Kurzgeschichte
Im Schwimmbad ist eine Leiche

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"Im Schwimmbad ist eine Leiche"
Veröffentlicht am 09. Januar 2016, 18 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: maglara - Fotolia.com
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Hallo, ich heiße Joshua und ich schreibe seltsame, melancholische Texte und zeichne gerne! Ich bin 19 Jahre alt, komme aus Österreich und bin schon länger bei mystorys.de dabei, als ich zugeben will. Ich bin angehender Schriftsteller und Künstler und steuere mit letzterem ein bisschen was zu meiner Miete bei. Ein paar meiner Bilder könnt ihr unten in meiner Galerie sehen. Derzeit schreibe ich an meinem New Adult Roman "Less Like Shit".
Im Schwimmbad ist eine Leiche

Im Schwimmbad ist eine Leiche

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Geschrieben am: 09.01.2016

„ Im Schwimmbad ist eine Leiche.“ Ein geflüsterter Satz. Er hängt ihm an den Lippen. Das Verlangen ihn loszulassen und in den Raum zu flüstern, ist enorm. Fünf fatale Wörter. Aber er muss vorerst schweigen. Am Mittwoch würden sowieso alle Zeitungen davon berichten. „ Im Schwimmbad ist eine Leiche.“ Sie würden alle da sein und sein Kunstwerk bestaunen. Als vor einem halben Jahr bekannt gegeben wurde, dass das große Hallenbad umgebaut werden würde, hatte er gewusst dass seine Zeit gekommen war.

Er arbeitet nun schon seit einigen Monaten dort. Er hat Schlüssel. Die Türen stehen ihm offen. Das kann kein Zufall sein, denkt er. Die Götter schenkten ihm ihren Segen. Am Dienstag vor der großen Wiedereröffnung fährt er noch einmal hin. In seiner Wohnung zu sitzen und Däumchen zu drehen, hält er nicht mehr aus. Er muss es noch einmal sehen. Das Kunstwerk. Er muss sich vergewissern dass auch wirklich alles perfekt war. Makel sind inakzeptabel. Er braust, mit verschwitzten Händen am Lenkrad, durch die Stadt. Es ist ein warmer Tag mit jungem, blauem

Himmel. Ihm kribbelt es unter der Haut. Sein Herz scheint, mit jedem Meter dem er seinem Ziel näher kommt, schneller zu schlagen. Im Moment ist er die ganze Welt. Als er seinen Wagen am Parkplatz abgestellt hat und der Motor verstummt ist, lehnt er sich in seinem Sitz zurück und reibt sich mit den Händen übers Gesicht. Ein paar Minuten lang bleibt er so sitzen und kommt zur Ruhe. Um ihn herum gleitet alles in einen Zustand der Trägheit. Der Fluss der Zeit plätschert sanft dahin. Er weiß dass alles gut gehen würde. Alle würden begeistert

sein. Er steigt aus und holt seinen Schlüsselbund aus der Jackentasche. Das Gebäude richtet sich, wie eine majestätische Raubkatze, vor dem wolkenlosen Himmel auf. Die einzigen die ihm auf dem Parkplatz Gesellschaft leisten, sind die Kastanienbäume. Sie schlagen feierlich ihre Äste aneinander. Rauschender Applaus. Voller Zuversicht nähert er sich Schritt für Schritt dem Gebäude. Der Eingang besteht aus zwei gläsernen Schwingtüren. Eine der Neuerungen, in die man investiert hat. Dahinter liegt jedoch immer noch die Selbe alte, künstlerisch gestaltete Eingangshalle. Bunte Fliesenmosaike am

Boden, Säulen aus Marmor, hölzerne Bänke links und rechts. Als der Geruch von Chlor und Holz seine Nase umweht, fühlt er sich wie ein König. Dies ist sein Reich. Beschwingt summend biegt er rechts Richtung Umkleidekabinen ab. Die Meerjungfrauen, die an den Wänden abgebildet sind und ihre Brüste mit Händen und Haaren verdecken, zwinkern ihm zu. Die Umkleide ist ein seltsamer Ort wenn man alleine ist. Ein befremdliches Gefühl schleicht sich einem von hinten an. Als hätte man einen Verfolger, seine Augen ständig im Nacken. Aber wenn man sich umdreht,

ist da nichts außer unangenehme Nervosität. Er steht nun vor der Tür die zum Schwimmerbecken führt. Plötzlich ist er wie festgefroren. Die Hand an der Türklinge. Seine Augen fixieren den beigen Fremdkörper vor sich. Er stellt sich vor wie sich ihm die Halle präsentieren würde, wenn er jetzt durch diese Tür ginge. Zuerst wird er durch das Licht geblendet, dass durch die Vollglasfront reinfällt. Das Glas ist natürlich makellos sauber. Kastanienbäume baden im Blau. Ein wunderschöner, idyllischer Anblick, für

eine Szene aus dem normalen Alltagsleben. Direkt unter der Glasfront liegt das Schwimmerbecken. Die dunkelblauen Streifen im Boden wabern durch die Bewegungen des Wassers. Er kann hören wie das Wasser am Beckenrand leckt. Es ist so friedlich. Stille Musik die sein Kunstwerk perfekt untermalt. Er steht nach wie vor regungslos vor der verschlossenen Tür. Langsam hebt er den Schlüsselbund, sucht nach dem richtigen Schlüssel und schiebt ihn ins Schloss. Dreht ihn drei Mal herum. Sein Mund ist trocken. Er zittert am ganzen Körper. Seine Knie fühlen sich an

als würden sie jeden Moment unter ihm einknicken. Als er die Tür aufdrückt, fühlt er sich als würde er einen heiligen Frieden stören. Das Licht blendet ihn. Der Himmel und die Kastanienbäume hinter makellos sauberem Glas. So idyllisch. Das Schwimmerbecken. Wabernde blaue Streifen. Das Murmeln des Wassers. Stille Musik. Und da ist es. Sein Werk. Er ist überwältigt. Auf dem Wasser schwimmt sie. Die Arme ausgebreitet, als wollte sie die

ganze Welt umarmen. Ein, auf ewig eingefrorenes, ausdrucksstarkes Gesicht. Die blauen Augen weit offen. Sie sieht Dinge die ihm verborgen bleiben. Die hellen Lippen leicht geöffnet. Wörter die sie lieber unausgesprochen lässt. Ihre Haut ist strahlend weiß. Überirdisch. Ihre spitzen Brüste küssen die Wasseroberfläche. Zwischen ihren Beinen wiegt sich ihr dunkles Haar hin und her wie Seetang. Bevor er sie ins Wasser getaucht hat, hatte er ihr den Zopf gelöst. Nun umgeben sie ihre kastanienbraunen Locken wie eine Krone. Sie gehörte nicht in diese Welt. Das

hat er gewusst, als er sie zum ersten Mal hier schwimmen gesehen hat. Sie hat damals einen schwarzen Bikini getragen, der ihre blasse Haut umso mehr betonte. Ihre Augen hatten diesen scharfen Blick. Sie wusste Dinge, die nicht für die Irdischen bestimmt sind. Vom ersten Anblick an hatte er gewusst dass sie allein wegen ihm hier war. Sie wollte aus dieser irdischen Hülle ausbrechen und sie wusste genau wer ihr dabei helfen würde. Eine Göttin weiß wo sie ihre Untergebenen findet. Sie bis nach hause zu verfolgen war vorerst nicht nötig gewesen. Sie wusste nun wo sie ihren Untergebenen finden kann, also würde sie immer wieder

herkommen. Sie hatte ihn gefunden und auserwählt sie aus diesem Körper zu befreien und sie wieder mit dem Himmel, der Erde, den Menschen, den Tieren, dem Meer, dem Sand und den Bäumen zu vereinen. Und das hatte er getan. Er hatte darauf geachtet ihre menschliche Gestalt nicht mehr zu beschädigen als notwendig. Zuerst hatte er ihr mit dem Messer einen senkrechten Schnitt auf die Stirn gesetzt. Damit ihre Seele durch das richtige Tor entweichen und den Weg in die höhere Ebene finden konnte. Dann das Messer mitten ins Herz. Bis zum Schaft steckte er es ihr in die Brust.

Er war in unglaubliche Ekstase verfallen als er ihr dabei zusah wie der Glanz in ihren Augen erlosch und ihre Muskeln locker wurden. Schnell zog er ihr die Kleider aus, hob sie vom Boden hoch und trug sie ins Wasser. Es ist kein leichter Prozess für eine Seele einen Körper zu verlassen. Das Wasser würde ihr, mit seiner reinigenden Kraft, den Weg erleichtern. Zum Schluss gab es nur noch eine Sache zu tun. Die Hülle zu ehren. Auch wenn dieser Körper ein Gefängnis für sie war, war er doch kein gewöhnlicher Körper. Immerhin musste er stark genug sein den Kräften einer Göttin standzuhalten.

Er hatte für diesen Anlass drei füllige Rosensträuße gekauft. Er hatte jede einzelne Blüte vom Stängel gepflückt und ins Wasser geworfen. Hatte sie um das Becken herum platziert. Hatte sich in den Daumen geschnitten und sein Blut ins Wasser tropfen lassen. Er war noch zwei Stunden bei ihr geblieben. Hatte für sie gebetet. Hatte zu ihr gebeten. Nun steht er am Beckenrand und muss weinen. Er schluchzt laut. Sie ist so wunderschön. Sein Werk. Sein

Kunstwerk. Seine Knie versagen. Er sinkt auf den Boden. Die glatten Fliesen unter seinen Fingern. Er hat das Richtige getan.

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Schattenpuppe
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Frettschen 
Ob ich gut finde, was der "Künstler" vollbracht hat, sei dahingestellt.
Doch eines ist sicher: Du hast eine beklemmende Atmosphäre geschaffen.
Dein Text ist packend, fesselnd und mir gefror die Gänsehaut auf den Armen ...
Vor langer Zeit - Antworten
Ameise Gut beschrieben. Man kann sein Motiv fast verstehen. Lg Ameise
Vor langer Zeit - Antworten
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