Kurzgeschichte
Kein Einzelfall

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"Während man auf seine Bahn wartet, trifft man auf manch seltsame Gestalt"
Veröffentlicht am 12. Januar 2016, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: maglara - Fotolia.com
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Während man auf seine Bahn wartet, trifft man auf manch seltsame Gestalt

Kein Einzelfall

Titel

Dabei schien sie ein intelligentes Mädchen zu sein. So kann man sich irren. Sie hatte mich angesprochen und nach Feuer gefragt. Zwar hatte ich keines dabei, dennoch blieb sie bei mir stehen und unterhielt sich mit mir. Deswegen verpasste ich meine Bahn. Das war nicht weiter schlimm, da ich nette, hübsche Gesellschaft hatte und das Wetter mitspielte. Weder war es zu warm, noch zu kalt. Eigentlich ein Wetter, um spazieren zu gehen. Kaum hatte ich den Gedanken, setzte ich ihn, mit ihr, in die Tat

um. Sie redete viel und ich hörte ihr zu. Dabei stellte ich fest, das sie gar nicht so intelligent war, wie es anfangs schien. Ganz im Gegenteil. Je mehr sie sprach, desto überzeugter wurde ich davon, das sie nicht sonderlich gebildet war, um es höflich auszudrücken. Was sie von sich gab, ergab fast keinen Sinn. Ich bereute irgendwie, das ich meine Bahn hab sausen lassen. Auch wenn sie hübsch war, fehlte mir Verstand. Dennoch blieb ich an ihrer Seite. Hörte ihr weiter zu. Schließlich ist das meine Bestimmung. Wie viele Unbekannte mich in ein Gespräch verwickelt und mir ihre Lebensgeschichte erzählt haben, kann ich

gar nicht sagen. Es waren reichlich Personen gewesen. Vorwiegend ältere. Aber auch jüngere und junge Menschen. Irgendwie habe ich mich daran gewöhnt. Je mehr ich ihr zuhörte, desto mehr drängte in mir der Gedanke auf, das ich sie mit zu mir nehme und mit ihr schlafe. Denn es schien, als würde sie zu nichts anderem zu gebrauchen sein. Weder kann sie eine Beziehung halten, noch blieb sie länger in einem Job, als zwei Tage. Vier mal hatte sie sich schon unters Messer gelegt, weil sie ungewollt schwanger war. Den Erzeugern hatte sie nie etwas davon gesagt. Sie war erst Mitte zwanzig und hatte mehr Erfahrung, als ich mit fast vierzig.

Ihr Problem war, das sie sich sehr schnell und sehr häufig verliebte. Selbst, wenn sie in einer Beziehung war, kam es nicht selten vor, das sie sich in einen anderen Typ verliebte und deshalb mit dem anderen Schluss machte. Ein paar Meter weiter verwarf ich den Gedanken, mit ihr zu schlafen. Zwar hatte ich Kondome im Haus, war ich mir nicht sicher, ob ich mit ihr ins Bett steigen sollte. So oft, wie sie ungewollt schwanger gewesen war, schien sie nichts von Verhütung zu halten. Auch Kondome sind nur zu neunundneunzig Prozent sicher. In meinem Bekanntenkreis sind einige drunter, die geplatzte Kondome sind. Und mich mit

irgendwelchen Krankheiten anzustecken, darauf hatte ich keine Lust. Dann standen wir vor meiner Haustür. Reinbitten oder nicht reinbitten, das war hier die Frage. Aber sie erübrigte sich, da sie sich von mir verabschiedete. Sie bedankte sich bei mir fürs zuhören und ging. Damit war auch geklärt, ob ich mit ihr schlafe, oder nicht. Es stimmte mich traurig, das sie so war, wie sie war. Kein Abschluss. Weder Schule, noch Beruf. Sie konnte gar nichts, außer das Eine. Gerne hätte ich ihr geholfen. Aber wahrscheinlich hätte es nichts gebracht. Denn ihr fehlt es an Ausdauer. Was hätte es gebracht, wenn sie sich für die Schule angemeldet hätte?

Nach wenigen Tagen hätte sie keine Lust mehr gehabt und die Schule abgebrochen. Obwohl ich sie gar nicht kannte und mit ihr nichts zu tun hatte, beschäftigte sie mich noch einige Tage lang. Denn ich wusste, sie war kein Einzelfall.

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