Seitdem Galrens Vater vor 20 Jahren auf einer Expedition verschwand, hatte er nichts mehr von ihm gehört. Dies ändert sich schlagartig, als eines Tages ein Fremder in seinem Haus auftaucht und ihm eine Karte übergibt, die ohne Zweifel die Handschrift seines Vaters trägt. So macht er sich schließlich auf, die Route nachzuvollziehen, die dieser vor zwei Jahrzehnten genommen hatte, unwissend, das er dabei längst Teil eines viel größeren Spiels ist, das vor über einem Jahrtausend begann.
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Elin sah zu, wie der Stein über das Wasser sprang. Konzentrische Kreise, die jedoch sofort wieder von den Wellen unterbrochen wurden, stiegen dort auf, wo er das Meer berührte. Sie wartete, bis er in den Fluten versank, bevor sie einen weiteren aufhob, zielte und mit einem Arm ausholte. Zwei Wochen waren sie jetzt hier und der Tag an dem Hedan ihre Abreise nicht mehr aufschieben konnte, rückte näher. Trotzdem waren sie keinen Schritt weiter gekommen. Ihnen lief die Zeit davon… und das einzige, was sie bisher erreicht
hatten, war ein paar Brocken der Zwergensprache aufzuschnappen. Elin selbst verstand mittlerweile genug davon um die Schilder und die Runen auf Häusern und Gebäuden lesen zu können, aber auch das half ihnen kaum weiter. Der König war nach wie vor uneinsichtig und Hadrir führte sie weiter überall dorthin, wohin Galren wollte… nicht das sie dort mehr Antworten erhalten hätten als Anderswo. Sie waren in den Bibliotheken der Stadt gewesen und hatten fast jedes Regal dort durchforstet und selbst in den Gasthäusern wo sich Varan Lahaye angeblich aufgehalten hatte, schien sich niemand an ihn zu erinnern… oder besser, sie wollten es
nicht, dachte Elin. Diese ganze Stadt versank geradezu unter einem Schleier aus Lügen und Halbwahrheiten und ihr blieb nur übrig sich zu fragen, wo sie hier bloß hinein geraten waren. Und was Galren anging, so schien er mit jedem Fehlschlag bloß launischer und verschlossener zu werden. Selbst Lias hatte mittlerweile seine Schwierigkeiten überhaupt an ihn heranzukommen und der Mann war Elin immer ein wenig wie sein Großvater vorgekommen, wäre das nicht völlig unmöglich. Allerdings, wer könnte es ihm noch verübeln… Der Abend als sie aus den Katakomben entkommen waren schien lange vergessen. Der einzige Ort, an dem es
bisher zumindest so etwas wie einen Hinweis auch nur den Beginn einer Spur gegeben hatte, war der Tempel. Aber grade dorthin konnten sie nach ihrem Zusammenstoß mit dem Marschall des Hauses Mardar nicht mehr zurückkehren. Oder wenigstens behauptete Hadrir das. Elin wusste nicht wie viel sie dem Zwerg einfach glauben konnte, aber mit einem zumindest hatte er unrecht. Sicher, wenn sie alle in der Weststadt auftauchten würde das auffallen. Aber niemand rechnete mit ihr, dachte sie, während sie von der Reling zurück trat. Sie hatte gesagt sie würde Galren helfen und vielleicht fand sich ja eine Möglichkeit etwas in Erfahrung zu bringen, wenn sie
den Tempel noch einmal aufsuchte. Nur diesmal ohne Hadrir , der die Priester einschüchterte. Die Leute dort logen, das spürte sie genauso wie alle anderen. Vielleicht über etwas sehr wichtiges. Und gleichzeitig hatten sie Angst. Vielleicht brachte es zumindest etwas Licht in diese Sache wenn sie alleine mit ihnen Sprach… Doch wenn der Zwerg irgendwie erfuhr, was sie vorhatte, würde er darauf bestehen, sie zu begleiten, das war Elin jetzt schon klar. Nein, sie musste in die Weststadt und wieder zurück sein, bevor jemand überhaupt bemerkte, dass sie fehlte. Und so war sie an diesem Morgen bereits
kurz vor Sonnenaufgang aufgestanden um sich aus dem Gasthaus zu schleichen. Die Straßen waren um diese frühe Stunde noch in Nebel getaucht, der vom Meer her aufzog und sich als feiner Wasserfilm auf allem Niederschlug. Bereits die ersten Sonnenstrahlen würden ihn jedoch bereits wieder verdunsten lassen und einen weiteren unsäglich heißen Tag beginnen. Langsam gewöhnte sie sich an die, selbst im Vergleich zu Lasanta extremen, Temperaturen. Elin war noch im Dunkeln durch die Straßen zum Schiff zurück geschlichen um den Sonnenaufgang abzuwarten. Jetzt würde die Stadt bald wieder zum Leben erwachen und die Gassen so voll werden,
dass sie den Aufbruch wagen konnte. Wenn sie losgehen würde, während die Straßen noch leer waren, würde sie nur mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen als ohnehin schon und das war das letzte was sie wollte. Wenigstens, dachte Elin, ragte sie nicht wie die anderen mehrere Köpfe über der restlichen Menge auf. Als sie schließlich den Aufstieg hinauf zum Damm zwischen den beiden Stadtbezirken begann, trieben immer noch vereinzelte Nebelwolken zwischen den Häusern dahin. Die Gärten jedoch waren bereits gut besucht und so viel es ihr recht leicht in der Masse unterzutauchen. So gut das eben ging wenn man die einzige Gejarn weit und
breit war, dachte Elin. Sie hatte sich einen Stoffstreifen über den Kopf gebunden und einen Mantel von Naria ausgeliehen. Oder zumindest hatte sie vor ihn zurück zu bringen. Die Magierin würde vielleicht gar nicht merken, dass er fehlte. Der graue Umhang war ihr ohnehin ein gutes Stück zu groß und schleifte hinter ihr über den Boden. Aber zumindest verbarg er ganz gut was sie war. Als das Tor zur Weststadt in Sicht kam, wurde sie langsamer. Der gewaltige Steinbogen ragte wie der Eingang einer Höhle vor ihr auf und die großen Gattertore mit denen er bei Bedarf geschlossen werden konnte, standen weit
offen. Vielleicht konnte sie einfach mit dem Strom der übrigen Zwerge hindurch gelangen… Aber konnte sie das Risiko eingehen? Elins Augen suchten nach den bewaffneten Gestalten der Torwachen, fanden sie aber nicht. Waren die Männer etwa abgezogen worden, nachdem der König sie verwarnt hatte? Die Gejarn blieb schließlich stehen und wich von den Sandwegen zurück in die Gärten. Das trockene Gras kitzelte an ihren Füßen, während die übrigen Passanten an ihr vorbei und durch das Tor zogen. Die meisten schienen zum Glück kaum Notiz von ihr zu nehmen. So umständlich die Verkleidung war, sie funktionierte für den Moment. Eine
Wache jedoch würde das kaum täuschen. Vermummte Gestalten mussten Aufmerksamkeit auf sich ziehen… An sich sollte sie sich doch freuen, dachte Elin. Sie hatte bereits befürchtet am Wall entlang klettern zu müssen um die Passage zu umgehen. Zwar war ihr Höhenangst fremd, aber die Torheit darin war ihr mehr als bewusst. Nicht nur, das ein einziger Fehltritt bei dieser Höhe ihren Tod nach sich ziehen musste, man könnte Elin auch von jedem Punkt der Stadt aus sehen. Und wenn nur zufällig jemand vom Mauerrand nach unten sah, musste man sie entdecken. Was tat man nicht alles für Leute die man mochte… auch wenn sie sich immer
mehr zu verändern schienen… Die Gejarn war mittlerweile bis zu einem künstlichen Teich zurück gewichen, nach wie vor die Sandstraße im Blick. Das Wasser plätscherte aus einem großen zweistöckigen Brunnen und über eine Rinne in das Becken hinab. Der Anblick rief ihr nur in Erinnerung wie verfahren die ganze Situation eigentlich war. Die Zwerge würden ohne den ständigen Wasserfluss kaum lange überleben… und ihr König log sie darüber an, wie begrenzt ihre Vorräte mittlerweile eigentlich waren. War das ein einzelnes Problem? Oder doch Teil der Gründe aus denen man ihnen in dieser Stadt solche Verachtung
entgegenbrachte ? Sie würde es nicht herausfinden in dem sie hier abwartete. Die übrigen Reisenden kamen unbehelligt durch die Tore und nirgendwo war ein Posten zu sehen. Aber was wenn sie schlicht am anderen Ende des Abstiegs warteten ? Nun, das war ein Risiko das sie eingehen musste, dachte Elin und trat zurück auf den Weg. Es gab keine Wachen. Weder am Tor noch auf dem Weg die unzähligen Treppenstufen zur Weststadt hinab und auch nicht, als die Gejarn schließlich wieder in den Straßen verschwand. Zwar hatte sie sich den Weg zum Tempel den Hadrir das letzte Mal genommen hatte nicht gemerkt, doch die weißen , im
Licht der Morgensonne gleißend hellen, Türme waren von überall zu sehen. Alles was Elin tun musste war, ihnen zu Folgen und darauf zu achten, sich möglichst in der Mitte des Wegs zu halten. Die Leute um sie herum gaben ihr zumindest etwas Schutz, sollte sie doch einmal einen Posten übersehen. Ihre Bedenken jedoch, waren unbegründet gewesen. Ohne Zwischenfälle erreichte sie schließlich den großen Marmorbau im Zentrum der Stadt und stieg die ausgetretenen Stufen zum Eingang hinauf. Im inneren des Tempels war es ruhig und neben ihr waren vielleicht ein halbes Dutzend Gläubigen Anwesend, die vor
den verschiedenen Altären knieten oder still auf den Bänken saßen. Vor dem großen Marmorblock ganz am Ende des Gebäudes jedoch hatte sich eine kleine Gruppe Priester in weißen Roben versammelt, die leise sangen. Normalerweise hätte sie sich nicht weiter darum gekümmert, aber irgendetwas hielt sie davon ab, die Versammlung einfach mit ihren Fragen zu unterbrechen. Stattdessen setzte sie sich ruhig auf eine der Bänke und wartete, bis die Männer und Frauen ihren Gesang beendeten. Auch wenn sie die Worte nur bruchstückhaft verstand, hatte es etwas beruhigendes, dachte sie, während ihr Blick durch den Saal wanderte. Das
Bildnis des Herrn des Feuers sah ernst und schweigend vom Torbogen in den Saal und das Sonnenlicht, das durch die übrigen Fenster schien, tauchte den weißen Marmor in tausend verschiedenen Farben und Schattierungen. Elin konnte später nicht einmal mehr sagen, wie lange sie so dasaß, aber schließlich verstummten die Stimmen der Priester. Die kleine Gruppe am Altar teilte sich und sie stand auf um einen von ihnen abzupassen. Der Mann, den sie schließlich anhielt, trug einen langen weißen Bart und als er sich zu ihr umdrehte, hatten seine Augen den gleichen seltsamen, uralten Blick, wie auch der König. Müde und gleichzeitig
auf eine Art wach, die sie sich nicht erklären konnte. Als er sprach, war seine Stimme überraschend sanft und leise. Eine Gesangsstimme, dachte Elin auch wenn er nicht sang. ,, Ja ? Was kann ich für euch…“ Er hielt mitten im Satz inne, als ihm klar wurde, dass er keinem Zwerg gegenüber stand. ,, Ihr… Ihr seid eine der Fremden, die mit Hadrir hier waren, oder?“ ,, Das bin ich.“ , erklärte sie. ,, Und ich möchte euch nichts Böses, im Gegensatz zu dem, was jeder in dieser Stadt zu glauben scheint.“ Der Priester nickte und ein kurzes Lächeln stahl sich auf seine Züge. ,,
Vielleicht. Und was wünscht ihr, das ihr euch alleine hier her wagt?“ Sein Blick schweifte rasch durch den Tempel und über die wenigen anwesenden Gläubigen. ,, Wie ich sehe sind eure Freunde nicht hier.“ ,, Nein, aber ich suche nach Antworten für einen.“ , erklärte Elin. Erneut nickte der Mann und er sah zurück zum zersplitterten Haupt-Altar, wo die übrigen Priester bereits damit begannen, eine neue Hymne anzustimmen. ,, Ich kann mir auch denken, worum es dabei geht. Ich kann euch nicht alles sagen. Nicht hier und nicht wenn ich den morgigen Tag erleben will. Aber ich bin mag keine
Lügen. Und wenn ihr bereits seit euch dem Risiko auszusetzen hierher zu kommen… dann glaube ich verdient euer Freund ein paar Antworten.“ ,, Dann sagt mir zuerst eines. Kanntet ihr Varan Lahaye ?“ ,, Ich kannte ihn einmal, könnte man sagen. Einer der Männer, der mit euch hier war… Das war sein Sohn, oder?“ Elin nickte. ,, Für ihn sind eure Antworten.“ ,, Ich habe ihn gleich erkannt. Sie sehen sich ziemlich ähnlich, wisst ihr? Varan hatte in seiner Zeit hier immer diese gleiche, getriebene Art an sich. Trotzdem habe ich ihn als einen Menschen kennen gelernt der zu einem
seltsamen Mitgefühl mit allem und jedem fähig war.“ Das, dachte Elin, klang tatsächlich sehr nach Galren. ,, Wisst ihr was das erste war, was er tat als er hier ankam? Er und der König hatten sich die Oststadt angesehen und es gab einen unterirdischen Einsturz. Eine halbe Straße ist in die Tiefe gerutscht, mitsamt allen, die das Unglück hatten, sich darauf zu befinden und was tat er? Er sprang hinterher. Hat sie ohne Hilfe wieder aus den Katakomben nach oben geführt. Es gab kaum jemanden hier, der ihn nicht respektiert hat, die meisten nannten ihn einen Helden. Und doch schien er nie wirklich zur Ruhe zu
kommen.“ ,, Und könnt ihr mir auch sagen, was aus ihm wurde ?“ Diesmal zögerte der Priester. ,, Ein wenig. Was hat euch der König erzählt, was aus ihm wurde?“ ,, Das er lange fort ist.“ , erklärte Elin. ,, So gesehen ist das nicht einmal eine Lüge, aber…“ Er stockte und seine Augen richteten sich auf irgendetwas hinter Elin. Bevor sie noch reagieren konnte, hatte er sie an den Schultern gepackt und schubste sie in Richtung eines der Seitenaltäre. Der Mann war erstaunlich kräftig und Elin stolperte hinter den hüfthohen Steinblock. Sie wollte fragen, was das sollte, doch die
Worte blieben ihr im Hals stecken, als sie dem Blick des alten Priesters folgte. Die übrigen Gläubigen strömten mittlerweile alle in Richtung Ausgang, an dem Mann vorbei der dort stand. Groß für einen Zwerg und mit langen schwarzen Haaren, die heute jedoch im Nacken zusammen gebunden waren . Auch trug er keine Rüstung mehr, doch der rote Umhang um seine Schultern wies immer noch das gleiche Wappen auf. Stützbalken und Hacke. Das Symbol des Hauses Mardar. Dem Mann wiederum folgten vier weitere Gestalten, die ebenfalls das Wappen trugen. Das und gezückte Schwerter, Feuerwaffen und
Streithämmer…
Wie um ihre letzten Zweifel auszuräumen, trat der Priester mit erstarrter Mine auf die fünf Eindringlinge zu. ,, Marschall Algim Mardar. Was verschafft mir die Ehre eures Besuchs?“
EagleWriter Nicht ganz wegen Elin, aber.... sein auftauchen ist nichts gutes, wie du wohl schon gelesen hast. lg E:W |
abschuetze Endlich Antworten und dann kommt der Marschall schon wieder ... LG von Antje |
EagleWriter Tja wie könnte es auch anders kommen ^^ lg E:W |