Kurzgeschichte
American lovestory

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"American lovestory"
Veröffentlicht am 10. Januar 2016, 60 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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American lovestory

American lovestory

Kalifornien

Als ich mit meinen Freunden in San Jose aus dem Flieger steige halte ich einen Moment inne, um zu realisieren , dass ich tausende Kilometer von zu Hause weg bin, Der Flug verging schnell. Um 7:05 am Morgen waren wir in Deutschland eingestiegen. Jetzt, um halb Neun abends, bin ich auf einem anderen Kontinent und kann es kaum erwarten mit meinen Freunden Kalifornien zu erkunden.

Wir mussten vorher lange sparen und hart arbeiten damit wir uns den kalifornischen Monat leisten können.


Wir steigen in einen Bus der uns eine halbe Stunde lang mit seinen "Bus-Stop-Announcements" entzückt. Das bedeutet nicht mehr , als dass er uns sagt wo wir sind und wo wir halten.


Es sieht aus wie im Film. Der Himmel ist traumhaft schön und die Häuser die links und Rechts an den Straßen stehen sind wohl die süßesten Bauten die ich jemals gesehen habe.


"Jessy wohnt er nicht hier , dein Ami-Freund ?" , fragt mich Sarah , als sie einen jungen Kerl auf dem Gehweg skateboarden sieht.

Ich reagiere nicht darauf , weil mein

Herz schon genug rast.

Ja , er wohnt hier. Genau in dieser Gegend.

Meine Bekanntschaft aus dem Internet.

Genauer gesagt hatte ich ihn vor einem Jahr beim Playstation spielen getroffen.

Etwas an ihm hatte ich schon anfangs gemocht. Seit her muss ich mir immer wieder auf´s Neue eingestehen , dass ich mich in jemanden verliebt hatte , den ich nie zuvor zu Gesicht bekam. Sollte sich das bald ändern?

Sollte er mir über den Weg laufen? Ich hatte mich entschieden ihm nichts davon zu sagen , dass ich ihm so nah sein werde. Meine Angst , dass ich ihm vielleicht nicht so gefallen würde, wie

ich es will, lässt mich schweigen wie ein Grab. Ich würde ihn so gerne ein mal in die Arme schließen. Stattdessen steigen wir nun aus.

Wir sind eine 4-er Gruppe, zwei Intelligenzbestien , ich und meine beste Freundin Sarah.

Die zwei Intelligenzbestien Jonathan und Alexander sind , wie ich zugeben muss , unsere besten Freunde.

Ich habe bis jetzt keinem meiner Kumpanen viel von Javiero erzählt. Meine Freunde nennen ihn "Ami" , weil er in Amerika lebt. Er ist halb Spanier , und so komisch es auch klingen mag, in meinen Augen ist schon alleine das ein guter Grund um ihn zu heiraten.

Spaß bei Seite.

Ich ziehe meinen Koffer aus dem Bus und bemühe mich Sarah mit ihrem zu helfen. Die Jungs machen sich einen Spaß daraus uns zu filmen. " Ihr könntet uns auch mal dabei helfen die Teile hier rauszuwuchten ihr I..." , meckert Sarah , aber ich halte ihr meine Hand auf den Mund und lächele nur. So ist sie eben . Sie sagt was sie denkt und macht was sie für richtig hält. Wir kommen alleine zu Recht und nach ein paar Sekunden laufen wir schon Richtung Unterkunft. Wir müssen aussehen wie die Ober-Touris .

Jeder von uns trägt ein Schmuck- oder Kleidungsstück im Amerika-print.

Bei mir ist es der Koffer. Sarah trägt ein

Bandana im USA-style und die Jungs tragen T-shirts mit dem Aufdruck " United States of America rock ".

Nachdem wir einige Minuten gelaufen sind stehen wir vor dem ungewöhnlichen Doppelhaus , in dem wir für die nächsten 4 Wochen verhaaren werden.

Es ist ein vergleichsweise sehr großes Haus . Nicht aus Holz , so wie die meisten anderen Häuser hier. " Sieht aus wie´n Deutsches." , sagt Jonathan und ich kopfe an der Tür.

Eine junge Frau öffnet und bittet uns gleich herein. Sie muss wissen wer wir sind . " Come in , the rooms are not ready yet but you can stay downstairs or explore the city until we finished ! " ,

sagt die Frau und stellt sich als die Haushälterin vor. Das Haus ist eine Art Privathotel für jeweils eine Gruppe oder Familie bis 6 Personen. Wir bekommen drei Zimmer in denen mehr Betten stehen als wir überhaupt benötigen. Das wissen wir jedoch schon seit der Planung. Das 3. Zimmer wird das Notfallzimmer werden.

Da die Zimmer aber noch nicht fertig sind entscheiden wir uns dafür die nähere Umgebung zu erkunden.

In mir macht sich ein komisches Gefühl breit. Hatte ich wirklich die ganze Zeit lang unterdrückt , dass ich meiner großen Liebe so nah sein würde?

Es ist als hätte ich Angst ihm zu

begegnen. Wir verlassen das Haus und ich sehe mich nach beiden Seiten um . Ich rede mir ein , dass ich nur nicht überrannt werden will , dabei weiß ich sehr genau , dass ich sicher gehen will , dass Javiero mir nicht begegnet.

Erst jetzt wird mir richtig bewusst in was ich mich verstrickt hatte. Mir wird kotzübel und ich starre auf den Boden. Mein Kopf fühlt sich an als würde er in wenigen Sekunden platzen. Ich lasse mir aber nichts anmerken und lenke mich ab. "Also Jungs , damit eins klar ist: IHR SEID NICHT UNSERE LEIBWÄCHTER! Wenn wir in den Club gehen bedeutet das nicht, dass ihr uns unbedingt folgen müsst , kapiert ?" , legt Sarah fest.

"Kapert!" , antworten Jonathan und Alexander wie im Chor. Jetzt starren alle drei mich an und erwarten einen Kommentar , aber ich war zu sehr in meine Gedanken zurückgefallen um ihnen zuzuhören. Würde Jav mir böse sein wenn er mich sehen würde ? Immerhin hätte ich ihm ruhig sagen können das ich nicht mehr tausende Kilometer von ihm entfernt bin , sondern nicht einmal einen halben. Wir haben viel zusammen durchgemacht in unserem gemeinsamen Jahr. Wir haben es als Paar versucht , aber das hat nicht so geklappt wie es sollte. Die Distanz war einfach zu groß. Man konnte sich nie sehen und zum Skypen war ich ehrlich gesagt zu

schüchtern.

Aber es geht nicht mehr darum was war. Jetzt ist er zum Greifen nah.

"Hallooo , Erde an Jessy!" ,höre ich jemanden rufen und sehe mich irritiert in alle Richtungen um. "Alles okay?" , fragt Alex. Ich lache und antworte mit einem Nicken.


"Wollen wir in den Club ?"

"Neee nicht jetzt , ich will mich erst umziehen."

"Schau mal die dort drüben arbeiten im Garten. Mama könnte mich für kein Geld der Welt dazu bringen bei den Temperaturen im Garten zu arbeiten. Das fühlt sich ja an wie 80 Grad !"


Ich höre dem Gespräch meiner Freunde zu und muss lachen. "Es sind sogar 90 , aber eben in Fahrenheit !" , sage ich in die Runde. Während meine Freunde sich weiter unterhalten konzentriere ich mich auf die Leute die dort im Garten arbeiten. Jetzt biegen wir um die Ecke und ich sehe immer mehr Leute die ihre Grundstücke pflegen. Ziemlich weit die Straße runter sehe ich eine Person die alleine an einer Pflanze herumzieht. Nach ein paar Minuten sind wir nah genug und ich kann erkennen das es ein gut Gebauter junger Mann ist , gut gebräunt und dunkelhaarig. Ich muss ihn anlächeln weil er aussieht wie Javiero.

Ich kann nicht sehen ob er seinen Mund bewegt , ohne meine Brille , die ich vor Monaten mit Absicht herunterfallen ließ weil ich sie nicht tragen mochte. Jetzt bin ich blind wie ein Maulwurf.

Ich kneife für eine Sekunde meine Augen fest zu. Diesen Trick hatte ich gelernt als ich mir damals schwor niemals mehr eine Brille zu tragen .

Jetzt öffne ich meine Augen wieder und ich sehe dem Kerl in die Augen. Ich bin geschockt, genau so wie er. Ruckartig drehe ich mich zu meinen Freunden um. Der Typ sieht nicht nur aus wie Javiero er IST Javiero.

Mit aufgerissenen Augen sehe ich Sarah an. Sie legt ihren Kopf schief und ich

packe ihr Handgelenk und renne los. "Heeey hast du deine Tage bekommen oder was ?" , ruft sie während sie neben mir her rennt.

Ich kann förmlich spüren wie er mir hinterher sieht. Es ist mir so peinlich . Nach einer Minute sprinten zieht Sarah in die Gegenrichtung. Wir sind gerannt und gerannt , haben die Jungs hinter uns gelassen und sind um viele Ecken gesprintet. Ja , wir haben uns verlaufen. "Wo sind wir , was soll das hier überhaupt?" , fragt Sarah mich. Sie klingt nicht wütend also entscheide ich mich es ihr weiterhin zu verheimlichen. Ich sehe einen Stadtplan oder etwas dergleichen . Ich habe Glück , wir

müssen nur weiter gerade aus und dann ein mal ein paar hundert Meter die Straße wieder hoch.

Sarah folgt mir wortlos. Es vergehen Minuten bis sie das Schweigen bricht. "Also , was ist los ? Wieso benimmst du dich so komisch ?" , hackt sie nach.

"Sarah... das war..." , stottere ich. "Es war der Ami ! Ich hab ihn gesehen er war auf der anderen Straßenseite! Er hat mich erkannt, ich weiß es , was mach ich denn jetzt ich meine.." , die Worte kommen immer schneller aus mir heraus. "Atmen , Jessy du musst zwischendurch atmen!" , beruhigt mich Sarah und hält ihre Hände gegen meine Schultern. Sie hakt sich bei mir ein und wir gehen

schweigend zurück zur Unterkunft.

Dort angekommen warten die Jungs schon auf uns. "Was war denn los?" , fragen sie. Die Besorgnis in ihrer Stimme kannte ich vorher nicht. Sarah winkt ab und schiebt mich durch die Türe, die Alex ungewohnter Weise für uns aufmacht.

Jonathan und er schauen sich verwirrt an. Die Zimmer sind mittlerweile fertig und die Haushälterin führt uns zu den Jeweiligen.

Es wird dunkel. Der Tag ist für mich gelaufen, Das muss ich erst einmal verkraften. Die Jungs sind schon auf ihrem Zimmer.

Auch ich und Sarah öffnen die hölzerne

Tür zu unserem Zimmer.

So modern wie das Haus von außen aussieht ist es innen nicht. Es ist alles aus Holz. Die Betten , die Schränke , einfach alles Mögliche. Der dunkle Eichenboden macht keinen Laut wenn man über ihn Läuft. In unserem Zimmer sind zwei Fenster. Die Wände sind beige gestrichen und über dem Ehebett klebt ein braunes Wandtattoo. "Sweet dreams" sagt es.

"Wahnsinn schau es dir an Jessy ! Schlafen wir im Ehebett? Das wäre wie täglich übernachten ! Der Hammer " , sagt Sarah. Ich bin genauso begeistert wie sie , aber der Schock sitzt noch zu fest um eine normale Unterhaltung zu

führen.

"Ja .. wir schlafen im Ehebett..übernachten" , murmle ich.

Wir machen das Zimmer zusammen fertig ziehen uns um und legen uns auf das Bett. Der Flug war anstrengend und wir sind müde. Sarah schläft schneller ein als ich. Sie schnarcht schon neben mir als ich noch einmal aufstehe und mich aus dem Raum begebe um das Bad zu suchen.

Ich laufe den Gang entlang und fühle unter mir einen weichen Teppich der meine Füße geradezu massiert. Im Haus ist es warm und so laufe ich ohne Schuhe durch den Gang und die Treppe herunter zum Bad. Nicht lange danach lief ich

frisch geduscht und mit geschrubbten Zähnen zurück.

Als ich wieder das Zimmer betrete schnarcht Sarah nicht mehr.

Ich gehe an ein Fenster und sehe in den Himmel. Manchmal betete ich , obwohl ich nicht an Gott oder an Geister glaube. Ich betete jedoch nicht zu Gott , sondern zu Javieros verstorbenen Eltern.

Wie auch heute. Ich setze mich auf das breite Fensterbrett und falte meine Hände zusammen. 

"Marca.." , flüstere ich. "Was soll ich tun? Soll ich ihm schreiben , dass ich da bin? Aber mittlerweile sollte er mich erkannt haben...Marca ich weiß nicht was ich tun soll..." 

Mein Handy liegt auf dem Nachttischschränkchen. Dass LED-Licht leuchtet rot. Mein Herz fängt an zu rasen und mir wird schlecht. Rot bedeutet Javiero schreibt. Ich sehe noch ein mal zu den Sternen und lege mich dann in´s Bett. Natürlich kann ich nicht schlafen. Meine Gefühle eskalieren förmlich in mir. Mein Plan war es , meinem Schwarm 4 Wochen lang vorzugaukeln ich wäre schwer beschäftigt und könne nicht mit ihm schreiben. Wie konnte ich so dumm sein? Was für ein idiotischer Plan!

Schweren Herzens nehme ich mein Smartphone in die Hand und entschlüssle den Screen. Die Helligkeit ist so hoch

gestellt , dass meine Augen weh tun und ich die dunkelste Stufe einstelle. Ich tippe mit meinem Daumen auf das Whatsapp-Symbol und öffne den Chat.


"Babe...Why ?"

Mir stockt jetzt schon der Atem. Wie erkläre ich ihm diese Situation?

"Wasn't me" , schreibe ich zurück und bemerke noch während mein Finger den Sendeknopf drückt , dass ich mich selbst verraten habe.

"Aha..so how do you know what i mean?"


Ich habe mich gerade selbst noch mehr in die Scheiße geritten als ich schon

drinn´ war.


Mit gemischten Gefühlen lege ich das Handy weg und zwinge mich dazu die Augen zu schließen.

Das blinken des LED-Lichtes stört mich.

Aber mit der Zeit stört es mich immer weniger....und weniger... und weniger.....





Die Sonne wärmt leicht mein Gesicht als ich am nächsten Morgen aufwache.

Sarah ist nicht neben mir. Ich richte mich auf und setze meine Füße auf den warmen Boden. Mein Smartphone blinkt.


"If you really want to hurt me then keep hiding. But if you have the balls to meet me i´ll be in the disco with my friends tonight...Don´t miss the chance..."


"Wenn du mich wirklich verletzen willst dann versteck dich weiterhin. Aber wenn du 'die Eier hast' mich zu treffen, dann werde ich heute Nacht in der Disco

sein...Verpass' die Chance nicht..."


Ich stehe auf und lasse mein Handy zurück um mich ins Bad zu begeben.

Dort schaue ich in den Spiegel. So sieht also ein Angsthase aus. Ein richtiger Feigling bin ich!

Gestern hatte ich mich nicht abgeschminkt und sehe jetzt aus wie ein Panda. Also mach ich es jetzt und gehe zum Frühstücksraum. Sarah und die Jungs warten schon auf mich.

"Du hast so süß geschlafen , da wollte ich dich nicht wecken." , entschuldigt sie sich. Mit einer Handbewegung mache ich klar , dass es mir egal ist.

Die Auswahl der Cornflakes ist riesig.

Ich entscheide mich aber für Haferflocken mit frischen Apfelstücken.

Mir ist nicht zum Essen zumute. Soll ich mich heute mit Javiero treffen? Ich habe ja nicht sonderlich viel Zeit, um es mir zu überlegen. Immerhin ist es schon 10 Uhr und wir wollten eigentlich die Stadt erkunden und am Abend zur Golden Gate Bridge. Allein das würde pro Fahrt 1,5 Stunden dauern. Ich weiß nicht genau ob ich Sarah beichten soll , dass ich nicht mitgehen werde. Ich bin schon fest entschlossen. Ganz tief in meinem Kopf hat sich die Idee schon festgesetzt. Auch wenn ich es eigentlich nicht zugeben will.

"Ladys und Gentlemen ich werde nicht

mit zur Bridge kommen" , bricht es aus mir heraus und ich ernte dafür schockierte Blicke.

"Ich glaub ich bin im falschen Film!" , sagt Sarah. Ich merke , dass sie ahnt weshalb ich nicht mitkommen werde. Alex und Jonathan schauen mich noch immer geschockt an. Wir hatten die Bridge eigentlich als absolutes Highlight geplant. Aber ich kann nicht. Ich MUSS Jav sehen. Es käme der echten Jessy niemals in den Sinn so eine Aktion alleine durchzuziehen. Aber Sarah würde auf keinen Fall dieses Erlebnis aufgeben. Nicht für einen Abend in der Disco mit meinem Internet-Schwarm.

"Ich...muss was erledigen. Ihr könnt das

auch ohne mich!" , verteidige ich mich. Ich fühle mich wie ein Kind , dass sich bei seinen Eltern dafür rechtfertigen muss warum es zu spät zu Hause ist.

Sarah steht auf und verlässt den Raum mit schnellem Schritt.

Ich esse meine Haferflocken und gehe dann zurück auf das Zimmer.

Ich öffne die Türe und ignoriere Sarah. Ich kann ihr nicht in die Augen sehen. Das LED-Licht leuchtet wieder.

Ich laufe rasch Richtung Nachttischschrank und nehme mein Handy in die Hand , als Sarah plötzlich auf mich zustürmte und laut sagte: "Du kannst den Kerl jeder Zeit sehen Jessica! Willst du mich wirklich für diesen

langweiligen Abend in der Disco sitzen lassen ?" Ihr lautes Reden ist eher ein leises Schreien. Ich halte das Handy hoch und entgegne : "ER..." , fange ich an. Auf einmal reißt Sarah mir das Handy aus der Hand. Ich versuche es zurückzubekommen aber in dem Handgemenge verlieren wir die Kontrolle und das Handy fällt auf den Display herunter.

"NEIN!" , schreie ich und hebe das Smartphone vorsichtig wieder auf. Ich Tippe auf den zersprungenen Display... Keine Reaktion. Sarah sieht mich geschockt an. Das hatte sie nun wirklich nicht gewollt. Ihr kommen die Tränen als Sarah aus dem Zimmer stürmt. Ich

ignoriere sie und versuche weiterhin verzweifelt mit meinen Fingern irgendeine Reaktion aus meinem Handy zu ziehen. Keine Chance , es ist kaputt.

Was jetzt? Ich bin nicht mehr erreichbar.

Nicht für Mama, nicht für meine Freunde , nicht für Javiero...


Den ganzen Mittag sitze ich auf meiner Betthälfte und Tippe stundenlang leicht mit den Fingern auf mein Smartphone. Ich weiß es hilft nichts , aber ich weiß nicht, was ich sonst tun könnte. Es dämmert schon aber ich bemerke es kaum. Meine Freunde sind schon im Auto. Auf dem Weg zur GGB. Sarah ist nicht in das Zimmer zurückgekommen.

Die Nacht kommt näher und ich weiß genau, dass ich Jav heute nicht treffen werde...





Ich entscheide mich im Licht der Straßenlampen joggen zu gehen um den Kopf freizukriegen. Javiero wird wohl kaum nach einer solchen Enttäuschung herumstreifen wollen , also würde er mir sicher nicht über den Weg laufen.

Ich ziehe meine lange Jogginghose und mein Marineblaues T-shirt an. Dann hole ich meinen MP3-player aus meiner Tasche und mache mir einen hohen Pferdeschwanz.

Nun noch die weißen Turnschuhe und ich verlasse das Haus.

Ich kann es nicht glauben. Alle sind jetzt dabei die Golden Gate Bridge zu

bewundern..Während ich einen auf sportlich mache und Nachts alleine durch die Gegend jogge.

Aber egal. Ich mache einen riesen Schritt und beuge mich vor um mich zu dehnen. Das wiederhole ich mit dem anderen Bein und dann jogge ich in einem langsamen Tempo los.

Ich drücke auf den "Play"-Button auf dem MP3-player und höre "Valerie" von Amy Winehouse.

Es ist kaum ein Auto auf der Straße und niemand ist unterwegs. Ich biege ein paar mal ab, aber drehe dann wieder um , bevor ich mich noch einmal verlaufen würde.

Eigentlich will ich jetzt zurück joggen ,

allerdings verlockt mich das Straßenschild mit der Aufschrift "Park" und ich entscheide mich dafür den Park zu erkunden. Eine dumme Idee.. Ein junges Mädchen.. Alleine in der Nacht in einem Park.

Ich wundere mich warum die Straßenlampen überhaupt noch leuchten. In Deutschland ist es um die Zeit stockdunkel. Am Parkeingang aber sehe ich , dass die komplette Anlage mit kleinen Lichterketten oder etwas Ähnlichem ausgestattet ist. Ich jogge den Weg lang. Es lässt sich gut darauf laufen und meine Füße tun mir nicht einmal weh. Etwa 20 Meter vor mir geht es in die Kurve und ich sehe nur noch, dass

das Licht dort nicht endet , denn Bäume versperren mir die Sicht.

Die Bäume werden größer und größer und ich laufe um die Kurve. Weit vor mir sehe ich jemanden auf einer Parkbank sitzen. Etwa einer der genau so dumm sein mag wie ich? Denn wer geht gerade JETZT in den Park?

Ich bekomme Angst und laufe langsamer und überlege umzukehren. Doch die Person sieht mich schon. Ich kann mir meinen verdammten Augen nur erkennen , dass es eine männliche Person ist. Er steht auf und ruft etwas was ich nicht verstehen kann. Ich bleibe sofort stehen und reiße mir einen Kopfhörer heraus damit ich besser höre was vorgeht. Jetzt

laufe langsam rückwärts. Mir wird klar das ich recht gehabt hatte, es ist sehr wohl eine dumme Idee um diese Uhrzeit im Park zu joggen. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals als der Mann in meine Richtung zu laufen scheint. Er bewegt seine Arme. Wie ein aufgescheuchtes Pferd renne ich den Weg zurück in der Hoffnung ich könnte den Kerl abhängen. Wieder ruft er etwas. Es klingt wie mein Name. Ich interessiere mich aber nicht dafür was er ruft. Er rennt hinter mir her und ich verspüre einen stark erhöhten Adrenalinspiegel. Was wenn er mich zu fassen bekommt?

Ich renne so schnell , dass ich mich wundere. Mir war nicht klar, dass ich so

schnell rennen kann. Mein Atem geht mir nicht aus , zu groß ist die Angst vor dem Menschen der mich verfolgt.

Was will er nur von mir?

Ich weiß den Weg nicht mehr. Links ? Rechts ? Gerade aus?

In meiner Verzweiflung renne ich einfach gerade aus und biege ab und zu in die selbe Richtung ab. Wie durch ein Wunder komme ich wirklich am Haus an und greife schnell den Schlüssel der in meiner Hosentasche die ganze Zeit geklimpert hat.

Mit zittrigen Händen stecke ich den Schlüssel ein und drehe. Als die Tür aufgeht springe ich hinein ,ziehe den Schlüssel aus dem Schloss und knalle

den Holzblock zu.

Dann renne ich die Treppe hoch und stürme in mein Zimmer. Sarah und die Jungs sind schon zurück. Ich sehe auf die Uhr und kann kaum glauben, dass ich eine ganze Stunde lang draußen war.

"HEY , WO WARST DU ICH HAB MIR SORGEN GEMACHT!" , ruft Sarah und umarmt mich. Ich lasse sie und bemerke erst jetzt , dass der Akku meines Musikplayers leer gegangen war , als ich im Park war.

"Ich war joggen." , sage ich. "Um die Uhrzeit? Spinnst du?" , fragt sie entsetzt. "Ist ja nichts passiert" , antworte ich und sage mir selbst , dass sehr wohl BEINAHE etwas geschehen wäre.

"Hör mal..." , lenkt sie ab , "Ich hatte ein schlechtes Gewissen wegen vorhin...wir waren unterwegs in der Stadt." Sie reicht mir ein kleines Geschenk , welches sie die ganze Zeit hinter sich gehalten hat.

Ich schaue sie an und nehme das Päckchen in die Hand. "Mach es auf" , fordert sie und ich setze mich mit ihr aufs Bett , um es zu öffnen.

Es ist sorgfältig eingepackt. Blaues Papier mit einer roten Schleife.

Ich ziehe das Geschenkpapier und die Schleife weg und öffne die weiße Pappbox. Sarah hatte mir ein neues Handy besorgt. Ich erkenne, dass es schon benutzt ist. Aber das interessiert

mich nicht. Ich schaue sie an, lächle und umarme sie. "Da kannst du mehrere SIM-Karten reinmachen." , sagt sie und fasst sich an den Hinterkopf. Ich stelle das Handy ein und übertrage meine Chats auf mein neues gebrauchtes Handy. Wie automatisch leuchtet das LED-Licht dieses Handys rot. Wie ich es von Javiero gewohnt bin. Ich atme tief ein und aus. Dann öffne ich unseren Chat.

 

"Why did you run away? What´s wrong? Don´t you want to see me?"


Es ist mir unangenehm "What?" zu antworten. Aber ich verstehe nicht was er will. Also bleibt mir nichts Anderes

übrig.


"I shouted your name serveral times. Why did you just run away?"


Ich reiße die Augen auf und ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. Es war ER der mir gerade im Park hinterher gelaufen ist. Das kann nicht wahr sein. WARUM WAR ER AUSGERECHNET DA ALS ICH ES AUCH WAR?


Ich antworte ihm nicht mehr und Sarah lächelt mich an. Sie denkt jemand hätte mir etwas Süßes geschrieben. Ich lächele zurück und hoffe , dass sie nicht nachfragt. Sie tut es nicht und ich lege

das Handy weg um mit ihr zu den Jungs zu gehen.

Wir schauen einen Film und keiner verliert ein Wort über die Golden Gate Bridge. Ich freue mich und vergesse für einen Moment , dass ich gerade zum zweiten Mal vor Javiero weggelaufen bin wie ein Kind. Natürlich kann ich im Park in der Nacht nicht wissen , dass Jav vor mir steht.

Aber das ist mir jetzt relativ gleich und ich konzentriere mich auf den Film. Wir machen die ganze Nacht zusammen durch und schlafen bis zwei Uhr mittags. Als ich aufwache schlafen die Anderen noch und mich packt ein ungeheurer Mut gemischt mit Gleichgültigkeit und

Neugierde. Ohne darüber nachzudenken ziehe ich mich an und laufe zu dem Haus mit der schicken Bananenpflanze , in dem mein spanischer Ami wohnt. Ich sehe ihn wieder von weit weg. Arbeitet er jeden einzigen Tag im Garten? Es ist mir egal und ich beobachte ihn weiterhin.Wie er dort im Garten arbeitet. Seine dunklen Haare nassgeschwitzt. Er glänzt geradezu und als er sich den Schweiß von der Stirn wischt sieht er sich um. Er sieht mich und ich sehe ihn. Trotzdem fühle ich mich nicht als würde ich rennen müssen.

Ich laufe näher an den Zaun heran. Ich bin dieses Mal die Ruhe selbst. Er hingegen tritt erst einmal einen Schritt

zurück. "Hi..." sage ich. Er macht das Hohe Tor auf. Es sieht aus wie Knaststäbe aber es passt trotzdem irgenwie zu dem Holzhaus. Ich kann mich nicht halten und muss ihn umarmen. Ich schlinge meine Arme um seinen Hals und lege meinen Kopf auf seine Schulter. Mir ist egal, dass er verschwitzt ist. Er schließt auch seine Arme. Es fühlt sich genau so an, wie ich es mir vorgestellt hatte. Sicher irgendwie. Beschützt. Als wir uns voneinander lösen drücke ihm einen Zettel in die Hand und gehe wortlos und grinsend wieder weg. Es kommt mir selbst komisch vor , dass ich jetzt einfach wieder gehe. Aber ich will unser

erstes richtiges Treffen nicht hier verbringen. Nicht dort wo seine Tante und sein Onkel jeder Zeit vor mir stehen können. Ich bin nun wirklich nicht darauf vorbereitet seine Tante und seinen Onkel von mir zu überzeugen.


"Um 4 im Park" steht auf dem Zettel.


Ich laufe also schnurstracks gerade aus und sehe nicht zurück. Trotzdem fühle ich mich als würde er mir hinterher sehen und deshalb gehe ich schneller. Als ich um die Ecke gehe sehe ich zurück. Tatsächlich - er sah noch immer hinter mir her. Ich lächele und renne dann los wie eine schüchterne

dreijährige. Ich renne durch die Straßen und springe über all die kleinen Dekosteine und Sitzbänke. In der Pension angekommen laufe ich zum Frühstücksraum. Die Auswahl an Cornflakes scheint noch immer gleich zu sein und so packe ich mir wieder die Haferflocken und Apfelstücke in eine Schüssel und verschlinge dies mit einem ordentlichen Schluck Milch. Komisches Frühstück dafür , dass wir ja in Amerika sind. Aber mir passt es. Nach dem Frühstück gehe ich in das Zimmer in dem meine Bande noch immer schnarcht. "Auuuuufwachen!" , rufe ich und reiße damit alle aus ihren Träumen heraus.

Ich mache die Fenster auf damit die

wundervolle frische Luft hereinkommt und der Duftmix aus Chips , Schokolade und dem Duft schlafender Menschen vergeht.

Dann renne ich aus dem Zimmer und nehme eine kalte Dusche.

Im Bademantel renne ich in das Mädchenzimmer , föhne meine Haare und ziehe ein weißes knielanges Kleidchen an. Ich binde mir meine dunklen Haare in einen Zopf und ziehe meine schwarzen Ballerinas an. Jetzt nur noch zum Park....



"Was hast DU denn vor?" , fragt mich Alex , als ich ihm zufällig auf dem Gang begegne. Ich kann mir vorstellen , dass er geschockt ist. Immerhin trage ich eigentlich ausschließlich Jogginghosen und normale Sweatshirts. Er hat mich vorher nie in so einem Outfit gesehen. Aber es ist offensichtlich , dass er mich nicht unattraktiv findet. Er steht vor mir und starrt mich stumm an. Selbst trägt er nur seine Boxershorts. Um ehrlich zu sein bin auch ich diesen Anblick nicht gewohnt. Ich lache und antworte: "Ich hab wirklich was vor. Aber...ach, nichts Besonderes!".

DOCH ! Es ist sehr wohl etwas Besonderes. Ich bin so aufgeregt , dass ich mich zusammenreißen muss , um nicht zu zittern.

Alex kratzt sich am Hinterkopf und lächelt mich an. "Gehst du so raus?" , fragt er mich und ich sehe an mir herunter. Er hat recht. Das bin nicht ich. Ich schaue ihm in die Augen und warte auf einen seiner Machosprüche. Aber es kommt nichts aus seinem Mund heraus. Plötzlich geht mir ein Licht auf. Was mache ich gerade? Kleidchen und Ballerinas ?

"Nein , Quatsch." , sage ich schnell und renne zurück in mein Zimmer. Ich knalle die Tür zu und stelle mir vor wie

verwirrt Alex jetzt wohl sein mag. Die Ballerinas ziehe ich aus und stelle sie neben die anderen Schuhe die ich dabei habe. Meine Haare befreie ich vom Zopfgummi und bürste es noch einmal.Das Kleid hänge ich auch zurück. Ich tausche das Tussi-Outfit mit einer Schwarzen Leggings, einem dünnen weinroten T-shirt und meinen weißen Straßenschuhen.

Sogar das Make-up entferne ich noch. "I wan´t the natural you" , hatte Jav mir geschrieben, als wir aus Spaß davon redeten wie wir uns das erste Mal begegnen wollen. Er sagt so oft , dass er mich nicht als Barbie kennen lernen will. Mir wird klar, dass er mich und

meinen Style so oder so akzeptieren müsste. Also stelle ich mich zurück vor den großen Spiegel.

Ich sehe mich an und muss lächeln. Was würde Javiero anziehen? Und wird er überhaupt kommen? Was , wenn er mich irgendwo hin einladen will ?

In meinem Kopf kommen tausende Fragen auf , aber ich höre auf mir selbst Fragen zu stellen und sprühe mich mit süß duftendem Deodorant ein.

Ich gehe zurück zur Zimmertür und öffne sie. Dann laufe ich den Gang entlang und hüpfe die Treppe , Stufe für Stufe herunter. Ich hebe meinen Arm und schaue auf meine weiße Uhr. Viertel vor Vier. Perfekt! Vor der Haustür atme

ich noch einmal ganz tief ein und aus. Jetzt drehe ich den Türknauf und ziehe die Türe auf. Die Sonne küsst mein Gesicht und ich laufe den Weg zum Park, dieses Mal bei Tageslicht. Die Vögel singen ein niedliches Lied und nach einigen Minuten sehe ich auch schon dass Schild wieder. "Blödes Schild ." , sage ich und lache. Ich laufe genau den selben Weg , den ich auch in der vorausgegangenen Nacht gelaufen bin. Wieder versperren mir die Bäume die Sicht und wieder gehe ich um die Kurve. Entschlossen laufe ich weiter und als ich sehe , dass dort auf der Bank jemand sitzt muss ich lachen. Natürlich war er es. Ich erkannte ihn , auch wenn ich so

gut sehen kann wie meine Oma. Jav steht auf und läuft mir einige Schritte entgegen. Er streckt die Arme etwas aus und ich renne die letzten 5 Meter auf ihn zu und springe in seine Arme. Ich umschlinge seinen Körper mit Armen und Beinen und er drückt mich fest an sich. SO , genau so wollte ich unsere erste Begegnung. Ich kann mir die Tränen nicht verkneifen. Immerhin war ich etwa 9400 Kilometer gereist und kann ihn jetzt endlich sehen. Ich muss nicht einmal weglaufen. Erst als wir uns wieder loslassen merke ich , dass er frisch aus der Dusche kommt. Er hat seine Haare zurecht gemacht und ein Duschgel benutzt , dessen Geruch ich

nicht widerstehen kann. Selbst seine Haare duften extra stark. Ich muss zugeben, ich selbst rieche auch nicht gerade dezent. Aber lieber stark nach Rosen duften , als nach gar nichts.

Er steht nah vor mir. Seine Hände halten meine und wir schauen uns in die Augen. Er ist größer als ich deshalb schaue ich leicht nach oben.

Er zieht mich noch ein bisschen näher und flüstert mir in´s Ohr , dass er genau auf diesen Moment gewartet hat.

Jetzt legt er seine warmen Hände um meine Taille und kommt mit seinem Gesicht näher. Er wird doch nicht...? Er weiß genau, dass ich noch niemanden geküsst habe. Wir hatten viele Gespräche

darüber. Ich sehe ihm in die Augen und komme ihm auch näher. Mir ist in diesem Moment alles egal. Nahezu gleichzeitig schließen wir unsere Augen und ...

Seine Lippen berühren meine , mein Herz fängt an zu rasen und mein Kopf setzt aus. Keine der Fragen die ich mir selbst gestellt hatte ist jetzt noch da. In mir explodieren tausende von positiven Gefühlen und ich würde am Liebsten gar nicht mehr aufhören. Als es dann aber doch dazu kommt schaue ich ihm wieder in die Augen und er schaut in meine. Wir beide lächeln uns an und er nimmt mich noch einmal in die Arme. Er nimmt mich an die Hand und wir laufen wortlos

zum nahe gelegenen Strand. Immer wieder während wir laufen drückt er meine Hand kurz fester und ich drücke zurück.Wir lachen beide und als wir am Strand ankommen ist die Sonne schon niedrig. Ist schon so viel Zeit vergangen als wir gelaufen sind ? Wir laufen immer langsamer und setzen uns dann hin. Wir reden eine Weile und ich erzähle ihm wie lange ich und meine Freunde hier bleiben werden. Dann ist der Sonnenuntergang da. Javiero legt seinen Arm um mich und ich lehne mich an ihn an. "War doch gar nicht so schlimm." , meint er dann noch. Er spricht von unserem Kuss. Aber das braucht er wirklich nicht zu sagen. Denn gerade in

diesem Moment bin ich die Glücklichste Person auf der Erde.

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