Entkommen, als ich ihn begriffen hatte und ihn im bewußten luciden Traum auflösen konnte.
Ich umarme Dich und Danke. Für deine Traumgeschichte.
LG vom Tintenklecks
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Habe gestern kurz recherchiert - auf Traumdeute-Seiten - habe dann aber abgebrochen. Das mache ich lieber mit Andy zusammen. Will da nicht allein bei sein. Da ist ganz viel drin was mit mir und meiner Vergangenheit zusammenhängt ...
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Seit ich schreibe, träume ich nicht mehr. Wirklich wahr.
Dein Stakkato-Stil hat was, Frettschen. Gefällt mir!!
Liebe Grüße, Merle
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen 
Du träumst nicht? Kann ich mir nicht vorstellen.
Vielleicht ist alles schon weit weg, wenn du erwachst ...
Vielen Dank für dein Lob.
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Puh, das war ja tatsächlich ein Traum, den ich lieber nicht haben möchte. Zum Glück hatte ich nur als Kind mal Albträume, später habe ich gelernt, dass man auch Träume beeinflussen kann.
LG Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Eben habe ich was ganz schönes geträumt. Bin entspannt aufgestanden und alles ...
Träume beeinflussen - - - ein bisschen schon. Als ich meine Trilogie schrieb - intensievst! - träumte ich immer, wie die Geschichte weitergeht. :)
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift 
"Mörder ich!..."
Es ist meistens ein Alb,
wenn man sein zweites ICH im Traum sieht.
Es steckt irgendwie in jedem von uns,
ob man es nun wahrhaben will, oder nicht...
Nur, man muss ihm ja nicht den Raum geben,
es lebendig werden zu lassen, um sich auszuleben...
coole Story mit Gruselfaktor... smile*
LG Louis :-)
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Jo, wa?
So ein paar Stunden später geht es ganz prima! :D
Bin halt von daheim weg - vielleicht nagt es mehr an mir, als ich es mir eingestehe.
Ich will aber trotzdem nicht zurück - auf keinen Fall!
Vor langer Zeit - Antworten
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