Kapitel 56 Konfrontation
Als Hadrir an diesem Abend den Kristallsaal betrat, kam ihm dieser Ort um einiges düsterer vor als sonst. Normalerweise schienen die Juwelen und Edelsteine, die Boden und Wände der Halle schmückten mit einem inneren Feuer zu brennen, doch heute schenkte er dem Punk keine Beachtung. Etwas, das vor allem an seiner eigenen Stimmung lag… Aber tatsächlich waren die Feuer, die in großen Steinschalen entlang des Gangs loderten gedämpft, die Kohlen zu Glut heruntergebrannt. Doch der König musste ihn erwartet haben, dachte er.
Man hatte ihn sofort empfangen, als er durch die Palasttore tra-
Das halbe Dutzend Wachen, die in dem Raum Spalier standen beäugten ihn, manche neugierig, andere misstrauisch. Vermutlich hatte die Nachricht über ihr Eindringen in die Weststadt bereits den Palast erreicht. Vielleicht sogar die, von ihrem Zusammenstoß mit dem Haus Mardar.
Hadrir konnte ihr Wappen auf mehr als einem Burstharnisch erkennen. Vielleicht waren sogar welche darunter, die sie zuvor auf der Straße gefangen nehmen wollten. Oder schlimmeres. Aber hier war es ihm egal. Solange sie im Palast waren unterstanden diese Männer dem
König und niemandem sonst.
,, Wie lange hast du geglaubt, dauert es, bis ich es herausfinde ?“ , Seine Stimme hallte durch den Saal, während er auf den Thron zutrat. König Brunar Silberstein zuckte unter den Worten zusammen und die Wachen legten ob der Wut darin ihre Hände an ihre Schwerter. Der König, sein Vater, wirkte älter, als noch gestern. Statt der prunkvollen purpurfarbenen Roben trug er nun ein schlichteres Wams. Silberfäden glitzerten auf dem braun-schwarz gerippten Stoff und dem weißen Umhang, der ihm über die Schultern fiel. Es ließ ihn kleiner wirken, dachte Hadrir. ,, Das Wasser geht zur Neige und
du hast davon gewusst !“
Brunars Augen waren müde, als sie dem lodernden Blick seines Sohnes begegneten. Das Alter das sich darin spiegelte hatte alle Erhabenheit verloren. ,, Blödsinn.“ , erklärte er stur. ,, Glaubst du nun auch schon die Gerüchte, die der Prophet in die Welt setzt , Hadrir ? Ich dachte du wärst klüger.“
,, Das hat nichts mit Gerüchten zu tun… Vater-König. Ich war in den Katakomben…“
Von einem Moment auf den anderen schien sich die ganze Stimmung im Raum zu wandeln. Brunar sank auf dem Thron noch mehr in sich zusammen, erwiderte aber nichts. Die Wächter im
Raum rührten sich nervös, das Klirren ihrer Panzer und Waffen das einzige Geräusch, das die einsetzende Stille durchbrach.
,,Herr…“ , setzte einer von ihnen an. ,, Wünscht ihr, das wir ihn entfernen ?“
Das sollten sie versuchen, dachte er. Rasch schätzte er seine Chancen ein. Die beiden Wachen die ihm am nächsten Standen waren mit Lanzen bewaffnet, die hier drinnen jedoch kaum ihre volle Wirkung zeigen würden. Die danach folgenden trugen jedoch Gewehre mit breiten Axtklingen unter dem Waffenlauf… Im Zweifelsfall würden sie ihn überwältigen können. Und er war sich nicht mehr sicher ob sein Vater das
einer Auseinandersetzung nicht längst vorziehen würde. Er hatte sie alle getäuscht… also warum sollte Hadrir sich nicht auch in ihm als Person getäuscht haben?
,, Nein.“ Die Stimme des Königs hatte alle Schärfe von zuvor verloren. Für Hadrir konnte es kein eindeutigeres Schuldeingeständnis geben. Bis grade eben hatte er noch Hoffnung gehabt. Hoffnung, dass sein Vater nichts davon wusste, dass er ihn Auslachen ihn vielleicht sogar schelten würde. Die Wellen des Zorns die in ihm rumorten seit er wieder ans Tageslicht gekommen war, türmten sich zu neuen Höhen auf. Die Lügen endeten
hier…
,, Lasst uns alleine.“ , wies der König seine Wachen an und die Männer folgten der Aufforderung schließlich schweigend. Hadrir wartete nur, bis die Tür des Thronsaals hinter ihnen ins Schloss viel, bevor er seiner Wut seiner angestauten Frustration freien Lauf ließ.
,, Ihr wusstet das die ganze Zeit, oder ?“ , schrie er und schwang im gleichen Moment den Hammer gegen eine der Edelsteinfließen. Die Fließe zersprang mit einem hohen Knall und Splitter segelten nur eine Handbreit am Kopf des Königs vorbei, gruben sich in den kristallthron und hinterließen hässliche Kratzer in den einst klaren Steinen.
Brunar blieb davon ungerührt, während Hadrir fortfuhr. ,, Sag mir… Vater, was für ein Spiel spielst du hier eigentlich? Bisher habe ich geglaubt unser Ziel sei es, diese Stadt wieder zu einen. Aber wie sich herausstellt ist sie zum Untergang verdammt.“
,, Ich habe bereits Schürfer in die Tunnel geschickt.“ , erklärte der König nach wie vor mühsam beherrscht. ,, Die alten Tunnel werden erweitert.“
,, Und was haben diese Männer bisher zu Tage gefördert außer Tunnelschleichern ?“ , fragte Hadrir grimmig. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. ,, Wie tief glaubst du kannst du das Gestein aufbrechen bis uns das Feuer verschlingt
? Wir haben vor Jahren aufgegeben nach neuen Wasserquellen zu suchen weil uns versichert wurde, die gefundenen Reserven würden für Jahrhunderte reichen. Mit dem was noch da ist, wird diese Stadt keine weitere Generation sehen!“
,, Ich brauche nur mehr Zeit.“ , erkläre der König. ,, Ich… Ich werde nicht zulassen, dass irgendeine Seite in diesem Konflikt noch mehr Acht gewinnt? Verstehst du das? Schon gar nicht der Prophet. Und wenn die Situation bekannt würde…“
,, Also riskierst du stattdessen die Vernichtung unseres Volkes !“ Hadrir wusste, was seinen Vater dazu trieb, die
Wasserreserven geheim zu halten. Aber heilige Ahnen, das war nebensächlich wenn sie alle verdursten würden.
,, Ich werde ihm jedenfalls nicht erlauben seine Ziele am Ende noch durchzubringen.“ , erklärte Brunar grimmig und mit einem Funken der alten Stärke. ,, Dem Propheten zu erlauben unser Volk zu benutzen wird es genauso sicher vernichten, Hadrir. Und die Isolationisten… Sie würden am liebsten jeden umbringen, der ihren Zielen nicht auf Linie folgt. Den alten Weg, wie sie es nennen. Verfluchte Barbaren. Unser Volk war einmal zu höherem Bestimmt, als von einem internen Konflikt aufgerieben zu werden. Ich kann sie
nicht wissen lassen, dass uns die Zeit davon läuft… Niemand darf das erfahren.“
Hadrir überging die Bitte. Wenn man ihn fragen würde müssten es alle wissen. Das war nicht tragbar, das ging gegen alles zu was sich der König seinem Volk gegenüber verpflichtet hatte. ,, Wie lange weißt du es schon ?“ , verlangte er zu wissen. ,, Du hast bereits vor Jahren angeordnet, das die Katakomben zu meiden sind… damit niemand entdeckt wie es wirklich um uns steht, oder ?
,, Seit fast zwanzig Jahren.“ , murmelte Brunar leise. ,, Seit dem Tag an dem ich mit Varan Lahaye in die Tiefe stieg und wir feststellen mussten, das der
Wasserspiegel im See sank. Jahrhunderte lang hat er sich kaum verändert, gespeist durch das Grundwasser im Gestein. Aber dann begann er zu schwanken… Es gab ein Erdbeben… als er den Tempel betrat, damals. Als der Stein zersprang. Das muss die unterirdischen Flüsse blockiert haben. Und es will uns nicht gelingen sie wieder freizulegen.“
,, Moment… das heißt Varan Lahaye wusste ebenfalls davon ?“ Und wenn Galrens Vater das Geheimnis des Königs kannte, wen sie es gemeinsam entdeckt hatten… was im Namen aller Ahnen bedeutete das dann für ihn? Hadrir lief ein Schauer über den Rücken, wenn er
darüber nachdachte. Nein… Seine Stimme zitterte, als er weitersprach. ,, Ist das etwa der Grund aus dem…
,, Nein !“ Der König sprang fast von seinem Thron auf. ,, Nein… Er existiert nicht mehr, Hadrir. Das weißt du so gut wie ich. Wenn jemand davon erfahren würde, wären wir nicht in der verfahrenen Situation in der wir jetzt sind. Mein Kopf würde vermutlich auf den Stadtmauern verwesen während ihr alle dem Propheten über das Meer folgt… Und deshalb musst du schweigen.“
,, Nun ich bin jedenfalls nicht der einzige der davon weiß. Was glaubst du soll ich Galren und den anderen sagen?
Das sie still halten sollen weil du, ein Mann der ihnen bisher nur Steine in den Weg gelegt hat und mir befahl noch welche dazuzulegen, sie darum bittet? Und was tust du wenn der Prophet sie selbst aufsucht, wenn…“
,, Das wird er nicht wagen.“ , donnerte Brunar. ,, Nein. Er kann sich nicht sicher sein ob sie ihm tatsächlich helfen würden. Grade wenn sie die Wahrheit kennen… Dieser Mann hat noch nie etwas getan von dem er nicht wusste, dass es seinen Plänen dienen würde. Wir haben noch Zeit.“
,, Also soll ich noch mehr Lügen ja ?“ , fragte Hadrir mit düsterer Stimme. Langsam war er es leid. Eigentlich
hätten die Täuschungen hier ein Ende haben müssen. Doch der König spielte sein Spiel stur weiter. ,, Ich lüge sie schon über so viel an, ich lüge sogar darüber in welcher Gefahr sie hier wirklich schweben. Die Häuser sind das geringere Übel, das weißt du. Aber sie haben uns bereits angegriffen…“
,, Wie bitte ?“ Der König schien erneut ernsthaft überrascht, während er von dem Angriff und ihrer Flucht durch die Katakomben erzählte. Doch langsam konnte Hadrir nicht mehr sicher sein, was er diesem Mann noch glauben konnte. Einen Moment verstand er die Frustration, die Galren und die anderen spüren mussten wenn er sie wieder in
eine vorbereitete Sackgasse führte…“
,, Ach komm schon, nach dem ich all das gesehen habe, wer sagt mir, das du das Ganze nicht orchestriert hast ? Ein weiterer Versuch deine Probleme aus der Welt zu scheuchen aber wo dir die Lügen nicht weiterhelfen bedienst du dich eben der Isolationisten.“
,, Hadrir ! Du weißt genauso gut wie ich, das ich nie so weit gehen würde. Ich will sie hier nicht haben aber ich will sie auch nicht tot sehen. Ansonsten hätte ich es in dem Moment getan in dem man mir berichtet hat, dass ein fremdes Schiff aus den Stürmen gekommen ist. Sie hätten nie den Hafen erreicht.“
,, Und das soll ich dir glauben ? Ich
weiß ja nicht einmal mehr, wer du bist… der König dem ich die Treue geschworen habe jedenfalls nicht…“ Nach wie vor zitterte er, aber nicht länger vor Wut. Diese war längst verraucht. Was blieb war Enttäuschung, das Gefühl Betrogen worden zu sein. Er hatte alles getan was Brunar von ihm verlangt hatte, so schwer ihm das fiel. Und trotzdem hatte sein eigener Vater es nicht für nötig gehalten ihn in alles einzuweihen. Und nach wie vor gab es Dinge, die er nicht wusste oder verstand…
,, Dann sage mir Hadrir, was würdest du an meiner Stelle tun ? Egal wie deine Entscheidung aussähe, denk nach und du siehst in der jetzigen Situation würde sie
uns alle verdammen.“
Die Wahrheit war, dass er keine Antwort wusste. Die Isolationisten zu unterstützen würde bedeuten alles zu vernichten, wofür sie einmal hatten stehen wollen und damit die Seele ihres Volkes zu ermorden. Jeden Rest an offenem Geist und an Aufgeschlossenheit an allem, was sie groß gemacht hatte auszumerzen… Und den Leuten die Wahrheit zu sagen und damit den Propheten zum Sieg zu verhelfen… nun wer wusste schon, was der Prophet tun würde. Der Mann war nie berechenbar gewesen außer in seinem ewigen Streben danach sie zur Rückkehr zu überreden. Nur das es sie vielleicht genauso sicher
vernichten würde.
,, Bitte vertrau mir noch dieses eine Mal… Vielleicht findet sich ein Ausweg für uns.“
,,Galren wird sicher nicht so einfach aufgeben.“
,, Nein und das wird sein Untergang sein. Wenn sie viel länger hier bleiben ist er bald genau so verrückt, wie der alte Lahaye. Es hat bereits angefangen m nach allem was du mir erzählt hast.“
,, Und ich schätze nicht einmal davor darf ich ihn warnen.“
,, Würde er dir glauben ? Und glaube nicht, das mir es leicht fallen würde so etwas zu sagen, aber so stehen die Dinge nun einmal. Varan war mein Freund
bevor er sich veränderte, vor… all dem. Du musst sicherstellen, dass sie Schweigen Hadrir. Das ist der einzige Schutz den sie im Augenblick haben, den meinen ist nichts wert.“
Damit musste er dem König erneut Recht geben. Weder er noch Brunar konnten Galren oder die anderen beschützen. Brunar nicht, weil er kein Interesse daran hatte und er nicht, weil ihm ohne den König schlicht jegliche Macht dazu fehlte. Wenn es nur einen Weg gäbe das alles zu beenden ohne das irgendjemand dabei zu Schaden käme. Es hatte mal eine Zeit gegeben, in der hatte ihr Volk versucht seine Probleme mit Logik und Erfindungsgabe zu lösen. Was war von
diesen nobleren Tagen geblieben? Ein Gespinst aus Hass, Angst und über allem der Schatten des Propheten, der seine Fäden zog…