Humor & Satire
... und jetzt gehe ich eine Rauchen

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"... dabei rauche ich gar nicht ;o)"
Veröffentlicht am 16. Januar 2016, 8 Seiten
Kategorie Humor & Satire
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich schreibe Unterhaltungsliteratur in Form von Romanen und Kurzgeschichten für Erwachsene, sowie Kinderbücher. Zum zweiten Mal verheiratet lebe ich im Münsterland. Bisher veröffentlicht: Die Ruhrpottsaga: Ruhrpottklüngel, Ruhrpott Pärchen, Ruhrpottherzen, Ruhrpottabschied, Leben lernen.Weitere Bücher (darunter Reiseberichte, Tiergeschichten, Liebesgeschichten und -romane), Kinderbücher, zahlreiche Kurzgeschichten in Anthologien und ...
... dabei rauche ich gar nicht ;o)

... und jetzt gehe ich eine Rauchen

Mit Mühe unterdrücke ich ein Gähnen, was mir einen missbilligenden Blick der dicklichen Lehrerin einbringt. Diese Frau sieht alles. Ich bin froh, dass mein Sohn in ihre Klasse geht und nicht ich. Vier Kinder, das macht eine Menge Elternsprechtage, denke ich und seufze. Schon wieder trifft mich der strenge Blick. Was würde ich jetzt für eine Zigarettenpause geben ... Ich hole tief Luft, was ein Fehler ist, denn die unterschiedlichsten Parfümwolken haben sich zu einem Geruchsgemisch vereinigt, das mich in eine Art Trance versetzt. Die Muttis der ersten Klasse haben sich eben chic gemacht. Ganz anders als ich. Als Mutter

von 4 Söhnen bin ich kampferprobt und abgehärtet. Elternsprechtage sind jetzt nicht so der Grund für mich, um mich ins kleine Schwarze zu schießen und in Parfüm zu baden. Das ist gleich aufgefallen. Während die meisten Mütter die Lehrerin umringten, sie mit Fragen bombardierten und sich Notizen machten, habe ich mich auf einen der Tische gesetzt, mich aber nach einem bösen Blick der Lehrerin lieber auf einen der kleinen Stühle gequetscht, so ganz ohne Aufforderung. Die anderen Mütter sind nach und nach meinem Beispiel gefolgt. Jetzt sitze ich immer noch auf dem Stuhl, mit eingeschlafenem Hinterteil. Ich beobachte fasziniert, wie sich ein

Speichelfaden zwischen den Lippen der Lehrerin in die Länge zieht, wenn sie spricht. Und sie spricht andauernd! Ich kann den Blick nicht abwenden. Der Faden ist super elastisch, reißt nie ab. Inzwischen wird eifrig diskutiert. Einige der Mamas möchten Sitzbälle anschaffen, für eine gesunde Sitzhaltung. Eine andere Gruppe widerspricht und will lieber mal mit den Kindern in den Zoo. Ein Vater, der sich zum Elternsprechtag verirrt hat will den Klassenraum in lustig bunten Farben anstreichen, damit er freundlicher aussieht. Die Lehrerin ist der Meinung, dass die Kinder zu viel fernsehen. Schon ist ein neues Diskussionsthema gefunden, Gewalt im

Fernsehprogramm. Die Augen fallen mir fast zu. Außerdem muss ich unbedingt eine rauchen. Ich beschließe raus zu gehen, wenn der Speichelfaden im Mund der Lehrerin innerhalb der nächsten 10 Minuten reißt. Falls er hält, werde ich mich an der Diskussion beteiligen. Tom und Jerry sind jetzt im Kreuzfeuer der Kritik. Ich lerne, dass sie gewaltbereite, mordlüsterne Biester sind, welche die Jugend verderben. Die Lehrerin lächelt, doch das Speichelding zieht sich noch mehr in die Länge, reißt nicht. Ein zähes Teil ist das. Die mollige Pädagogin stellt die Frage, ob die Kinder nicht lieber stilles Wasser trinken sollen. Saft hat zu

viele Kalorien, sagt sie. Mitten im Satz wird sie unterbrochen, denn eine Helikoptermama beklagt sich, dass die Pausen nicht aktiv gestaltet werden. Ich linse auf meine Uhr. Die zehn Minuten sind um, ich habe verloren, muss diskutieren. So stehe ich auf: „Mein Sohn verabscheut stilles Wasser und ich auch“, sage ich mit fester Stimme. „Und ich bin der Meinung, dass die Kinder Bilder malen sollen um den Klassenraum zu verschönern. Ach ja, Sitzbälle in einer Klasse, das ist bescheuert.“ Die dicke Lehrerin starrt mich mit offenem Mund an. Da - der Speichelfaden ist weg, vermutlich endlich gerissen. Ich grinse sie an. „Tom

und Jerry finde ich übrigens cool. Die habe ich mir schon angeschaut, als ich ein Kind war und es hat mir nicht geschadet. Jedenfalls nicht sehr. So, und jetzt gehe ich eine rauchen.“ Mit diesen Worten steuere ich die Tür an. Selten habe ich mich so klasse gefühlt, wie nach dem Abgang. Allerdings muss ich, nachdem ich geraucht habe wieder zurück in die Klasse, denn sie haben mir in meiner Abwesenheit eine Strafe aufgebrummt. Sie haben mich zur Elternsprecherin gewählt .... © by Angie

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Über den Autor

AngiePfeiffer
Ich schreibe Unterhaltungsliteratur in Form von Romanen und Kurzgeschichten für Erwachsene, sowie Kinderbücher. Zum zweiten Mal verheiratet lebe ich im Münsterland.
Bisher veröffentlicht:
Die Ruhrpottsaga: Ruhrpottklüngel, Ruhrpott Pärchen, Ruhrpottherzen, Ruhrpottabschied, Leben lernen.Weitere Bücher (darunter Reiseberichte, Tiergeschichten, Liebesgeschichten und -romane), Kinderbücher, zahlreiche Kurzgeschichten in Anthologien und Literaturzeitschriften, sowie der Tagespresse.

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AnneSeltmann Herrlich!

Solche Elternabende gab es bei mir auch (ich bin Erzieherin i.R. ) und ich sehe mich gerade, während ich deine Geschichte las, mitten in diesem Diskussionsgeschwafel MEINER Helikoptereltern. Einfach Klasse!


Und nun gehe ich eine rauchen und schmunzle vor mich hin :-)
Vergangenes Jahr - Antworten
AngiePfeiffer Es freut ich sehr, dass Dir die Geschichte gefallen hat, Anne.
Schöne Sonntagsgrüße
Angie
Vergangenes Jahr - Antworten
Enya2853 Ach, ist das herrlich! So einiges kommt mir bekannt vor, nun, diese
Helikoptereltern habe ich zu genüge kennengelernt.
Eine Kollegin von mir hatte mal in ihrer Klasse Sitzbälle, es war eine Katastrophe. Ich weiß gar nicht,
wo die ganz heimlich hin verschwunden sind.
Und Tom und Jerry mag ich bis heute. Wenn meine Enkel das schauen, bin ich gern dabei.

Du hast die Situation und die Gefühle der Ich-Erzählerin wunderbar mit teilweise bissigem Humor gewürzt.
Einfach erfrischend. Danke!
Lieben Gruß
Enya

Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Hi Enya,
ganz lieben Dank für Deinen netten Kommentar, der mich sehr freut.
Liebe Grüße in deinen Nachmittag
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
Drehpunkt Dann hats ja was gebracht;-) Dieses Alltagsmysterium entsprechend volksnah aufzubereiten.
Vor langer Zeit - Antworten
Trollmops Hach, wie witzig. Elternbeirat ... in den zwei Jahren, in denen ich damals zum Elternsprecher gewählt wurde, ging es fast nur darum, irgendetwas anders zu machen, als all das was vorher in eingefahrenen Schienen lief. Die Eltern waren begeistert, die Lehrer nicht. Wir haben uns damals durchgesetzt und das Klassenzimmer tatsächlich bunt angestrichen, neue Vorhänge besorgt und noch einige andere Dinge. Die Klassenlehrerin quittierte unsere Aktionen nur missbilligend, brüstete sich allerdings später damit, dass der Klassenraum zum schönsten der Schule gewählt wurde. Ich habs damals sehr genossen. Und ... Tom und Jerry finde ich heute noch gut.

Gruß Det
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Moin, Det,
danke für den Kommentar.
Allerdings ist auch diese meine Geschichte fiktiv. Es gibt ganz wenige Ausnahmen.
LG
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
Trollmops Guten Morgen Angie.
Es ist egal, ob fiktiv oder nicht. Es hat Erinnerungen geweckt. und ich musste schmunzeln ...
Vor langer Zeit - Antworten
Anna92 Hallöchen Angie, wie auch Umweltschutz 1950, hat mir diese kurze Geschichte überaus gut gefallen! Du hast einen sehr erfrischenden Humor und deine Protagonisten, die ich bisher kennenlernen durfte, überzeugen mit einer schroffen Wahrheit, die mich zum Schmunzeln bringt ;-) Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich den Ausdruck Helikopter-Eltern googlen musste, denn der war mir gar nicht geläufig... Du hast mich unterhalten und gleichzeitig konnte ich mir ein neues Wort aneignen. Das hat doch ganz klar ein Kommentar und Favoriteneintrag verdient! LG, Anna
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Hi Anna,
sei froh, dass du den Ausdruck 'Helikoptereltern' bis dato nicht kanntest. Das spricht für dich, ehrlich ;o)
Danke dir von Herzen für deinen lieben und erfrischenden Kommentar.
Liebe Grüße in deinen Abend
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
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