Prolog
Lieber Leser!
In dieser Kurzgeschichte geht es um das Thema „Farbenlehre“, nachzulesen im Forumsbattle 50, im Forum auf der Webseite mystorys.de.
Eine Farbe der vorgegebenen galt es herauszupicken und in Szene zu setzen. Außerdem sollten 8 Vorgabewörter eingebaut werden, zuzüglich der 4 Definitionswörter der ausgewählten Farbe (Hier Gelb), die alle im Text vorkommen.
Viel Spaß beim Lesen der Geschichte!
Ziemlich schräg
Wir schreiben das Jahr 1787. In der Wohnung des deutschen Malers Johann Heinrich Wilhelm Tischbein war es noch ruhig. Es versprach ein heißer Tag zu werden. So wie alle Tage, wenn das Sonnenlicht erbarmungslos auf die Dächer der Via del Corso knallte und die gebrannten Lehmziegel zum Kochen brachte. Aber noch war es nicht soweit.
Die Standuhr in der Diele tickte schimärenhaft und nur der, der sich darauf konzentrierte, vermochte die Regelmäßigkeiten der Töne zu erkennen.
Doch jetzt, in der Frühe, war noch nicht dran zu denken, sich dem magischen Ticken hinzugeben. Von draußen vermischten sich die Geräusche der knarrenden Räder mit dem für Melonen anpreisenden Geschrei fahrender Händler, die wie jeden Morgen, wenn die Tageshitze noch nicht am Brodeln war, ihre herrlich frische Waren feilhielten.
Manchmal kamen sie auch abends, wenn die Bewohner auf der schiefen, dem Hafen abneigenden Straße auf ihren Stühlen saßen, um den Tag mit erquickenden Vergnügungen ausklingen zu lassen. So schief wie die Straße, so schief saßen die Leute auch auf ihren Sitzgelegenheiten. Selbst die vor und zwischen ihnen stehenden Tische standen schief.
Kuddelmuddel ließ nicht lange auf sich warten, wenn jemand unachtsam runde Gegenstände auf der Tischplatte platzierte.
Ließ sich etwa ein schönes Mädchen auf dieser Straße sehen, sah man baldigst darauf die Junggesellen und solche, die es sein wollten, in Sänften getragen, an eben dieser Stelle hoch- und hinunterschweben. Hoch und hinunter. Zum Ärger der Sänftenträger. Und natürlich zum Neid derer, die schon unter einer Haube standen und von ihren Holden mit Misstrauen bedacht wurden. So manch Pantoffelheld bezahlte seine Unachtsamkeiten mit Schimpf und Schande - doch fühlte er sich vielleicht vorher mit einem flüchtigen Blick auf das Ebenbild der jungen Maid belohnt.
Da bemerkt man die Warnfarbe in den Augen der gerade Vergessenen nicht und wenn – ist es zu spät. Mit aufgelösten Haaren werden diese Lüstlinge nach Hause geadelt, zur Freude derer, die sich das Schauspiel aus unmittelbarer Nähe betrachten dürfen – bis sie selbst vielleicht, ohne es zu ahnen, an der Reihe sein werden.
Die Rufe der Melonenhändler brachen sich in endlosen Splittern durch die Wohnung und verhallten irgendwann ganz. Die Staffelei des Herrn Tischbein stand mit Leinentüchern verhangen in der Nähe des Fensters. Ein noch nicht erfundener Barhocker diente als Tisch für Leime und Farben, Tuschen und Pinsel, Mischbechern und Pipetten.
Der Maler selbst war nicht zugegen. Vermutlich diente seine Abwesenheit der Erledigung verschiedener Einkäufe. Aus dem Schlafgemach flatterten ein paar gesummte Melodeien, die auf die Anwesenheit einer weiblichen Schönheit schließen könnten, deren Aufwartung sich seit einiger Zeit der Freund des Herrn Tischbein, der allerdings inkognito verweilende Herr Johann Wolfgang von Goethe leistete. Die Zeit verging, die Schatten wurden länger und gelegentliches Rumoren in der Küche ließ schließen, dass das Haus nicht gänzlich ausgestorben war. Dann polterte es in der Stiege und die Haustür knallte zu.
Aufgescheuchte Staubkörnchen legten sich wieder zur Ruhe oder in kunstvoll gewebte
Netze, derer in versteckten Ecken und Winkeln ihr heimliches Dasein fristeten.
Dann lärmte es wieder. Der Herr Goethe kam von seinem Ausflug von der Piazza del Popolo zurück. Staubkörnchen wallten empört auf und flirrten durch das Licht der untergehenden Sonne, die durch die Ritzen der Fensterläden glimmte. Goethes Gang ließ Zielstrebigkeit vermuten. Denn er schritt über erbost knarrende Dielenbretter schnurstracks in die Küche und öffnete den noch nicht erfundenen Kühlschrank. Jetzt ein Schluck der belebenden Flüssigkeit, dachte er. Ein Griff zur Flasche … und schon erzitterte das ihn umstehende Mobiliar in duckender Erwartung …:
„WER HAT SICH AN MEINER GELBEN KÖSTLICHKEIT VERGRIFFEN?“, schnaubte Goethe säuerlich. „DA WILL MAN IRGENDWANN MAL WIEDER NASCHEN UND DANN IST DIE FLASCHE FAST LEER! OH … DIESE … WO IST SIE?“, polterte Goethe verärgert.
Dass SIE mit ihrem beschränkten Horizont aber auch nicht begreift, dass SIE sich nicht dauernd an SEINER Medizin zu vergreifen hat! Ab und zu vielleicht mal …, ja …, aber nicht dauernd! Und vor allem – nicht so viel.
Na warte nur - dachte sich Goethe, nahm einen Schluck und verschluckte sich fast, sodass ihm die Tränen neben einem Grinsen nur so über das Gesicht liefen – Dir werde ich eine Farbenlehre beibringen, die sich gewaschen hat …! Komm du mir nur erst heim …
Triumphierend stellte Goethe die fast leere Eierlikörflasche in den Kühlschrank zurück, setzte sich unweit des „Tatortes“ in Lauer und harrte der Dinge, die da kommen würden …