Seitdem Galrens Vater vor 20 Jahren auf einer Expedition verschwand, hatte er nichts mehr von ihm gehört. Dies ändert sich schlagartig, als eines Tages ein Fremder in seinem Haus auftaucht und ihm eine Karte übergibt, die ohne Zweifel die Handschrift seines Vaters trägt. So macht er sich schließlich auf, die Route nachzuvollziehen, die dieser vor zwei Jahrzehnten genommen hatte, unwissend, das er dabei längst Teil eines viel größeren Spiels ist, das vor über einem Jahrtausend begann.
Bildquelle wandersmann / pixelio.de
Als Galren erwachte, zeigte sich grade erst der erste rötliche Schimmer am Horizont. Die Wellen schlugen in einem stetigen Tackt gegen die Bordwand des Schiffs und brachten es dabei leicht zum Schaukeln. Das Holz knarrte bei jeder Bewegung, doch ansonsten war es totenstill. Unsicher, was ihn geweckt hatte sah er sich an Deck um, doch das einzige andere Lebewesen hier draußen lag schlafend neben ihm, die Augen geschlossen. Nach wie vor ruhte ihr
Kopf auf seiner Schulter. Elin schien es jedoch nicht einmal zu merken, als er sich trotzdem erhob und ihren Kopf vorsichtig auf seinen zusammengefalteten Umhang bettete. Götter, selbst Lias hatte keinen derart festen Schlaf. Unmerklich lächelte er in sich hinein. Es war schlicht schön zu wissen, dass es ihr gut ging, nach allem was sie seinetwegen durchgemacht hatte. Eigentlich sollte er sich einfach wieder hinlegen, aber jetzt, wo er einmal wach war, holten ihn seine Gedanken wieder ein. Canton war nur noch ein paar Wochen entfernt und jetzt, wo das schlimmste hinter ihnen lag, würde sie nichts mehr so schnell
aufhalten. Vielleicht gewann er auch langsam etwas das Vertrauen in sich selbst zurück. Elin hatte versucht es ihm zu sagen, aber er schien es erst jetzt zu verstehen. Am Ende hatte er es geschafft, das Richtige zu tun. Er war kein Sklave irgendwelcher Einflüsterungen geworden, nicht gänzlich. Seine Entscheidungen gehörten ihm. Wenn er die Gelegenheit fand, würde er seinen Vater konfrontieren, sagte Galren sich. Auch damit hatte sie letztlich Recht. Er brauchte und hatte ein Recht, auf eine klare Antwort. Letztlich würde es keinen Unterschied machen. Seine Entscheidung, den Zwergen zu helfen
stand. Alles andere würde bedeuten ein Volk dem Tod zu überlassen. Das hieß jedoch nicht, dass er dem Mann der sich jetzt einen Propheten nannte, irgendetwas schuldete… Nicht bevor sein Vater ihm nicht ins Gesicht sagen konnte, wer er nun wirklich war. Varan Lahaye oder der Prophet. Dann könnte er auch damit abschließen, dachte Galren. Die Wellen dröhnten mittlerweile lauter an sein Ohr als zuvor. Sein noch müder Verstand brauchte eine Weile, bis er seinen Fehler erkannte. Das war nicht das Geräusch von sich bewegendem Wasser, sondern dumpfe Schläge. Wie von Holz auf
Holz… Galren lauschte einen Moment, dann lief er in die Richtung, aus der das Geräusch kam und beugte sich über die Reling. Was er dann sah, brachte ihn dazu, sich zu Fragen ob er nicht bloß noch träumte. Direkt neben dem Kiel der Immerwind schaukelte ein großes Ruderboot aus dem gleichen Mischmasch aus Holz und Metall gefertigt, wie die Zwergenschiffe. Platz hätte es wohl für über ein Dutzend Personen geboten, doch befand sich im Augenblick nur eine an Bord. Diese mühte sich verzweifelt damit ab, das Boot einerseits auf einer Höhe mit dem Schiff zu halten und es dabei irgendwie zu vertäuen. Seewasser
spülte über die niedrige Bordwand und brachte das gesamte Boot in Schräglage. ,, Braucht ihr Hilfe ?“ , rief Galren zu dem Mann hinab, den er sofort als Hadrir erkannt hatte. Der Junge Zwerg sah resigniert auf. Einen Moment schien er sich unsicher, was er sagen sollte. ,, Ich habe keine Ahnung, warum grade ihr mich als erster findet, aber bitte.“ Er machte eine winkende Bewegung mit der Hand. ,, Ich könnte ein Seil gebrauchen…“ Galren wusste zwar nicht, was Hadrir hier zu suchen hatte, noch dazu m diese Zeit, aber irgendwie freute es ihn, den Mann wiederzusehen. Während der Fahrt durch die Passage hatten sie sich nur von
weitem gesehen und wenn es jemanden gab dem er hier trauen konnte… dann war das wohl nach wie vor Hadrir. Rasch verknotete er ein Tau an der Reling des Schiffs und liest es zu dem Zwerg hinab, der damit sein Boot endlich befestigte und sich daran machte, die Bordwand zu erklimmen. In Das Holz waren in regelmäßigen Abständen kleine Aussparungen eingelassen, die bequem einem Fuß oder einer Hand Platzboten und so das klettern erleichterten. Trotzdem stand Hadrir die Anstrengung ins Gesicht geschrieben. Das und eine Sorge, die er jedoch noch nicht aussprechen wollte. Doch was sonst hätte ihn um diese Zeit hierher
getrieben? ,, Was ist den los ?“ Der Lärm hatte es offenbar geschafft, Elin zu wecken. Verschlafen blinzelte die Gejarn in die Runde, während sie sich aufsetzte. Gähnend streckte sie die Arme von sich und sah von Galren zu Hadrir, der weiter mit der Schwerkraft kämpfte. ,, Das wüsste ich allerdings auch gerne.“ , meinte Galren, während er dem Zwerg an Bord half. Hadrir über die Reling zu wuchten war leichter gesagt als getan und als der Mann endlich an Deck stand atmete er erleichtert auf. ,, Was macht ihr hier ?“ ,, Ich fürchte, das zu erklären wird euch nicht gefallen. Könnt ihr eure Begleiter
wecken? Dann muss ich es wenigstens nur einmal erzählen.“ Der Zwerg schien in sich zusammenzufallen, während er sich an einem der Schiffsmasten abstützte. Der Ton in seiner Stimme ließ Galren einen Schauer über den Rücken laufen. Nicht einmal, als er von der Täuschung seines Vaters über die Wasservorräte erfahren hatte, hatte er derart…hohl geklungen. Wütend , ja. Aber nicht resignierend. Wenig später saßen sie schließlich alle zusammen in Hedans Kajüte. Der Kartentisch bot kaum genug Platz für sie alle. Der Kapitän brütete düster über
einen Krug Bier, den er vor sich stehen hatte, während der Zwerg langsam seine Geschichte beendete. Draußen war die Welt mittlerweile in graues Zwielicht getaucht und im Ofen der Kabine brannte ein kleines Feuer. Galren jedoch spürte die Hitze kaum, obwohl er direkt neben dem Gestell aus Gusseisen saß. Die gedrückte Stimmung schien sich wie ein Tuch über jeden einzelnen von ihnen zu legen. Je näher sie Canton kamen, desto kühler wurde es auch wieder und die Nächte zeugten noch vom Winter, der jetzt grade erst zu Ende gehen dürfte. Armell hatte die Augen halb geschlossen und schien nach wie vor nur mehr halb anwesend zu sein. Selbst Sentine verhielt
sich bemerkenswert ruhig und saß, starr wie eine Statue, auf ihrer Schulter. Das Wesen in Gestalt einer Taube hatte sogar die passende Federfärbung dafür. Niemand wagte es etwas zu sagen, doch die Gesichter aller warn auf Galren gerichtet. Lias stocherte mit einem Finger an einem Splitter im Tisch herum, wollte offenbar vermeiden, ihm in die Augen zu sehen und NAria hüllte sich wie üblich in Schweigen, doch ohne die Spur eines Lächelns in ihrem Gesicht. ,, Was machen wir jetzt ?“ , brach Elin schließlich das Schweigen. ,, Ich glaube das einfach nicht.“ , murmelte Galren mehr zu sich selbst, als
das er jemand bestimmtes meinte. ,, Nein.“ Mit einem Ruck hatte er sich erhoben und war schon auf halbem Weg zur Tür, bevor Hadrir sich ihm in den Weg stellte. ,, Ich werde ihn jetzt sofort konfrontieren, ob euch das gefällt oder nicht. Dieser Mann ist nach wie vor mein Vater. Und wenn ihr die Wahrheit sprecht….“Galren sah zu Boden. ,, Er ist nach wie vor mein Vater…“ ,, Ich weiß.“ Lias legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter. ,, Und doch was willst du tun ? Zu ihm stürmen und ihm erklären, das du alles weißt? Ich weiß du glaubst, du könntest ihn zur Vernunft bringen aber… was wenn das unmöglich ist? Was wird
geschehen?“ ,, Ich weiß es nicht.“ , gestand Galren. Er wollte auch nicht darüber nachdenken. Alleine der Gedanke war unerträglich. Ja, sein Vater war verrückt, Götter das hatte er in dem Moment gewusst, als er ihm nach all den Jahren wieder begegnet war. Aber das hießt nicht, das er seinen Verstand völlig verloren hatte. ,, Ich sage es dir. Und das ist die beste Möglichkeit wie das alles ausgehen könnte: Er würde alles abstreiten und dann? Er würde vermutlich seine Pläne ändern. Und diesmal wüssten wir nichts wie diese aussehen. Im schlimmsten Fall tötet er dich sogar,
Galren.“ Hadrir sah von seinem Platz am Tisch aufs Meer hinaus, wo eines der Zwergenschiffe die Wellen teilte .,, Das ist sogar das geringere Problem.“ Der König hat bereits zugestimmt, den Propheten zu unterstützen. Wir haben unseren Zweck für sie erfüllt. Brunar lässt uns alle ausschalten, wenn wir ihm einen Grund dazu geben. Canton erreicht er von hier aus auch alleine. Hier draußen seit ihr ihm ausgeliefert, nicht umgekehrt.“ ,, Nichts für ungut, aber langsam fange ich an euer Volk zu hassen.“ , meinte Naria. ,, Meint ihr wirklich der König bringt es fertig uns einfach so zu töten ?
Und das nach allem ?“ ,, Ihr habt gesehen, wie Politik bei uns funktioniert. Es fällt mir schwer es zu sagen aber: Ja. Im Zweifelsfall stehen seine Ziele über unserem Leben, fürchte ich. Und wenn er nichts tut, dann der Prophet.“ ,,Ja… Ja Natürlich.“ Armell schien mehr mit sich selbst zu sprechen. In den Händen hielt sie die in einer silbernen Fassung eingelassenen Träne Falamirs. Das einzige, das von Merl geblieben war. Sie sah nicht einmal auf, während sie sprach ,, Dann müssen wir sie eben aufhalten.“ ,, Das ist unter den gegebenen Umständen leichter gesagt als getan.“ Lias
zog Galren mit sich, als er sich wieder auf seinen Platz setzte und widerwillig tat er es ihm gleich. ,, Also, unternehmen wir jetzt etwas, sind wir entweder tot, oder wir müssen damit rechnen, nicht mehr zu wissen, was der König und der Prophet tun werden. Und ich vermute, sie als Lügner hinzustellen wenn sie abstreiten etwas zu wissen wird nicht funktionieren…“ ,, Die beiden sind hoch angesehen. Der einzige, der uns dabei helfen könnte, wäre vielleicht Kasran und… nun sagen wir einfach ich hatte einen kleinen Zusammenstoß mit seinen Leuten. Weder glaube ich, das er großes Interesse daran haben wird uns zu helfen, noch das wir
darauf hoffen sollten.“ ,, Wir können also nur den Kaiser direkt warnen, wollt ihr das damit sagen ?“ , fragte Naria. ,, Wenn ja gehen wir dabei ein ziemlich großes Risiko ein. Uns wird nicht viel Zeit bleiben und wenn Kellvian nicht vorsichtig ist und ich darf euch versichern, nach dem was meine Eltern so über ihn erzählen ist er das selten genug, kann nach wie vor alles passieren.“ ,, Der König soll dem Kaiser die Truhe doch übergeben.“ , überlegte Lias. ,, Ich würde sagen, wenn möglich stellen wir ihn währenddessen. Er kann sich da nicht rausreden. Und Kellvian könnte auf Abstand bleiben. Es reicht, wenn wir die
Zwerge glauben lassen, er würde sie empfangen und dann die Schatulle an uns nehmen, wenn es so weit ist. Weder der Prophet noch Brunar werden Gelegenheit haben, sich darauf vorzubereiten.“ ,, Es ist der einzige Plan, den wir bisher haben.“ Allerdings nicht grade ein ungefährlicher, dachte Galren, da musste er Naria Recht geben. Vielleicht hätte der Kaiser selbst eine bessere Idee. Doch dazu mussten sie ihn erst einmal erreichen. Viele Optionen hatten sie vorher ohnehin nicht. Die Truhe auszutauschen kam ihm in den Sinn, aber an Bord gab es niemanden, der das, was Hadrir beschrieben hatte nachbauen könnte. Und selbst wenn, bliebe die
Frage womit. Und was ihn noch mehr beschäftigte… ,, Hadrir, wenn wir Erfolg haben… wenn herauskommt, das euer Vater und noch dazu euer König vorhat, den Kaiser zu töten…“ ,, Das ist mir klar.“ , erklärte der Zwerg düster. ,, Ich bezweifle, dass man uns dann noch freundlich empfangen wird. Aber das ist ein Preis, den ich zu zahlen bereit bin. Mein Vater hat sich über die Jahre vielleicht zu sehr daran gewöhnt, den Dingen ihren Lauf zu lassen, Ich nicht.“ Hadrir war von seinem Platz aufgestanden und schlug mit der Faust auf den Tisch. Endlich schien er wieder so etwas wie Selbstvertrauen
wiederzufinden, dachte Galren. ,, Wir werden euren Kaiser warnen und wenn das heißt, dass wir unsere Chance verspielt haben… dann sei das ebenso. Doch das wird nach wie vor der Mann entscheiden, dessen Leben ich retten will. Hoffen wir, dass das ins Gewicht fallen wird.“ Galren nickte. Er würde in jedem Fall ein Wort für Hadrir einlegen. Und auch für alle anderen Zwerge. Am Ende gab es hier nur einen Mann, der wirklich die Schuld an allem trug. Und das war bedauerlicherweise sein eigener Vater. Der König war ein Werkzeug. So wie er eines gewesen war, nicht ? Und wer genau sagt dir eigentlich, dass du das
nicht noch immer bist?
Galren schüttelte den Gedanken ab. Es spielte keine Rolle. Ihm blieb gar keine andere Wahl, als zu handeln.
Terazuma Hallo Eagle! Die sitzen echt in der Zwickmühle. Ich kann Naria gut verstehen. Mir geht es ebenso, dass mir die Zwerge mehr als unsympathisch geworden sind. Noch zögere ich ein ganzes Volk auf meine No-Go Liste zu setzen, außerdem gibt es ja noch Hadrir. Aber es ist knapp dran. ^^ Dann können wir nur hoffen, dass es ihnen gelingt Kellvian noch rechtzeitig vorzuwarnen. ^^ LG Tera |
EagleWriter Vorausgesetzt das nützt noch etwas ^^ lg E:W |
abschuetze Zwickmühle für Galren. Da ist guter Rat teuer. Vielleicht sollten sie Sentine mit der Träne zu Zac schicken. Der könnte dann Kellvian darauf vorbereiten LG von Antje |
EagleWriter Wäre auch eine Möglichkeit ^^ lg E:W |