Fantasy & Horror
Nephilim

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"Skyler erfährt an ihrem 16. Geburtstag, dass sie ein Wesen halb Mensch halb Engel, eine Nephilim, is"
Veröffentlicht am 30. Dezember 2015, 80 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
© Umschlag Bildmaterial: Alex Hill
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Hallo ihr Lieben, ich bin Sci-Fi- und Fantasy-Autor mit Liebe zu Romantik und schreibe diesbezüglich u. a. auch gern Kurzgeschichten wie z. B. "Dark Guardian". Aber auch an Fantasy-Büchern wie "Nephilim" und einer weiteren Story namens "Jumper" liegt mir sehr viel. Ich hoffe, euch gefallen meine Geschichten. Über Lob wie auch Kritik freue ich mich, dankeschön. Veröffentlichte Bücher: - Fairytale Wonderland - Chronik meines Lebens ...
Skyler erfährt an ihrem 16. Geburtstag, dass sie ein Wesen halb Mensch halb Engel, eine Nephilim, is

Nephilim

Teil 1

Allmählich tauchte ich aus meinem Tiefschlaf in den Dämmerschlaf hinein und fühlte mich geborgen, eingehüllt in ein warmes wohliges Licht. Ich wollte meine Augen noch nicht öffnen, einfach nur liegenbleiben und diese angenehme Wärme genießen, die sich federleicht anfühlte. Anders konnte ich es nicht beschreiben. Dieses warme goldene Licht und diese Veränderung, die ich in mir spürte. Es war wie in einem sonnigen Traum, doch ich wusste, dass ich mich verändert hatte. Ich schlug die Augen mit einem Lächeln auf, denn mir war auf einmal bewusst geworden, dass

heute mein 16. Geburstag war! Ich schlug die Bettdecke zurück, sprang euphorisch aus meinem Bett und riss dabei die Lampe, den Wecker und mein kleines Radio von meinem Nachtschrank. CDs und Bücher aus meinem Regal krachten auf der anderen Seite scheppernd zu Boden und ich schrie. Schrill. Spitz. Laut. Panisch. “Aaaaaaaaaaaahhhhhhh!” Gleich darauf hörte ich Schritte die Treppe hinaufeilen. Mom. Nein! Sie durfte mich SO nicht sehen! Ich sprintete zu meiner Zimmertür und riss dabei weitere Gegenstände von meinen Regalen und meinem Schreibtisch

herunter, die knallend zu Boden flogen und in mir noch mehr Panik verursachten, so dass ich wieder aufschrie: “Mom!” Durch die Tür hörte ich, dass sie nur noch wenige Schritte von meinem Zimmer entfernt war und mir zurief: “Liebes, ich bin gleich da!” Just in dem Moment als sie meine Zimmertür erreicht hatte und die Klinke herunterdrückte, sprang ich gegen die Tür und drückte sie mit meinem gesamten Körpergewicht fest zu. “Nein, Mom! Komm bitte nicht rein!” “Schatz, ist alles in Ordnung bei dir?” Ich schüttelte energisch meinen Kopf,

während mir Tränen über meine Wangen perlten. Doch Mom konnte es nicht sehen. “Skyler?” hörte ich meine Mom durch die zugehaltene Tür fragen. “Mom, bitte … “ flehte ich. “Komm bitte nicht rein.” “Skyler, was ist denn? Kann ich dir irgendwie helfen?” “Ich wüsste nicht wie …” schluchzte ich und ließ ganz langsam von der Tür ab, die Mom gleich darauf öffnete. Ich trat einige Schritte zurück, fort von der Tür und wollte mich in meinem Zimmer irgendwie irgendwo verstecken. Aber SO ging das nicht. Ich stand heulend vor meiner Mom, die erschrocken den Mund

aufgerissen und mich geschockt ansah. “Oh, mein Gott! Ich hatte gehofft, dass das nicht passiert!” Erstaunt und wütend zugleich sah ich meine Mutter an. “Wie meinst du das bitte?” “Setz dich, bitte.” Als ich mich nach meinem Stuhl umdrehte, fegte ich gleich wieder etwas mit meinen neuen über Nacht gewachsenen weißen XXL-Flügeln von meinem Schreibtisch und riss gleich darauf mit einem Flügel die Gardine von der Gardinenstange. Wieder rannen mir Tränen über die Wange und ich fragte sarkastisch flehend: “Wie denn bitte? Ich kann mich kaum

bewegen ohne gleich mein gesamtes Zimmer zu verwüsten! Mom, wieso passiert das mit mir? Wieso heute?” Mom kam auf mich zu, nahm meine Hände in ihre und sprach mit sanfter Stimme: “Beruhige dich, mein Liebling. Alles ist gut. Du bist jetzt eine Nephilim.” “Ich bin eine WAS?” “Eine Nephilim. Ein Wesen dessen Vater ein Engel und die Mutter ein Mensch ist.” Sprachlos sah ich meine Mutter an, bekam kein Wort heraus. Selbst meine Gedanken standen für einen Augenblick still, während sich meine weißen Flügel, die eine Spannweite von ca. 5 Metern

hatten, unaufhörlich nervös auf und ab bewegten. “Skyler, beruhige dich, sonst holst du noch die Lampe von der Decke!” “Ich versuche es ja, aber ich verstehe es nicht so ganz. Wie konnte das passieren?” “Das ist eine längere Geschichte.” erwiderte meine Mom. “Ich will sie hören! JETZT!” Mom setzte sich auf mein halb verwüstetes Bett und zog mich sanft zu sich, so dass ich mich ebenfalls auf die Bettkante setzen musste. Dann begann sie zu erzählen. “Ich war sehr jung als ich von meinem Arzt erfuhr, dass ich keine eigenen

Kinder bekommen könnte. Für mich brach eine Welt zusammen. Meine Mutter, also deine Großmutter, begleitete mich zu einem anderen Arzt, um eine Zweitmeinung einzuholen. Mit demselben Ergebnis. Ganz gleich zu wie vielen Ärzten wir noch gegangen wären, wir hätten immer wieder dieselbe unschöne Wahrheit gehört. Also schloss ich für mich, dass ich wohl nie eine eigene Familie gründen könnte, vielleicht irgendwann eine Adoption, aber nie eigene Kinder.” Mom sah so traurig aus, als sie mir dies erzählte, so dass ich behutsam ihre Hände drückte. “Und dann begegnete ich deinem Vater.

Er war ein großer, schlanker, dunkelhaariger gut aussehender Mann, seine Augen strahlten so viel Liebe und Gutes aus, dass ich mich augenblicklich in ihn verliebte. Wir heirateten und ich wurde zu meiner großen Freude doch schwanger, trotz aller Ärzteweisheiten. Ich war schwanger und das Baby in mir wuchs heran und mein Bauch wurde immer runder.” Mom streichelte mir liebevoll über meine Wange und sah mich mit solch tiefer Liebe an, dass mir die Tränen in die Augen schossen. “Dieses Baby warst du, Sky.” “Aber … wie ist das möglich?” “Die Ärzte und ich standen vor einem

Rätsel. Denn ich hätte niemals schwanger werden können. Und doch war ich es.” Mom`s Blick driftete immer mehr in die Vergangenheit ab, ich konnte beinahe sehen, wie sich die Bilder vor ihren Augen abspielten als sie fortfuhr. “Und dann wurde dein Vater bei einer Auseinandersetzung auf der Straße schwer verletzt als du etwa 3 Jahre alt warst. Er lag sterbend auf dem kalten nassen Asphalt in einer Nebenstraße als ich ihn fand. Überall war sein Blut. Seine Haut war nicht mehr so strahlend wie sonst, eher aschfahl und bleich. Doch seine Augen funkelten noch ein wenig. Ich eilte zu ihm, kniete mich

neben ihn und hob seinen Kopf sanft auf meinen Schoß. Seine Hand suchte meine und hielt sie fest. Er versuchte zu sprechen, ich konnte seine herausgepressten Worte nur schwer verstehen. Er gestand mir, dass er ein Engel sei und du womöglich eine Nephilim, die beschützt werden muss! Er sagte mir, dass sich deine Flügel und deine Fähigkeiten an deinem 16. Geburtstag zeigen würden, wenn du eine Nephilim bist. Doch wir sollen vorsichtig sein und dein Wahres Ich vor den Menschen und noch mehr vor den Feinden der Nephilim verbergen, damit du in Sicherheit bist!” “Fähigkeiten? Feinde? Engel?” fragte ich

verwirrt. Mom nickte bestätigend. “Und was machen wir, jetzt da ich Flügel habe? Ich kann so doch nicht mehr rausgehen!” jammerte ich, während meine weißen Schwingen auf meinem Rücken noch immer mein Zimmer füllten. “Ich werde erst einmal in deiner Schule anrufen und dich krank melden. Du gehst erst einmal nicht dorthin, bis wir herausgefunden haben, wie wir deine wunderschönen Flügel irgendwie verbergen können, einverstanden?” Ich nickte. Mom erhob sich, ging zur Tür, drehte sich wieder zu mir um, betrachtete mich

eine Weile erfürchtig und sagte leise: “Du siehst so wunderschön aus, Skyler! So wunderschön!” Sie eilte noch einmal auf mich zu und zog mich in ihre Arme. Plötzlich legten sich meine Flügel beschützend um sie und hüllten uns beide in ein weißes Federkleid ein. Ich hörte Mom schluchzen und weinte ebenfalls. Nach einer Weile, die wir so standen, öffnete ich meine Flügel und gab Mom wieder frei. Sie nickte mir mit einem kleinen Lächeln zu und sagte beim Verlassen meines Zimmers: “Ich rufe nur kurz in deiner Schule an und komme gleich wieder zu dir. Ich habe noch ein besonderes Geschenk für

dich. Bleib du bitte hier und versuch irgendwie nichts weiter kaputt zu machen und die Fenster zu meiden.” Damit eilte sie aus meinem Zimmer hinaus, die Stufen hinunter zum Telefon. Leise hörte ich ihre Worte im Flur, sie sprach scheinbar mit der Schulsekretärin, um mich krank zu melden. Sie sagte etwas von Fieber, Husten und womöglich ansteckbar, so dass niemand mir Hausaufgaben etc. vorbeibringen sollte. Sicherheitshalber. Dann hörte ich wieder ihre Schritte auf der Treppe, diesmal aber kam sie nicht zu mir, sondern verschwand für einen Augenblick in ihrem Schlafzimmer. Als sie wieder bei mir ins Zimmer kam, ich

saß noch immer auf meinem Bett - mittlerweile leicht eingeschüchtert und meine Schwingen etwas auf dem Rücken zusammengefaltet auf meiner Bettkante mit Blick aus dem Fenster gen Himmel - überreichte sie mir ein kleines schwarzes Buch mit den Worten: “Das hatte deinem Vater gehört. Er wollte, dass ich es dir gebe, sobald die Zeichen deiner Nephilim-Fähigkeiten zu sehen sind. Damit meinte er wohl deine wunderschönen Flügel.” “Danke. Was steht da drin?”, fragte ich neugierig, denn dieses Buch schien so schlicht und einfach gestaltet. “Ich weiß es nicht. Dein Vater wollte, dass ich es dir unbedingt gebe. Es ist

dein Geschenk. Ich habe es nie gelesen.” Damit erhob sie sich wieder, wandte sich meinen beiden Schlafzimmerfenstern zu und zog die Jalousien herunter. “Die müssen wir jetzt erst einmal unten lassen, bis wir wissen, wie wir deine Flügel verbergen können.” “Wie lange wird das dauern?” “Ich weiß es nicht, mein Liebling. Aber wir bekommen das schon irgendwie hin. Ich glaube an dich und weiß, dass dein Vater dich nur beschützen wollte. Vielleicht steht ja etwas in diesem Buch von ihm drin.” gab sie sich hoffnungsvoll. “Ich hoffe es!” gestand ich und schoss

ein kleines gedankliches Stoßgebet gen Himmel. “Möchtest du trotz der ganzen Aufregung etwas zum Frühstück essen?” Ich nickte dankbar für diese kleine gedankliche Ablenkung. “Gut, dann bringe ich dir gleich was rauf.” “Danke.” Mom drehte sich zur Tür um als sie in die Küche gehen wollte, als sie meine Worte hörte: “Mom?” “Ja, mein Schatz?” “Wer hat Dad getötet?” “Ich weiß es nicht. Ich konnte niemanden sehen. Aber dein Vater

bestand sehr darauf, dass ich dich beschützen werde so gut ich kann. Und das werde ich auch versuchen.” “Danke, Mom.” Während meine Mutter in die Küche eilte, zog ich mich mit dem Buch meines Vaters auf mein Bett zurück, schlug es auf und las die ersten handgeschriebenen Worte meines Vaters Raphael, einem Engel. Unfassbar so etwas zu sagen. Mein Vater war ein Engel! Noch krasser ist, dass ich eine NEPHILIM bin! Wenn meine Flügel nicht wären, würde ich vermutlich meine Mom für verrückt erklären und mich selbst gleich mit. Aber die Flügel waren nun einmal da und

breiteten sich an meiner Bettkopfseite hinter mir entspannt aus. Ich überflog die ersten Seiten und stellte fest, dass es kein Buch direkt an mich gewandt war, sondern eine Art Tagebuch meines Vaters ist.

Teil 2

Drei Tage und drei Nächte vergingen, in denen ich abwechselnd mit Mom in dem Tagebuch meines Vaters las. Je mehr ich darin las, umso mehr besser verstand ich ihn und um so klarer wurde das Bild, welches ich von ihm hatte. Ich erfuhr mehr und mehr über Engel, Nephilim und ihre Feinde. Dad erzählte darin auch von seinen ersten Flügelübungen und Flugerfahrungen als kleiner Junge, äh Engel. Es las sich teilweise witzig, war aber auch gepaart mit Verzweiflung, denn er wollte viel lieber ein Mensch sein. Ich entdeckte auch einen Absatz, in dem er erklärte, wie er seine Flügel

zurück in seinen Rücken ziehen konnte, so dass er äußerlich eher einem Menschen glich als einem Engel. Das war genau das, was ich auch probieren wollte. Irgendwie musste ich ja meine Flügel verstecken können ohne gleich jedem aufzufallen, sobald ich das Haus verlasse. Denn ewig wollte ich mich nicht in meinem Zimmer verstecken müssen. Ich wollte hinaus, hinaus zu meinen Freunden, die ich so sehr vermisste und ich wollte auch meine Flügel austesten. Ich wollte genauso fliegen lernen und fliegen können, wie es mein Vater in seinem Tagebuch beschrieben hat, auch, wenn seine ersten Flugversuche mit Landung als Kind nicht

so rosig waren. Aber ich wollte es unbedingt versuchen! Also legte ich das Tagebuch bei Seite, richtete mich in meinem Bett auf, konzentrierte mich und versuchte angestrengt, meine riesigen weißen Flügel in meinen Rücken zu ziehen, so, wie es mein Dad in seinem Tagebuch beschrieben hatte. Es gelang mir nicht beim ersten Versuch, auch nicht beim Zweiten oder Dritten oder Vierten oder … Ich zählte irgendwann nicht mehr mit und versuchte es immer wieder aufs Neue, meine riesigen Flügel in meinem Rücken zu verbergen. Doch ich scheiterte jedes einzige Mal. Tiefe

Verzweiflung machte sich in mir breit, gepaart mit Panik, dass ich es nie schaffen würde und womöglich nie wieder aus diesem Haus komme, welches mittlerweile zu meinem verdammten Gefängnis geworden war, und ich nie wieder unter Menschen gehen könnte. Ich hatte schon grausige Albträume deswegen, sobald ich irgendwann vor Erschöpfung vom Lesen und Flügel einziehen doch kurz einschlief. Dennoch gab ich nicht auf und versuchte es immer wieder und wieder … bis ich nach vielen Stunden des Übens auf einmal bemerkte, wie sich meine Flügel zu einem winzigen Stück in meinen Rücken schoben. Es brannte ein wenig,

aber so extrem unangenehm und schmerzhaft war es nicht. Es war auszuhalten. Doch leider schaffte ich es nicht gleich, meine Flügel vollständig zu verstecken. Denn sie schossen gleich wieder aus meinem Rücken heraus und breiteten sich fächernd aus. Es war zum Verzweifeln. Trotzdem sah ich es diesmal nicht als totalen Fehlschlag, sondern als kleinen Fortschritt an und schöpfte nach drei langen Tagen und Nächten endlich wieder Hoffnung. Hoffnung, es doch noch zu schaffen und wieder unter Menschen leben und zur Schule gehen zu können. Denn ich vermisste die Schule und meine Freunde

wahnsinnig! Bis dahin hieß es allerdings für mich: Üben, üben und nochmals ÜBEN! Nachdem ich Mom über diesen Fortschritt voller Begeisterung informiert hatte, versuchte ich es immer wieder, teils unter größter Anstrengung und auch mit der Frage: Wie zum Teufel hatte ich das vorhin nur hingekriegt? Ich saß still im Schneidersitz auf meinem Bett und dachte nach. Ich ging jeden einzelnen Gedanken und Versuch die Flügel zu verbergen Schritt für Schritt noch einmal durch, bis ich dann endlich die Lösung hatte und es erneut schaffte, meine Flügel ein weiteres Stück

in meinen Rücken zu fahren. Diesmal schaffte ich es sogar etwas länger und probierte es danach gleich noch mal und noch mal. Irgendwann, ich erinnerte mich nicht mehr genau, ob es Tag oder schon wieder Nacht war, kam meine Mom zu mir ins Zimmer und sagte: “Sky, du glühst ja richtig. Mach doch mal eine Pause! Morgen ist doch auch noch ein Tag!” “Schon, aber ich will endlich raus aus diesem Gefängnis!” Dabei verwies ich auf mein Zimmer und das ganze Haus. Mom nickte verständlich. “Dennoch solltest du dich auch mal

ausruhen und genügend schlafen, damit du wieder Energie tankst. Außerdem …” Sie rümpfte sich ein wenig die Nase und fuhr fort: “... solltest du auch endlich mal duschen! Du stinkst!” “Danke! Hast du schon mal versucht mit FLÜGELN zu duschen?!” schleuderte ich ihr etwas ungehalten ins Gesicht, obwohl ich wusste, dass sie es nicht böse gemeint hatte. “Entschuldige, aber ... “ gab ich kleinlaut von mir. “Ist schon gut, Sky. Ich kann nur erahnen, was du gerade durchmachst. Dennoch solltest du schleunigst

duschen.” Sie sah mich ernst an. Ich musste wohl doch mächtig stinken und schnüffelte kurz selbst unter meiner Achsel. Uff… Sie hatte Recht. Ich brauchte wirklich DRINGEND eine Dusche. “Aber wie soll ich das anstellen mit diesen Dingern hier?” Ich wedelte wild mit meinen Flügeln, so verzweifelt war ich. “Wir kriegen das schon hin. Komm einfach mit.” Mom ging voraus ins Badezimmer, ich folgte ihr und meine Flügel stießen auf dem Flur ständig irgendwo an oder rissen etwas von den Wänden und dem Flurschrank herunter. Es krachte immer

wieder irgendetwas hinter mir zu Boden. Doch sobald ich mich umdrehte, wirbelte ich noch mehr mit meinen Flügeln und noch mehr fiel hinunter. Panik und pure Verzweiflung überkamen mich erneut. Ich musste das wirklich endlich schaffen, meine Flügel in meinen Rücken zu versenken, sonst brauchen wir bald eine neue Einrichtung! Nachdem ich das Badezimmer endlich und auch leicht genervt von meinen Flügeln betreten hatte, sahen Mom und ich uns gemeinsam um. “Oh Gott!”, stöhnte ich, weil ich so vieles in diesem kleinen Badezimmer erblickte, was ich mit Leichtigkeit

hinunterbefördern würde ohne mich groß zu bewegen. Mom sah es scheinbar genauso, denn sie sagte: “Bleib bitte mal kurz still stehen. Ich räume nur schnell einiges weg.” Ich versuchte, mich nicht zu bewegen und hielt versehentlich auch gleich die Luft an bis ich irgendwann zu ersticken drohte. “Puh …”. Ich atmete hörbar aus und beugte mich dabei nach vorn. Schon riss ich ein Handtuch von seiner Halterung und es segelte zu Boden. “Das kann doch nicht so weitergehen!”, schrie ich fast verzweifelt und riss meine Hände ans Gesicht. Tränen

brannten hinter meinen geschlossenen Lidern, während ich langsam an der Wand nach unten glitt und auf dem kühlen Fliesenboden hocken blieb. Die leichte Kälte der Fliesen tat gut, so dass ich mich allmählich beruhigte und aus Tränen geschwängerten Augen zu meiner Mom aufblickte. “So, ich glaube, du kannst es versuchen zu duschen. Aber langsam und am Besten versuchst du, deine Flügel irgendwie still zu halten.” Ich stand vorsichtig auf, drückte meine Flügel ganz nach hinten auf meinem Rücken zusammen und kletterte vorsichtig in die Badewanne, die nur von einer Duschstange und einem

Duschvorhang umringt war. Dann zog ich behutsam meine müffelnde Kleidung aus, ließ sie nach draußen fallen und hörte Mom, wie sie fragte: “Schaffst du es allein oder soll ich lieber hier bleiben und ggf. deine Flügel festhalten oder so?” “Ähm… ich denke, ich bekomme das allein hin.” “Okay, dann gehe ich mal. Ich bleibe ganz in deiner Nähe. Du brauchst nur zu rufen.” “Danke, Mom.” Wenige Sekunden später hörte ich ein leises Klack, als sie die Badtür hinter sich ins Schloss zog. Ich atmete erst einmal ruhig ein, spannte meine Flügel

noch einmal straff, bückte mich nach dem Duschgel, stellte das Wasser an und schon krachte es. “Ist alles in Ordnung bei dir, Sky?”, hörte ich Mom durch die Badezimmertür rufen. “Wie man`s nimmt. Komm aber besser erstmal nicht herein.” “Bist du sicher?” “Ja.” stöhnte ich und versuchte, die aus der Halterung gerissene Duschstange wieder irgendwie nach oben zu schieben, damit ich den halb abgerissenen Duschvorhang um die Badewanne ziehen konnte, was mir eher schlecht als recht gelang. Trotzdem versuchte ich mich abzubrausen,

ordentlich einzuseifen und die Seife abzuspülen, ohne mich großartig bewegen zu müssen. Es war echt anstrengend und verkrampft, so dass ich froh war, als ich mit Duschen endlich fertig war und die Badewanne verlassen konnte. Mit nassen Füßen tapste ich auf dem kühlen Badezimmerfließen herum, bis ich mein Badetuch gefunden hatte und es um mich herumwickeln wollte, so wie früher. Doch das ging nicht mehr. Meine verdammten Flügel waren im Weg. “Aaaaarg!” schrie ich aufgebracht und genervt. Ich hätte vor Wut beinahe das Handtuch auf den Boden gepfeffert! Es musste eine andere Lösung her. Blöderweise bewegte ich mich samt

meiner Flügel wieder zu hektisch im Badezimmer und es krachte richtig laut hinter mir. Ich hatte endgültig die Duschstange samt Duschvorhang heruntergerissen. “Mom wird mich umbringen!”, hörte ich mich niedergeschlagen flüstern als ich das Chaos und all die kleinen Pfützen im Bad sah. “Skyler?” “Alles okay, du kannst gleich reinkommen. Moment noch.” brüllte ich durch die verschlossene Tür und wünschte mir, mit einem Fingerschnipsen alles wieder auf Vordermann bringen zu können. Doch zaubern konnte ich nicht. Leider. Dafür

hatte ich jetzt Flügel. Klasse. Ich triefte gedanklich nur so vor Sarkasmus. Schnell rubbelte ich mich so gut es mir möglich war trocken und zog die leichten Sachen an, die mir Mom zuvor auf einem Hocker neben dem Waschbecken bereit gelegt hatte. Dann öffnete ich vorsichtig die Badezimmertür und sah in Mom`s geschocktes Gesicht. “Oh mein …”. Sie sprach nicht weiter, doch ich wusste genau, was sie sagen wollte. “Ich habe versucht, ruhig zu bleiben, aber irgendwie ... “ brachte ich halb verzweifelt mit leiser Stimme heraus und sah sie entschuldigend an. Mom rang

nach Fassung, betrat vorsichtig das Bad, sah sich schweigend um und meinte: “Das Meiste lässt sich beheben. Aber wie kriegen wir die Duschstange wieder dran?” Verzweifelt hob sie die Duschstange samt abgefetzten Duschvorhang hoch, der wild zu tropfen begann. “Entschuldige bitte …” Ich trat einen Schritt wieder zurück ins Bad und wollte mit dem Aufräumen beginnen, das Wasser überall aufwischen, die Duschstange wieder irgendwie in die Wand reinrammen, den Vorhang dranhängen, etc. Doch ich scheiterte schon damit, als ich den Wischmop von seiner Halterung nahm.

Denn gleichzeitig räumte ich mit dieser einen Bewegung alle Handtücher von ihren Haken und Mom schrie leise auf. “Kind, hör auf! Beweg dich nicht!” Sie kreischte leicht. Ich vergaß zu atmen und stand still da, bewegte mich nicht. “Du darfst ruhig atmen. Und am Besten gehst du zurück in dein Zimmer, ich räume das hier schnell auf und komme dann zu dir. Okay?” Ich nickte nur, drehte mich MEGAvorsichtig um und tapste aus dem Bad. “Sky, es ist alles gut, wir bekommen das wieder hin. Wenigstens riechst du jetzt wieder

besser.” Ich hörte ihr kleines Lächeln am Ende des Satzes, wusste gleichzeitig aber, dass es für sie auch nicht einfach mit mir war. Niedergeschlagen ging ich in mein Zimmer zurück und bemühte mich, mich so wenig wie möglich zu bewegen und nichts von den Wänden und Schränken zu räumen. Ich warf mich auf mein Bett und vergrub mein Gesicht in meinem Kopfkissen, ehe ich zu weinen begann. Ich hatte absolut keine Ahnung, wie es weitergehen sollte, wenn ich es nicht schaffte, meine Flügel in meinem Rücken zu verbergen. Ich weinte eine Weile bis ich mich

wieder beruhigt hatte, während ich hörte, wie Mom noch immer mit Badputzen beschäftigt war. Es tat mir so unendlich leid! Da ich ihr nicht helfen durfte und konnte, ohne noch mehr in unserem Heim zu zerstören, holte ich Dad`s Tagebuch wieder hervor, schlug die Seite auf, die ich zuletzt gelesen hatte und fuhr mit lesen fort.

Teil 3

Es vergingen zwei weitere Tage, in denen ich immer wieder versuchte, meine Flügel in meinen Rücken zu verbannen, was mir zunehmend besser und besser gelang bis ich es letztendlich vollständig geschafft habe. Vor lauter Freude über meinen Erfolg riss ich meine Arme in die Höhe, tanzte begeistert umher und begann wie wild zu jubeln. Allerdings flutschten meine Flügel sofort wieder aus meinem Rücken hinaus. Das störte mich nicht weiter und ich tanzte noch ein bisschen, zumindest bis meine Mom mein Zimmer stürmte und fragte, was der Grund für meinen

positiven Gefühlsausbruch sei. Ich grinste sie breit an, stellte mich aufrecht hin und zog meine Flügel vor ihren Augen vollständig ein. Klar verzog ich noch ein wenig vor Schmerzen das Gesicht, weil es ein wenig brannte. Aber ich habe es endlich geschafft und strahlte meine Mom richtig breit an. Sie eilte auf mich zu, schlang ihre Arme um mich und sagte stolz: „Ich wusste doch, dass du es schaffen wirst!" Dann ließ sie mich los und drehte mich um, so dass sie meinen Rücken ganz

ohne meine großen weißen Flügel betrachten konnte. Sie suchte die Stellen auf meinem Rücken ab, an denen zuvor noch meine Flügel gesessen hatten. Sanft berührte sie meine Haut und fuhr darüber. Ich spürte ein leichtes Kitzeln. „Man sieht rein gar nichts. Keine Wunde oder Narbe oder dergleichen.", gab sie erstaunt von sich. „Oh, daran hatte ich noch gar nicht gedacht." Ich sprang vor meinen Spiegel, drehte ihm meinen Rücken zu und schielte über meine Schulter hinweg zu meinem

rückseitigen Spiegelbild. Tatsächlich! Man konnte wirklich nicht sehen, wo meine Flügel saßen! Erleichtert atmete ich auf und fuhr meine Flügel ganz langsam aus meinem Rücken wieder heraus, um zu sehen, ob ich auch die richtigen Rückenpartien betrachtet hatte. Es ist wirklich rein gar nichts zu entdecken! Ich bemerkte, wie sich ein kleines verstohlenes Lächeln über mein Gesicht zog und ich meine Flügel verträumt anstarrte. „Wie lange kannst du sie drinnen

behalten?" „Ähm... keine Ahnung. Das habe ich noch nicht ausprobiert. Ich war bis eben noch damit beschäftigt, sie überhaupt verbergen zu können." Mom nickte verständnisvoll und sagte: „Dann wäre das dein nächster Schritt. Immerhin müssen wir herausfinden, wie lange du es kontrollieren kannst, sie zu verstecken, damit du doch demnächst das Haus als Mensch verlassen kannst." Ich nickte und zog meine Flügel wieder in meinen Rücken. Mom sah auf die Uhr

und ich folgte ihrem Blick. Es war halb 10 Uhr morgens. Vermutlich würde es nicht allzu lange dauern, bis ich die Kontrolle verliere und sie wieder aus mir herauspreschen, aber bis dahin sollte es doch möglich sein, durch unser Haus zu gehen und ganz normale Dinge erledigen ohne irgendetwas herunter zu reißen, so wäre Duschen ohne Flügel der erste Punkt auf meiner To-do-Liste! „Ich geh duschen so lange sie drin sind!" entgegnete ich meiner Mom fröhlich, schnappte mir frische Wäsche und sprang tänzelnd ins Badezimmer und unter die

Dusche. Wie sehr hatte ich mich nach einer ganz normalen Dusche ohne Flügel gesehnt, bei der ich mich komplett und ganz einfach einseifen und abbrausen konnte ohne gleich wieder unser Badezimmer zu demolieren. Für mich war dies keine Selbstverständlichkeit mehr, denn es hatte sich etwas verändert. Ich hatte mich verändert. Nachdem ich mich problemlos mit meinem Badehandtuch einwickeln und abrubbeln konnte, zog ich mich an und ging flügellos zu meiner Mom runter in die Küche und strahlte sie an. Sie

betrachtete mich und sagte: „Ich hatte dein schönes Lächeln in den vergangenen Tagen sehr vermisst, Sky." Ich umarmte meine Mom. „Ich weiß. Ich war so verzweifelt und auch deprimiert, weil es mir irgendwie nicht gelingen wollte..." „Aber du hast die Hoffnung nie aufgegeben, sondern weitergemacht bis es dir geglückt ist. Das bewundere ich an dir, Skyler!" Sie lächelte und gab mich wieder frei, so

dass wir gemeinsam in unserer Küche frühstücken konnten – wie es seit meinem Geburtstag aufgrund meiner Veränderung nicht mehr problemlos möglich war. Am frühen Nachmittag schossen meine Flügel dann plötzlich wieder aus meinem Rücken heraus, weil es einerseits echt anstrengend war, sich permanent auf die Flügel zu konzentrieren und ich andererseits auch total erschöpft war. Mom blickte wieder auf die Uhr. „Es waren knapp 3,5 Stunden, die du geschafft hast. Das ist schon mal ein

guter Anfang." lobte sie mich, als sie meine Enttäuschung sah, die mich augenblicklich überfiel, sobald meine Flügel wieder aus mir herausbrachen. „Mh..." gab ich nur leise von mir und schlürfte mit gesenktem Kopf und riesigen Flügeln auf meiner Rückseite aus der Küche. „Sky?" Ich blieb in der Küchentür stehen, drehte mich aber wegen meiner Flügel sicherheitshalber nicht um. „Vielleicht solltest du dich ein wenig

hinlegen und ausruhen, damit du wieder Kraft tanken und es später noch einmal und vielleicht sogar länger versuchen kannst." Ich nickte und ging hoch in mein Zimmer, immer darauf bedacht, keine Bilder von den Wänden zu reißen, die Mom fotografiert bzw. gemalt und aufgehängt hatte. Sie war eine kleine Künstlerin und ich liebte sie für ihr Talent. Ich hatte zwar auch ein künstlerisches Gen, wie Mom liebevoll meinte, war aber nie so talentiert wie sie. Oben in meinem Zimmer angekommen, ließ ich mich einfach auf meinen Bauch

in mein Bett fallen. Meine Flügel breiteten sich über mir wie eine Decke aus und ich fiel augenblicklich ins Land der Träume. Ich träumte davon, wie ich hoch oben am Himmel zu flauschigen Wolken flog bis ich sie beinahe berühren konnte. Eine tiefe Sehnsucht überkam mich, so dass sich mein Herz zusammenzog und ich im Schlaf schmerzlich aufstöhnte. Als ich wieder erwachte und auf meinen Wecker schielte, war es bereits kurz nach 16:30 Uhr. Ich hatte fast den halben Tag verschlafen. Verdammt! Ich musste doch üben, um endlich wieder das

Haus verlassen zu können. Verschlafen rieb ich mir die Augen, richtete mich auf, reckte und streckte mich und zog meine Flügel langsam wieder in meinen Rücken ein. Anschließend schnappte ich mir Dad's Tagebuch und tapste barfuß zu meiner Mom hinunter, die im Wohnzimmer saß und alte Fotos von uns durchging. Sie saß still und schweigend da und betrachtete unsere alten Schwarz-Weiß-Fotos, eines davon hielt sie in ihrer rechten Hand und hatte Tränen in den Augen. Vorsichtig näherte ich mich ihr, sie hatte mich noch nicht bemerkt, und setzte mich zu ihr. Erst jetzt sah ich, welches Foto sie in ihrer Hand hielt. Dad. Mom blickte zu mir auf, eine

Träne rann ihr über ihre Wange, schnell wischte sie sie weg, lächelte mich an und fragte: „Fühlst du dich wieder fit?" Ich lächelte zurück, nickte auf das Foto in ihrer Hand und sagte: „Dad war ein schöner Mann. Ich hätte mich an deiner Stelle bestimmt auch in ihn verliebt." Mom lächelte und strich mir eine meiner goldblonden Strähnen hinters Ohr. „Ja, er war

wundervoll." Sie legte Dad's Foto zu den anderen auf den Tisch, die vor einer schönen Metalldose lagen, und nahm sich das nächste Foto. Eines von mir als Kind, wie ich gerade meine ersten Gehversuche als Baby mit blonden Krauselocken startete. "Mom, wieso habt ihr mich Skyler genannt?" fragte ich in die Stille hinein und sah sie erwartungsvoll an. "Das war der Wunsch deines Vaters. Er sagte, deine wunderschönen blauen Augen würden ihn an den Himmel

erinnern. Ich glaube, obwohl er ein Mensch sein wollte, hatte er dennoch großes Heimweh, deshalb gab er dir wohl auch diesen Namen, Skyler." In diesem Moment fiel ich meiner Mom um die Schultern, drückte sie ganz fest an mich und hauchte leise: „Ich vermisse ihn auch sehr, besonders jetzt!" Nach einer etwas friedlicheren traumlosen Nacht erwachte ich am nächsten Morgen und war wenig begeistert, als ich feststellte, dass sich meine Flügel über Nacht wieder

verselbstständigt und aus meinem Rücken herausgekommen waren. Vielleicht lag es daran, weil ich mich im Schlaf entspannt und nicht mehr darauf konzentriert hatte. Schnell zog ich meine Flügel wieder ein und ging zu Mom in die Küche, die bereits mit Geschirr klapperte, um den Frühstückstisch zu decken. „Guten Morgen, mein Schatz. Wie hast du geschlafen?" strahle sie mich an und die Traurigkeit von gestern war aus ihrem Gesicht verschwunden. „Besser als ich dachte. Nur kamen meine Flügel letzte Nacht wieder

raus." „Das dachte ich mir schon. Ich habe mir auch etwas überlegt, wie du vielleicht etwas länger durchhalten könntest. Dafür müssten wir dir nur eine Art Wickelverband anlegen, so dass deine Flügel sich daran stoßen, aber nicht herauskommen können. Wir müssen nur herausfinden, wie stark der Verband sein muss." „Gute Idee! An was hast du genau gedacht?" „Wir könnten es erst einmal mit einer Elastikbinde aus der Apotheke

versuchen. Ich glaube, ich habe da noch eine, die können wir ja mal ausprobieren." Ich nickte begeistert, nahm mir meine Müsli-Schale, schüttete mir mein geliebtes Knuspermüsli mit Himbeeren und etwas von Mom's selbstgemachtem Joghurt hinein und löffelte genüsslich alles in mich hinein, während sich Mom mir gegenübersetzte, ihren Kaffee trank und sich einen Toast mit Marmelade machte. Nach dem Frühstück legte Mom mir eine Binde um meinen Oberkörper, der meine Flügel unterdrücken sollte. Als sie damit

fertig war, sagte sie: „Versuch mal, deine Flügel loszulassen. Vielleicht hält es ja?" Ich ließ meine Flügel gedanklich frei, so dass ich sofort spürte, wie sie auf meinem Rücken erst gegen meine Haut und schließlich gegen meinen Verband drückten. Sie wollten eindeutig heraus, doch es hielt. Zumindest für wenige Sekunden ehe ich ein Reißen hörte, der Verband auseinander flog und sich meine Flügel wieder in voller Größe ausbreiteten. Entschuldigend sah ich zu meiner Mom

auf. „Tja, die Binde war scheinbar nicht stabil genug.", kommentierte sie trocken. „Macht aber nichts, ich hole einfach Neue aus der Apotheke. Ich wollte sowieso nachher dorthin." „Ich würde so gern mitkommen, ich muss endlich hier raus." nörgelte ich. „Ich weiß, Liebes. Ich weiß. Aber du brauchst noch etwas Zeit ..." Geknickt nickte ich und widmete mich der Musik im Radio, um nicht in

Depressionen zu verfallen. Als ich anschließend ins Badezimmer ging, um mir die Zähne zu putzen, meine Haare zu kämmen und mich ein wenig hübsch zu machen, stand ich vor dem Spiegel und sah mich darin und doch auch wieder nicht. Denn was ich im Spiegel viel mehr als mein eigenes Spiegelbild wahrnahm, war dieses helle Strahlen, welches aus meinem Inneren zu kommen schien. Ich leuchtete! Ich sprang entsetzt zurück und betrachtete meine Hände und Arme. Sie funkelten ein wenig. Wieso hatte ich das vorhin noch nicht bemerkt? Vorsichtig trat ich an den größeren Badezimmerspiegel

heran und betrachtete mich noch einmal aufmerksamer. Das helle Strahlen kam direkt aus meinem Inneren nahe meines Herzens und breitete sich allmählich immer mehr über meinen gesamten Körper aus bis ich immer heller zu leuchten schien. Aber wieso? Verwirrt verließ ich schnellen Schrittes das Badezimmer und eilte zu meiner Mom zurück in die Küche, die nun auch leuchtete. Irritiert rieb ich mir meine Augen und starrte wieder zu meiner Mom. Sie leuchtete noch immer. Wieder rieb ich meine Augen und hörte sie fragen: „Sky, ist alles in

Ordnung?" „Keine Ahnung, irgendwie leuchten wir beide jetzt." Sie sah mich verwirrt an. „Wie meinst du das, wir leuchten?" „Siehst du es denn nicht?" Ich streckte ihr meine Arme entgegen und wedelte damit hin und her. „Was soll ich sehen?" „Ich strahle extrem hell. Das musst du

doch sehen!" beharrte ich. Sie schüttelte den Kopf. „Ich sehe gar nichts. Bist du sicher, dass alles mit dir in Ordnung ist?" Ich ließ mich auf den nächsten Küchenstuhl fallen, schlug die Hände vor mein Gesicht und ließ den Kopf sinken. „Ich weiß es nicht. Das alles macht mich so ... so wahnsinnig! Ich habe keine Ahnung, was wieso passiert und was noch alles kommt. Ich drehe langsam

durch!" Mom kam zu mir, zog sich einen Stuhl heran, setzte sich neben mich und fuhr mir beruhigend über meinen Rücken. „Du solltest weiter das Tagebuch deines Vaters studieren. Vielleicht steht darin etwas über dieses Leuchten, das dir erklärt, was es zu bedeuten hat." Nachdem ich, nach dem Zähneputzen und Haare kämmen, schwermütig zurück in mein Zimmer gegangen war, holte ich Dad's Tagebuch unter meinem Kopfkissen hervor und blätterte es hastig

durch. Mom hatte Recht. Im Tagebuch meines Dad's stand tatsächlich etwas über dieses helle Strahlen. Es war die Aura, die ich sah. Das bedeutete, ich konnte die Aura und somit auch die Gefühlswelt der Menschen und Engel lesen! Leider hatte er nicht beschrieben, wieso wir Engel sie sehen können oder welche Unterschiede es bei Auren gab und welche Bedeutungen sie hatten. Dad hatte scheinbar gedacht, dass er mich das alles persönlich lehren könnte und ich es nicht aus seinem Tagebuch erfahren bzw. mir selbst beibringen

müsste. Das war der Zeitpunkt, an dem ich beschloss, selbst Tagebuch über meine Erfahrungen zu führen und festzuhalten, was ich über Nephilim und all meine neuen Eigenschaften und Erfahrungen herausgefunden hatte und noch werde. Es sollte in erster Linie für mich sein, aber ich dachte auch an die Zukunft. Vielleicht würde ich eines Tages eigene Kinder haben, die auch Nephilim sind und ihre Fähigkeiten entdecken würden. Sie sollten es besser haben als ich und nicht so durchdrehen, weil niemand da war, der erklären könnte was mit ihnen

geschah. Ich überlegte, was ich als Tagebuch nutzen könnte, als mir wieder einfiel, dass Mom mir vor einigen Jahren ein in dunkles Leder gebundenes Tagebuch zu Weihnachten geschenkt hatte. Damals hatte ich noch keinerlei Verwendung für solch ein Buch und habe es mehr oder weniger achtlos irgendwo in meinem Zimmer verstaut. Aber jetzt sah ich das anders. Blöderweise erinnerte ich mich nicht mehr, wo ich dieses Tagebuch verstaut hatte. Zu allererst durchsuchte ich die Schubladen in meinem Nachtschränkchen, dann das Bücherregal, dann die Schubfächer

meines Schreibtischs. Nichts. Wo sollte ich es nur finden? Nachdenklich setzte ich mich auf mein Bett und ließ meinen Blick durch mein Zimmer gleiten bis ich an meinem Kleiderschrank hängen blieb. Bingo! Ich hatte doch einen Karton auf das oberste Brett gestellt und erinnerte mich vage, dass Buch mal darin gesehen zu haben. Schnell sprang ich von meinem Bett auf, eilte zum Kleiderschrank hinüber, öffnete die Schranktüren und hangelte wie wild nach dem Karton. Doch ich war noch immer nicht groß genug, um ihn ordentlich mit beiden

Händen zu packen, so dass ich den Karton zwar greifen konnte, aber mit ihm zusammen zu Boden fiel. Es krachte wieder einmal und ich stöhnte vor Schmerz auf, doch ich hatte gefunden was ich gesucht hatte. Denn der Karton war umgestürzt und einige Utensilien herausgerutscht, darunter auch das gesuchte Tagebuch. Behutsam nahm ich es an mich, fuhr andächtig über seinen dunkelbraunen Ledereinband, bewunderte seine perfekte Handarbeit und schlug es bedächtig auf. Leere Seiten starrten mich an, Seiten, die mit meinen Worten gefüllt werden wollten. Ich schob das Tagebuch auf mein Bett, räumte rasch alles andere wieder zurück

in den Karton, hob ihn wieder hinauf auf sein Regalbrett in meinem Kleiderschrank und widmete mich im Schneidersitz auf meinem Bett sitzend anschließend meinem Tagebuch. Doch womit sollte ich beginnen? Ich hatte so unglaublich viel in den vergangenen Tagen erfahren, dass ich gar nicht so recht wusste, was zu erst geschrieben werden sollte. Sollte ich damit beginnen, mich vorzustellen oder mit meinem 16. Geburtstag beginnen oder damit, was ich über meinen Dad Raphael herausgefunden hatte? Ich hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, als ich die Haustür

zuschlagen hörte. Mom war vom Einkaufen zurückgekehrt. Ich legte mein Tagebuch neben das meines Vaters, in welchem ich die ersten Seiten beschrieben hatte, und eilte zu Mom hinunter. „Ah, du kommst genau richtig! Ich habe jetzt bestimmt die richtigen Binden für dich gefunden!" verkündete sie stolz und verwies auf die kleine Apothekentüte in ihrer Hand. Ich nahm sie ihr und auch die anderen Einkäufe ab und eilte damit in die Küche, während sich Mom ihre Jacke im Flur auszog und

aufhängte. „Na dann wollen wir mal..." sagte sie und ich erwiderte: „Hoffentlich klappt es diesmal besser als beim letzten Mal!" „Wir werden es gleich sehen." Mom packte die stärkste Binde, die sie in der Apotheke finden konnte, aus und half mir, sie um meinen Oberkörper zu wickeln und zu sichern, so dass sie nicht aufgehen konnte. Dann ließ ich meine Konzentration bezüglich der Flügel locker und wartete ab. Ich spürte wieder,

wie sie gegen mein Rückeninneres drückten und auch die Binde durchbrechen wollten, doch es gelang ihnen nicht. Ich grinste meine Mom stolz an: „Sie bleiben drin! Ich glaube, wir haben es geschafft! Danke, Mom!" Dankbar fiel ich ihr um den Hals und wirkte so glücklich wie schon lange nicht mehr. Auch in den darauf folgenden Stunden blieben meine Flügel wo sie waren: In meinem Rücken verborgen. Durch die Binde fiel es mir etwas leichter, meine

Flügel zu kontrollieren und ich schöpfte neuen Mut.

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Über den Autor

AlexHill
Hallo ihr Lieben, ich bin Sci-Fi- und Fantasy-Autor mit Liebe zu Romantik und schreibe diesbezüglich u. a. auch gern Kurzgeschichten wie z. B. "Dark Guardian". Aber auch an Fantasy-Büchern wie "Nephilim" und einer weiteren Story namens "Jumper" liegt mir sehr viel. Ich hoffe, euch gefallen meine Geschichten. Über Lob wie auch Kritik freue ich mich, dankeschön.

Veröffentlichte Bücher:
- Fairytale Wonderland
- Chronik meines Lebens (Eintragbuch)
- Die ultimative Wahrheit über mich (Eintragbuch, XXL-Steckbrief)
- verschiedene Adress-, Notiz-,Rezept- und Tagebücher
- Kalender für 2017

Auf dieser Seite seht ihr eine Übersicht aller veröffentlichter Bücher:
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Ich erstelle auch leidenschaftlich gern Buchcover und fotografiere gern.

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LG Alex^^

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abschuetze Vielleicht solltest du, damit auch noch neue Leser erfahren, dass es dieses Buch gibt, eine Fortsetzung immer in einem neuen Buch veröffentlichen. Außerdem lesen die Leute hier lieber kürzere Texte, sprich kapitel für Kapitel. Hast du bestimmt auch schon bei den anderen gesehen.

LG von Antje
Vor langer Zeit - Antworten
AlexHill Hi Leute! Es gibt einen neuen Teil zu "Nephilim". Dieser beginnt auf Seite 43! Viel Spaß beim Lesen! LG Alex^^
Vor langer Zeit - Antworten
Ameise Wundervoll, gut das sie jetzt zurück in die Schule kann.
Vor langer Zeit - Antworten
abschuetze So von jetzt auf dann mit Flügeln aufzuwachen ... uff. Also die mutte hätte sie ja auch schon mal so vorsichtshalber drauf vorbereiten können, selbst auf die Gefahr hin, dass sie verrückt rüber käme :))

LG von Antje
Vor langer Zeit - Antworten
AlexHill Hi Antje,

die Mutter hatte es verdrängt und gehofft, dass dies nicht passiert und hat somit sich selbst und ihre Tochter auch nicht darauf vorbereitet. Aber du wirst sicher bald verstehen, wieso.

lg Alex^^
Vor langer Zeit - Antworten
Ameise Armes Ding, aber übung macht den Meister das wird schon. Ich mag mehr.
Vor langer Zeit - Antworten
Ameise Mehr, Wow ein Engel als Vater und Schneeweiße Flügel, ich liebe diese zeilen
Vor langer Zeit - Antworten
AlexHill Hi Ameise,

der zweite Teil kommt sofort :) Schön, dass es dir bisher gefällt.

lg Alex^^
Vor langer Zeit - Antworten
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