KAPITEL 1
Wie es begann.
Der Staub wirbelte auf und legte sich, wie der zuvor auf seine schon ziemlich abgelaufenen schwarzen Schuhe. Er wusste nicht, der wievielte Stein es jetzt war, den er stellvertretend für sich selbst bestrafte. Er blickte den vor ihm liegenden Feldweg entlang. Es war noch ein längeres Stück zu gehen bevor besagter Weg in einem kleinem Wäldchen verschwand. Mit zusammengekniffenen Augen blickte er um sich.
Es war schon ziemlich heiß an diesem Frühsommertag. Die Felder erstreckten
sich in voller Pracht links und rechts von ihm bis zum Horizont. Nur unterbrochen von dem kleinen Wäldchen, welches wie eine Insel der Ruhe in den unendlich scheinenden Wogen der Kornähren lag. Der Himmel blau, die Vögel sangen und die Insel der Ruhe war in Blickweite.
Diese Aussicht bewahrte einen kleinen schuldlosen Wegstein vor einen Tritt und seine Schuhe vor einer weiteren Staubschicht. Er ging nun etwas schneller.Der Schatten lockte und der Tag war noch jung. Die verbleibenden Stunden sollte er nutzen, um zu lösen, in was er sich vor ein paar Stunden hineingeredet hatte.
"Gut was war schon passiert gestern," dachte er. Lustiges Zusammensein mit Freunden, herausfordernde Diskussionen und dann waren sie plötzlich bei Grabreden. Warum auch immer. dachte er den Gedanken zu Ende. Ach ja. Er wusste schon wieder. Er hatte selbst großkotzig erklärt, nie jemals eine Grabrede in Anspruch zu nehmen. Mit der jetzt im Rückblick gesehenen doch sehr arroganten Begründung.
Das es den Geistlichen an Lebenserfahrung mangle um eine ihm würdige Rede zu halten und außerdem hätten sie genug damit zu tun dem Hergott die Zehen abzubeißen.
Gelächter folgte.
Und dann sprudelten seine Worte, schon wie kleine Glasperlen aus seinem Mund.
Noch bevor sich diese Wortperlen zu einer Satzkette verbanden bereute er sie schon. Doch es war zu spät.
Brutal bildete sich der Satz. " Meinen Nachruf schreibe ich mir selbst."
So blieb er noch ein Weilchen im Raum stehen, dieser so kurze und ihn doch so hämisch angrinsende Satz. Es dauerte nicht lange bis er vom "Das möchte ich sehen Satz," welcher logischerweise folgen mußte, verdrängt wurde. Er konnte sich nicht mehr erinnern von welchen seiner Freunde er ausgesprochen wurde. Das war aber auch egal. Tatsache war, er musste liefern.
Und irgendwie kam es ihm vor, als schiene die Sonne wärmer in den letzten 3 Minuten.
KAPITEl 2
Er bemerkte, wie sich jetzt doch schon ein paar mehr kleine Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten. Doch es war nicht mehr weit. Die kleine, doch schon in die Jahre gekommene Holzbank war schon in Sichtweite. Durch die leicht flimmernde Luft sah es aus, als würde sie sich etwas bewegen. So etwa wie ein kleines Kind welches freudig auf eine geliebte Person, oder auf ein lang erhofftes Geschenk wartet. So von einem Fuß auf den anderen steigend. Das Herz so laut schlagend, dass es alles rundherum wie in einem Nebel
verschwinden lässt. Und doch etwas zaghaft und nervös, weil man ja auch schon als Kind Entäuschungserfahrung gemacht hat. Und doch war immer die Hoffnung stärker. Damals zumindest.
Diese Einstellung ging aber meistens am Weg zum Erwachsen werden verloren, dachte er. Und er ertappte sich dabei wie er sich die Frage stellte, wie es denn bei ihm so sei.
Warum auch immer, die letzten Schritte rannte er schon fast. Und dann wusste er es. Die Bank wartete, sie wartete auf ......ihn.
Die angenehme Kühle des Schattens schlug ihm ins Gesicht und öffnete seine Sinne. Der von den Bäumen und
Wildgräsern eingefangene Duft des vergangenen Regens der letzten Nacht, welcher die Insel mit Leben impfte. Das wilde Surren der vielen Insekten welche die letzten feuchten Stellen zur Eiablage nutzten, nicht besprechend ob dies je wer bedenken würde und die in allen Farben leuchtenden Schmetterlinge, die auf den reinen Getreidefeldern keine Nahrung fanden und nicht über das Universum nachdachten, sondern ihr Universum zum gläzen brachten. Einfach so.
Und alle diese schönen Dinge sterben eines Tages. Still und leise oder im Todeskampf. Es interessiert keinen ob sie noch leben wollen, oder schon genug
hatten. Keiner sieht den wunderschönen Schmetterling in dem im Schlamm vertrockneten Insekt. Und alle hatten keinen Nachruf und doch hatten sie gewirkt auf dieser Welt. Er realisierte nicht wie er mit seiner Hand sanft und fast liebevoll über das an manchen Stellen schon grün gewordenen Holzes strich, als er sich auf seine Bank setzte.
Denn da war die erste Frage.
Was bewirkt ein Nachruf...nein besser was soll er bewirken?
Soll er beinhalten was einem selbst wichtig war, oder was die Hinterbliebenen wichtig an ihn fanden, oder finden sollten.
Mit einem tiefen Seufzer verschränkte er
seine Hände hinter seinem Kopf, lehnte sich zurück und schaute in den blauen Himmel. Das wird nicht leicht, senierte er herum, während er sich fragte, ob das satte grün der Blätter im Kontrast zum blauen Himmel immer schon so schön war. Da sollte mal einer einen Nachruf darauf schreiben. Sagte er laut obwohl er alleine war. Ob die Schmetterlinge verstanden?
Fortsetzung folgt....