Fantasy & Horror
Gertrude

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"Storybattle 21"
Veröffentlicht am 09. Februar 2016, 14 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Wollt Ihr etwas über mich erfahren, dann lest meine Texte. Viel Spaß. P.S. Freue mich über Feedback. (Es darf auch Kritik geübt werden, bringt einen weiter.)
Storybattle 21

Gertrude

Die ersten Sonnenstrahlen weckten Gertrude Hammerschmidt aus ihren unruhigen Träumen. Langsam richtete sie sich auf. In Zeitlupe schlüpfte sie zwischen dem schweren Federbett hervor. Die Beine versagten ihr beinahe den Dienst, aber unter Aufbringung enormer Willenskraft gelang ihr das Sitzen auf der Bettkante. Mit der Hand tastete sie das Nachttischchen nach der Brille ab. Ohne ihren ständigen Begleiter war sie blind wie ein Maulwurf. Das alte Bett seufzte erleichtert, als es von seiner Belastung befreit. Gertrude verstand das Leiden nur zu gut. Gemeinsam alterten sie. Vielleicht sollte sie dem Wunsch der Kinder nachkommen und in das hübsche Seniorenheim ziehen, das sie für sie

ausgewählt. Mittlerweile vielen ihr die täglichen Besorgungen, der Haushalt und die Wege zum Arzt sehr schwer. Hinkend erreichte sie die Küche. Ihr linkes Bein schmerzte. Seit der Hund sie vor ein paar Tagen angefallen hatte, gestaltete der Alltag sich noch komplizierter. Die Erinnerungen an den Vorfall jagten ihr kalte Schauer über den Rücken. Auf dem Heimweg vom Supermarkt, die Einkäufe in ihrem schicken neuem Einkaufswägelchen verpackt, spazierte sie am Wäldchen vorbei. Die Vögel zwitscherten in der Abenddämmerung und ein angenehmes Lüftchen wehte durch die Lüfte. Gertrude genoss, das Wissen, am Leben zu

sein. Zufrieden schlenderte sie nach Hause. In Gedanken saß sie auf der Gartenbank, trank ein Glas des guten Rotweins, betrachtete die Schönheit der Blumen im Gärtchen und erfreute sich an den Klängen einer Spätsommernacht. Aus dem Nichts stürmte plötzlich ein zotteliger Hund auf sie zu. Zähnefletschend erreichte er sie. Bevor sie verstand, was geschah, biss das Ungeheuer zu. Glücklicherweise entschied Gertrude an diesem Morgen, den Spazierstock ihres verstorbenen Mannes, mitzunehmen. Das Adrenalin schoss durch die Adern. Mit ungeahnter Kraft schlug sie auf das Untier ein. Jaulend, mit eingezogenem Schwanz und blutverschmierter Schnauze verschwand das

Wesen im nahegelegenen Forst so schnell, wie es kam. Durch den Tumult auf die Straße gelockt, verständigten einige Einwohner des Dorfes die Ambulanz. Diese brachte Gertrude in die Notaufnahme des Kreiskrankenhauses. Der junge Assistenzarzt begutachtete die Verletzung. Sanft reinigte er die Wunde von angetrockneten Blutverkrustungen. Eine tiefe Fleischwunde hinterließ die Attacke an ihrem Bein, aber mit wenigen Stichen flickte man sie zusammen. Tetanus, Tollwut und Antibiotika bekam sie intravenös verabreicht. Mit Besserungswünschen entließ das Bübchen sie in die Obhut des Abholdienstes. Daheim angekommen fand sie ihre Einkäufe vor der Haustüre. Sogar den Spazierstock hatten ihr

ihre freundlichen Nachbarn dazu gestellt. Das Wasser lief über im Topf. Schnell stellte Gertrude den Wasserhahn ab. Sie entledigte sich des überflüssigen Nass und platzierte den Kessel auf der Herdplatte. Dann griff sie zur Kanne, dem Kaffeefilter und dem Kaffeepulver. Sie liebte den Duft der frischen Bohnen. Aber heute erschien ihr der Geruch eher unangenehm. Aus der Packung stieg nicht das vertraute Aroma hervor. Mit einen tiefen Atemzug atmete sie das Bukett ein. Angewidert drehte sie den Kopf zur Seite. Ein Gestank nach verkohlten Kaffeebohnen und Holzkohle schlug ihr ins Gesicht, dann landete das Zeug im Mülleimer. Gertrude beschloss, auf den morgendlichen Kaffee, zu

verzichten. Stattdessen bereite sie sich einen wohlriechenden Kräutertee zu. Überraschend bemerkte sie, dass es ihr möglich war, den Geruch der einzelnen Bestandteile zu erkennen. Seltsam. Ein lautes Knurren ließ sie aus ihren Gedanken aufschrecken. Von einem unbändigen Hungergefühl erfasst, zog es sie magisch zum Kühlschrank. Beim Öffnen des Selbigen lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Berge von Wurst und Fleisch füllten sein Inneres. Seit dem Vorfall mit dem Köter verspürte sie keinen Appetit auf Gemüse. Sie griff beherzt zu. Bald drohte der kleine Esstisch unter der Last zusammenzubrechen. Sie überlegte, ob sie das Rind anbraten solle, aber in letzter Zeit mochte sie es dann doch schon fast roh. Für

was also die Mühe machen. Auf Besteck verzichtete sie ebenso, wie auf einen Teller. Alles nur unnötiger Abwasch. Nach einem ausgiebigen Frühstück startete sie in den Morgen. In den darauf folgenden Tagen verbesserte sich Gertrudes Zustand zusehends. Die Wunde verheilte in Rekordzeit. Ihre Augen gesundeten unerklärlicherweise und bald landete auch ihr Nasenfahrrad in der Schublade. Nach einigen Wochen trudelte das Gebiss ebenfalls ein. Über Nacht wuchsen ihr neue Zähne. Etwas seltsam wirkten sie schon, vor allem da die Fangzähne ziemlich lang waren, aber wen interessierte das. Einen

Schönheitswettbewerb würde sie in ihrem Alter keinesfalls gewinnen. Außerdem erleichterte ihr die Kauleiste enorm das Essen. Wie durch Butter biss sie mit ihnen die leckersten Stückchen aus dem Fleisch. Morgens sprang sie aus dem Bett. Zipperlein und Wehwehchen verschwanden, auf wundersame Art. Sie fühlte sich fünfzig Jahre jünger. Schweißgebadet erwachte sie. Die Sonne stand hoch am Himmel und der Blick auf die Uhr verriet ihr das die Mittagszeit längst überschritten. Doch das überraschte sie nicht. In letzter Zeit wechselte ihr Tag-Nacht-Rhythmus. Lag sie in der Vergangenheit spätestens 21.00 Uhr in den Federn, so fand

der Schlaf seit einiger Weile erst in den frühen Morgenstunden zu ihr. Aber wen störte das? Schließlich lebten die Kinder in der Stadt und ihr Mann starb vor wenigen Jahren. Jedoch so stundenlang wie heute schlief sie sonst nie. Schwungvoll sprang sie aus dem Bett. Von einem irrsinnigen Durst getrieben stürmte sie in die Küche. Dort drehte sie den Wasserhahn auf und trank das kühle Nass, in großen Schlucken. Der Hunger trieb sie zum Kühlschrank. Gierig verschlang Gertrude die ersten Brocken Fleisch im Stehen. `Welch ein seltsamer Traum letzte Nacht? `, dachte sie. Gedankenverloren nahm sie auf einen Stuhl am Tisch Platz, nagte das Rindfleisch von einem Knochen und rief sich die Bilder der

vergangenen Finsternis ins Gedächtnis zurück. Gertrude saß auf der hölzernen Bank in ihrem Garten hinter dem Haus. Sie lauschte den Gesängen der Dunkelheit. Zu fortgeschrittener Stunde trat der Mond aus den Wolken hervor. Sein silbrig glänzender Schein, zog sie in den Bann. Rund und prall erhellte er die Schwärze der Nacht. In all der Pracht gebührte ihm die Ehre, das folgende als einziger Zeuge mitzuerleben. Die Uhr schlug Zwölf. Plötzlich mit dem ersten Mitternacht verkündendem Schlag verspürte Gertrude unerträgliche Schmerzen in ihren Gliedern. Mit schmerzverzehrtem Gesicht wälzte sie sich am Boden. Ein Schrei, der

jedem der ihn vernahm, das Blut in den Adern gefrieren ließ, halte durch die Stille. Mit dem letzten Gong der Turmuhr war die Verwandlung vollzogen. Einem inneren Trieb beugend, begann sie in ihrer, ihr noch unbekannten Gestalt, mit der Jagd. Ausgestattet mit allem was sie benötigte, gelang bald ein Erfolg. Trotzdem das Kaninchen klein, schmeckte es ihr vorzüglich. Mit einem ausgiebigen Heuler feierte sie ihre Beute. Begleitet von ihrem neuen Verbündeten dem Mond erkundete sie den Wald in der Nähe des Häuschens. Müde und ausgelaugt viel sie bei Sonnenaufgang in ihr Bett. Gertrude holte die Tageszeitung herein. Die

Nachbarskatze begrüßte sie mit einem Fauchen, welches ihrerseits mit einem Knurren beantwortet wurde. Wie ein geölter Blitz jagte Minka davon. Lächelnd schaute sie ihr hinterher. »Bald«, rief sie der Mieze nach, » ist erneut eine besondere Nacht, dann sehen wir uns wieder.« Mit Vorfreude auf Kommendes begann sie den Tag. Über die Jahre verschwanden in dem kleinen Örtchen, meistens in Vollmondnächten Hühner, Katzen, Kaninchen, Schafe und Kühe von den Weiden, oder aus den Ställen. Früh morgens fand man Fährten von einem Wolf an den Tatorten. So sehr sich die Anwohner aber bemühten, den Übeltäter konnten sie nicht ausmachen. Die Verluste

hinterließen Spuren in den Herzen und Geldbeuteln. Gerüchte von einem Wehrwolf überfluteten das Land. Bald verzogen auch die Hartnäckigsten. Die Angst vor dem Unbekannten war zu groß. Einzig Gertrude blieb. Den Kontakt zu den Kindern brach sie ab. Niemand sollte von ihrem Geheimnis erfahren. So entschied sie sich für die Einsamkeit. Binnen Kurzem wart sie von der Welt vergessen.

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Ameise
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Frieden38 Mit deiner Geschichte machst du Lust auf mehr.
Vor langer Zeit - Antworten
Wortspiel37 Spannend von vorne bis hinten. Liebe Grüße Markus
Vor langer Zeit - Antworten
tooshytowrite ...jetzt hab' ich Lust auf rohes Fleisch... Deine Geschichte war mal wieder sehr lecker!
LG
tooshytowrite
Vor langer Zeit - Antworten
Ameise grrrrrrrrr.
lg Ameise
Vor langer Zeit - Antworten
Fianna Genau so stelle ich mir eine typische Monstergeschichte vor. Man ahnt schon relativ bald, dass das kein gewöhnlicher Hundebiss gewesen ist, aber ich finde, du hast das Thema sehr gut getroffen.

Liebe Grüße
Anna
Vor langer Zeit - Antworten
Ameise Danke. Das ist ein tolles Lob. Lg Ameise
Vor langer Zeit - Antworten
Andyhank Interessante Geschichte, die leider vorhersehbar abläuft. Schade eigentlich, weil dadurch die Spannung nachlässt. Vom Thema her aber hervorragend getroffen, das muss ich zugestehen! :)
Was aber cool ist, dass Gertrude ihre Wehwehchen verliert, ein gelungener Schachzug von dir! :)
Vor langer Zeit - Antworten
Ameise Danke. Das Genre ist nicht wirklich meine Stärke. Eigentlich mag ich keinen Horror, keine Monster und all die Gruselsachen. Danke für Deinen Kommentar. Ich nehm mirs zu Herzen LG Ameise
Vor langer Zeit - Antworten
Andyhank Das ist gut! Einfach was schreiben, um nur mitmachen zu können, ist nicht wirklich gut. Entweder man hat eine Story, oder nicht. Ich mache auch nicht bei jedem Event mit, nicht weil mir nichts einfällt, sondern weil ich lieber Qualität abliefere, als Quantität. :)
Nur mal als Beispiel. ;)
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Gertrude als Selbstversorger. Hat was!
Was hat sie denn mehr genossen: Die Vollmondnächte, oder die Langeweile dazwischen?
Herzlich
Günter
Vor langer Zeit - Antworten
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